Baurecht

Architektenhonorar bei Beauftragung der Erwirkung einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  5 O 21198/15

Datum:
31.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BauR – 2017, 1066
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 631
HOAI 2009 HOAI 2009 § 33 Nr. 1 – 4

 

Leitsatz

1. Bei der Beauftragung eines Architekten mit der Erwirkung einer Baugenehmigung sind grundsätzlich die Leistungsphasen 1-4 gem. § 33 iVm Anh. 11 HOAI 2009 zu vergüten, wenn nicht Planungsleistungen von Dritten vorliegen, da die in den Leistungsphasen 1-3 behandelten Vorleistungen für die Erstellung der Genehmigungsplanung erforderlich sind. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die mangelhafte Erbringung von Teilleistungen lässt einen Teil des Honoraranspruchs nur entfallen, wenn die Voraussetzungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts des BGB oder eines werkvertraglichen Gewährleistungsanspruchs erfüllt sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.159,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.12.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 10% und die Beklagte 90% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 10.069,29 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 631 BGB i.H.v. 9.159,40 €.
1. Die Beklagte hat die Klägerin unstreitig mit der Erwirkung der Baugenehmigung für ihr Grundstück … beauftragt. Soweit die Beklagte geltend macht, dass sie die Klägerin ausschließlich mit eben dieser Erwirkung der Baugenehmigung beauftragt habe und deshalb nur die Leistungsphase 4 des § 33 i.V.m. Anh. 11 HOAI 2009 zu vergüten sei, ist diesem Einwand nicht zu folgen. Erhält der Architekt den Auftrag, die „Genehmigungsplanung“ (ohne Übergabe einer Entwurfs- und Vorplanung) zu erstellen, kann er auch die Leistungsphasen 1-3 des §§ 33 HOAI 2009 abrechnen, weil diese Vorleistungen erforderlich sind, um eine Genehmigungsplanung zu erstellen. Er ist dabei nicht einmal verpflichtet, im Einzelnen darzulegen, welche Arbeiten er für die Leistungsphasen 1 bis 3 durchgeführt hat (Werner Pastor, Der Bauprozess, 14 Aufl., Rn 847, m.w.N.). Zwar relativierte der BGH diesen Grundsatz in NJW 2008, 1880 dahingehend, dass die Leistungsphasen 1-3 nicht alleine deshalb Gegenstand des Architektenvertrags werden, da sie der Leistungsphase 4 vorausgehen. Jedoch ist zu beachten, dass der Architekt für eine Genehmigungsplanung die erforderlichen Grundlagen, die in den Leistungsphasen 1-3 widergespiegelt werden, zu erarbeiten und den Antrag auf die Baugenehmigung einzureichen hat. Dies setzt voraus, dass der Architekt sich vorher umfassend mit dem geplanten Grundstück auseinander gesetzt hat und anhand dieser Grundlagen zur Beantragung geeignete Pläne erstellt. Ohne eine ausreichende Grundlagenermittlung, Vorplanung und Entwurfsplanung – Klärung der Aufgabenstellung, Grundlagenanalyse, Abstimmen vom Zielkonflikten, usw. (vgl. Anlage 11 zu § 33 HOAI 2009) – wäre es dem Architekten nicht möglich, festzustellen, ob ein Baugenehmigungsverfahren erfolgversprechend geführt werden kann. Eine Ausnahme kann dabei nur dann gelten, wenn die Leistungsphasen 1-3 bereits ausreichend von einem anderen Architekten bearbeitet wurden und der neue Architekt auf dessen Grundlage mit der Leistungsphase 4 beauftragt wird. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin allerdings lediglich Skizzen und Pläne übergeben, welche als Grundlage für die Genehmigungsplanung nicht ausreichend waren. Sie gaben nur zeichnerisch die Vorstellung der Beklagten wider, welche sie der Klägerin im Rahmen der Leistungsphasen 1-3 als Randbedingungen und Grundlagen für eine Genehmigungsplanung mitzuteilen hatte. Die Klägerin hat sodann selbst die erforderliche Grundstücksvermessung durchgeführt und die Zielvorstellungen der Beklagten erarbeitet (vgl. den ausführlichen Schriftverkehr der Parteien in Anlage K9). Insoweit ist davon auszugehen, dass auch die Leistungsphasen 1-3 zu vergüten sind.
2. Die zu erbringenden und erbrachten Leistungsphasen 1-4 werden gemäß § 33 Nr. 1-Nr. 4 HOAI 2009 mit 27% bewertet. Soweit die Klägerin die erforderliche Kostenberechnung im Rahmen der Leistungsphase 3 unstreitig erst nachträglich mit der Honorarberechnung erstellt hat, ist hierfür ein Abzug vorzunehmen. Dieser ist je nach Bedeutung der Kostenberechnung zwischen 0,8-2% des Gesamthonorars anzusetzen (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Auflage, § 8 Rn. 34). Das Gericht hält insoweit einen Abzug von 1% für angemessen und auch ausreichend.
3. Soweit die Beklagte einwendet, dass einzelne Leistungsphasen oder auch einzelne Teilleistungen in den Leistungsphasen 1-4 mangelhaft ausgeführt worden sind, greift auch dieser Einwand nicht durch. Wie die Klägerin richtig ausführt, entfällt der Honoraranspruch bei Nicht- oder Schlechterfüllung einzelner Leistungen des Architekten nur dann, wenn der Tatbestand einer Regelung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts des BGB oder des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts erfüllt ist, die den Verlust oder die Minderung der Honorarforderung als Rechtsfolge vorsieht (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Auflage, § 8 Rn. 19; Werner Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 2197). Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin den Bauantrag zunächst ohne Unterschrift eingereicht hat und diese erst später nachgeholt wurde, da die Beklagte der Klägerin zwischenzeitlich keine erfolglose Frist gesetzt hat und die Leistung letztendlich sogar nachgeholt wurde.
4. Das Honorar errechnet sich nach den anrechenbaren Kosten des Objektes auf der Grundlage der Kostenberechnung, § 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI 2009. Hierbei sind die Kosten in verschiedene Kostengruppen aufzuteilen, wobei auf das Bauwerk die Gruppen 300 u. 400 entfallen (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Auflage, S. 1198). In der Kostenberechnung müssen die Gesamtkosten nach Kostengruppen mindestens bis zur 2. Ebene der Kostengliederung ermittelt werden (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Auflage, S. 1196, Pkt. 3.4.3). Diese Vorgaben erfüllt die Klägerin durch ihre Kostenberechnung, vorgelegt als Anlage K 9 beziehungsweise K 14. Die Beklagte hat diese Kosten nicht substantiiert bestritten.
5. Die Beklagte bestreitet lediglich, dass die Klägerin auch die technischen Anlagen (Gruppe 400) geplant hat und ihr hierfür ein Honorar zusteht. Auch ohne Planung und Überwachung der technischen Anlagen steht dem Architekten gemäß § 32 Abs. 2 HOAI 2009 hierfür ein Honorar zu. Allerdings können diese Kosten nur bis zu 25 Prozent der sonstigen anrechenbaren Kosten vollständig veranschlagt werden, der darüber hinausgehende Betrag kann nur zur Hälfte geltend gemacht werden. Demgemäß betragen die anrechenbaren Kosten in der Gruppe 300 ausweislich der Kostenberechnung der Klägerin 202.917,65 €. 25% hiervon stellen einen Betrag von 50.729,41 € dar. Die Klägerin ist daher im Rahmen der Gruppe 400 lediglich berechtigt diesen Betrag und die Hälfte aus dem diesen Betrag übersteigenden Betrag ((55.905,88 € – 50.729,41 €)/2), mithin 53.317,64 € geltendzumachen. Demzufolge ergeben sich anrechenbare Kosten in Höhe von 256.235,29 €.
6. Aus dem soeben Gesagten ergibt sich damit nach Mindestsätzen bei einem Leistungsumfang von 26% und der Honorarzone III ein Nettohonorar von 7.696,97 €. Zuzüglich der gesetzl. Ust von 19% ergibt sich ein Zahlbetrag von 9.159,40 €.
7. Nebenkosten, welche die Klägerin pauschal mit 5% des Nettohonorars geltend macht, sind nicht zuzusprechen. Nach § 14 Abs. 3 HOAI 2009 ist eine pauschale Abrechnung der Nebenkosten nur möglich, wenn eine solche vorher schriftlich vereinbart wurde. Eine solche schriftliche Vereinbarung trägt die Klägerin ebensowenig vor, wie eine Einzelaufgliederung der Nebenkosten.
II.
Die Zinsentscheidung richtet sich nach §§ 286, 288, 291 BGB. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 23.12.2015 zugestellt. Zinsbeginn ist daher der 24.12.2015, § 187 Abs. 1 analog.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht bzgl. der Klägerin auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO und bezüglich der Beklagten, welche lediglich die entsprechenden Kosten vollstrecken kann, auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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