Aktenzeichen 4 C 16.730
ZPO ZPO § 890 Abs. 1 S. 1
BGB BGB § 1004 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
Ob der Vollstreckungsschuldner die titulierte Pflicht nicht oder nur unzureichend erfüllt hat, bestimmt sich nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels und der Reichweite seiner Rechtskraftwirkung (vgl. BayVGH BeckRS 2004, 33490). Maßgebend ist in erster Linie der Tenor; ergänzend sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung heranzuziehen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 1 V 15.1012 2016-03-14 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. März 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Vollstreckungsgläubiger (im Folgenden: Antragsteller) begehrt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zur Erzwingung einer vollstreckbaren Unterlassungspflicht.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 690 der Gemarkung N. im Entsorgungsgebiet der Antragsgegnerin. Seit 1963 verläuft in dem Grundstück ein – im Jahr 2001 verfüllter – Regenwasserkanal. Mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Juli 2013 (4 B 12.77) verurteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Antragsgegnerin, den durch den Regenwasserkanal verursachten weiteren Wasserzufluss in das genannte Grundstück zu unterlassen (Ziffer 1 Satz 2 des Urteilstenors); im Übrigen – hinsichtlich des daneben geltend gemachten Beseitigungsanspruchs – wurde die Klage abgewiesen. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 Satz 2 ausgesprochene Unterlassungspflicht drohte das Verwaltungsgericht Ansbach mit rechtskräftigem Beschluss vom 5. Mai 2015 (AN 1 V 14.0509) der Antragsgegnerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro an.
Bereits im Dezember 2013, im Nachgang zum Senatsurteil vom 15. Juli 2013, hat die Antragsgegnerin auf dem Oberliegergrundstück FlNr. 692 an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers den Regenwasserkanal getrennt, einen Schacht gesetzt und ausgehend vom Schacht eine weiterführende PVC-Leitung zum Mischwasserkanal im Straßengrundstück verlegt.
Den Antrag des Antragstellers, wegen einer im Juni 2015 eingetretenen Wasseransammlung auf seinem Grundstück ein Ordnungsgeld von (mindestens) 5.000 Euro gegen die Antragsgegnerin festzusetzen, hat das Verwaltungsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Beschluss vom 14. März 2016 (AN 1 V 15.1012) abgelehnt. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel weiter, die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Antragsgegnerin zu erreichen. Diese tritt seinem Vorbringen entgegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten im Hauptsache- und Vollstreckungsverfahren verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Vollstreckung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2013 zu Recht abgelehnt.
1. Nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zur Erzwingung einer Unterlassungspflicht eine schuldhafte Zuwiderhandlung des Vollstreckungsschuldners gegen diese Pflicht voraus (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 890 Rn. 5; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 890 Rn. 5; jeweils m.w.N.; aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung BayVGH, B.v. 14.8.2014 – 2 C 13.1324 – juris Rn. 1). Die Zuwiderhandlung muss unstreitig oder bewiesen sein; eine Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO ist nicht zulässig (vgl. Lackmann in Musielak/Voit, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.). Über den streitigen Umfang des Urteilsausspruchs, d.h. die Auslegung, was nach dem Titel verboten bzw. geboten ist, ist im Verfahren nach § 890 ZPO zu entscheiden (Stöber in Zöller, a.a.O., Rn. 15). Hier ist das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme zutreffend davon ausgegangen, dass eine Zuwiderhandlung im Sinn des § 890 ZPO gegen die vom Verwaltungsgerichtshof im rechtskräftigen Urteil vom 15. Juli 2013 ausgesprochene Unterlassungspflicht nicht vorliegt.
a) Ob der Vollstreckungsschuldner die titulierte Pflicht nicht oder nur unzureichend erfüllt hat, bestimmt sich nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels und der Reichweite seiner Rechtskraftwirkung (vgl. etwa BayVGH, B.v. 22.4.2004 – 5 C 04.580 – juris Rn. 6). Maßgebend ist in erster Linie der Tenor; ergänzend sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung heranzuziehen (Lackmann in Musielak/Voit, a.a.O., Rn. 4). Hier wurde die Antragsgegnerin in Ziffer 1 Satz 2 des Urteilstenors vom 15. Juli 2013 verurteilt, „den durch den Regenwasserkanal verursachten weiteren Wasserzufluss in das Grundstück (…) zu unterlassen“. Wie sich aus dem Tenor und den zugehörigen Entscheidungsgründen (Rn. 20) ergibt, bezieht sich das Unterlassungsgebot ausschließlich auf den Wasserzufluss, der durch den Regenwasserkanal verursacht wird. Dazu hat der vom Verwaltungsgericht beauftragte Sachverständige nach Durchführung eines Ortstermins am 27. November 2015 festgestellt, aufgrund der dokumentierten baulichen Maßnahmen könne „zuverlässig ausgeschlossen werden, dass planmäßig Wasser in dem o.a. Kanal auf das Grundstück der Antragstellerpartei gelangt“ (S. 7 des Zwischengutachtens vom 11.1.2016). Es sei zweifelsfrei auszuschließen, „dass das sich in dem Rohrquerschnitt auf der Parzelle 690 (streitgegenständlicher Bereich) sammelnde/ablaufende Wasser direkt von dem vorhandenen Kanal auf der Parzelle 692 zugeführt wird“ (S. 12). Hieraus hat das Verwaltungsgericht zu Recht geschlossen, dass kein der Antragsgegnerin zuzurechnender leitungsbedingter Wasserzufluss von außerhalb des Grundstücks FlNr. 690 in das allein auf diesem Grundstück befindliche Reststück des Regenwasserkanals vorliegt.
b) Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Antragsgegnerin für jede – wodurch auch immer verursachte – Wasseransammlung auf seinem Grundstück des Antragstellers verantwortlich ist. Eine solche pauschale Feststellung hat der Senat im Urteil vom 15. Juli 2013 gerade nicht getroffen. Die in Rn. 21 des Urteils enthaltene Aussage, dass die Antragsgegnerin als Störerin anzusehen ist, bezeichnet ihre Verantwortlichkeit als Zustandsstörerin, nämlich für den Zustand ihrer Leitung, und nicht als Verhaltensstörerin. Die Feststellung bezieht sich dementsprechend allein auf die Aussage in Rn. 20 des Urteils, wonach der Antragsteller von der Antragsgegnerin verlangen kann, „dass diese die weitere Wasserzuführung auf sein Grundstück (…) durch den mit Dämmerbeton verfüllten Regenwasserkanal unterlässt“. Da diese Kanalleitung unstreitig durch die im Dezember 2013 durchgeführten baulichen Maßnahmen der Antragsgegnerin unterbrochen wurde (vgl. auch S. 12 des Gutachtens vom 11.1.2016), besteht für einen Verstoß gegen die im Tenor des Urteils vom 15. Juli 2013 ausgesprochene Verurteilung zur Unterlassung weiterer Wasserzuführung kein räumlich-gegenständlich bestimmbarer Anknüpfungspunkt mehr.
c) Der Umstand, dass sich nach den Feststellungen des Sachverständigen in dem – allein auf dem Grundstück FlNr. 690 des Antragstellers gelegenen – Kanalteilstück durchaus weiterhin Wasser ansammeln mag (S. 7 des Gutachtens vom 11.1.2016), führt zu keiner anderen Beurteilung. Hierfür kommen ausweislich des Gutachtens (S. 8, S. 10 f.) verschiedene Ursachen in Betracht. Die von der Beschwerdebegründung insoweit eingeforderte positive Handlungspflicht der Antragsgegnerin in Gestalt eines Beseitigungsanspruchs bezüglich des auf dem Grundstück des Antragstellers verbliebenen Kanalreststücks findet im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Senatsurteils vom 15. Juli 2013 keine Grundlage. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Antragsgegnerin (nur) zu einer Unterlassung, nicht zu einem positiven Tun verurteilt. Das klägerische Begehren, den Regenwasserkanal aus dem Grundstück FlNr. 690 zu entfernen, blieb auch im Berufungsverfahren ohne Erfolg (Ziffer 1 Satz 3 des Urteilstenors vom 15.7.2013 i.V.m. Rn. 17-19 der Entscheidungsgründe).
d) Schließlich vermag der Antragsteller auch mit seinen Angriffen gegen die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme nicht durchzudringen. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ist in sich widerspruchsfrei und überzeugend; es wird auch von der Antragstellerseite nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Die Auswahl und Bestellung des Sachverständigen hat das Verwaltungsgericht in Absprache mit den Verfahrensbeteiligten vorgenommen (vgl. Bl. 23 ff. der Gerichtsakte im Verfahren AN 1 V 15.1012). Einen Anspruch darauf, dass ein Ortstermin im Rahmen der Beweisaufnahme nur unter ganz speziellen Bedingungen – hier bei möglichst ungünstigen Witterungsverhältnissen bzw. nach einem „Extremniederschlag“ (so die Bezeichnung der vom Antragsteller vorgelegten Videodokumentation vom 29.5.2016) – anberaumt wird, hat der Antragsteller unabhängig von den praktischen Schwierigkeiten einer derartigen Vorgehensweise nicht. Der Umstand, dass es bei Extremwetterlagen eher zu (größeren) Wasseransammlungen kommen kann als unter Normalbedingungen, wurde weder von dem Sachverständigen noch von der Antragsgegnerin in Zweifel gezogen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil im Beschwerdeverfahren lediglich eine Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).