Baurecht

Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Wasserschadens

Aktenzeichen  1 U 111/15

Datum:
30.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154905
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VOB/B § 13 Abs. 1, Abs. 7 Nr. 3
BGB § 254

 

Leitsatz

1. Der Erfolg des Werkes wird auch beim VOB-Vertrag grundsätzlich verschuldensunabhängig geschuldet. Ist das Werk mangelhaft, so hat der Unternehmer für die vertragswidrige Unvollkommenheit einzustehen, unabhängig davon, worin ihre Ursache liegt; der Werkunternehmer hat also auch für zugekaufte Baustoffe einzustehen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Auftragnehmer trägt die Beweislast, wenn es sich um die Frage handelt, ob er die objektiv feststehende Pflichtverletzung ausnahmsweise nicht zu vertreten hat. Die Festigkeit einer Steckverbindung durch eine Zugprobe zu überprüfen, obliegt nach den Regeln der Technik dem ausführenden Monteur. (Rn. 49 und 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Auftraggeber ist der Auftragnehmer darlegungs- und beweispflichtig. Eine solche Verletzung liegt nicht vor, wenn dem Rat eines Fachkundigen gefolgt wird. (Rn. 69 – 73) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

43 O 231/13 2015-09-07 Endurteil LGBAYREUTH LG Bayreuth

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 07.09.2015 (Az.: 43 O 231/13) abgeändert.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen der entstandenen Schäden infolge des Schadensereignisses vom 22./23. 11.2012 im 3. OG links des Anwesens Nr. vv (A.) in G., ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Die Feststellung der Höhe des Schadens bleibt dem Betragsverfahren vorbehalten.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch jeden weiteren erforderlichen Schaden aus der Schadensbeseitigung in dem Objekt A., G., aus dem Wasserschaden vom 22./23.11.2012 in der Wohnung S. (3. OG links) zu ersetzen.
4. Zur Durchführung des Betragsverfahrens – auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens – wird die Sache an das Landgericht Bayreuth zurückverwiesen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 07.09.2015 ist gemäß §§ 519, 520 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig. Hinsichtlich des Haftungsgrundes ist die Berufung auch begründet; hinsichtlich des Betrages führt sie zur Zurückverweisung an das Landgericht Bayreuth.
1. Anerkenntnis:
Es kann dahinstehen, ob in der vorbehaltlosen Beseitigung des Mangels, in der der email vom 7.12.2012 und in der Erklärung des Vertreters der Beklagten bei der Besprechung am 29.11.2012 (Anlage K 8 unter Ziffer 1.) ein Anerkenntnis liegt, denn jedenfalls liegen auch, auch wenn man ein Anerkenntnis verneint, die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 7 VOB/B vor.
2. Anspruch auf Schadensersatz aus § 13 Abs. 7 VOB/B:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz aus § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B.
Die Klägerin hat die Beklagte mit der Durchführung der Sanitärarbeiten beauftragt. Vereinbart wurden die VOB/B.
Danach haftet der Auftragnehmer bei schuldhaft verursachten Mängeln für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit (§ 13 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B). Bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Mängeln haftet er für alle Schäden (§ 13 Abs. 7 Nr. 2. VOB/B). Wenn ein wesentlicher Mangel vorliegt, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und auf ein Verschulden des Auftragnehmers zurückzuführen ist, ist dem Auftraggeber der Schaden an der baulichen Anlage zu ersetzen, zu deren Herstellung, Instandhaltung oder Änderung die Leistung dient („kleiner Schadensersatz“).
a) Wesentlicher Mangel des Werkes, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt:
Der Begriff des Mangels ist in § 13 Abs. 1 VOB/B definiert. Nach § 13 Abs. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen. Die Leistung ist frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Stellt der unternehmer das Werk nicht mangelfrei her, liegt darin eine objektive Pflichtverletzung des unternehmers.
Nach der Abnahme, die hier ausweislich des als Anlage K 4 vorgelegten Abnahmeprotokolls am 26.7.2012 erfolgt ist, trägt der Auftraggeber die Beweislast für einen behaupteten Mangel (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 20. Aufl. § 13 Abs. 7 Rdnr. 97).
Der Senat geht davon aus, dass der Schaden darauf zurückzuführen ist, dass in dem streitgegenständlichen Verbindungsstück die Haltekralle gefehlt hat und dadurch die Steckverbindung nicht dicht gehalten hat. Dies ergibt sich daraus, dass bei der Suche nach der ursache des Wasseraustritts festgestellt wurde, dass Wasser aus einem Verbindungsstück der Wasserleitung hinter dem Gäste WC der Wohnung S. ausgetreten ist. Nach dem Ausbau dieses Verbindungsstücks, aus dem das Wasser ausgetreten ist, wurde festgestellt, dass in diesem Verbindungsstück die Haltekralle gefehlt hat. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten und dem Schreiben ihrer Haftpflichtversicherung vom 05.02.2013 (Anlage B 1.). Andere ursachen für den Wasseraustritt als das Fehlen der Haltekralle an dem Verbindungselement sind nicht ersichtlich. Dass in dem Fehlen der Haltekralle an dem Verbindungselement hinter dem Gäste-WC der Wohnung S. die ursache für den Wasseraustritt lag, ergibt sich zudem daraus, dass die Wasserleitung, nachdem das schadensursächliche Verbindungselement gegen ein fehlerfreies Element ausgetauscht wurde, dicht war.
Ein Mangel der Werkleistung der Beklagten lag hier vor, denn die von der Beklagten verlegte Wasserleitung war im Bereich des Gäste-WC der Wohnung S. infolge des Fehlens der Haltekralle an dem Verbindungselement undicht, so dass in erheblichem umfang Wasser ausgetreten ist, welches in die Wohnung S. und die darunter liegenden Wohnungen eingedrungen ist. Der Mangel ist auch wesentlich, denn durch den Mangel (die undichtigkeit der Wasserleitung) wurde die Gebrauchsfähigkeit des Werkes der Beklagten erheblich beeinträchtigt. Eine Wasserleitung ist nur dann gebrauchsfähig, wenn sie unter Betriebsbedingungen dicht ist.
Der Argumentation der Beklagten, sie habe ihre Werkleistung – die Montage der Wasserleitung einschließlich Druckprüfung – mangelfrei und den Regeln der Technik entsprechend erbracht; für das Fehlen der Haltekralle sei die Streitverkündete als Herstellerin des Bauteils verantwortlich, kann nicht gefolgt werden. Ist das Werk mangelhaft, so hat der unternehmer für die vertragswidrige unvollkommenheit einzustehen, unabhängig davon, worin ihre ursache liegt; der Werkunternehmer hat also z.B. auch für zugekaufte Baustoffe einzustehen (Palandt, BGB, 76. Aufl., § 633 BGB Rdnr. 4). Dies beruht darauf, dass ein Werkunternehmer nicht eine bloße Tätigkeit schuldet. Der Werkunternehmer schuldet seinem Auftraggeber vielmehr einen Erfolg, nämlich die Funktionstauglichkeit des Werkes. Dies ist bei einem VOB/B Vertrag nicht anders. Der Erfolg des Werkes wird auch beim VOB-Vertrag grundsätzlich verschuldensunabhängig geschuldet (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 20. Auflage § 13 VOB/B Rdnr. 119). Im Grundsatz trägt der Werkunternehmer die alleinige Verantwortung für das Gelingen des Werkes. Die Funktionstauglichkeit des Gewerkes „Wasserleitung“ der Beklagten war aufgrund der fehlenden Haltekralle in dem Verbindungselement nicht gegeben.
Auch wenn sich die Beweislast durch die Abnahme umkehrt, bleibt es immer noch dabei, dass der Auftragnehmer einen Werkerfolg schuldet (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 20. Aufl. § 13 Abs. 1 VOB/B Rdnr. 149).
Der Mangel (die fehlende Haltekralle) muss zum Zeitpunkt der Abnahme vorgelegen haben. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Haltekralle bereits zum Zeitpunkt der Abnahme gefehlt hat und nicht nach der Abnahme – wie die Beklagte in den Raum stellt – durch einen unbefugten Dritten entfernt wurde. Für das unbefugte Eingreifen eines Dritten in die von der Beklagten verlegte Wasserleitung nach der Abnahme der Werkleistung bestehen keine konkreten Anhaltspunkte. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach der Abnahme ein unbefugter Dritter die Wasserleitung geöffnet, die Haltekralle entfernt, und anschließend das schadensursächliche Teilstück ohne die Haltekralle wieder eingebaut hat. Dieser Geschehensablauf ist so fernliegend, dass er nicht ernsthaft als Schadensursache in Betracht gezogen werden kann. Insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass die Arbeiten der Beklagten durch die nachfolgende Aufbringung von Fliesen nicht mehr zugänglich waren und des umstandes, dass die Steckverbindungen nur mit Spezialwerkzeug geöffnet werden können, lässt die von der Beklagten angeführte Möglichkeit des unbefugten Eingriffs eines Dritten als rein theoretische, nicht ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit erscheinen. Der Senat ist bei Zugrundelegung eines Beweismaßes, das Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, der Überzeugung, dass die Möglichkeit, dass ein Dritter nach der Abnahme die Wasserleitung unbefugt geöffnet hat, hier ausscheidet. Der Sachverständige konnte an dem ihm als Beweismittel übergebenen Rohr keine Spuren eines gewaltsamen Eingreifens feststellen, er hat ausgeführt, dass dann das Rohr größeren Schaden genommen hätte (Protokoll vom 17.8.2015, Seite 11, vorletzter Absatz).
Für ein unbefugtes Eingreifen eines Dritten spricht auch nicht, dass sich in dem dem Sachverständigen O. überlassenen Abgangsrohrstück Riefen befanden, die darauf schließen lassen, dass in dem Verbindungsstück ursprünglich eine Haltekralle vorhanden gewesen sein kann. Der Sachverständige konnte naturgemäß keine Aussage dazu treffen, ob im Zeitpunkt der Abnahme eine Haltekralle vorhanden war oder nicht. Der Sachverständige konnte nur sagen, dass die Riefen nur dann entstehen, wenn auf das Rohr und die Haltekralle Druck ausgeübt wird (Seite 11 des Protokolls vom 17.8.2015, Blatt 349 d.A.). Dies lässt aber nur darauf schließen, dass an dem Rohr einmal eine Haltekralle vorhanden gewesen sein kann. Die Riefen am Rohr lassen aber nicht darauf schließen, dass das System von einem unbefugten gewaltsam geöffnet worden sein muss, denn dann wären an dem Rohr größere Schäden erkennbar gewesen.
Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Steckverbindung, die von dem Sachverständigen untersucht wurde, um die schadensursächliche Steckverbindung handelt. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Beklagtenseite dem Sachverständigen eine andere als die schadensursächliche Steckverbindung zur Prüfung übergeben hat.
Daher ist der Senat davon überzeugt, dass in dem Verbindungselement zum Zeitpunkt der Abnahme die Haltekralle fehlte und die Werkleistung damit zum Zeitpunkt der Abnahme mangelhaft war.
Eine andere, davon zu unterscheidende Frage ist, ob den unternehmer an der fehlenden Funktionstauglichkeit des Werkes ein Verschulden trifft (hier zu unten unter Ziffer 3).
b) Kausalität zwischen dem Mangel und dem Schaden:
Die Klägerin hat ihrer Darlegungs- und Beweislast für die ursächlichkeit des Mangels für den eingetretenen Schaden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom14.11.2013 – 1 U 1536/12 – BauR 2015, 601) genügt.
Obwohl vorliegend der Schaden erst am 22.11.2012, also 4 Monate nach der Abnahme, die am 23. bzw. 26.7.2012 erfolgte (Abnahmeprotokoll Anlage K 3 und K 4) und trotz erfolgreicher Durchführung der Dichtheitsprüfung (Druckprotokoll Anlage B 2), eingetreten ist, ist der Senat aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen O. in seinem schriftlichen Gutachten vom 23.12.2014 und dessen Ausführungen bei seiner Anhörung durch das Landgericht im Termin vom 17.8.2015 (Protokoll vom 17.8.2015, Blatt 347 ff. d.A.), die sich der Senat zu Eigen macht, davon überzeugt, dass der Schadenseintritt auf einem Mangel der Werkleistung der Beklagten beruht.
Der Sachverständige O. hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass auch bei korrekt durchgeführter Dichtheitsprüfung und auch bei fehlerhafter Rohrverbindung (Fitting ohne Halteklaue) die Möglichkeit besteht, dass eine undichtigkeit im Zuge der Dichtheitsprüfungen nicht festgestellt wird (Seite 7 des schriftlichen Gutachtens O.). Der Sachverständige hat Versuche mit Rohren ohne Kralle durchgeführt und dabei festgestellt, dass diese teilweise auch noch bei einer Druckprüfung von 3 bar dicht waren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei seinen Versuchen kein Gegenstück durch ein anderes Rohr vorhanden war, d.h. bei geschlossenen Systemen wie hier auf der Baustelle sei es noch wahrscheinlicher, dass man das Fehlen einer Haltekralle bei einer Druckprüfung möglicherweise nicht bemerke. Es sei die Regel, dass ein solcher Wasserschaden erst später auftrete und nicht gleich nach der Abnahme der Leitungen. Das System sei gewissen Druckschwankungen ausgesetzt, so dass es passieren könne, dass sich das Stecksystem langsam löse (Seite 10 des Protokolls vom 17.8.2015, Blatt 348 d.A.).
Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den sehr gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen O. an und ist davon überzeugt, dass sich das infolge des Fehlens der Haltekralle nicht fest verbundene Verbindungselement unter den Betriebsbedingungen langsam gelöst hat. Dies erklärt den langen Zeitraum bis zum Schadenseintritt. Der Schaden beruht auf dem Mangel des Werkes der Beklagten, obwohl der Schaden erst 4 Monate nach der Abnahme der Leistungen und trotz der erfolgreich durchgeführten Dichtigkeitsprüfung (Prüfprotokoll Anlage B 2) eingetreten ist. Dass der Schaden auf dem Fehlen der Haltekralle in dem Verbindungselement beruht, ergibt sich schließlich auch daraus, dass, nachdem das streitgegenständlichen Verbindungselement ausgetauscht wurde, kein Wasser mehr aus der Leitung ausgetreten und in das Gebäude eingedrungen ist.
Mit den vorstehenden Ausführungen steht auch im Einklang, dass der im Auftrag der G. Feuerkasse tätige Sachverständige P., der den Schaden am 29.11.2012 und 1.12.2012, also zeitnah, vor Ort besichtigt hat, in seinem Bericht vom 1.12.2012 zu dem Ergebnis kommt, dass der Mangel an dem durch die Beklagte eingebauten T-Stück für den Wasserschaden ursächlich gewesen sei (Bericht Anlage K 30, Seite 5).
c) Verschulden des Auftragnehmers:
Neben dem Vorliegen eines wesentlichen Mangels, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, entsteht eine Schadensersatzverpflichtung des Auftragnehmers nur, wenn das mangelhafte Werk auf ein Verschulden des Auftragnehmers oder eines seiner Erfüllungsgehilfen zurückzuführen ist. Damit folgt die VOB/B den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts, wonach Schadensersatz für eine vertragswidrige Handlung nur in Betracht kommt, wenn der entstandene Schaden auf einem eigenen oder ihm zuzurechnenden Verschulden des Verpflichteten (§ 278 BGB) beruht (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 20. Aufl. § 13 Nr. 7 Rdnr. 90).
Ein Verschulden der Beklagten ist vorliegend zu bejahen.
Der Auftragnehmer hat die Beweislast, wenn es sich um die Frage handelt, ob er die objektiv feststehende Pflichtverletzung ausnahmsweise nicht zu vertreten hat (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 20. Auflage § 13 Abs. 7 Rdnr. 103).
Die Beklagte und ihr Haftpflichtversicherer sind der Auffassung, das Fehlen der Gummikralle in der Steckverbindung habe vom Monteur nicht bemerkt werden können, denn die Gummikralle sei von außen nicht zu sehen. Die Rohre seien wie in der Anleitung beschrieben, im Eckverbinder zusammengesteckt worden, bis die weißen Rohrleitungen im Sichtfenster der Plastikmuffe zu erkennen gewesen seien.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, nicht geführt.
Zum einen trifft es nicht zu, dass das Fehlen der Gummikralle für den Monteur optisch nicht zu erkennen ist. Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Rechtsanwälte vom 27.06.2013 (Blatt 72 ff. d.A.) dargelegt und durch Lichtbilder belegt, dass das Fehlen der Gummikralle für den die Verbindung ausführenden Monteur durchaus erkennbar ist. Auf den von der Klägerin auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 27.06.2013 vorgelegten Lichtbildern ist erkennbar, dass sich in dem Sichtfenster des ordnungsgemäß, also mit Haltekralle, verarbeiteten Fittings die gelbfarbige Haltekralle deutlich abzeichnet, während im Sichtfenster, wenn die Haltekralle fehlt, das Rohr unverfärbt hellweiß wahrnehmbar ist.
Darüber hinaus unterscheiden sich die dargestellten Fittinge dadurch, dass beim Fehlen der Haltekralle das Rohr leicht herausgezogen werden kann, während bei dem ordnungsgemäß, also mit Haltekralle hergestellten Fitting Rohr und Fitting mit Manneskraft nicht getrennt werden können (auf Seite 3, 2. Absatz nach den Lichtbildern des Schriftsatzes wurden die Nummern der Lichtbilder offensichtlich vertauscht).
Die Festigkeit der Steckverbindung durch eine Zugprobe zu überprüfen, obliegt nach den Regeln der Technik dem ausführenden Monteur. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen O. in seinem schriftlichen Gutachten und aus den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen im Termin vom 17.8.2015 vor dem Landgericht Bayreuth.
Der Sachverständige O. hat im schriftlichen Gutachten vom 23.12.2014 ausgeführt:
„Die Durchführung einer manuellen Zugprobe an der Rohrverbindung würde das Fehlen einer Halteklaue, auch bei einer herkömmlichen Hausinstallation, erkennen lassen.
Aus der Sicht des Unterzeichners ist vorliegend, auch ohne Hinweis in den Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers, die sich auszugsweise in der Gerichtsakte befindliche Norm, DIN EN 806 Teil 4, Ausgabe 2010, mit deren Hinweisen zur Verarbeitung derartiger Stecksysteme, als anerkannte Regel der Technik zu betrachten und die Prüfung ist in jedem Fall durchzuführen. Die Zugprobe an Stecksystemen ist, aus der Sicht des Unterzeichners, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass aufgrund hygienischer Vorgaben nahezu ausschließlich Dichtheitsprüfungen mit Inertgasen an Trinkwasserinstallationen durchgeführt werden, unabdingbar“.
Im Termin vom 17.8.2015 hat der Sachverständige bestätigt, dass eine Zugprobe erforderlich ist, um zu kontrollieren, ob die Haltekralle richtig sitzt. Die entsprechende Norm, die vorschreibt: „Durch Ziehen am Rohr ist zu überprüfen, ob der Fittting sicher festsitzt“ in der DIN EN 806/4 aus dem Jahr 2010 befinde sich in dem Kapitel für Kupferrohre. Das hier streitgegenständliche Verbundrohr ähnele eher einem Kupferrohr. Die bildliche Anleitung zur Ausführung der Verbindung sei zudem in jeder Verpackung enthalten. Auf Bild 5 der Montageanleitung (vorgelegt als Anlage zum Protokoll vom 17.8.2015 Blatt 355 d.A.) sei sichtbar, dass hier eine Zugprobe stattfinden solle (Protokoll vom 17.8.2015, Seite 9, 10).
Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen O., die durch die vorgelegte Montageanleitung der Fittinge bestätigt werden. Danach gehört es zum Stand der Technik, dass die Festigkeit der Verbindung durch eine Zugprobe zu überprüfen ist.
Den ihr obliegenden Beweis, dass die nach den Regeln der Technik erforderliche Zugprobe bei dem schadensursächlichen Fitting durchgeführt wurde, hat die Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erbracht.
Das Landgericht hat den Zeugen L. vernommen. Der Zeuge L., der bei dem Bauvorhaben als Bauleiter tätig war, hat angegeben, dass er zur Überprüfung kurz an beiden Rohren ziehe, um zu sehen, ob das Rohr auch richtig drinnen stecke. Vor Ort sei darauf hingewiesen worden, dass eine solche Zugprobe erfolgen solle. Er gehe davon aus, dass die Arbeiter dies getan hätten, da sie dazu angewiesen worden seien. Er stehe aber nicht bei jeder Steckverbindung hinter dem Arbeiter und kontrolliere dies (Protokoll vom 17.8.2015, Seite 3, Blatt 341 d.A.).
Der Zeuge H. war bei dem damaligen Bauvorhaben bauleitender Monteur. Der Zeuge H. hat angegeben, nach dem Zusammenstecken werde kurz an dem Rohr gezogen. Das gehe dann auch nicht mehr auseinander, weil in dem Fitting ein Schneidring drin sei (Protokoll vom 17.8.2015, Seite 6 letzter Absatz).
Die Zeugen L. und H., die bei dem Bauvorhaben leitende Aufgaben innehatten, aber die Arbeiten nicht selbst ausgeführt haben, konnten nichts dazu sagen, ob bei dem schadensursächlichen Fitting die erforderliche Zugprobe durchgeführt worden ist. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis, dass sie die nach den Regeln der Technik erforderliche Zugprobe bei dem schadensursächlichen Fitting durchgeführt hat, durch die Zeugen L. und H. daher nicht erbracht. Auch nach einem im Rahmen der Druckprüfung möglicherweise erfolgten Austausch des Fittings hätte die Zugprobe erneut durchgeführt werden müssen.
Die im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 11.08.2016 auf Seite 10, 11 benannten Zeugen waren nicht zu vernehmen, da es hierauf für die Entscheidung nicht ankommt. Die Zeugen wurden zu der Behauptung der Beklagten benannt, dass keiner der benannten Zeugen die streitgegenständliche Leitung zwischen der Vornahme der Druckprobe und der Abnahme der Leistung am 23./26.7.2012 noch einmal geöffnet hat. Dies kann als wahr unterstellt werden. Dafür, dass die Zugprobe bei dem schadensursächlichen Fitting durchgeführt wurde, wurden die Zeugen nicht benannt. Ein dahingehendes Beweisangebot wäre auch verspätet.
3. Voraussetzungen für den „großen“ Schadensersatz:
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin über die Schäden an der baulichen Anlage hinaus dem Grunde nach Anspruch auf den Ersatz der darüber hinausgehenden Schäden.
Einen über den Schaden an der baulichen Anlage hinausgehenden Schaden hat der Auftragnehmer unter anderem dann zu ersetzen, wenn der Mangel auf einem Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik beruht (sog. „großer Schadensersatzanspruch“).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den Ausführungen des Sachverständigen O. liegt in einer unterlassenen Zugprobe ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik (siehe oben unter 2c). Darauf, ob der Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde (§ 13 Nr. 2 VOB/B) kommt es daher nicht an.
Die Klägerin hat somit über die Schäden an der baulichen Anlage hinaus dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz der darüber hinausgehenden Schäden.
4. Mitverschuldenseinwand, § 254 BGB:
Dem Einwand der Beklagten und der Streithelferin, die Klägerin treffe ein Mitverschulden an dem Schaden, kann nicht gefolgt werden.
Der Grundsatz der Schadensminderungspflicht des Auftraggebers bedeutet, dass der Auftraggeber gehalten ist, den ihm infolge der mangelhaften Leistung entstandenen und nach § 13 Abs. 7 VOB/B erheblichen Schaden möglichst klein zu halten und sich zu gebotener Zeit im erforderlichen umfang selbst um die Schadensbeseitigung zu bemühen (Ingenstau/Korbion, VOB/B, 20. Aufl., § 13 Abs. 7 VOB/B Rdnr. 32).
Für eine etwaige Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Auftraggeber ist der Auftragnehmer darlegungs- und beweispflichtig (Ingenstau/Korbion aaO Rdnr. 33).
Die Frage, ob die Klägerin ein Mitverschulden trifft, ist bereits im Rahmen des Anspruchsgrundes zu prüfen.
Die Streithelferin der Beklagten erhebt den Einwand, die Klägerin habe ihre Schadensminderungspflicht verletzt (Schriftsatz der Streitverkündeten vom 26.8.2013). Die Beklagte hat sich den Ausführungen der Streitverkündeten aus dem Schriftsatz vom 26.8.2013, insbesondere hinsichtlich einer Rüge der Verletzung der Schadensminderungspflicht, ausdrücklich angeschlossen (Schriftsatz vom 2.10.2013, Seite 2). Es sei aus Sicht der Beklagten zutreffend, dass der Schaden durch das Zögern der Bauherren und der Klägerin, mit der Trocknung zu beginnen, erheblich vergrößert worden sein dürfte. Insbesondere ein Schimmelpilzbefall hätte durch einen früheren Beginn der Trocknungsmaßnahmen verhindert oder zumindest vermindert werden können.
Dem kann nicht gefolgt werden. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, zu spät mit den Trocknungsmaßnahmen begonnen zu haben und dadurch den Schaden, insbesondere einen Schimmelpilzbefall der Wohnungen verursacht oder vergrößert zu haben. Der Schaden trat am 22.11.2012 auf. Am 26.11.2012 fand ein Ortstermin statt und im Rahmen des Termins wurde veranlasst, dass ein sofortiger Austausch der defekten Leitung vorgenommen wird (Anlage K 6). Am 29.11.2012 fand eine Besprechung über das weitere Vorgehen statt (Protokoll Anlage K 8). Es wurde die Vorgehensweise hinsichtlich der Sanierung besprochen. Es wurde übereinstimmend vorgeschlagen, die Wohnungen erst mit Trocknungsmaßnahmen trocken zu legen und dann Messungen vorzunehmen, ob Schimmelpilzbefall vorliegt und die dann zu treffenden Maßnahmen in Bezug auf Rückbau bzw. Neubau zu treffen. Herr P. werde am Freitag, den 30.11.2012 ein Angebot einer Trocknungsfirma vorlegen (Anlage K 8 Ziffer 3.). Die Trocknung begann am 3.12. 2012 und dauerte bis Mitte Dezember 2012.
In Anbetracht dieses zeitlichen Ablaufs kann es der Klägerin nicht vorgeworfen werden, mit den Trocknungsmaßnahmen in den betroffenen Wohnungen verspätet begonnen zu haben. Die Klägerin ist bei der Besprechung vom 29.11.2012 dem fachlichen Rat des Herrn D. vom Institut für Bauphysik gefolgt, die Wohnungen erst trocken zu legen und dann entsprechende Messungen auf Schimmelpilzbefall vorzunehmen. unverzüglich nach der Besprechung vom 29.11.2012 wurden Angebote eingeholt und eine Trocknungsfirma beauftragt, die zeitnah am 3.12.2012 mit den Trocknungsmaßnahmen begonnen hat. Mit den Trocknungsmaßnahmen konnte zudem erst nach dem Auszug der Mieter begonnen werden, da zunächst unterkünfte für die betroffenen Mieter gesucht werden mussten.
5. Grundurteil, Feststellung und Zurückverweisung Betragsverfahren:
Die Klage ist daher dem Haftungsgrund nach begründet. Daher war das angefochtene urteil des Landgerichts Bayreuth abzuändern und die Haftung der Beklagten dem Grunde nach auszusprechen, § 304 ZPO.
Dem Feststellungsantrag war stattzugeben, weil die Möglichkeit besteht, dass in Zukunft weitere Schäden entstehen.
Hinsichtlich des Betragsverfahrens war der Rechtsstreit nach dem Ermessen des Senats auf den Antrag der Klägerin gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zurückzuverweisen, da der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz auch der Höhe nach streitig, aber derzeit noch nicht entscheidungsreif ist.
III.
Nebenentscheidungen:
1. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. An sich hat das Urteil keinen vollstreckbaren Inhalt. Für den Fall einer etwa bereits erfolgten Vollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten urteil des Landgerichts Bayreuth, darf das Vollstreckungsorgan die betreffende Vollstreckungsmaßnahme aber erst dann gemäß § 775 Nr. 1 ZPO einstellen, wenn ihm die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich die Aufhebung des erstinstanzlichen urteils ergibt.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor. Der Rechtsstreit ist geprägt durch die Besonderheiten des Einzelfalles, die ihre Grundlagen im tatsächlichen Geschehen haben.

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