Baurecht

Architektenhaftung: Mitverschulden des Auftraggebers gegenüber dem bauausführenden Architekten bei mangelhaften Plänen

Aktenzeichen  9 U 4338/15 Bau

Datum:
9.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 115071
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 1, Abs. 2 § 254 Abs. 1, Abs. 2, § 278, § 631
BGB aF § 635

 

Leitsatz

1. Bei einer gesonderten Beauftragung der Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 – 5 einerseits, der Leistungsphasen 6 ff. andererseits obliegt es beiden Architekten, für die nötigen Brandschutzvorkehrungen Sorge zu tragen.   (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Hauptverantwortung hierzu lag jedenfalls in den Jahren 1999 bis 2001 beim ausschreibenden Architekten. Wenn der planende Architekt einen Hinweis auf nötige Brandschutzvorkehrungen unterlassen hat, muss sich der Auftraggeber dies gegenüber dem ausschreibenden und die Aufsicht führenden Architekten als Mitverschulden anrechnen lassen (hier: Abzug 1/3). (Leitsätze der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 O 13200/11 2015-10-15 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.10.2015, Az.: 8 O 13200/11, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe desselben Betrages leistet. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.612,– Euro festgesetzt.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 635 a. F., Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB zu, der jedoch gemäß § 254 BGB anteilig um den Mitverschuldensanteil der Klägerin gekürzt werden muss. An der Höhe der Schadensberechnung ergeben sich ebenfalls keine Bedenken, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 635 BGB a. F., Artikel 229 § 5 EGBGB zu, da die Leistung der Beklagten mangelhaft war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die für die Herstellung der Brandsicherheit erforderlichen Abschottungen lediglich bei der Abluft durchgeführt wurden, bei den übrigen Leitungen sind brandsichere Abschottungen nicht vorhanden. Dies ist ein Mangel im Brandschutz, wie bereits erstinstanzlich durch den Gerichtssachverständigen R. festgestellt. Im Rahmen der Genehmigungsplanung sind die Vorgaben des Brandschutzes zu planen und mit der Genehmigungsbehörde abzustimmen. Eigenständige Brandschutzpläne waren nach Angaben des Sachverständigen R. damals nicht üblich gewesen. Aus der Genehmigungsplanung hätte sich ergeben müssen, ob Brandschutzanforderungen an die Decken- oder Schachtwände zu stellen sind. Im Rahmen der Werkplanung werden die Details in der Regel nicht in die Werkpläne eingezeichnet. Der Sachverständige gab an, das sei schon damals zum Zeitpunkt der Planung des Bauwerks so gewesen und gälte auch heute noch so. Heutzutage lägen aber in der Regel Brandschutzpläne, die dazu weitere Auskunft geben. Dass in den Werkplänen Angaben nicht vorhanden sind, liegt daran, dass regelmäßig auch die Ausschreibung (Phase 6) von dem Werkplaner vorgenommen wird. Im Rahmen der Ausschreibung werden dann diese Anforderungen definiert.
Hier bestand die Besonderheit, dass derjenige, der die Werkplanung erstellt hat (die Streithelfer M. und N.) nicht mit der Ausschreibung befasst war. Diese hätten daher in der Werkplanung einen entsprechenden Hinweis auf die brandschutztechnischen Anforderungen aufnehmen müssen. Die Beklagte war hier mit der Ausschreibung sowie mit der Überwachung beauftragt. Bereits in der Ausschreibung hätte den Beklagten bewusst sein müssen, dass Brandschutz nicht aufgenommen war. Im Übrigen ist im Rahmen der Überwachung stets für Brandschutz zu sorgen. Im Rahmen der Werkplanung hätte der Brandschutz im Plan aufgenommen werden müssen. Die Umsetzung liegt jedoch nach den Angaben des Sachverständigen in den Händen des Ausschreibenden bzw. des Überwachenden. Mit diesen Aufgaben waren die Beklagten beauftragt.
2. Die Klägerin muss sich hier einen Mitverschuldensanteil von 1/3 zurechnen lassen, da die von ihr beauftragten Werkplaner M. und N. die notwendigen Brandschutzangaben nicht in die Werkplanung aufgenommen haben. Der Anteil ist mit 1/3 zu bemessen. Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten vor, hängt der Umfang der Ersatzpflicht von einer Abwägung der Umstände des Falles ab, wobei insbesondere auf das Maß der beiderseitigen Verursachung abzustellen ist. Es kommt für die Haftungsverteilung wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in einem höheren Maße wahrscheinlich gemacht hat (BGH NJW-RR 2000, 272 und NJW 1998, 1137). Im Rahmen dieser Mitwirkungshandlungen hat der Auftraggeber, also die Klägerin, dem Unternehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Sind diese mangelhaft, muss er sich ein Verschulden des planenden Architekten gemäß §§ 254, 278 zurechnen lassen (vgl. BGH NJW 2009, 582). Der bauaufsichtsführende Architekt hat eine herausgehobene Stellung unter den Baubeteiligten. Ihm obliegt es, für eine mangelfreie Realisierung des Bauvorhabens zu sorgen. Dazu gehört auch, in den durch die Aufgabe vorgegebenen Grenzen die Prüfung der ihm vorgelegten Pläne, ob diese geeignet sind, das Bauwerk mangelfrei entstehen zu lassen. Diese herausgehobene Stellung rechtfertigt es jedoch nicht, die Mitwirkung des Bestellers im Rahmen der Haftung entgegen §§ 254, 278 gänzlich unberücksichtigt zu lassen (BGH NJW 2009, 582). Wird nun hier der Verursachungsanteil der Beklagten berücksichtigt, so waren diese mit einem geringen Anteil an der Leistungsphase 5 und im Übrigen mit der Leistungsphase 6 bis 8 beauftragt. Zur Leistungsphase 6 gehört die Ausschreibung, auch bei der Ausschreibung muss der Brandschutz im Auge behalten werden. Zusätzlich waren sie mit der vollständigen Bauüberwachung beauftragt, so dass an dieser Stelle spätestens hätte auffallen und erkannt werden müssen, dass der Brandschutz nicht in der notwendigen Form gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wie und in welchem Umfang die Beklagten mit den Streithelfern M. und N. bisher und bei früheren Bauvorhaben arbeitsteilig zusammenarbeiteten oder nicht. Es ergibt sich daraus auch kein größerer Haftungsanteil. Der Haftungsanteil der Beklagten rührt aus dem Aufgabengebiet der Beklagten, nämlich die Beauftragung mit den Leistungsphasen 6 bis 8 sowie der Leistungsphase 5 her. Wie der Sachverständige ausführt, kommt es gerade in der Leistungsphase 6 bei der Ausschreibung darauf an, dass der Brandschutz mitausgeschrieben wird. Insofern ist der Verursachungsanteil der Beklagten höher anzusetzen als der der Klägerin zuzurechnende Verursachungsanteil der planenden Architekten, der Streithelfer M. und N. Das Landgericht hat diese Quote zutreffend mit zwei Drittel Haftungsanteil bemessen.
3. Fehlerhaft ist auch nicht der Ansatz der Planungskosten im Rahmen des Schadensersatzes. Im Rahmen des Schadensersatzes können die Aufwendungen berechnet werden, die zur vertragsgemäßen Herstellung des Werkes notwendig sind (BGH Urteil vom 28.06.2007, BauR 2007, 1567). Dazu gehören alle Kosten, die sicher anfallen werden. Diese Schäden können im Übrigen gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Der vom Sachverständigen angesetzte Betrag von 4.000,– Euro für Architektenkosten erscheint nicht unangemessen. Der Planungskoordinations- und Bauleitungsanteil wurde mit 15% der gesamten Nettosumme angesetzt. Diese Bemessung begegnet keinen Bedenken.
III.
Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ist zu bejahen. Es ist nicht auszuschließen, dass bei der Beseitigung des Schadens weitere Kosten anfallen. Insoweit besteht ein Feststellungsinteresse der Klägerin. Auch hier ist der Mitverschuldensanteil der Klägerin zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 542 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die vorliegende Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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