Aktenzeichen M 9 K 17.4597
Leitsatz
Wenn das Baugrundstück gleichsam auf einem Plateau deutlich unterhalb der bebauten Grundstücke liegt, an die es anschließt, wirkt sich diese topographische Situation so aus, dass das Baugrundstück nicht mehr zu der Bebauung auf den oberhalb liegenden Grundstücken gehört und deshalb im Außenbereich liegt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Das Landratsamt hat den Bauantrag zu Recht abgelehnt.
Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Es befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (nachfolgend 1.) und ist dort nicht zulässig (2.).
1. Das Baugrundstück liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich.
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist bei einem Baugrundstück, das nicht in einem Bebauungsplangebiet liegt, entscheidend für die bodenrechtliche Beurteilung nach § 34 oder § 35 BauGB, ob es innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Ob es sich bei der Ansiedlung in der Umgebung des Baugrundstücks um einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB handelt, kann hier offen bleiben‚ da das Baugrundstück schon nicht an einem Bebauungszusammenhang teilnimmt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängt die Beantwortung der Frage‚ ob ein Grundstück Teil eines Bebauungszusammenhangs ist, davon ab‚ inwieweit eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben treffen, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topografischen Situation und der Umgebungsbebauung (BVerwG‚ U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012‚ 1631; B.v. 8.10.2015 – 28.15 – ZfBR 2016, 67).
Danach ist das am Rand der bestehenden Bebauung liegende Baugrundstück dem Außenbereich zuzuordnen, da es nicht Teil eines Bebauungszusammenhangs ist.
Im Fall einer Grundstückslage am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf von Grundstücksgrenzen regelmäßig am letzten mit den übrigen Häusern im Zusammenhang stehenden Baukörper (BVerwG‚ B.v. 8.10.2015 a.a.O.). Die Argumentation in der Klagebegründung, dass das Baugrundstück zum Bebauungszusammenhang der Gebäude entlang der … Str. gehört, trifft nicht zu. Ausweislich des Lageplans und der Feststellungen im Augenschein ist nur eine einzeilige Bebauung entlang der … Str. prägend, während das Vorhaben in der zweiten Reihe gebaut werden soll. Die weiter südlich, am Anfang des relevanten Bereichs, vorhandene Bebauung in zweiter Reihe (Gebäude Hausnummern 16 a – c, 18, 20 und 22, FlNrn. 416/7, -/6 und -/2 sowie 416 rückwärtig, 416/11 und -/15 und 416/1) ist zu weit entfernt vom klägerischen Grundstück, um dieses in diesem Sinn mitzuprägen, außerdem vermögen diese Gebäude nicht den Eindruck herzustellen, dass entlang der … Str. bis zum klägerischen Grundstück eine mehrzeilige Bebauung üblich ist. Ob der noch vorhandene Altbau auf dem Baugrundstück mitprägt, ist dabei unerheblich, da es sich hierbei selbst bereits um ein Außenbereichsvorhaben handelt.
Unabhängig davon hat der gerichtliche Augenschein ergeben, dass das Baugrundstück bereits wegen einer topographischen Zäsur nicht an einem bestehenden Bebauungszusammenhang teilnimmt. Im Vergleich zu den näher an der … Str. liegenden Grundstücken FlNr. 419/1, 419/3 und 419 liegt das Vorhabengrundstück erheblich tiefer, und zwar um mindestens vier Meter, im Verlauf des Geländes nach Süden noch mehr. Das Baugrundstück liegt gleichsam auf einem Plateau deutlich unterhalb der bebauten Grundstücke, an die es anschließt. Nach dem Eindruck im gerichtlichen Augenschein wirkt sich diese topographische Situation so aus, dass das Baugrundstück nicht mehr zu der Bebauung auf den oberhalb liegenden Grundstücken gehört.
2. Das im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegende Vorhaben ist nicht genehmigungsfähig.
Mangels Privilegierung des Außenbereichsvorhabens, § 35 Abs. 1 BauGB, kommt eine bauplanungsrechtliche Zulassung nur auf der Grundlage von § 35 Abs. 2 BauGB in Betracht. Dem steht aber entgegen, dass das Vorhaben öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt.
Das Vorhaben beeinträchtigt zunächst den öffentlichen Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Es steht im Widerspruch zu der Darstellung des Flächennutzungsplans, der für das Baugrundstück Grünfläche darstellt. Außerdem beeinträchtigt das Vorhaben den öffentlichen Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 Var. 2 und 3 BauGB. Das Vorhaben, das die Bebauung weiter in den Außenbereich ausgreifen lassen würde, würde eine Splittersiedlung erweitern bzw. mindestens verfestigen. Schließlich beeinträchtigt das Vorhaben auch die natürliche Eigenschaft der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
Ein sogenannter Teilprivilegierungstatbestand gemäß § 35 Abs. 4 BauGB mit der Rechtsfolge der Ausblendung der beeinträchtigten Belange kommt dem Vorhaben nicht zu Gute.
In Betracht kommt dabei lediglich der Tatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Es fehlt hierfür jedoch an mehreren Voraussetzungen.
Das vorhandene Wohngebäude, an dessen Stelle das Vorhaben errichtet werden soll, ist nicht zulässigerweise errichtet im Sinne von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) BauGB. Anders als für das weiter südöstlich gelegene Gebäude existiert für den hier zu ersetzenden Altbestand keine Baugenehmigung. Dass dieses Gebäude genehmigt war, konnte der Kläger auch nicht auf andere Weise nachweisen. Da dies letztlich in die Sphäre des Klägers fällt, trägt dieser auch die Folgen der Nichterweislichkeit, sogenannte materielle Beweis- oder Feststellungslast.
Unabhängig davon fehlt es auch daran, dass das vorhandene Gebäude seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt wird, § § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) BauGB. Nach eigener Aussage des Klägers ist das leerstehende und stark sanierungsbedürftige Gebäude seit 1997 nicht mehr bewohnt.
Ein wie auch immer gearteter Bestandsschutz verhilft der Klage schließlich nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass es bei einem wie hier genehmigungspflichtigen Vorhaben sogenannten materiellen Bestandsschutz (vgl. VG München, U.v. 29.11.2017 – M 9 K 16.2159 – juris Rn. 47) nur in dem Rahmen gibt, den das Gesetz vorsieht, hier also gemäß § 35 Abs. 4 BauGB, ist die Berufung auf dieses Institut nicht nachvollziehbar. Nach dem überkommenen materiellen Bestandsschutzbegriff, den der Klägerbevollmächtigte in Anspruch nehmen will, müsste das Vorhaben, d.h. das bestehende Gebäude, für einen nicht unerheblichen Zeitraum genehmigungsfähig gewesen sein. Weder wird belegt, wann das der Fall gewesen sein soll, noch auf welcher Rechtsgrundlage. Selbst dann aber wäre, unterstellt, dass irgendwann Bestandsschutz gegeben gewesen wäre, dieser durch die Nichtnutzung über mehr als 20 Jahre erloschen.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind billigerweise nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich dadurch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.