Baurecht

Anspruch auf Leistung von Sicherheit gemäß § 648a Abs. 1 Sätze 1 u. 2 BGB a.F.

Aktenzeichen  5 U 190/17

Datum:
18.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56204
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 648a Abs. 1 S. 1 u. 2, § 649 S. 2, § 649 S. 1

 

Leitsatz

1. Auch nach Kündigung eines Werkvertrages kann der Unternehmer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB a.F. verlangen. Es reicht für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit aus, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht (vgl. BGH NJW 14, 2186 Rn. 12 – 14 m.w.N.). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Höhe nach einer Kündigung zustehenden Vergütung richtet sich hier nach den bereits vom Kläger erbrachten Leistungen abzüglich der vom Kläger ersparten Aufwendungen oder den durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft erworbenen Einkünften oder den vom Kläger böswillig unterlassenen Erzielen von Einkünften. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 64/17 2017-11-14 Endurteil LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 14.11.2017, Az.: 1 HKO 64/17, durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 73.958,50 EUR festzusetzen.
3. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erhält die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme bis 28.02.2018.

Gründe

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 14.11.2017, Az.: 1 HKO 64/17, hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2, 513 Abs. 1, 529, 546 ZPO).
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistung von Sicherheit in Höhe von 73.958,50 € gemäß § 648a Abs. 1 Sätze 1 u. 2 BGB a.F.
1. Gemäß Artikel 229 § 39 EGBGB ist das Recht in der Fassung vor der Änderung des Werkvertragsrechts zum 01.01.2018 anwendbar.
2. Zwischen der Beklagten als Bestellerin und dem Kläger als Unternehmer (Erbringung von Architektenleistungen für die Errichtung eines Bauwerks) besteht ein Werkvertrag.
3. Der Kläger als Architekt kann die Stellung einer Sicherheit gemäß § 648a BGB a.F. verlangen (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 05, 416, BeckOK, BGB, Stand 01.02.2017, § 648a Rn. 3 m.w.N.).
4. Auch nach Kündigung eines Werkvertrages kann der Unternehmer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB a.F. verlangen. Es reicht für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit aus, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht (vgl. BGH NJW 14, 2186 Rn. 12 – 14 m.w.N.).
5. Die Höhe der von der Beklagten zu stellenden Sicherheit beträgt 73.958,50 €.
Maßgebend ist die Höhe der dem Unternehmer nach einer Kündigung zustehenden Vergütung. Diese richtet sich hier nach den bereits vom Kläger erbrachten Leistungen und, soweit Leistungen aufgrund der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung nicht erbracht wurden, gemäß § 649 S. 2 BGB a.F. nach der Höhe der für die nicht erbrachten Leistungen vereinbarten Vergütung abzüglich der vom Kläger ersparten Aufwendungen oder den durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft erworbenen Einkünften oder den vom Kläger böswillig unterlassenen Erzielen von Einkünften sich ergebenden Betrag.
Der Unternehmer hat dabei die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung schlüssig darzulegen (vgl. BGH NJW 14, 2186). Dabei sind folgende Rechtsgrundsätze zu beachten: Nach dem Sinn und Zweck der Regelung in § 648a BGB a.F. ist dem Unternehmer eine Sicherheit zu gewähren, die ihren Zweck nicht verfehlt, ihn vor dem Ausfall des Bestellers bei der Erbringung der von ihm zu erbringenden Vergütung zu schützen. Deshalb kann ein den Rechtsstreit über die Stellung einer Sicherheit verzögernder Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs nicht zugelassen werden. Der Unternehmer muss jedoch, wenn er eine Sicherheit für die vereinbarte Vergütung haben will, diese schlüssig darlegen. Dies gilt auch für die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung. Auch diese Vergütung, die nach § 649 S. 2 BGB a.F. geschuldet wird, ergibt sich aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Vereinbarung und ist deshalb die vereinbarte Vergütung im Sinne des § 648a Abs. 1 BGB. Nach einer erfolgten Kündigung des Werkvertrages gem. § 649 S. 1 BGB a.F. muss sich der Unternehmer auf die vereinbarte Vergütung dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 649 Satz 2 BGB a.F.). Diesen so zu berechnenden Anspruch muss der Unternehmer darlegen. Er hat die vereinbarte Vergütung und weiter darzulegen, welche Kosten er erspart hat und/oder welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen lassen muss (vgl. BGH NJW 14, 2186 m.w.N.). Die Prüfung, ob diese Forderung schlüssig dargelegt ist, führt nicht zu Verzögerungen, die nicht hinnehmbar wären. Der Besteller hat ein berechtigtes Interesse daran, nur mit einem Sicherungsverlangen konfrontiert zu werden, das der durch die Kündigung bedingten Veränderung des Vergütungsanspruches Rechnung trägt. Denn die Sicherheitsleistung für eine Vergütung nach einer Kündigung des Werkvertrages vor Vollendung des geschuldeten Werkes belastet den Auftraggeber in einem erheblichen Maße. Dem berechtigten Interesse des Unternehmers, eine effektive Sicherheit zu erlangen, wird ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruches im Prozess auf Stellung einer Sicherheit nicht zugelassen wird. Der Gesetzgeber wollte dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall erlangen zu können, dass der Besteller ihn nicht bezahlt. Dieser Zweck des Gesetzes würde gefährdet, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechnung des Vergütungsanspruchs erst langwierig aufgeklärt werden müssten. Denn in diesem Zeitraum der Aufklärung kann der Besteller zahlungsunfähig werden, wovor der Unternehmer geschützt werden muss (vgl. BGH NJW 14, 2186). Der Vergütungsanspruch nach § 649 S. 2 BGB a.F. für nicht erbrachte Leistungen ermittelt sich aus der Differenz zwischen der für die nicht ausgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung einerseits und den ersparten Aufwendungen und anderweitig erzielten Erwerb andererseits (vgl. BGHZ 140, 263; Palandt, BGB, 77. Auflage § 648 Rn. 5). Ersparte Aufwendungen sind dabei solche, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen, wegen der Kündigung aber nicht mehr machen muss, wie sie sich für den konkreten Vertrag nach den Vertragsunterlagen tatsächlich ergeben (vgl. BGH WM 11, 1716; Palandt a.a.O. § 648 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Hierzu gehören projektbezogene Herstellungs- und variable Gemeinkosten, die sich auf den konkreten Auftrag beziehen (vgl. BGH NJW 00, 653; 16, 2944; Palandt a.a.O.).
Der Kläger hat im vorliegenden Fall die ihm nach der Kündigung zustehende Vergütung schlüssig dargelegt. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. In den Schriftsätzen seiner Bevollmächtigten vom 30.08.2017 und vom 09.10.2017 hat der Kläger dargelegt, in welcher Höhe er Aufwendungen erspart hat, wobei er diese auch im Einzelnen dargelegt hat. Die Vorlage einer entsprechenden Schlussrechnung ist für die Geltendmachung des Sicherungsanspruchs nach § 648a BGB a.F. nicht erforderlich. Auf die Einwendung der Beklagten, dass der Kläger ihr gegenüber erklärt habe, für nicht erbrachte Leistungen nichts zu verlangen, kann und braucht im vorliegenden Rechtsstreit, der den Anspruch auf Sicherung nach § 648a BGB a.F. zum Gegenstand hat, nicht eingegangen werden, da der Kläger diesen Vortrag bestreitet. Das Landgericht musste auch nicht in Erwägung ziehen, ob die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen wurde, da der Kläger der Auffassung ist, dass ihm ein Anspruch hinsichtlich der nicht erbrachten Leistung nach § 649 BGB a.F. zusteht. Der Streit über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechtigung des zu sichernden Vergütungsanspruches nach einer Kündigung darf die Durchsetzung des Anspruches gegenüber dem Auftraggeber auf Stellung einer Sicherheit nicht behindern. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütung streitig und führt dies zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruches, so ist dem Sicherungsverlangen des Unternehmers stattzugeben, wenn nicht der Streit bereits anderweitig rechtskräftig geklärt ist. Damit kann, sofern dies den Rechtsstreit verzögert, der Besteller nicht mit der Behauptung gehört werden, es lägen die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigen Grund vor, wenn die dieser Behauptung zugrunde liegenden Tatsachen bestritten sind und der Unternehmer deshalb die Auffassung vertritt, es läge eine Kündigung nach § 649 BGB a.F. vor, die eine Sicherung seines Anspruches nach § 649 Satz 2 BGB verfolgt. Der Besteller kann auch nicht mit der bestrittenen Behauptung gehört werden, die tatsächlichen Voraussetzungen für die vereinbarte Vergütung, sei es für die erbrachten oder nicht erbrachten Leistungen, lägen nicht vor (vgl. hierzu BGH NJW 14, 2186 Rn. 29). Soweit die Beklagte daher der Meinung ist, dass die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen wurde, steht dem der Vortrag des Klägers entgegen, dass eine Kündigung durch die Beklagte gem. § 649 BGB erfolgt sei. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger seinen Anspruch auf § 649 BGB a.F. stützt. Hierdurch bestreitet er, dass die von der Beklagten behaupteten Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorliegen. Ob daher überhaupt eine außerordentliche Kündigung vorliegt und zudem die dafür notwendigen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, kann daher in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht geprüft werden. Dies kann dahingestellt bleiben.
II.
Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung über die Kosten auch die teilweise Klagerücknahme im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt, wie sich aus den Gründen ergibt. Es hat die Kostenentscheidung auf § 92 Abs. 2 ZPO gestützt, da durch die teilweise 5 U 190/17 – Seite 5 – Klagerücknahme keine Kosten verursacht wurden. Durch diese Zuvielforderung wurde kein Gebührensprung verursacht, da die Gebührenstufe von einem Streitwert von 65.000,00 € bis 80.000,00 € geht.
Aus diesen wesentlichen Gründen hat die Berufung der Beklagten keine Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
III.
Der Senat beabsichtigt außerdem, der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 73.958,50 € festzusetzen. Auf die bei Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (vgl. KV-Nr. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen. Im Falle der Rücknahme der Berufung verringern sich die Gerichtsgebühren von dem 4,0-fachen auf das 2,0-fache der Gebühr.

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