Baurecht

Anspruch aus abgetretenem Recht auf Kostenvorschuss für die Selbstvornahme der Beseitigung von Mängeln an einer Tiefgarage

Aktenzeichen  9 U 4413/18 Bau

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BauR – 2021, 1315
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VOB/B § 13 Nrn. 1, 3, 4 u. 5 Abs. 2, § 17 Nr. 8 S. 2
BGB § 133, § 157, § 280 Abs. 1, § 288, § 291, § 634 Nr. 4, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
ZPO § 538 Abs. 2, § 543 Abs. 2
EGBGB Art. 229 § 5 S. 1
ABGB § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 1
GKG § 40, § 47 Abs. 1 S. 1, § 48 § 63 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

18 O 11774/08 2018-11-07 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) vom 10.12.2018 sowie der Beklagten zu 2) vom 12.12.2018 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 07.11.2018 in Ziffern 1, 2 und 4 wie folgt abgeändert und insgesamt neu gefasst:
I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 9.529,64 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.09.2008 zu zahlen.
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin den für die Beseitigung des Mangels unzureichende Betondeckung in der Tiefgarage des Anwesens Z.straße 2 in H. über 24.400,00 € hinausgehenden erforderlichen Aufwand zu erstatten.
I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
I. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte zu 1) die Bürgschaftsurkunde Nr. …05/KV-Nr. …27 der G.-Konzern S. Kreditversicherungs AG vom 09.02.2000 über einen Höchstbetrag von DM 525.025,33 herauszugeben.
I. Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten zu 1) sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Weigerung der Klägerin, die Bürgschaft gemäß Ziffer 4 herauszugeben, über 14.870,36 € hinaus seit dem 01.04.2016 entstanden ist und entsteht.
I. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zu 1) zurückgewiesen und bleibt die Widerklage abgewiesen .
II. Für die Kosten der 1. Instanz gilt:
Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin 96%, die Beklagte zu 1) 4%.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) und zu 3).
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1) 4%.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin 96%.
Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten verstehen sich jeweils einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht München I, Az. 18 OH 10123/05.
III. Für die Kosten des Berufungsverfahrens gilt:
Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin 96%, die Beklagte zu 1) 4%.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1) 4%.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 96%.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung bezüglich der Herausgabe der Bürgschaft abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 €.
Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 533.201,45 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Kostenvorschuss für die Selbstvornahme der Beseitigung von Mängeln an einer Tiefgarage. Die Beklagte zu 1) verlangt widerklagend die Herausgabe der Urkunde über eine Gewährleistungsbürgschaft und damit verbundene Kosten.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 07.11.2018, Az.: 18 O 11774/08.
Mit genanntem Endurteil hat das Erstgericht die Beklagten zu 1) und 2) samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin 430.190,00 € nebst Zinsen zu zahlen, die weitere Ersatzpflicht festgestellt, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Widerklage ebenfalls abgewiesen. Tragend hat das Erstgericht darauf abgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner nach § 13 Ziffer 5 Abs. 2 VOB/B und nach §§ 634 Nr. 4, 280 BGB in Höhe von 425.500,00 € einen Anspruch auf Kostenvorschuss für die Selbstvornahme der Beseitigung der Mängel unzureichende Bodendeckung, Boden und Stützen, Korrosion Bewehrung, Pfützenbildung Beton habe. Die Verjährungseinrede der Beklagten zu 1) greife nur teilweise durch. Die Pfützenbildung sei Planungsfehlern geschuldet. Die Korrosionsspuren seien auch der unzureichend geplanten Gefällesituation geschuldet. Die Beklagte zu 2) hafte sowohl für ihre Planungsfehler als auch gemeinsam mit der Beklagten zu 1) für ihre Überwachungsfehler. Da sie mit der Objektüberwachung betraut gewesen sei, hätte sie auch die Ausführung der Betondeckung durch die Beklagte zu 1) überwachen müssen. Sie wäre jedenfalls zu stichprobenartigen Kontrollen verpflichtet gewesen.
Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 1) am 12.11.2018 zugestellte Urteil legten derselbe mit Schriftsatz vom 10.12.2018 (Bl. 737/738 d.A.) Berufung ein, welche am gleichen Tag bei der Allgemeinen Einlaufstelle I der Justizbehörden in München eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 14.02.2019, bei der Allgemeinen Einlaufstelle I der Justizbehörden in München eingegangen am gleichen Tag, begründeten der anwaltliche Vertreter der Beklagten zu 1) seine Berufung (Bl. 767/808 d.A.). Er argumentierte, die Sicherungsabrede, aufgrund derer die Bürgschaft übergeben wurde, sei unwirksam. Zudem stünden der Klägerin keine Ansprüche zu, deren Sicherung die Bürgschaft noch dienen könnte, so dass auch deren Sicherungszweck entfallen sei. Im Übrigen sei die Beklagte zu 1) mit Ausnahme vereinzelter Stellen der Betondeckung nicht für die von der Klägerin behaupteten Mängel verantwortlich. Die Beklagte zu 1) habe ihre Leistung exakt nach der Leistungsbeschreibung und den, insbesondere in den Bewehrungsplänen enthaltenen Anordnungen des Auftraggebers erbracht, sie könne deshalb für etwaige Mängel, die sich hieraus ergeben, nicht verantwortlich gemacht werden. Die Beklagte zu 1) sei somit in ihrer Eigenschaft als Rohbauunternehmen auch nicht verpflichtet gewesen, einen Hinweis zu erteilen, da die angeordnete Ausführung nach dem seinerzeitigen Kenntnisstand mangelfrei gewesen sei. Im Übrigen habe sie durch Schreiben vom 04.08.1998 (Anlage B 1.6) darauf aufmerksam gemacht, dass aufgrund einer unterseitigen voutenförmigen Ausbildung der Bodenplatte eine Gefahr der Rissbildung gegeben sei. Das Gefälle habe die Beklagte zu 1) nach den Vorgaben des Beklagten zu 4) ausgebildet. Eine Beschichtung im Bereich der Stützen und Wände habe die Beklagte nicht geschuldet.
Der anwaltliche Vertreter der Beklagten zu 2) legte mit Schriftsatz vom 12.12.2018 (Bl. 741/742 d.A.), bei der Allgemeinen Einlaufstelle IV der Justizbehörden in München eingegangen am gleichen Tag, Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 31.01.2019, bei der Allgemeinen Einlaufstelle IV der Justizbehörden in München eingegangen am gleichen Tag, begründete (Bl. 751/765 d.A.). Er argumentierte, der Verjährungseinwand greife durch. Es habe keine Verpflichtung der Beklagten zu 2) bestanden, auf Mängel der Planung und Bauüberwachung hinzuweisen, da zum einen die Planung der Beklagten zu 2) nicht gegen die seinerzeit geltenden anerkannten Regeln der Technik verstoßen habe. Mit Ausnahme der Gefälleführung sei die Leistung des Beklagten zu 2) mangelfrei gewesen. Da es sich bei der streitgegenständlichen Bodenplatte nicht um ein Bauwerk mit geringer planerischer Schwierigkeit gehandelt habe, war die Überwachung der Bewehrungsverlegung nicht Teil der Leistungen, die die Beklagte zu 2) nach Maßgabe des Architektenvertrages zu erbringen hatte. Die Bewehrungskontrolle und -abnahme sei vielmehr Teil der dem Beklagten zu 3) beauftragten Statikleistungen gewesen. Die Beklagte zu 2) habe lediglich überprüfen müssen, ob die Höhenlage der Bodenplatte der Planung entspreche. Dies habe sie getan. Da sich die Klägerin wegen der Mängel des Tiefgaragenbodens bereits vor Ablauf der im Verhältnis zur Beklagten zu 2) geltenden Gewährleistungsfrist von Dritten fachlich hat beraten lassen und diese mit der Klärung der Schadensursachen beauftragt habe, das spezialisierte Sachverständigenbüro wiederum bereits am 30.09.2004 eine gutachterlicher Stellungnahme vorgelegt habe, sei jedenfalls die Verletzung einer der Beklagten zu 2) gegebenenfalls obliegenden Hinweispflicht nicht ursächlich für das Versäumnis der Klägerin gewesen, den Ablauf der Gewährleistungsfrist gegenüber der Beklagten zu 2) durch Einleitung geeigneter Schritte zu hemmen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
I. das Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2018, Az.: 18 O 11774/08, aufzuheben,
II. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) die Bürgschaftsurkunde Nr. …05/KV-Nr. …27 der G. -Konzern S. Kreditversicherungs AG vom 09.02.2000 über einen Höchstbetrag von DM 525.025,33 herauszugeben.
hilfsweise:
Die Klägerin zu verurteilen, auf ihre Rechte aus der vorbezeichneten Bürgschaft gegenüber der Beklagten zu 1) und der G.-Konzern S. Kreditversicherungs AG in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe zu verzichten.
III. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) € 9.470,36 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus ab dem 04.04.2016 zu bezahlen.
IV. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten zu 1) sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Weigerung der Klägerin, die Bürgschaft gemäß Ziffer II. herauszugeben, hilfsweise: auf ihre Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag in Ziffer II. zu verzichten, über den in Ziffer III. geltend gemachten Betrag hinaus entstanden ist und entsteht.
V. die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
I. das Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2018 – Az.: 18 O 11774/08 – insoweit aufzuheben, als die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1) zur 9 U 4413/18 Bau – Seite 6 – Zahlung von 430.190,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.09.2008 verurteilt worden ist,
die Klage gegen die Beklagte zu 2) abzuweisen, auch hinsichtlich des Feststellungsausspruchs.
II. Hilfsweise:
Das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1) zur Zahlung von 430.190,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.09.2008 verurteilt worden ist, den Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 2 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
beide Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. In ihrem Schriftsatz vom 17.09.2019 (Bl. 876/883 d. A.) nimmt sie zu den in der Sitzung des Senats vom 30.07.2019 (Protokoll Bl. 871/874 d. A.) erteilten Hinweisen Stellung und wiederholt ihre Argumente.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen des Senats vom 30.07.2019 (Bl. 871/874 d.A.) und vom 03.12.2019 (Bl. 896/898 d. A.).
II.
Beide Berufungen sind zulässig.
A.
Zur Berufung der Beklagten zu 1):
Die Berufung der Beklagten zu 1) ist teilweise begründet. 1. Die Klägerin kann aus von der Gewerbegrund A. GmbH & Co. Grundbesitzgesellschaft im notariellen Kaufvertrag vom 21.12.1999 unter § 7 Ziff. 3 abgetretenem Recht von der Beklagten zu 1) nach § 13 Ziff. 5 Abs. 2 VOB/B (1992/1998) Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigung hinsichtlich der unzureichenden Betondeckung verlangen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), die Firma R. AG, war aufgrund des VOB-Bauvertrages vom 27.04./03.06.1998 mit der Rohbauausführung u. a. der hier streitgegenständlichen Tiefgarage beauftragt.
Die Rohbauabnahme erfolgte gemäß Abnahmeprotokollen am 13.08.1999 und 27.10.1999 (Anlagenmappe der Beklagten zu 1); B 1.2 und B 1.3).
Wie bereits das Erstgericht zutreffend herausgearbeitet hat, greift die Verjährungseinrede der Beklagten zu 1) gegen den Vorschussanspruch nur im Hinblick auf die Kosten zur unmittelbaren Beseitigung der Risse im Tiefgaragenboden. Wegen des Mangels der unzureichenden Betondeckung ist der Anspruch nicht verjährt. Für weitere Mängel ist die Beklagte zu 1) nicht verantwortlich.
Im Einzelnen:
Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, wonach die Gewährleistungsfrist nach § 8 Ziff. 3 des Bauvertrages vom 29.10.1999 (Anlagen Beklagten zu 1) B 1.1) fünf Jahre beträgt. Bei der als „weiße Wanne“ konzipierten Tiefgarage handelt es sich um ein wasserundurchlässiges Bauteil. Zwar gibt es auch Tiefgaragen, die, wie der Sachverständige Dr.-Ing. R. R. in der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2016 ausgeführt hat (Protokoll vom 30.11.2016, Bl. 570/575 d. A.), wasserdurchlässig hergestellt werden. Dies allerdings nur dann, wenn kein drückendes Wasser von außen ansteht. Da die Parteien ausdrücklich eine „weiße Wanne“ vereinbart haben, besteht deren Sinn gerade darin, Wassereintritt durch drückendes Wasser zu verhindern, was nur als wasserundurchlässiges Bauteil möglich ist. Damit kommt die für wasserdurchlässige Bauteile vereinbarte zehnjährige Verjährungsfrist nicht zum Tragen. Soweit sich die Klägerin auf einen Schreibfehler beruft, müsste dieser allerdings offensichtlich sein. Hiergegen spricht, dass sich die Parteien auch in den Protokollen vom 07.10.1999 und 29.10.1999 (Anlagen Beklagter zu 1) B 2. und B 3.) zur Abnahme der Gesamtleistung am 13.08.1999 einig waren, dass die Gewährleistungsfrist am 30.11.2004 endet.
Durch die von der Beklagten zu 2) für die Klägerin verfasste Mängelrüge vom 07.10.2004 (Anlage K 7) verlängerte sich die Verjährungsfrist – dies hat das Erstgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt – für die dort angeführten und hier streitgegenständlichen Mängel gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 VOB/B in der Fassung von 1992 um zwei Jahre ab Zugang des Schreibens – mit Ausnahme der mit Schreiben der Beklagten zu 2) vom 30.03.2000 (Anlagen Beklagter zu 1); B 1.7) schon einmal gerügten Mängel.
Die Verlängerung der Verjährungsfrist um zwei Jahre nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B gibt es nur einmal (Ingenstau/Korbion-Wirth, § 13 Abs. 5 VOB/B, Rz. 111). Diese erste Mängelrüge vom 30.03.2000 erstreckt sich jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) nicht auf die unzureichende Betondeckung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Mangel ausreichend bezeichnet, wenn der Auftraggeber Symptome des Mangels benennt. In diesem Fall sind immer alle Ursachen für die bezeichneten Symptome von der Mängelrüge erfasst. Dies gilt auch, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werkes in Wahrheit das ganze Gebäude erfasst (BGH, Beschluss vom 24.08.2016 – VII ZR 41/14, Rz. 22, NJW-RR 2016, 2423, 2424; BGH, NJW-RR 1997, 1376 m. w. N.).
In Anlage B 1.7 wird gerügt der „erneute Eintritt von Grundwasser im Bereich einiger bereits verpresster Risse“.
Nach Auffassung des Senats wird damit weder nach Wortlaut noch nach den Umständen der Mangel der unzureichenden Betondeckung gerügt. Selbst wenn – wie nicht – hätte die Beklagte zu 1) aber den Mangel mit Schreiben vom 23.03.2005 (Anlage K 28) anerkannt, so dass sie sich insoweit nicht auf Verjährung berufen kann. In diesem Schreiben ist ausdrücklich festgehalten, dass die „stellenweise ungenügenden Betondeckungen im Bereich der Stützenfüße sowie der Betonplatte“ von der P. AG zu vertreten sind.
Wie der Sachverständige Dr.-Ing. R. in seinem Hauptgutachten vom 16.08.2006 unter Ziffer 5.3, Seite 28, und in seinem Ergänzungsgutachten vom 16.02.2018, Seite 23, ausgeführt hat, ist zur Beseitigung des Mangels der Betonminderstärke bei Erzielung eines einheitlichen Erscheinungsbildes die Sanierung einer Gesamtfläche von 122 m² erforderlich. Der Auffassung der Beklagten zu 1), es sei lediglich ein konkreter Bereich von 9,25 m² – von einer Gesamtfläche von 5.300 m² – betroffen und deshalb auch nur dieser Teil zu sanieren, teilt der Senat nicht. Auch wenn die Tiefgarage nun schon einige Jahre in Gebrauch ist und Abnutzungsspuren zeigen mag, darf die Klägerin auf ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild bestehen. Zu sanieren sind deshalb 122 m². Unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen hierbei nicht. Es geht auch, anders als die Beklagte zu 1) vorträgt, nicht nur um die Beseitigung von ausschließlich optischen Mängeln, sondern um die Vermeidung eines Fleckenteppichs. Auch wenn die Tiefgarage einen funktionellen Zweck erfüllen muss, heißt dies nicht, dass die Klägerin jedes Erscheinungsbild hinnehmen muss.
Probleme ergeben sich allerdings bezüglich des Beseitigungsumfangs:
In seiner Stellungnahme vom 22.03.2012, Seite 8, ist der Sachverständige auf Sanierungskosten von 400,00 € pro m² gekommen. Dies allerdings nur deshalb, weil er bei den üblichen 200 €/m² einen Zuschlag angesetzt hat, wenn über die Betondecke hinaus auch die Bewehrung zu sanieren ist. Für deren Sanierung ist allerdings die Beklagte zu 1) nicht verantwortlich, da der Sachverständige Dipl.-Ing. R. nachvollziehbar ausgeführt hat, dass eine unzureichende Betondeckung für sich genommen keine Korrosionsschäden an der Bewehrung nach sich zieht (Protokoll vom 30.11.2016, Bl. 570/575 d. A.).
Bei 122 m² à 200,00 € ergibt sich damit ein Vorschussbetrag von 24.400,00 €.
2. Ein Vorschussbetrag nach § 13 Ziff. 5 Abs. 2 VOB/B (1992/1998) wegen der Pfützenbildung steht der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nicht zu, da die Beklagte zu 1) diesen Mangel nicht zu vertreten hat.
Der Sachverständige Dr.-Ing. R. R. hat in seinem Hauptgutachten unter Punkt 5.4 (Seite 29) festgestellt, dass hinsichtlich der Entwässerung von Tiefgaragen zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes keine technischen Regeln existierten. Es war allerdings nicht unüblich, die Entwässerung über eine Verdunstung zu erreichen, hierfür waren üblicherweise Verdunstungsrinnen vorgesehen. Im vorliegenden Fall wurden keine Verdunstungsrinnen angeordnet, sondern das Wasser sammelte sich aufgrund des – fehlerhaft – geplanten Gefälles bereichsweise bei den Wänden und Stützen. Dies hat der Sachverständige als Planungsfehler angesehen. In diesem Zusammenhang hat er auch die Planung einer Arbeitsfuge längs einem planmäßigen Gefälletiefpunkt als Planungsfehler angesehen. Die Verletzung einer Pflicht der Beklagten zu 1) zur Bedenkenanmeldung ist nicht ersichtlich.
3. Korrosion
Ein Vorschussanspruch gegen die Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit den Korrosionsschäden steht der Klägerin nicht zu.
Zwar hat der Sachverständige Dr.-Ing. R. R. in seinem Ergänzungsgutachten vom 04.04.2007 auf Seite 7 ausgeführt, dass die vor Ort festgestellten Korrosionsschäden neben den Rissbildungen auf die Gefällesituation – verbunden mit einer bereichsweisen Pfützenbildung – sowie die bereichsweise zu geringe Betondeckung zurückgeführt werden können. Allerdings hat er im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 30.11.2016 (Protokoll vom 30.11.2016, Bl. 570/575 d. A.) ausgeführt, dass ihm kein konkreter Fall bekannt ist, bei dem es unter der Voraussetzung, dass ein ausreichend verdichteter Beton, bei dem die Rezeptur stimmt, und alle Randbedingungen fachgerecht eingehalten sind, zu einer Korrosion bei einem Chloridgehalt von 0,5 Masse/Prozent gekommen ist. Ihm sind nur dann Fälle bekannt, wenn Herstellungsfehler vorhanden sind, insbesondere der Beton Risse aufweist. Ohne (auch statisch bedingte) Risse führt danach die zu geringe Betondeckung nicht zur Korrosion.
4. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) kein Vorschussanspruch im Hinblick auf die Ausführung eines zu geringen Gefälles zu.
Nach den Stellungnahmen des Sachverständigen Dr.-Ing. R. R. vom 22.01.2008, Seite 1, und vom 13.04.2016, Seite 5, hat die Beklagte zu 1) das Gefälle entsprechend der Planung ausgeführt.
Zwar gab es zur Zeit der Ausführung kein technisches Regelwerk, in dem die Ausführung eines Gefälles in einer Tiefgarage vorgeschrieben war (Stellungnahmen des Sachverständigen vom 16.01.2006, Seite 29, vom 25.09.2013, Seite 12, und vom 13.04.2016, Seite 5). Allerdings hatte der Bauherr durchaus eine Entwässerung durchzuführen. Da der Bauherr verschiedene Möglichkeiten hatte (Gefällekeile, Hohlstellen) und die Beklagte zu 1) lediglich als Rohbauunternehmer für die Ausführung des Rohbaus verantwortlich war, nicht aber für die Gesamtkonzeption, war sie nicht für die mangelnde Gefälleplanung verantwortlich. Ausführungsfehler liegen nicht vor.
Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Bauherrin, die vormalige Beklagte zu 4), sachkundig durch Architekten und Fachplaner beraten war, war die Beklagte zu 1) auch nicht zu Hinweisen hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Gefälleplanung verantwortlich, § 13 Nr. 3, 4 Nr. 3 VOB/B.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Bauherrin nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch vom 30.09.2004 (Anlage ASt 1, Seite 6) das Gefälle bewusst nochmals weiter verringert hat. Die Bauherrin hat also im Hinblick auf das Gefälle eine ganz konkrete Planungsentscheidung getroffen, die das ausführende Unternehmen hinzunehmen hat.
Da die Beklagte zu 1) hinsichtlich der weiteren Mängel bereits keine Verantwortlichkeit trifft, war die Frage, ob die Mängelrüge vom 30.03.2000 (Anlage B 1.7) nach der Symptomrechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch diese Mängel umfasst, nicht zu entscheiden.
Der der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) wegen der unzureichenden Betondeckung zustehende Vorschussanspruch ist gemäß §§ 291, 288 BGB in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Da keine Verzugszinsen, sondern Rechtshängigkeitszinsen geltend gemacht werden, kommt es auf die Voraussetzungen des Verzugs nicht an.
5. Der Beklagten zu 1) steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde Nr. …05/KV-Nr. …27 der G.-Konzern S. Kreditversicherungs AG vom 09.02.2000 über einen Höchstbetrag von 525.002,33 DM zu, § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, da sowohl Rückgewährklausel als auch Sicherungsabrede unwirksam sind.
Die Sicherungsabrede befindet sich in § 7 Nr. 7 und Nr. 8 des zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten zu 1) abgeschlossenen Vertrages über Bauleistungen vom 27.04./03.06.1998 (Anlage B 1.1). Aufgrund dessen wurde die als Anlage B 1.8 vorgelegte, streitgegenständliche Bürgschaft vom 09.02.2000 seitens der Beklagten zu 1) gestellt.
Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind das BGB und das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31.12.2001 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
Umfang und Zeitpunkt der Verpflichtung der Klägerin zur Freigabe der Bürgschaft und Rückgabe der entsprechenden Urkunde ergibt sich nicht aus § 7 Ziffer 7 und 8 und ebenso wenig aus § 8 der Vereinbarung. Diese Bestimmungen sind gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
5) Bei der Klausel handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG. Es handelt sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, weil sie für eine Mehrfachverwendung schriftlich aufgezeichnet worden ist.
Hierfür spricht bereits der erste Anschein der Klausel (vgl. BGH NJW-RR 2004, 814; BGH NJW 2015, 1952 Rz. 30). Dies hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 28.06.2011 (Bl. 175/188 d. A.) vorgetragen und wurde von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 18.07.2011 (Bl. 197/199 d. A.) auch nicht bestritten. Der Text enthält Regelungen und Auslassungen, die es ermöglichen, die vertraglichen Regelungen an einen individuellen Fall anzupassen. Der Vertrag enthält zahlreiche formelhafte Klauseln, die nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt sind, wie § 4, § 5 – abgesehen von den Terminen, § 7, § 8, § 9 bis 12 des Vertrages. Jedenfalls aus dem Inhalt und der Gestaltung der verwendeten Bedingungen insgesamt folgt deshalb ein nicht widerlegter Anschein dafür, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert waren (vgl. BGHZ 157, 102, 106 f.; BGH NJW 2015, 1952, 1953). Die Sicherungsabrede, aufgrund derer die Gewährleistungssicherheit zu stellen ist, enthält allerdings keine eindeutige Höchstdauer. In § 7 Nr. 8 des Vertrages (Anlage B 1.1) ist vielmehr geregelt, dass die Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaft nur dann nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zur erfolgen hat, wenn „zu diesem Zeitpunkt keine Ansprüche aus Gewährleistung seitens des Auftraggebers geltend gemacht sind“.
Sie benachteiligt die Beklagte zu 1) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie die „Rückgabe der Bürgschaft“ insgesamt davon abhängig macht, nicht nur dass keine Gewährleistungsansprüche mehr erfolgreich geltend gemacht werden können, sondern vielmehr allein auf die bloße Geltendmachung abstellt.
Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG ist dann gegeben, wenn der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (st. Rspr., z.B. BGH, NJW 2010, 2272). So liegt der Fall hier.
Nach der Vertragsgestaltung kann der Auftraggeber eine als Höchstbetragsbürgschaft gegebene Gewährleistungsbürgschaft auch nach Ablauf der für die Gewährleistungsansprüche vereinbarten Verjährungsfrist von 5 Jahren unabhängig davon „behalten“, in welcher Höhe er zu diesem Zeitpunkt noch gesicherte Ansprüche hat, sofern er vor Ablauf der Gewährleistungsfrist solche Ansprüche geltend gemacht hat, unabhängig davon, ob solche noch überhaupt existieren.
Damit hat es die Klägerin, wie die Beklagte zu 1) zu Recht vorträgt, in der Hand, durch die bloße Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen vor Ablauf der Gewährleistungsfrist, unabhängig davon, ob diese begründet sind oder nicht, die Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaft weit hinauszuzögern.
Zwar ist die Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem Bauvertrag, wonach der Auftraggeber nach Abnahme des Bauwerks 5% der Auftragssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten dürfe, und der Sicherheitseinbehalt nur gegen eine selbstschuldnerische Bürgschaft auszuzahlen ist, da hier ein angemessener Ausgleich zugestanden wird, wirksam (BGH, Urteil vom 13.11.2003 – VII ZR 57/02, NJW 2004, 443). Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers ergibt sich aber allerdings aus der weiteren Voraussetzung, dass „zu diesem Zeitpunkt keine Ansprüche aus Gewährleistung seitens des Auftraggebers geltend gemacht sind“ (§ 7 Ziffer 8 des Vertrages).
Die Möglichkeit eines Austauschs des Sicherheitseinbehalts gegen eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft bietet einen hinreichenden Ausgleich zu dem in der Vertragsklausel vorgesehenen Einbehalt. Die Klausel stellt den Auftragnehmer für die Alternative, entweder für 5 Jahre auf unbestrittenen restlichen Werklohn zu verzichten, entsprechende Zinsverluste hinzunehmen und das Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu tragen, oder seine Liquidität durch Beibringung einer Bankbürgschaft zu schmälern, die regelmäßig auf Kosten der Kreditlinie geht; außerdem sind für die Bankbürgschaft Avalzinsen zu zahlen, die wiederum einen Zinsertrag aus dem abgelösten Sicherheitseinbehalt schmälern. Die in der Zinsbelastung und dem Einfluss auf die Kreditlinie liegenden Nachteile bei Bereitstellung einer Bürgschaft erscheinen, berücksichtigt man auf der anderen Seite die berechtigten Interessen des Auftraggebers, nicht als so gewichtig, dass ihretwegen die Unwirksamkeit der Klausel angenommen werden müsste (vgl. für den Fall der Vertragserfüllungsbürgschaft BGH NJW-RR 2000, 1331 = ZfBR 2000, 477).
Die weitere Voraussetzung in § 7 Nr. 8 des Vertrages dagegen, dass zu diesem Zeitpunkt keine Ansprüche aus Gewährleistung seitens des Auftraggebers geltend gemacht sind, führt zur Unwirksamkeit der Klausel.
Ob die Parteien am 07.02.2000 (Anlage K 24) wirksam den Zusatz in § 7 Nr. 7 des Vertrages (Anlage B 1.1) „auf erstes Anfordern“ einvernehmlich gestrichen haben, kommt es deshalb nicht mehr an.
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.09.2019 (Bl. 876/883 d.A.) betont, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.03.2015 – VII ZR 92/14 bei einer bauvertraglichen Klausel über die Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaft nur von einer Unwirksamkeit der Rückgabeklausel, nicht aber von der Unwirksamkeit der Sicherungsabrede insgesamt ausgegangen ist, so trifft dies zu.
Allerdings vergisst die Klagepartei Folgendes:
Ist die Rückgabeklausel als allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, so könnte sich die Freigabeverpflichtung nach § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B (1996) richten. Dies setzt allerdings die Anwendbarkeit der VOB/B voraus. Richtig wendet die Klagepartei ein, dass im vom BGH entschiedenen Fall nach § 2 des dortigen Vertrages eine Rangfolge zwischen den „Regelungen des Vertrages“ und der VOB/B bestimmt war und die VOB/B nur „im Falle des Widerspruchs und für eventuelle Vertragsauslegungen“, die beide nicht vorlagen, anwendbar sein sollte. Im vorliegenden Fall ist allerdings die Anwendung der VOB/B ohne diese Einschränkung vorgesehen, wie die Klagepartei zutreffend einwendet.
Allerdings übersieht die Klagepartei, dass die Parteien in § 12 Nr. 4 eine Klausel vereinbart haben, wonach sich die Parteien verpflichten, eine unwirksame Bestimmung durch eine im wirtschaftlichen Ergebnis gleichkommende wirksame zu ersetzen. Damit lässt sich aus § 12 Nr. 4 des Vertrages ebenfalls nichts für eine Freigabepflicht der Klägerin herleiten. Denn Klauseln, nach denen eine Regelung maßgebend sein soll, deren wirtschaftlicher Erfolg einer nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksamen Klausel (soweit wie möglich) entspricht, sind ihrerseits wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 2 AGBG nach § 9 AGBG nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2015 – VII ZR 92/14 Rz. 45; BGH NJW 2002, 894; BGH NJW 2007, 3568; Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 306 Rz. 15).
Die Freigabeverpflichtung der Klägerin ergibt sich deshalb, selbst wenn man von einer Trennbarkeit von Rückgabeklausel und Sicherungsabrede ausginge – aus den gemäß § 6 Abs. 2 AGBG maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften. Da das dispositive Recht keinen Anspruch des Bestellers auf eine Gewährleistungssicherheit vorsieht, existieren zwar keine ausdrücklichen Regelungen über eine etwaige Rückgewähr solcher Sicherheiten. Jedoch kann auch eine nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung einer Lücke, die durch Unwirksamkeit einer der Inhaltskontrolle nach dem Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegenden Klausel entstanden ist, heranzuziehen sein, wenn der Regelungsplan der Parteien infolge der Lücke einer Vervollständigung bedarf. Das ist dann anzunehmen, wenn dispositives Gesetzesrecht zur Füllung der Lücke nicht zur Verfügung steht und die Ersatzlosstreichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (vgl. BGHZ 143, 103, 120; BGHZ 151, 229, jeweils m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben führt auch der teilweise Wegfall des Sicherungszwecks zu einem Rückgabeanspruch des Unternehmers. Hiernach hat der Besteller regelmäßig nach Ablauf der vereinbarten Frist eine Bürgschaft insoweit zurückzugeben, als zu diesem Zeitpunkt keine durchsetzbaren Gewährleistungsansprüche bestehen.
Allein die Sicherungsabrede entscheidet darüber, ob der Sicherungszweck entfallen ist (vgl. MüKo BGB/Krüger, § 273 Rz. 59). Hier haben die Parteien in § 7 Nr. 7, Nr. 8 nur vereinbart, dass die Gewährleistungsbürgschaft nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auf schriftliche Anforderung durch den Auftragnehmer zurückzugeben ist, vorausgesetzt, dass zu diesem Zeitpunkt keine Ansprüche aus Gewährleistung seitens des Auftraggebers geltend gemacht sind.
Diese Abrede setzt nicht nur tatsächlich bestehende Ansprüche voraus, denen keine dauerhafte Einrede entgegensteht. Der Auftraggeber ist damit, wie oben ausgeführt, übersichert.
Da die Sicherungsabrede unwirksam ist, führt dies zu einem Rückgabeanspruch des Unternehmers.
Für nicht akzessorische fiduziarische Sicherheiten entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ihre Bestellung auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis zugrunde legt. Hieraus ergibt sich – abgesehen vom Fall auflösend bedingter Sicherungsübertragungen – die Pflicht des Sicherungsnehmers, die Sicherheit schon vor Beendigung des Vertrags zurückzugewähren, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt wird. Diese Pflicht folgt gemäß § 157 BGB aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien. Soweit Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt werden, also eine endgültige Übersicherung vorliegt, ist ihr weiteres Verbleiben beim Sicherungsnehmer ungerechtfertigt. Dieser vertragliche Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgabe nicht mehr benötigter Sicherheiten besteht auch dann, wenn der Sicherungsvertrag eine ausdrückliche Freigaberegelung nicht oder nur eine unangemessen beschränkende und deshalb unwirksame Freigabeklausel enthält. Das Fehlen einer ausdrücklichen wirksamen Regelung des vertraglichen Freigabeanspruchs führt deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenvereinbarung (BGHZ 137, 212, 218 ff.). Entsprechende Erwägungen mit den folgenden Unterschieden gelten für die Vereinbarung der Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft in einem Bauvertrag: Wegen der Akzessorietät der Bürgschaft bedarf es einer Rückgewähr der Sicherheit selbst im engeren Sinn nach dem (teilweisen) Wegfall des Sicherungszwecks nicht. Ein Treuhandverhältnis liegt nicht vor. Gleichwohl verbleiben dem Unternehmer Nachteile und auch dem Besteller in gewissem Umfang Vorteile (vgl. dazu BGH NJW 2009, 218). Der Zweck der Sicherungsvereinbarung und die Interessenlage der Parteien erfordern es, dass der Besteller die erhaltenen Rechte und Vorteile aus einer geleisteten Sicherheit nach Wegfall des Sicherungszwecks nicht mehr behalten darf. In diesem Sinne können und müssen auch Rechte aus einer Bürgschaft zurückgegeben werden (BGH, NJW 2009, 218). Zugleich muss verhindert werden, dass der Unternehmer Nachteile erleidet, ohne dass dies noch erforderlich ist.
Nach diesen Maßstäben führt auch der teilweise Wegfall des Sicherungszwecks zu einem Rückgabespruch des Unternehmers (BGH, Urteil vom 26.03.2015 – VII ZR 92/14, Rz. 50).
Da im vorliegenden Fall die Sicherungsabrede eine Übersicherung des Bestellers bewirkt, hat der Besteller diese zurückzugeben.
6. Da die Beklagte zu 1) gegen den Vorschussanspruch mit ihrem Anspruch auf Erstattung der bis zum 31.03.2016 aufgelaufenen Avalzinsen in Höhe von 14.870, 36 € (Schriftsatz vom 14.02.2019, Bl. 767/808 d.A.) aufgerechnet hat, ist nur noch ein Vorschussbetrag in Höhe von 9.529,64 € offen.
7. Die Widerklage hinsichtlich der Avalzinsen bleibt abgewiesen, da kein über den Aufrechnungsbetrag hinausgehender Anspruch besteht.
8. Der Feststellungsantrag hinsichtlich weiterer Avalzinsen ist allerdings begründet.
B.
Die Berufung der Beklagten zu 2) ist vollumfänglich begründet.
1. Ansprüche gegen die Beklagte zu 2)
Gegen die Beklagte zu 2) steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB in Form der Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrages zur Vorfinanzierung der Mangelbeseitigung zu. Ein solcher Vorschussanspruch gegen den planenden und überwachenden Architekten hat der BGH in seiner Entscheidung vom 22.02.2018 (Az.: VII ZR 46/17) entwickelt. Die Beklagte zu 2) kann sich allerdings mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.
Die Beklagte zu 2) war von der Gewerbegrund A. GmbH & Co. Grundbesitzgesellschaft auf Grundlage des Architektenvertrages vom 10.09.1997 (Anlage K 4) unter § 1 Ziff. 2 mit Leistungen im Rahmen von sechs Projektstufen, darunter zunächst mit den Planungen (Projektstufen 1 und 2) und später auch mit der Objektüberwachung beauftragt.
Die von der Beklagten zu 2) geplante Gefälleführung war nicht mangelfrei. Zwar hat es, wie der Sachverständige Dr.-Ing. R. im Gutachten vom 16.08.2006 ausführt, im damaligen Zeitpunkt noch keine anerkannten Regeln der Technik gegeben, gleichwohl war ein Gefälle auszuführen, wobei es dem Bauherrn freistand, wie er es ausführt. Die Auffassung des Beklagten zu 2), es habe sich hierbei nur um eine persönliche Meinung des Sachverständigen gehandelt, teilt der Senat nicht.
Allerdings ist die fünfjährige Gewährleistungsfrist am 30.11.2004 abgelaufen. Da die Beklagte zu 2) ihre Untersuchungs- und Beratungspflichten nicht verletzt hat, kann sich die Klägerin auch nicht auf die Sekundärhaftung berufen.
Unstreitig hat die Klägerin, ein Versicherungskonzern, den Privatsachverständigen Dr. Sch mit der Begutachtung der Mängel beauftragt. Inhalt des Auftrags war es, „eine Grundlage zur Beurteilung des Bestandes im Hinblick auf die in Kürze ablaufende Gewährleistungsfrist zu erhalten und erkannte Fehler zu dokumentieren“. Dr. Sch hat sein Gutachten unter dem 30.09.2004, und damit zwei Monate vor Ablauf der Gewährleistungsfrist am 30.11.2004, vorgelegt (Anlage ASt 1). Auch wenn die Begutachtung mit dem Gutachten vom 30.09.2004 noch nicht abgeschlossen gewesen sein mag, vielmehr am 17.01.2005 ein Zusatzbericht erstellt wurde (Anlage AST 2 und Protokoll vom 27.01.2005), so waren mit dem Gutachten vom 30.09.2004 ausreichend Indizien gegeben, um Primär-Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Da in dem Gutachten neben Ausführungsfehlern explizit auch Planungsfehler bezüglich des Gefälles festgehalten werden, bedarf es nach Auffassung des Senats keines weiteren ausdrücklichen Hinweises der Beklagten zu 2) auf eigene Planungsdefizite und auf die Rechtslage, zumal die auftraggebende Versicherung selbst senatsbekannt über Hausjuristen verfügt (vgl. BGH NZBau 2007, 108, 109; OLG Brandenburg NJW 2015, 1888, 1890 f.).
Auch in der E-mail der Beklagten zu 2) an ihre Haftpflichtversicherung vom 30.04.2005 (Anlage K 6) liegt kein verjährungsrelevantes Verhandeln mit dem Geschädigten. Zwar kann im Einzelfall ein solches vorliegen; hier wollte die Beklagte zu 2) aber allein als Vorsichtsmaßnahme ihrer Versicherung Meldung machen, gerade weil sie mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht weiter verhandeln wollte (so Wortlaut der E-mail).
2. Zu dem Planungsverschulden hinsichtlich des Gefälles tritt kein Überwachungsverschulden hinsichtlich der unzureichenden Mindestbetonüberdeckung.
Wie bereits oben ausgeführt, stellt die bei den Stützen und Wänden festgestellte zu geringe Betonüberdeckung zunächst einmal einen Ausführungsfehler dar, denn die ausführende Firma baut die Schalung und legt die Bewehrung ein. Dabei muss natürlich darauf geachtet werden, dass die ordnungsgemäß erstellten Planvorgaben auch umgesetzt werden. Allerdings nimmt die Bewehrung der Tragwerksplaner ab. Er prüft, ob die Anzahl der Eisen, Matten und Rundstähle entsprechend den Vorgaben eingebaut wurden. Außerdem prüft der Tragwerksplaner bei der Bewehrungsabnahme den Abstand 9 U 4413/18 Bau – Seite 17 – zwischen Bewehrung und Schalung. Das ist eben die Betondeckung. Der Objektüberwacher wäre nur dann zu einem Tätigwerden aufgerufen, wenn auf der Baustelle gar kein Tragwerksplaner mit der Bewehrungsabnahme beauftragt wäre. So ist es allerdings vorliegend nicht.
Bei der streitgegenständlichen Bodenplatte handelt es sich im Übrigen angesichts der Größe von 5.300 m² nicht um ein Bauwerk mit geringer tragwerksplanerischer Schwierigkeit, so dass die Überwachung der Bewehrungsverlegung nicht Teil der Leistungen ist, die die Beklagte zu 2) nach Maßgabe des Architektenvertrages zu erbringen hatte. Die Bewehrungskontrolle und -abnahme bei Tragwerken mit mehr als geringer Schwierigkeit – und hierzu gehört nach Auffassung des Senats die Bodenplatte der Tiefgarage mit einer Fläche von 5.300 m² – gehört nicht zu diesen Leistungen. Bewehrungskontrolle und Konstruktionsabnahme war nach dem als Anlage K 5 vorgelegten Ingenieurvertrag vielmehr Teil der vom Beklagten zu 3) zu erbringenden Leistungen. Die Klägerin selbst hat mit Schriftsatz vom 14.07.2009 das Schreiben des Beklagten zu 3) vom 17.05.1999 (Anlage K 12) vorgelegt, in welchem dieser bestätigt, dass er die in die Bodenplatte eingelegte Bewehrung geprüft und abgenommen hat.
Die Höhenlage der Bodenplatte, die der Architekt als Objektplaner zu überwachen hatte, entspricht der Planung und ihre Oberfläche den ausgeschriebenen bzw. planerisch vorgegebenen Anforderungen in Bezug auf das Gefälle. Der Sachverständige Dr. R. hat im Rahmen der Anhörung am 13.04.2016 (Protokoll, Bl. 541/547 d. A.) erklärt, dass das Gefälle der Bodenplatte plangemäß ausgeführt wurde.
Zu einer Kontrolle der Stärke der Betonüberdeckung ist der Architekt nach Auffassung des Senats nicht verpflichtet. Hier ist der sachnähere Tragwerksplaner gefordert. Die Kontrolle der Stärke der Betonüberdeckung der Bewehrung ist – nachträglich – nur durch Freilegung der Bewehrung oder durch ein zeitaufwendiges Messverfahren möglich. Dies hat der Sachverständige Dr.-Ing. R. dem Gericht unter dem 21.01.2016 mitgeteilt. Darauf kommt es nach Auffassung des Senats jedoch wegen der vorrangigen Verantwortlichkeit des Tragwerkplaners nicht an.
C.
Die Beklagten zu 1) und 2) haften nicht als Gesamtschuldner.
Die Beklagte zu 1) ist verantwortlich für ihren Ausführungsfehler hinsichtlich der unzureichenden Betondeckung, die Beklagte zu 2) wäre es nur für die mangelhafte Gefälleplanung.
D.
Eine Vorteilsausgleichung durch eine Abgeltungszahlung der Rechtsvorgängerin der Klägerin 9 U 4413/18 Bau – Seite 18 – kommt nicht in Betracht.
Die Klägerin hat substantiiert bestritten, dass im Zuge der Klagerücknahme gegen ihre Rechtsvorgängerin, die ursprüngliche Beklagte zu 4), Zahlungen auf die Klageforderung erfolgt sind, zuletzt im Schriftsatz vom 18.04.2019 (Bl. 838/847 d. A.). Sie hat auch auf den im Kaufvertrag vom 21.12.1999 – URNr. …88 K (Anlage ASt 3 im selbständigen Beweisverfahren 18 OH 10123/05) – vereinbarten Gewährleistungsausschluss hingewiesen.
Die Beklagten sind damit der ihnen obliegenden Beweislast für die von ihnen aufgestellte Behauptung einer Abgeltungszahlung nicht nachgekommen.
III.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung fußt in §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 GKG, 3 ff. ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.
Verkündet am 10.12.2019

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