Baurecht

Anspruch auf Verpflichtung zum bauaufsichtlichen Einschreiten

Aktenzeichen  W 4 K 16.1229

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 115084
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 54 Abs. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

Bei einer bestandsgeschützten, genehmigten baulichen Anlage, steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, Anordnungen zu treffen, soweit das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit notwendig ist. Eine solche erhebliche Gefahr ist erst dann anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann (vgl. BVerwG v. 12.7.1973 Az. 1 C 23.72). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Verpflichtung, den Beigeladenen aufzugeben, die erforderlichen Maßnahmen in Bezug auf den Brandschutz an der Außenwand des Gebäudes, das unmittelbar auf der Grenze des Grundstücks zu der Klägerin steht, durchzuführen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist Art. 54 Abs. 2 BayBO. Nach dieser Vorschrift haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Dabei kann auch die Änderung von baulichen Anlagen angeordnet werden, wenn abweichend von der Baugenehmigung gebaut wurde oder um einen der Baugenehmigung einschließlich von Auflagen entsprechenden Zustand herzustellen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. 53 m.w.N.). Zur Gewährleistung des Brandschutzes kann z.B. die Entfernung von Glasbausteinen oder Fenstern und die (Wieder-)Herstellung einer geschlossenen Brandwand angeordnet werden (vgl. OVG Bremen v. 3.12.1985 Nr. 1 BA 56/85, BRS 44 Nr. 105).
Bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen können Anforderungen allerdings nur dann gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist (vgl. Art. 54 Abs. 4 BayBO).
Vorliegend handelt es sich bei der Außenwand, bei der die Klägerin die Durchführung von Brandschutzmaßnahmen fordert, um ein solches bestandsgeschütztes Bauwerk i.S.d. Vorschrift. Ausweislich des Baugenehmigungsbescheids vom 16. August 1968 wurde den damaligen Bauherrn durch das Landratsamt A. die Baugenehmigung für die Errichtung eines Ladenpavillons auf dem damaligen Grundstück Fl.Nr. …5 der Gemarkung M… erteilt. Die Grenzwand zum Anwesen der jetzigen Klägerin hin sollte entsprechend einem Grüneintrag als Brandwand ausgebildet werden. Allerdings war in der Wand eine Tür vorgesehen, an die keine Anforderungen gestellt wurden. Ferner sind neben der Tür Einzeichnungen vorhanden, die offenbar auf den geplanten Einbau von fünf Glasbausteinfenstern hindeuten.
Am 22. April 1969 wurde für das betreffende Anwesen durch das Landratsamt A.  eine Tekturgenehmigung erteilt. Die streitgegenständliche Grenzwand zum Anwesen der Klägerin hin war zwar von dieser Tektur nicht erfasst, jedoch sind im Erdgeschossgrundriss wiederum die o.g. fünf Fenster samt der Tür dargestellt.
Von der Wirksamkeit der Baugenehmigung vom 16. August 1968 bzw. der Tekturgenehmigung vom 22. April 1969 ist auszugehen, zumal Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit gemäß Art. 44 BayVwVfG für die Kammer nicht erkennbar sind und von der Klägerin auch nicht substantiiert geltend gemacht wurden.
Die streitgegenständliche Grenzwand samt der Fenster genießt damit Bestandsschutz. Die Beigeladenen haben folglich das Recht, diese zu nutzen, selbst wenn sie neueren Vorschriften widersprechen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beigeladenen offensichtlich die genehmigte Tür teilweise zugemauert und stattdessen dort ein weiteres Fenster eingebaut haben, denn insoweit handelt es sich lediglich um eine unwesentliche Änderung, die den Bestandsschutz jedoch nicht entfallen lässt.
2. Handelt es sich somit bei der Außenwand um eine bestandsgeschützte, genehmigte bauliche Anlage, so regelt Art. 54 Abs. 4 BayBO, dass es im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde steht, Anordnungen zu treffen, soweit das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit notwendig ist. Wie sich also aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, ist Voraussetzung für die Anwendung des Art. 54 Abs. 4 BayBO, dass die Anforderungen zur Abwehr von erheblichen Gefahren, die Leben und Gesundheit betreffen, notwendig sind. Eine solche erhebliche Gefahr ist allerdings erst dann anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann (vgl. BVerwG v. 12.7.1973 Az. 1 C 23.72 – juris).
Eine solche erhebliche Gefahr ist vorliegend für die Kammer aber in keinster Weise erkennbar. Sie wird von der Klägerin auch nicht substantiiert, etwa durch Vorlage einer fachkundigen brandschutztechnischen Bewertung, dargelegt. Das schlichte Behaupten jedenfalls reicht hierfür nicht aus.
3. Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde besteht demnach nicht, ebenso wenig jedoch auch ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, da wie gezeigt die Voraussetzungen für eine Anordnung nach Art. 54 Abs. 4 BayBO schon nicht gegeben sind.
Die Klage ist nach alldem als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren der unterlegenen Klägerin ebenso aufzuerlegen, da diese sich durch Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. ZPO.

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