Baurecht

Ausschluss aus einem Vergabeverfahren für preisvergünstigte Wohnbaugrundstücke

Aktenzeichen  4 CE 18.2534, 4 C 19.127

Datum:
18.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1036
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
VwGO § 123, § 146

 

Leitsatz

Wird in einem Vergabeverfahren für preisvergünstigte Wohnbaugrundstücke nicht ein Teilhabeanspruch auf eines der zu vergebenden Grundstücke verfolgt, sondern lediglich ein Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die Wohnbaugrundstücke nicht schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens endgültig an andere Personen vergibt, ist der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 1 VwGO anzusetzen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 E 18.5082 2018-11-13 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Den Antragstellern wird im Verfahren Az. 4 CE 18.2534 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
II. Der Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019 wird abgeändert und erhält folgende Fassung:
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2018 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für beide Instanzen auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt. Die Streitwertbeschwerde der Antragsteller (Az. 4 C 19.127) wird damit gegenstandslos.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des Eilrechtschutzes gegen ihren Ausschluss von einem Verfahren für die Vergabe preisvergünstigter Wohnbaugrundstücke.
In ihrer am 30. Juli 2018 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Bewerbung gaben die Antragsteller u. a. an, ihr Grundeigentum bestehe aus dem Grundstück Fl. Nr. 797 mit einer Fläche von 2.870 m² und einem Wert von 20.090 Euro (7 Euro pro m²).
Mit Bescheid vom 13. September 2018 lehnte die Antragstellerin die Bewerbung ab, da die Antragsteller ihre Vermögensverhältnisse im Bewerbungsbogen nicht vollständig offengelegt hätten. Sie hätten es unterlassen anzugeben, dass derzeit ein Verfahren zur Aufstellung einer Einbeziehungssatzung laufe; damit werde ein Baurecht geschaffen, das sich erheblich auf den Verkehrswert des Grundstücks auswirke. Bereits während der Aufstellung der Satzung steige der Verkehrswert; eine Bewertung als landwirtschaftliche Fläche sei offensichtlich unzutreffend.
Die Antragsteller erhoben hiergegen Klage und beantragten zugleich gemäß § 123 VwGO, der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, bis zur Hauptsacheentscheidung die Wohnbaugrundstücke endgültig zuzuteilen und zu veräußern.
Mit Beschluss vom 13. November 2018 lehnte das Verwaltungsgericht München den Eilantrag ab; dabei wurde der Streitwert auf 32.581,25 Euro festgesetzt.
Gegen den ihnen am 14. November 2018 zugestellten Beschluss legten die Antragsteller am 28. November 2018 Beschwerde ein (Az. 4 CE 18.2534). Diese wurde mit einem am 5. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten begründet. Mit ebenfalls am 5. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen weiteren Schriftsatz legten die Antragsteller Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ein mit dem Ziel, einen Streitwert von 2.500 festzusetzen (Az. 4 C 19.127).
Die beiden am 5. Dezember 2018 eingegangenen Schriftsätze wurden dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 17. Januar 2019 vorgelegt.
Zuvor hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Januar 2019 die Beschwerde der Antragsteller im Verfahren Az. 4 CE 18.2534 mangels Begründung als unzulässig verworfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts München im Eilverfahren ist entgegen dem Beschluss des Senats vom 7. Januar 2018 als zulässig anzusehen, da den Antragstellern hinsichtlich der versäumten Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 4 VwGO).
Die Beschwerdebegründung wurde zwar entgegen der Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 2 VwGO, auf deren Inhalt die Antragsteller in der dem erstinstanzlichen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrunghingewiesen worden sind, nicht beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als dem Beschwerdegericht, sondern beim Verwaltungsgericht München eingereicht. Dieses wäre jedoch verpflichtet gewesen, die fälschlich bei ihm eingereichte Begründung im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof weiterzuleiten (vgl. Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 20; BVerwG, B.v. 15.7.2003 – 4 B 83.02 – NVwZ-RR 2003, 901). Wäre dies geschehen, hätte der entsprechende Schriftsatz das Beschwerdegericht noch innerhalb der bis zum 14. Dezember 2018 laufenden Begründungsfrist erreicht.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat zur Folge, dass die im Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019 erfolgte Verwerfung gegenstandslos geworden und über die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde in der Sache neu zu entscheiden ist.
2. Die Beschwerde, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat das Eilrechtsschutzbegehren zu Recht abgelehnt.
a) Die Antragsteller tragen im Beschwerdeverfahren vor, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts hätten sie auch die in ihrem Eigentum stehenden weiteren Grundstücke Fl. Nr. 797/1 und 797/2 angegeben. Diese hätten zusammen mit dem im Bewerbungsbogen genannten Grundstück Fl. Nr. 797 eine Fläche von insgesamt 3.158 m². Dass nur 2.870 m² angegeben worden seien, beruhe auf einem jederzeit korrigierbaren Rechenfehler und sei daher keine Falschangabe. Die Antragsteller hätten die Grundstücke Fl. Nr. 797/1 und 797/2 in die Berechnung einfließe lassen, da eben nicht nur das 1.529 m² große Grundstück Fl. Nr. 797 angegeben worden sei. Ein Verschweigen von Angaben liege nur vor, wenn Umstände weggelassen oder unrichtige Angaben gemacht würden; weitere Voraussetzung sei, dass die Bewertungsumstände nicht öffentlich bekannt seien. Bei der Erörterung des Bewerbungsbogens am 27. Juli 2018 habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1 mitgeteilt, der Wert des Grundstücks werde mit dem Landratsamt geklärt. Die Grundstücksflächen seien bis heute als landwirtschaftliche Flächen ausgewiesen. Die Angabe von 7 Euro pro m² stelle kein Fehlverhalten dar, da eine präzise Wertangabe für die Grundstücke nur durch ein Gutachten möglich und von einem Laien nicht zu leisten sei. Ein Verschweigen der Einbeziehungssatzung durch die Antragsteller sei nicht möglich gewesen, da die Satzung öffentlich bekannt gemacht worden sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass der Grundstückswert um mehr als 70.000 Euro höher sei als angegeben. Wie im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, sei für landwirtschaftliche Flächen ein Wert von 25 Euro pro m² anzusetzen; dass die Antragsgegnerin für Bauerwartungsland einen Wert von 209 Euro pro m² ansetze, sei nicht nachvollziehbar. Nicht berücksichtigt werde dabei die noch fehlende Löschwasserversorgung; zudem habe die Antragstellerin zu 2 mit der Stadt Starnberg für das Grundstück Fl. Nr. 797/2 ein Ankaufsrecht zum halben Verkehrswert vereinbart. Insgesamt sei das Grundvermögen der Antragsteller (Fl. Nr. 797, 797/1 und 797/2) mit 116.282,50 Euro anzusetzen.
b) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, den für eine einstweilige Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch zu begründen. Sie bestätigen vielmehr die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung.
Wie im erstinstanzlichen Beschluss zutreffend ausgeführt wurde, handelt es sich bei dem von der Antragsgegnerin zur Ablehnung der Bewerbung herangezogenen Ablehnungsgrund nach Nr. 2.8 der Vergaberichtlinien (fehlende Antragsberechtigung u. a. bei Nichtoffenlegung maßgeblicher Umstände, insbesondere der Einkommens- und Vermögensverhältnisse) um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, bei der es nicht auf eine objektive Auslegung, sondern auf die tatsächliche Handhabung in der Praxis und damit auf das (bisherige) inhaltliche Verständnis seitens der Antragsgegnerin ankommt. Dass diese den Ausschluss der Antragsteller aus dem Bewerberkreis damit begründet hat, die von ihnen eingereichten Bewerbungsunterlagen hätten eindeutig unzutreffende Angaben über den aktuellen Wert ihres Grundvermögens enthalten, ist hiernach nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin war entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht von Rechts wegen verpflichtet, die eigenen Vergaberichtlinien einschränkend etwa dahingehend zu verstehen, dass nur solche Falschangaben zum Ausschluss führen könnten, deren Unrichtigkeit sich nicht schon aus öffentlich bekannten Umständen ergab. Es kann demzufolge dahinstehen, ob und mit welcher Sicherheit die Antragsgegnerin von Anfang an erkannt hat oder hätte erkennen können, dass der angegebene Grundstückswert von 7 Euro pro m² wegen des weit fortgeschrittenen Verfahrens zur Aufstellung einer Einbeziehungssatzung unrichtig war. Auch die bei der Erörterung des Bewerbungsbogens möglicherweise erfolgte Mitteilung an die Antragsteller, der angegebene Grundstückswert werde durch Rücksprache mit dem Landratsamt überprüft, hinderte die Antragsgegnerin nicht daran, nach Erkennen der unzutreffenden Angaben über das Grundvermögen die Ausschlussklausel nach Nr. 2.8 ihrer Richtlinien anzuwenden.
Dass die Antragsteller mit dem in keiner Weise begründbaren Quadratmeterpreis von 7 Euro einen für die Vergabe maßgeblichen Umstand, nämlich den aktuellen Wert ihres Grundvermögens, nicht offengelegt, sondern vielmehr verschleiert haben, wird auch in der Beschwerdebegründung letztlich eingeräumt. Die Antragstellerin zu 2 hat, wie sich aus den Angaben ihres Bevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren ergibt, die Grundstücke Fl. Nr. 797 und 797/1 im Juli 2015 für 25 Euro/m² und das Grundstück Fl. Nr. 797/2 im August 2016 für 75 Euro/m² gekauft. Demnach lag der tatsächliche Grundstückswert bereits vor der Bekanntgabe des Beschlusses über die Aufstellung einer Einbeziehungssatzung im November 2017 weit über den in den Bewerbungsunterlagen im Juli 2018 genannten 7 Euro/m².
Eine genaue Berechnung des aktuellen Verkehrswerts der Grundstücke, wie sie nur ein Gutachter hätte liefern können, war im Übrigen von der Antragsgegnerin nicht zwingend gefordert; andernfalls wäre die Bewerbung der Antragsteller schon aus diesem Grund zurückgewiesen worden. Auch eine bloße Schätzung aus Laiensicht hätte aber bei sorgfältiger Vorgehensweise die maßgeblichen Bewertungsfaktoren beachten und daher das kurz vor dem Abschluss stehende Verfahren der Ortsplanung als wertbestimmenden Umstand in erkennbarer Weise berücksichtigen müssen. Dieses Gebot haben die Antragsteller eindeutig missachtet. Der von ihnen angegebene, an einer landwirtschaftlichen Fläche ohne Bauerwartung orientierte Gesamtwert von 20.090 Euro lag, auch wenn man den in der Beschwerdebegründung mitgeteilten Grundstückswert von 116.282,50 Euro zugrunde legt, so weit entfernt von einem als vertretbar anzusehenden Schätzwert, dass darin ein erheblicher und vorwerfbarer Verstoß gegen die im Bewerbungsverfahren zu erfüllenden Offenlegungspflichten gesehen werden durfte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung zum Streitwert ergibt sich aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013. Dabei ist, worauf in der Streitwertbeschwerde zu Recht hingewiesen wird, die Besonderheit zu berücksichtigen, dass hier anders als in früher vom Senat entschiedenen Fällen (BayVGH, B.v. 26.4.2007 – 4 CE 07.266 – BayVBl 2008, 86 = juris Rn. 3 u. 12; B.v. 23.2.2009 – 4 ZB 07.3484 – juris Rn. 3 u. 8; B.v. 2.3.2017 – 4 ZB 16.1852 – BayVBl 2018, 281 = juris Rn. 3 u. 18) nicht ein Teilhabeanspruch auf eines der zu vergebenden Grundstücke verfolgt worden ist, sondern lediglich ein Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die Wohnbaugrundstücke nicht schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens endgültig an andere Personen vergibt. Dieser verfahrenssichernde Unterlassungsanspruch hat im Unterschied zu dem Anspruch auf Zuteilung eines preisvergünstigten Grundstücks keinen bezifferbaren wirtschaftlichen Wert, so dass hier der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 1 VwGO anzusetzen ist, der gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 im Eilverfahren zu halbieren ist.
Mit der zugleich von Amts wegen erfolgten Änderung des erstinstanzlichen Streitwerts (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) wird die Streitwertbeschwerde der Antragsteller gegenstandslos (Az. 4 C 19.127).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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