Aktenzeichen 14 B 19.96
BayVwVfG Art. 40
Leitsatz
1. Bei der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts aus Art. 39 BayNatSchG sind rechtlich geschützte Privatinteressen nicht auf der Tatbestandsseite bei der Prüfung der Rechtfertigung i.S.v. Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG zu prüfen, sondern von der Verwaltung im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung abzuwägen (vgl. BayVGH, B.v. 27.1.2014 – 14 ZB 13.1552 – juris Rn. 8 ff.; U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 57; U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – VGH n.F. 69, 103 Rn. 57), wobei die Ermessenserwägungen in der Begründung (Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG) niederzulegen sind (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 62, 63). (Rn. 33 – 34)
2. Das Ausübungsermessen des Art. 39 BayNatSchG ist nicht in dem Sinn „intendiert“, dass eine fallbezogene Abwägung nur bei „atypischen“ Fällen vorzunehmen und andernfalls die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts regelmäßig auszusprechen wäre. Vielmehr hängt die zur Begründung einer Vorkaufsrechtsausübung erforderliche Argumentationstiefe, die sich nicht abstrakt bestimmen lässt, von den Umständen des Einzelfalls und dabei unter anderem davon ab, wie gewichtig die im jeweiligen Fall im Raum stehenden (grund) rechtlich geschützten Privatinteressen sind. (Rn. 35)
Verfahrensgang
W 4 K 16.1121 2020-06-29 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. März 2017 wird aufgehoben.
II. Der Bescheid des Beklagten vom 29. September 2016 wird aufgehoben.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Der streitgegenständliche Vorkaufsrechtsbescheid setzt sich auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen des Beklagten im Zuge des gerichtlichen Verfahrens nicht hinreichend mit den (grund) rechtlich geschützten Belangen des klagenden Käufers auseinander, ist deshalb – selbst dann, wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass der Bescheid nicht schon wegen der im Verwaltungsverfahren unterlassenen Anhörung des klagenden Käufers aufzuheben ist und dass die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 BayNatSchG vorliegen – wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO). Der streitgegenständliche Bescheid ist deshalb ebenso aufzuheben wie das klageabweisende verwaltungsgerichtliche Urteil.
1. Die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, zu der der beklagte Freistaat Bayern hier allein berufen ist (Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG), ist eine Ermessensentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 27.1.2014 – 14 ZB 13.1552 – juris Rn. 8 m.w.N.), was Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG mit der Formulierung „… darf nur…“ zum Ausdruck bringt. Daran ändert auch Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayNatSchG nichts, wonach der Freistaat Bayern das Vorkaufsrecht auszuüben „hat“, wenn ein anderer Vorkaufsberechtigter dies „verlangt“. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass diese Bestimmung nicht zur Folge hat, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts zu einer gebundenen Entscheidung wird (BayVGH, B.v. 27.1.2014 a.a.O. m.w.N.).
2. Für die somit bei Vorkaufsrechtsausübungen gemäß Art. 39 BayNatSchG in aller Regel – abgesehen von Fällen einer Ermessensreduzierung – gebotene behördliche Ermessensausübung hat die Verwaltung sämtliche Bestandteile des zu entscheidenden Sachverhalts zu bewerten, sodann ebenfalls alle entscheidungserheblichen Sachverhaltsbestandteile im Verhältnis zueinander zu gewichten (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 59) und schließlich zu entscheiden, ob sie trotz gegebenenfalls im Raum stehender (grund) rechtlich relevanter privater Belange das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht ausübt. Diese Argumentationsobliegenheit der Verwaltung ergibt sich schon aus dem Wesen des Ermessens selbst, bei dem es der Verwaltung auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Vorkaufsrechtsausübung möglich ist, auf diese gänzlich zu verzichten, und wird vom Gesetz vorausgesetzt, wenn in § 114 Satz 1 VwGO von „…Gebrauch gemacht…“ und in § 114 Satz 2 VwGO von „…Ermessenserwägungen…“ die Rede ist. Dabei lässt sich die zur Begründung einer Vorkaufsrechtsausübung erforderliche Argumentationstiefe nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls und unter anderem davon ab, wie gewichtig die im jeweiligen Fall im Raum stehenden (grund) rechtlich geschützten Privatinteressen sind.
Bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung derartiger Ermessensentscheidungen kommt dem Gericht kein eigenes Ermessen zu; vielmehr ist es insoweit auf die von § 114 VwGO vorgegebenen Kontrollgrenzen beschränkt.
3. Im Bereich des Art. 39 BayNatSchG ist dabei eine Vorkaufsrechtsausübung nicht nur gegenüber dem Verkäufer, sondern auch gegenüber dem Käufer jedenfalls ein Eingriff in die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie (vgl. schon BayVGH, U.v. 31.5.2001 – 9 B 99.2581 – VGH n.F. 54, 151/159), wobei die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG auch im Kontext von Ermessensentscheidungen unmittelbar verbindlich sind. Nicht zuletzt aus Grundrechten ergeben sich dabei einerseits die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 Alt. 2 BayVwVfG und § 114 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) und andererseits Vorgaben dafür, welche privaten Belange ermessensrelevant und wie sie zu gewichten sind (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 184 m.w.N.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 63, 85 ff. m.w.N.).
Allerdings ist dabei die Besonderheit zu sehen, dass bei Vorliegen der in Art. 39 Abs. 1 und 2 BayNatSchG vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen das jeweils betroffene Grundstück von vornherein mit dem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht „belastet“ ist (BayVGH, U.v. 31.5.2001 – 9 B 99.2581 – VGH n.F. 54, 151/159) und bei einem ganz oder teilweise vorkaufsrechtsbelasteten Grundstück bis zum Ablauf der Ausübungsfrist (Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB) auch mit der Ausübung dieses Vorkaufsrechts gerechnet werden muss. Dieser Aspekt mindert das Gewicht des Eingriffs in die Privatautonomie des Käufers (Art. 2 Abs. 1 GG), der mit der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts stets verbunden ist. Nur mit diesem geminderten Gewicht ist der (grund) rechtlich geschützte private Käuferbelang der Privatautonomie den jeweiligen Naturschutzbelangen gegenüberzustellen, die bei hinreichendem Gewicht eine Schranke der Privatautonomie darstellen und den mit der Vorkaufsrechtsausübung verbundenen Eingriff rechtfertigen können.
Diese regelmäßig angezeigte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie als eines privaten Belangs entbindet jedoch die Behörde nicht pauschal davon, sich damit sowie mit weiteren gegebenenfalls im jeweiligen Einzelfall im Raum stehenden (grund) rechtlich geschützten privaten Belangen im Rahmen ihrer Ermessensausübung selbst zu befassen (siehe 2.) und im Rahmen ihres Ermessens eine eigene Abwägung mit den im Raum stehenden Naturschutzbelangen vorzunehmen, wenn auch die besagte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie regelmäßig die Intensität der insoweit gebotenen behördlichen Argumentationstiefe verringern wird.
Für die Frage, ob im Einzelfall die gebotene Ermessensausübung pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, ist die nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Begründung des Bescheids über die Vorkaufsrechtsausübung in den Blick zu nehmen – anders als dies etwa bei der rein objektiven Prüfung der Rechtfertigung nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG der Fall ist. Diese Begründung des Bescheids hat den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung zu entsprechen (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 59 m.w.N.). Zwar stehen der Behörde dabei in Grenzen auch nachträgliche Heilungsmöglichkeiten zur Verfügung (siehe unter 3.3.). Jedoch ist stets eine eigene behördliche Abwägung erforderlich, die nicht durch eine gerichtliche Abwägung „ersetzt“ oder „geheilt“ werden kann, und zwar unabhängig davon, ob der Verwaltung theoretisch (abstrakt gesehen) eine bessere, die Vorkaufsrechtsausübung rechtfertigende Ermessensbegründung hätte möglich sein können.
Im Ergebnis hält der Senat somit – entgegen einer in Teilen der Literatur vertretenen Ansicht, wonach diese Prüfung privater Interessen nicht beim behördlichen Ermessen, sondern bei den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG angesiedelt sein soll (Fischer-Hüftle in Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Stand Oktober 2019, Art. 39 BayNatSchG Rn. 22a) – daran fest, dass die besagten (grund) rechtlich geschützten Privatinteressen von der Verwaltung im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung abzuwägen sind (Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 27.1.2014 – 14 ZB 13.1552 – juris Rn. 8 ff.; U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 57; U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – VGH n.F. 69, 103 Rn. 57; U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 62, 63), während es bei Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG allein um die – zur gerichtlich vollständig überprüfbaren Tatbestandsseite gehörende – Prüfung der für die Vorkaufsrechtsausübung sprechenden naturschutzrechtlichen Belange geht (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 a.a.O. Rn. 35).
4. Weil bei der von Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG vorgeschriebenen tatbestandlichen „Rechtfertigungsprüfung“ die privaten Belange noch nicht inmitten stehen (siehe 3.), ist das Ermessen bei der Vorkaufsrechtsausübung entgegen der besagten Literaturansicht auch nicht „intendiert“, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG vorliegen (a.A. Fischer-Hüftle in Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Art. 39 BayNatSchG Rn. 22a und Rn. 22b, wo eine fallbezogene Abwägung nur bei „atypischen“ Fällen für veranlasst gehalten wird). Nicht anders als bei vielen anderen Befugnisnormen, die für Grundrechtseingriffe eine behördliche Ermessensausübung vorsehen, kann auch im Bereich des Art. 39 BayNatSchG aus dem bloßen Vorliegen tatbestandlicher Voraussetzungen nicht geschlossen werden, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts eine Art Regelfall sei und keiner Begründung bedürfe. Dagegen spricht schon, dass in der Praxis (aus den unterschiedlichsten Gründen, bei denen auch der beim Kauf vereinbarte Kaufpreis und die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel eine Rolle spielen können) nicht selten gerade keine flächendeckende Vorkaufsrechtsausübung erfolgt. Zwar führt Letzteres als solches nicht zu einem Ermessensfehler, wenn die Verwaltung nach zunächst unterlassenen Vorkaufsrechtsausübungen in einem weiteren Vorkaufsfall schließlich doch von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht (vgl. etwa BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 58; U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – VGH n.F. 69, 103 Rn. 58). Weil aber die Vorkaufsrechtsausübung weder tatsächlich noch rechtlich der Regelfall ist, besteht kein hinreichender Grund, insoweit über die Figur des „intendierten Ermessens“ das gesetzlich (Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG) vorgesehenen Regelmodell des Begründungserfordernisses hinsichtlich der Ermessensausübung zu relativieren. Deshalb ist jedenfalls dann, wenn private Belange (auch des von der Vorkaufsrechtsausübung direkt betroffenen Käufers) von (grund) rechtlichem Gewicht im Raum stehen, bei der Ermessensausübung von der Verwaltung wertend zu begründen, weshalb trotz dieser privaten Belange angesichts des Gewichts der Naturschutzbelange gleichwohl das Vorkaufsrecht ausgeübt wird. Dabei hängen Umfang und Tiefe der erforderlichen Begründung vom (grund) rechtlichen Gewicht der jeweils im Raum stehenden privaten Belange ab. Auf die Frage, ob ein „atypischer“ Fall vorliegt oder nicht, kommt es dagegen nicht entscheidend an, wenn auch bei Fällen ohne (grund) rechtliche Besonderheiten regelmäßig geringere Anforderungen an die argumentative Tiefe der Ermessensausübung zu stellen sein dürften.
5. Diesen Anforderungen an die behördliche Ermessensausübung wird der streitgegenständliche Bescheid nicht gerecht, wobei keinerlei Anhaltspunkte für eine Reduzierung des Ausübungsermessens ersichtlich sind.
5.1. Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, dass der Kläger das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebskonzepts erworben hatte, für das ihm außerhalb des Vorkaufsrechtsverfahrens von staatlicher Seite im Gefolge des Ortstermins vom 26. Juli 2016 dezidierte Vorgaben gemacht worden waren, die gerade auch Teile derjenigen Flächen betreffen, für die der Beklagte hier das gemeindliche Vorkaufsrecht ausgeübt hat. Insbesondere hat die Verwaltung ausweislich der Gesprächszusammenfassung (E-Mail des Landratsamts vom 29.7.2016) dem Kläger als Unterstand für die Tiere lediglich die Einzäunung von Gehölzbestand zugestanden, und zwar auf beiden Flächen, also sowohl auf dem hier inmitten stehenden Grundstück als auch auf dem weiteren Grundstück in derselben Ortschaft, und dem Kläger gleichzeitig die Errichtung baulicher Anlagen untersagt. Dazu steht die streitgegenständliche Vorkaufsrechtsausübung, die gerade auch die Baumgruppe im nordwestlichen Grundstücksteil erfasst, in einem Spannungsverhältnis. Der Kläger würde durch die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts daran gehindert, (auch) diesen – nach den Abmachungen bei der Besprechung vom 26. Juli 2016 wesentlichen – Unterstandbereich dauerhaft zu Eigentum zu erwerben. Zwar bliebe der bestehende Pachtvertrag des Klägers von einem gemeindlichen Grunderwerb unberührt (§ 593b i.V.m. § 566 Abs. 1 BGB). Allerdings ist dieser Pachtvertrag befristet, so dass nach Ablauf der vertraglichen Nutzungszeit für den Kläger – anders als bei einem Eigentumserwerb durch den Kläger – keine Sicherheit bestünde, ob sein betriebliches Investment in die von der Verwaltung im Gesprächsprotokoll geforderte Einzäunung ihm dauerhaft erhalten bleibt. Dabei hatte die Klagepartei bereits mit der Klageschrift (dort S. 5) sowohl auf die verbleibende Pachtzeit als auch auf die Kostenproblematik hingewiesen und dies auch in der Berufungsverhandlung bekräftigt. Aus Sicht des Klägers stellt sich infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht nur die Problematik, dass ihm dauerhaft ein Grunderwerb hinsichtlich eines erheblichen Teils des betrieblich vorgesehenen Grundstücks verwehrt bleibt; vielmehr kommt noch hinzu, dass gerade die von der Verwaltung geforderte Realisierung von Viehunterständen ohne Gebäude durch die Ausübung des Vorkaufsrechts auch für den Bereich der nordwestlichen Baumgruppe, die gerade nach dem von der Verwaltung vorgegebenen Konzept als Gehölzbestand für einen Viehunterstand prädestiniert wäre, in Frage gestellt wird.
Jedenfalls in einem solchen Fall ist die Verwaltung gehalten, sich im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen nicht nur mit den im Raum stehenden Umweltbelangen und dem Umstand des bestehenden Pachtvertrags, sondern auch gerade mit dieser spezifischen Problematik für den hier konkret betroffenen landwirtschaftlichen Betrieb auseinanderzusetzen, das Gewicht dieses (grund) rechtlich relevanten Eingriffs sowie seine Verhältnismäßigkeit zu bewerten und zu begründen, aus welchen naturschutzbezogenen Gründen sie sich im Rahmen ihres Ermessens gleichwohl für die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts entscheidet. Selbst wenn man mit Teilen der Literatur – entgegen der Ansicht des Senats (siehe 2.2.) – eine Darlegung der Interessenabwägung nur bei „atypischen“ Fällen als notwendig annehmen wollte, so wäre aus den genannten Gründen vorliegend von einem solchen „atypischen“ Fall auszugehen.
Klarzustellen ist dabei, dass die Ermessensrelevanz des beschriebenen Aspekts unabhängig davon besteht, dass in der E-Mail vom 29. Juli 2016, die die Ergebnisse des Gesprächs vom 26. Juli 2016 zusammenfasst, keine formale „Zusicherung“ i.S.v. Art. 38 BayVwVfG enthalten ist, kein Vorkaufsrecht auszuüben, wobei im Hinblick auf Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayNatSchG derartige Zusicherungen der staatlichen Naturschutzbehörden auch kaum zu Lasten solcher naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte zulässig sein dürften, die nicht dem Staat selbst, sondern den in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG genannten nicht-staatlichen Trägern zustehen und gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG lediglich von den staatlichen Naturschutzbehörden „auszuüben“ sind.
5.2. Den somit bestehenden Begründungsanforderungen an eine Ermessensausübung ist der streitgegenständliche Bescheid, der sich mit den Interessen des hier im Verwaltungsverfahren schon nicht angehörten Klägers (Käufers) nur sehr knapp befasst, nicht gerecht geworden. In der Sachverhaltsschilderung wird der gemeinsame Ortstermin nicht erwähnt, sondern nur berichtet, der angehörte Verkäufer habe auf den Pachtvertrag hingewiesen (S. 2 drittletzter Absatz des Bescheids). In der rechtlichen Würdigung (S. 4 fünfter Absatz a.E. des Bescheids) hält der Bescheid lediglich fest, die Ausübung des Vorkaufsrechts werde nicht dadurch gehindert, dass das Grundstück verpachtet sei. Damit hat der Bescheid den besagten Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht Rechnung getragen und damit die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (§ 114 Satz 1 Alt. 1 VwGO) nicht hinreichend beachtet. Der Fehler ergibt sich dabei aus der unzureichenden Begründung (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayVwVfG), und zwar unabhängig davon, ob es abstrakt gesehen mit besserer Begründung möglich gewesen wäre, die Ausübung des Vorkaufsrechts ermessensfehlerfrei vorzunehmen.
5.3. Eine nachträgliche Heilung dieses Ermessensfehlers im Zuge des gerichtlichen Verfahrens ist dem Beklagten nicht gelungen, wobei der Kläger auf die aus seiner Sicht bereits im Ausgangsbescheid bestehenden Ermessensfehler hingewiesen (so bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 3.3.2017 S. 2 viertletzter Absatz und S. 3 erster Absatz; Berufungsbegründung vom 5.2.2019 S. 3 f.) und in der Berufungsverhandlung vom 29. Juni 2020 auch nach den ergänzenden Erklärungen des Beklagten an seiner Kritik festgehalten hat (Sitzungsprotokoll S. 4 letzter Absatz).
5.3.1. Genügt – wie hier – die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht, kommt eine Ergänzung von Ermessenserwägungen nicht schrankenlos in Betracht (BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 59). Einschränkungen für die Ergänzung von Ermessenserwägungen ergeben sich zunächst aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – BVerwGE 147, 81 Rn. 31 ff.). Danach darf der Verwaltungsakt durch das Nachschieben von ergänzenden Ermessenserwägungen nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden. Hinzu kommt, dass neue Gründe für einen Verwaltungsakt grundsätzlich nur nachgeschoben werden dürfen, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen (BVerwG, U.v. 20.6.2013 a.a.O. Rn. 32), wobei speziell im Bereich des Art. 39 BayNatSchG Ergänzungen von Ermessenserwägungen im Hinblick auf das objektive Aufwertungspotential naturschutz-fachrechtlich nur dann nachgeschoben werden dürfen, wenn sie bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Vorkaufsrechts vorlagen, wohingegen für die zugehörigen Aufwertungsvorstellungen der Zeitpunkt des Bescheiderlasses die äußerste zeitliche Grenze für das Nachschieben von Gründen markiert (BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 59). Schließlich hat das Nachschieben von Ermessenserwägungen § 114 Satz 2 VwGO zu genügen. § 114 Satz 2 VwGO regelt prozessrechtlich, unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen derart veränderte Ermessenserwägungen im Prozess zu berücksichtigen sind, vor allem, dass dies nicht bei einem ursprünglichen „Ermessensausfall“, sondern eben nur bei einer bloßen „Ergänzung“ ursprünglich fehlerhaft oder unvollständig ausgeübten Ermessens möglich ist. Kommt ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach dem Vorstehenden in Betracht, so muss dies auch hinreichend bestimmt geschehen (BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 59 m.w.N.).
5.3.2. Gemessen an diesen Maßstäben reichen die Ausführungen im gerichtlichen Verfahren einschließlich der in der Berufungsverhandlung zu Protokoll gegebenen Ausführungen nicht hin, um die unzulängliche Ermessensausübung des streitgegenständlichen Bescheids zu heilen.
Zwar liegt kein die Heilung von vornherein ausschließender „Ermessensausfall“ vor – der streitgegenständliche Bescheid (dort S. 4 Mitte) führt unter anderem aus, die von ihm benannten Naturschutzgründe rechtfertigten auch unter Berücksichtigung des dem Landratsamt zustehenden „Ermessens“ die Ausübung des Vorkaufsrechts.
Jedoch hat sich der Beklagte auch im Zuge des gerichtlichen Verfahrens nicht hinreichend mit dem besagten Spannungsverhältnis der Verwaltungsvorgaben im Gespräch vom 26. Juli 2016 einerseits und der Auswirkungen der Vorkaufsrechtsausübung auf eine rentable Umsetzbarkeit dieses Konzepts auseinandergesetzt. Insbesondere schöpft der Hinweis des Beklagten in der Berufungsverhandlung, dem Kläger wäre eine Umzäunung auch hinsichtlich der ihm nach der Vorkaufsrechtsausübung zu Eigentum verbleibenden Teilfläche möglich, die Problematik argumentativ nicht aus. Denn damit ist zur Frage des Viehunterstands und zur Problematik, dass der Kläger nach den Vorgaben der Verwaltung kein Gebäude für den Viehunterstand errichten darf und ihm gleichzeitig infolge der Vorkaufsrechtsausübung gerade auch die nordwestliche Baumgruppe, die gerade nach dem von der Verwaltung vorgegebenen Konzept als Gehölzbestand für einen Viehunterstand prädestiniert wäre, nicht als Eigentum zur Verfügung stünde, nichts gesagt, was aber notwendig gewesen wäre, zumal das Ermessen wie gezeigt (siehe 3.2.) nur der Verwaltung, nicht aber dem Gericht zusteht. Auch hat sich der Beklagte nicht abwägend damit auseinandergesetzt, inwieweit dem Umstand, dass nach den Verwaltungsvorgaben die Baumgruppe als Viehunterstand für den Kläger wesentliche Bedeutung hätte, naturschutzrechtliche Gründe gegenüberstehen, die es rechtfertigen, dass das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht gerade auch für diesen Bereich ausgeübt wird. Zwar wurde seitens des Beklagten in der Berufungsverhandlung (Sitzungsprotokoll S. 3 dritter Absatz) dargelegt, auch die Fläche nordwestlich des Grundstücks mit der Baumgruppe sei für die im Tümpel laichenden Amphibien von Bedeutung, weil auch dahin Wanderbewegungen zu den als Rückzugsmöglichkeit dienenden Betonröhren an der Nordwestgrenze des Grundstücks auf der Höhe des Radwegs stattfänden. Allerdings hat der Beklagte insoweit keine nähere Abwägung mit den besagten, gerade die Baumgruppe betreffenden Privatinteressen des Klägers vorgenommen, wobei zu sehen ist, dass den Amphibien nach den Mitteilungen des Beklagten vom Tümpel ausgehend auch in einer anderen Richtung – nämlich auf dem vom Vorkaufsrecht ebenfalls betroffenen Streifen entlang der Laufach – Schilf als Aufenthaltsraum zur Verfügung steht. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der naturschutzfachliche Wert auch der Amphibienpassage vom Tümpel an der Baumgruppe vorbei zur nordwestlichen Grundstücksgrenze (und zurück) gegenüber den besagten Privatinteressen des Klägers als überwiegend gewichtet werden könnte. Jedoch hat der Beklagte weder im streitgegenständlichen Bescheid noch im Zuge des gerichtlichen Verfahrens eine derartige Gewichtung gerade zu diesem abwägungsbeachtlichen Aspekt im Wege eigener Ermessenserwägungen vorgenommen.
Die Mitteilung des Beklagten in der Berufungsverhandlung, bei Kenntnis der anstehenden Vorkaufsrechtsausübung wären die Abmachungen vom 26. Juli 2016 nur in modifizierter Form getroffen worden, ändert nichts daran, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts eben diesen Aussagen gegenüberstand, weswegen sich die behördlichen Ermessenserwägungen – auch soweit sie nachträglich ergänzt werden – eben damit umfassend hätten auseinandersetzen müssen.
5.3.3. Der Senat verkennt nicht, dass es schwierig sein kann, in einer mündlichen Verhandlung derartigen, ganz den Besonderheiten des konkreten Falls geschuldeten Aspekten umfassend Rechnung zu tragen. Dabei ist aber zu sehen, dass die mündliche Verhandlung nur der letztmögliche Zeitpunkt für derartige Ergänzungen ist. Der hierfür eigentlich vorgesehene Ort ist die Begründung des Vorkaufsrechtsbescheids (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayVwVfG). Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die besagten Belange des klagenden Käufers nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen zweimonatigen Ausübungsfrist (Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB; Art. 39 Abs. 7 Satz 2 BayNatSchG in der bis 28.2.2018 geltenden Fassung) hätten Berücksichtigung finden können. Zum einen hätte durch eine frühzeitige Anhörung auch des Käufers zur beabsichtigten Vorkaufsrechtsausübung eine argumentative Befassung mit seinen privaten Interessen bereits im Verwaltungsverfahren und im Vorkaufsrechtsbescheid vorbereitet werden können. Zum anderen hatte an der Besprechung vom 26. Juli 2016 gerade auch die Naturschutzverwaltung teilgenommen, so dass ihr auch ihre eigenen spezifischen Vorgaben für den klägerischen Betrieb im Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung verfügbar waren.
6. Nachdem die Berufung – wie gezeigt – jedenfalls aufgrund des besagten Ermessensfehlers Erfolg hat, und zwar selbst dann, wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass der Bescheid nicht mangels Anhörung des Klägers aufzuheben ist und die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 BayNatSchG vorliegen, bedürfen diese Aspekte keiner näheren Prüfung. Offen lässt der Senat deshalb auch die Frage, ob es sachgerecht ist, bei der Auslegung des in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG enthaltenen Begriffs „angrenzen“ auf Art. 12 BayWG zurückzugreifen, obwohl Art. 12 Abs. 1 BayWG auf tatsächliche Umstände abstellt und die Folgefrage einer Bindungswirkung wasserrechtlicher Uferlinien-Feststellungsbescheide (Art. 12 Abs. 2 BayWG) auch im Naturschutzrecht aufwirft, während der Gesetzgeber bei der umfangreichen Reduzierung der naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechte im Gesetz zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes vom 3. August 1982 (GVBl S. 500/506) ganz im Gegenteil davon ausgegangen war, dass die Voraussetzungen der verbleibenden naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechte aus der Beschreibung im Grundbuch, aus dem amtlichen Lageplan oder amtlichen Karten ermittelt werden können und zeitraubende Rückfragen zwischen Notariat und unterer Naturschutzbehörde entbehrlich sind (vgl. LT-Drs. 9/10375 vom 8.12.1981 S. 28/29). Offenbleiben kann daher auch, ob sich mit dieser gesetzgeberischen Intention die in Teilen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung rechtfertigen lässt, die bei selbständigen Gewässergrundstücken darauf abstellt, ob die grundbuchmäßige Ausdehnung des Gewässergrundstücks der ökologischen Ausdehnung des Gewässers „weitgehend entspricht“ (VG Regensburg, U.v. 23.7.2013 – RO 4 K 13.539 – juris Rn. 67; VG Augsburg, U.v. 1.12.2016 – Au 2 K 16.324 – juris Rn. 34).
7. Der unterlegene Beklagte hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen zu tragen. Nachdem weder der beigeladene Verkäufer noch die beigeladene Gemeinde einen Antrag gestellt und sich damit am prozessualen Risiko nicht beteiligt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht dem Beklagten aufzubürden, sondern die Beigeladenen diese Kosten selbst tragen zu lassen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
8. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil im Hinblick auf die für das vorliegende Berufungsurteil tragenden Entscheidungsgründe keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt.