Baurecht

Aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Bauvorbescheid

Aktenzeichen  M 29 SN 18.4199

Datum:
13.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30674
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 212a Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Bauvorbescheid stellt keine „bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens“ im Sinne des § 212a Abs. 1 BauGB dar (vgl. BayVGH BeckRS 1999, 22168). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist die Eigentümergemeinschaft des Grundstücks H* …str. 2-4 FlNr. 186, Gemarkung … Nach Aktenlage weist sowohl das Gebäude H* …straße 2 als auch das Gebäude H* …str. 4 vier Geschosse auf. Das Grundstück grenzt mit seiner Ostseite an die in etwa NordSüd- Richtung verlaufende H* …straße, mit seiner Nordseite an die in etwa in WestOst- Richtung verlaufende B* …straße an. Die B* …straße weist im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin eine Breite von ca. 25 Meter (abgegriffen aus dem amtlichen Lageplan) auf.
An der Nordseite der B* …straße liegt dem Grundstück der Antragstellerin das Grundstück FlNr. 178 gegenüber, an dieses nördlich angrenzend das Grundstück FlNr. 180/1. An die Grundstücke FlNrn. 178 und 180/1 grenzt im Westen das Grundstück FlNr. 182, im Osten das Grundstück FlNr. 180/2. Auf dem Grundstück FlNr. 180/2 befindet sich das Anwesen B* …straße 24, auf dem Grundstück FlNr. 178 das Anwesen B* …straße 26 und auf dem Grundstück FlNr. 182 das Anwesen B* …straße 28. Eigentümerin der genannten Grundstücke ist die Beigeladene. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 1922a der Antragsgegnerin, in Kraft seit dem 30. Juni 2006.
Am 22. September 2017 beantragte die Beigeladene bei der Antragsgegnerin die Erteilung eines Vorbescheids zum Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Kita und Tiefgarage auf den Grundstücken FlNrn. 178, 180/1, 180/2, 182 sowie 174/1 (dieses Grundstück liegt nördlich und östlich des Grundstücks Flur Nr. 180/2 im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 30b (Teil 4) der Antragsgegnerin, in Kraft seit 29. Oktober 1971). Abgefragt wurden Befreiungen von den Festsetzungen der Bebauungspläne Nr. 1922a und Nr. 30b (Teil 4) hinsichtlich der Grundflächenzahl, hinsichtlich der Geschossflächenzahl, hinsichtlich der Geschossigkeit bzw. Höhenentwicklung, hinsichtlich der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche sowie hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Weitere Fragen betreffen die geplante Tiefgarage sowie verschiedene Baumfällungen. Schließlich wurden noch Abweichungen von den Abstandsflächen abgefragt, u.a. wegen Überschreitung der Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche der B* …straße.
Am 19. Juli 2018 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen den beantragten Vorbescheid nach Plannummer … Sämtliche Vorbescheidsfragen wurden positiv beantwortet. Eine Nachbarausfertigung des Vorbescheids wurde der Antragstellerin mit Schreiben vom 26. Juli 2018 bekanntgegeben.
Mit Schriftsatz vom … August 2018, der am gleichen Tag bei Gericht einging, erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin Klage gegen den Vorbescheid vom 19. Juli 2018 (M 29 K 18.4200) und beantragen weiter,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, zwischenzeitlich sei auch ein Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bei der Antragsgegnerin gestellt worden. Der Vorbescheid sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für die Inaussichtstellung von Befreiungen von Bebauungsplanfestsetzungen nicht vorlägen. Den Mindestabstandsflächen komme eine besonders hohe Bedeutung zu, so dass Abweichungen von den Abstandsflächen nicht hätten ausgesprochen werden dürfen. Durch die Erhöhung der GFZ als auch durch die allgemeine Höhenentwicklung werde gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen. In der gesamten Umgebung seien maximal vier- oder fünfgeschossige Gebäude vorhanden, vorliegend seien aber sieben Vollgeschosse genehmigt worden. Damit sei eine erdrückende Wirkung gegeben. Ein Vorgehen gegen den Vorbescheid sei zwingend erforderlich, da andernfalls der Antragstellerin keine Abwehrrechte gegen die bestandskräftigen Regelungen zustünden. Nur durch einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz könne die Antragstellerin verhindern, dass eine Baugenehmigung mit den bestandskräftigen Regelungen erlassen werde.
Mit Schriftsatz vom 3. September 2018 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei schon aus verschiedenen Gründen unzulässig. Jedenfalls verletze der Vorbescheid aber keine subjektiven Rechte der Antragstellerin. Auf die ausführliche Antragserwiderung im Übrigen wird Bezug genommen.
Die Beigeladene, die mit Beschluss vom 24. August 2018 beigeladen wurde, äußerte sich bislang nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Baunachbarklage ist bereits unzulässig. Ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtschutzbedürfnis fehlt in den Fällen, in denen der Kläger mit der Klage bzw. der Antragsteller mit dem Antrag eine Verbesserung seiner Rechtstellung nicht erreichen kann (vgl. BVerwG vom 11. März 1992 Az.: 5 B 32/92 – juris, Rn. 4) Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben, da der Klage gegen den Vorbescheid vom 19. Juli 2018 bereits nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage entfällt vorliegend nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB. Nach § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung.
Ein Vorbescheid nach Art. 71 BayBO stellt aber keine „bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens“ im Sinne des § 212a Abs. 1 BauGB dar (BayVGH vom 1. April 1999 Az.: 2 CS 98.2646 – juris, Rn. 12 ff.; Decker in: Schiwy, BauGB, Stand Juli 2018, § 212a, Nr. 3; Hornmann in: Spannowsky / Uechtritz, BauGB, 2. Auflage 2014, § 212a, Rn. 17 f.; Geiger in: Sommer/Möhler/Scheidler/Schenk/Strehler, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechts, Stand Mai 2018, Teil E, Rn. 3; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80, Rn. 28; a.A.: NdsOVG vom 30. März 1999 Az.: 1 M 897/99 – juris, Rn. 26 sowie vom 8. Juli 2004 Az.: 1 ME 167/04 – juris, Rn. 17; Kalb/Külpmann in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2018, § 212a, Rn. 25 f.; Battis in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 212a, Rn. 2; Szechenyi in: Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Auflage 2018, § 212a, Rn. 3, bei gleichzeitiger Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses).
Der Einstufung eines Vorbescheids als „bauaufsichtliche Zulassung“ im Sinn von § 212a Abs. 1 BauGB steht schon entgegen, dass der Vorbescheid ein Vorhaben gerade noch nicht zulässt. Aus Art. 71 Satz 1 BayBO ergibt sich vielmehr, dass es sich beim Vorbescheid lediglich um eine Vorabentscheidung über einzelne in der Baugenehmigung zu entscheidende Fragen handelt. Nach Art. 68 Abs. 5 BayBO – diese Regelung ist konsequenterweise in der einen Vorbescheid betreffenden Regelung des Art. 71 Satz 4 BayBO nicht genannt – darf erst nach Bekanntgabe der Baugenehmigung mit der Bauausführung begonnen werden. Anders als eine Baugenehmigung enthält ein Vorbescheid also keinen verfügenden Teil. Ferner tritt die Bindungswirkung des Bauvorbescheids nur ein, wenn dieser Vorbescheid dem Dritten gegenüber bei der Erteilung der Baugenehmigung bereits bestandskräftig war. Zur Sicherung der Nachbarrechte ist eine – fristgerechte erhobene – Klage daher ausreichend.
Aus den vorgenannten Gründen folgt die Kammer der (wohl) herrschenden Meinung und nicht der Gegenauffassung. Diese beruht darauf, dass der Begriff der „bauaufsichtlichen Zulassung“ in § 212a Abs. 1 BauGB weiter gefasst ist als der Begriff der „bauaufsichtlichen Genehmigung“ in der Vorgängervorschrift des § 10 Abs. 2 BauGB
MaßnahmenG. Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass – wie ausgeführt – mit einem Vorbescheid ein Vorhaben nicht im Sinn einer Baufreigabe zugelassen wird.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren M 29 K 18.4200 war nach alledem als unzulässig abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Da die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko i.S.v. § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit i.S.v. § 162 Abs. 3 VwGO, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog.

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