Baurecht

Ausübung des Vorkaufsrechts an einem in einem Sanierungsgebiet gelegenen Grundstück

Aktenzeichen  9 ZB 16.1068

Datum:
30.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18287
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 24 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, § 136 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Mit fortschreitendem Sanierungsverfahren sind höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele zu stellen (BVerwG, BeckRS 1995, 21227 und BeckRS 1999, 30049869). Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass selbst bei Zugrundelegung einer Umsetzungsfrist von 30 Jahren bei Ablauf von ca. 25 Jahren eine fortgeschrittene Sanierung vorliegt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 15.524 2016-04-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 19.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte wendet sich mit Ihrem Zulassungsantrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. April 2016, mit dem der Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2015 über die Ausübung des Vorkaufsrechts am Grundstück FlNr. … Gemarkung S* … … auf Klage der Käufer hin aufgehoben wurde, weil die erforderliche Konkretisierung der Sanierungsziele nicht gegeben war. Das verfahrensgegenständliche Grundstück liegt innerhalb des Sanierungsgebiets „A* …“ der Beklagten vom 19. August 1991 und innerhalb des Bebauungsplans „A* …“ der Beklagten, der hier ein Dorfgebiet festsetzt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Die Beklagte hat im Bescheid vom 13. Mai 2015 zur Ausübung des Vorkaufsrechts am Grundstück FlNr. … Gemarkung S* … … als Zwecke die Errichtung eines barrierefreien Zugangs zu ihrem angrenzenden Rathaus und die Schaffung barrierefreien Wohnraums auf dem Grundstück angegeben. Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist die Ausübung des Vorkaufsrechts hier nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt (§ 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB), weil zum Zeitpunkt seiner Ausübung durch die Beklagte die erforderliche Konkretisierung der Sanierungsziele nicht gegeben war und die Sanierungsziele zu unbestimmt und allgemein sind (UA S. 12 f., 14). Die Beklagte macht geltend, dass die angeführte Barrierefreiheit mehreren Sanierungszielen entspreche, die sich aus der Billigung des Abschlussberichts der „Vorbereitenden Untersuchung zur Sanierung des A* …“ durch Gemeinderatsbeschluss vom 20. November 1990, der Konkretisierung der Sanierungsziele durch Gemeinderatsbeschluss vom 12. Juli 2005, der Diskussion in der Gemeinderatssitzung vom 10. März 2015 und dem im Gemeinderat behandelten Nutzungskonzept vom 14. April 2015 ergeben würden. Dies führt jedoch nicht zum Erfolg des Antrags auf Zulassung der Berufung.
In förmlich festgesetzten Sanierungsgebieten nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB – wie hier – muss sich die Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich an den konkreten Erfordernissen der Sanierung orientieren. Die Sanierungsziele müssen dabei nicht in der Sanierungssatzung selbst festgelegt sein. Sie können sich auch aus ihrer Begründung, aber auch aus den Ergebnissen der vorbereitenden Untersuchungen ergeben. An die Konkretisierung dieser Ziele dürfen dabei bei Erlass der Sanierungssatzung nur relativ geringe Anforderungen gestellt werden. Doch werden die Anforderungen mit fortschreitendem Sanierungsverfahren höher. Die erforderliche Konkretisierung kann insbesondere in einem Sanierungsbebauungsplan, einem sonstigen Bebauungsplan oder sogar durch eine informelle städtebauliche Planung erfolgen. Ist dies geschehen, können die Sanierungsziele auch nach einem längeren Zeitraum die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 17 m.w.N.). Hiervon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.
a) Nach der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus der Sanierungssatzung und dem Bebauungsplan „A* …“ der Beklagten keine hinreichend konkreten Sanierungsziele oder Festsetzungen. Dies wird durch das Zulassungsvorbringen nicht bestritten.
b) Soweit die Beklagte vorträgt, hinreichend konkrete Sanierungsziele für die Ausübung des Vorkaufsrechts am verfahrensgegenständlichen Grundstück ergäben sich aus dem Abschlussbericht vom 20. November 1990, ist dem nicht zu folgen. Auch wenn die Sanierungsplanung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses im Regelfall noch wenig konkret sein wird (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2018 – 4 CN 2.17 – juris Rn. 11) und zu Beginn des Sanierungsverfahrens keine hohen Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 4.3.1999 – 4 C 8.98 – juris Rn. 13), sind mit fortschreitendem Sanierungsverfahren jedoch höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele zu stellen (BVerwG, B.v. 15.3.1995 – 4 B 33.95 – juris Rn. 4 und U.v. 4.3.1999 a.a.O.). Hier ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass aufgrund des abgelaufenen Zeitraumes von ca. 25 Jahren seit Erlass der Sanierungssatzung im Jahre 1991 zweifelsohne ein fortgeschrittenes Sanierungsverfahren vorliegt. Unabhängig davon, ob sich das Verwaltungsgericht hierbei zu Recht an der durch das Baugesetzbuch 2007 (BGBl I 2006, 3316) eingeführten Frist von 15 Jahren des § 142 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB orientiert hat, ist hier nicht ernstlich zweifelhaft, dass selbst bei Zugrundelegung der von der Beklagten angeführten Umsetzungsfrist von 30 Jahren bei Ablauf von ca. 25 Jahren eine fortgeschrittene Sanierung vorliegt. Denn mit Fortgang des Sanierungsverfahrens bedarf es einer zunehmenden Konkretisierung und qualifizierten Verfestigung der Sanierungsziele, d.h. der Entwicklung konkreter Vorstellungen zur Neugestaltung, zur Verbesserung bzw. zur Neuordnung des Sanierungsgebietes (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2018, § 140 Rn. 40, § 145 Rn. 34). Zwar stellt ein langer Zeitraum seit Inkraftsetzung der Sanierungssatzung für sich nicht in Frage, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts dem Wohl der Allgemeinheit dienen kann (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.1995 – 4 B 33.95 – juris Rn. 3). Voraussetzung dafür, dass die Länge des Verfahrens unbeachtlich ist, ist jedoch, dass – trotz des langen Zeitraums – noch immer ein bestimmtes, konkretes Sanierungsziel verfolgt wird (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.1995 a.a.O. Rn. 4; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 24 Rn. 70). Das Vorliegen eines derart konkreten Sanierungszieles für das Kaufgrundstück von Anfang an hat das Verwaltungsgericht allerdings verneint; ein solches lässt sich auch dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
c) Das Verwaltungsgericht hat ferner darauf abgestellt, dass auch der Gemeinderatsbeschluss vom 12. Juli 2005 die Sanierungsziele hinsichtlich des Kaufgrundstücks nicht hinreichend konkretisiert. Die Sanierungsziele seien zu unbestimmt und allgemein, so dass sich nicht beurteilen lässt, ob die Kläger mit dem Kauf Maßnahmen planen, die überhaupt dem Sinn und Zweck der Sanierungsmaßnahme zuwiderlaufen (UA S. 13 f.). Hierauf geht das Zulassungsvorbringen nicht ein. Unabhängig davon, ob „Barrierefreiheit“ – wie von der Beklagten ausgeführt – als übergeordneter Begriff zu verstehen ist, fehlt es aber auch im Hinblick auf den Gemeinderatsbeschluss vom 12. Juli 2005 – wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt – an einer hinreichenden Konkretisierung der Sanierungsziele betreffend das Kaufgrundstück.
Die Beklagte führt zunächst das Ziel Nr. 2 im Beschluss vom 12. Juli 2005 an, das eine Konzentration der notwendigen zentralen Einrichtungen vorsieht. Aus einer derartigen örtlichen Konzentration lässt sich jedoch nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit auch eine beabsichtigte Barrierefreiheit ableiten, zumal sich aus den im Beschluss hierzu aufgelisteten Maßnahmen („Förderung kunsthandwerklicher Arbeitsstätten“, „Einrichtung eines Weinmuseums“, „Sanierung des Rathauses ist erfolgt“, „Auslagerung Bauhof“, „Nutzung des ehemaligen Kindergartens“, „Betreutes Wohnen im Alten Kindergarten“) keine Anhaltspunkte in diese Richtung ergeben und sich im Abschlussbericht vom 20. November 1990 lediglich eine allgemeine Aussage zur beabsichtigten Belebung des A* … ohne konkrete Maßnahmebeispiele findet. Zwar lässt sich „Barrierefreiheit“ mit dem Ziel Nr. 5 im Beschluss vom 12. Juli 2005, nach dem der Bevölkerungsrückgang gebremst und die Wohnbevölkerung im A* … anwachsen soll, durchaus vereinbaren, auch insoweit handelt es sich allerdings – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – um lediglich allgemeine Aussagen, aus denen gerade nicht ersichtlich ist, dass gerade das Kaufgrundstück benötigt wird oder ein Zusammenhang mit dem barrierefreien Zugang zum Rathaus hergestellt werden könnte. Auch aus dem Maßnahmenkatalog zum Ziel Nr. 6 des Beschlusses vom 12. Juli 2005, das die Erhaltung vorhandener historischer Substanz und die Sanierung zur besseren Nutzbarkeit vorsieht, ist nichts ersichtlich, was in einem Zusammenhang mit dem Kaufgrundstück und der Notwendigkeit der Barrierefreiheit steht. Das Verwaltungsgericht hat gerade auf diese fehlenden konkreten standortbezogenen Aussagen abgestellt (UA S. 15), wofür angesichts der mehrfach zitierten Ausführungen, dass die Sanierung des Rathauses abgeschlossen ist (vgl. Abschlussbericht v. 20.11.1990, S. 59; Gemeinderatsbeschluss v. 12.7.2005, Maßnahmen zu Ziel Nr. 2) allerdings Anlass bestanden hätte. Dem wird auch das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
d) Was das Nutzungskonzept vom 14. April 2014 betrifft, hat das Verwaltungsgericht zwar darauf hingewiesen, dass eine erforderliche Konkretisierung auch in einem Sanierungsbebauungsplan, einem sonstigen Bebauungsplan oder sogar durch eine informelle städtebauliche Planung erfolgen kann (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 17; U.v. 2.10.2013 – 1 BV 11.1944 – juris Rn. 24). Es hat das Vorliegen einer Konkretisierung durch das Nutzungskonzept vom 14. April 2014 aber verneint, weil der Gemeinderat über dieses Nutzungskonzept zwar informiert war, aber keinen Beschluss gefasst hat. Da der Kern der Sanierungsziele von der Gemeindevertretung beschlossen werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.1982 – 4 C 94.79 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 17.12.1979 – 14 N 838/79 – BayVBl 1980, 339/340 f. = BeckRS 1979, 108325) und die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung nach § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB von einer sachgerechten Abwägung getragen sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2006 – 4 C 9.04 – juris Rn. 25), ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine bloße informelle Vorstellung möglicher Maßnahmen und lediglich beratende Behandlung im Gemeinderat für eine konkretisierende Willensbildung der Beklagten nicht genügen können. Gleiches gilt für die im Zulassungsvorbringen angeführte Information des Gemeinderats und die Diskussion über die Ausübung des Vorkaufsrechts sowie verschiedener Varianten in der Gemeinderatssitzung vom 10. März 2015. Ob sich eine hinreichende Konkretisierung der Sanierungsziele aus der Broschüre „Abschlussdokumentation der Sanierung 1986 – 2008, Verwendungsnachweis und Arbeitsbericht der Sanierung 2009 – 2014“ vom Oktober 2015 oder den Vorbereitungen eines Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts S* … … …, das nach Angaben der Beklagten seit 2013 betrieben wird, ergibt, braucht nicht entschieden zu werden, da beide Broschüren erst nach Erlass des Bescheids vom 13. Mai 2015 vorlagen und im Zulassungsvorbringen keine Anhaltspunkte zur Beschlusslage des Gemeinderats hierzu dargelegt werden.
Ob den Klägern eine Abwendungsbefugnis nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BauGB zusteht, kann mangels Rechtfertigung der Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit offen bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob der Bescheid vom 13. Mai 2015 im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung eine ausreichende Abwägung des „Für und Wider“ enthält, wofür nach den hieran zu stellenden Anforderungen wenig spricht (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2016 – 9 ZB 15.2027 – juris Rn. 13).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die in der Zulassungsbegründung aufgeworfenen Fragen lassen sich nach den obigen Ausführungen, soweit sie entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger machen die Sache nicht tatsächlich oder rechtlich schwierig (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2018 – 9 ZB 16.321 – juris Rn. 20). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den behaupteten unterschiedlichen erstinstanzlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Würzburg, da diesen jeweils eine einzelfallabhängige Sachverhaltsbewertung unterschiedlicher Sanierungsziele und Grundstücke zugrunde liegt.
3. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb diese Frage eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2018 – 9 ZB 16.321– juris Rn. 22 m.w.N.).
a) Die Frage, ob die Frist des § 142 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB mittelbar auch für Sanierungssatzungen vor dem 1. Januar 2007 anwendbar ist, ist nicht entscheidungserheblich. Unstreitig sind im Falle einer fortgeschrittenen Sanierung höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele zu stellen, als unmittelbar nach Inkrafttreten der Sanierungssatzung (BVerwG, U.v. 4.3.1999 – 4 C 8.98 – juris Rn. 13). Die Frage, ab welchem Zeitpunkt höhere Anforderungen an die Konkretisierung zu stellen sind, ist – wie auch § 149 Abs. 4 Satz 2 BauGB zeigt – einzelfallabhängig und entzieht sich damit einer fallübergreifenden Klärung.
b) Der Frage, welchen Grad der Planungstiefe die Planung einer Gemeinde zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts für ein konkretes Grundstück aufzuweisen hat, liegt bereits kein verallgemeinerungsfähiger Inhalt zugrunde. Maßgeblich sind vielmehr jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalls, die einer generellen Klärung nicht zugänglich sind.
c) Die Fragen, ob im Bescheid zur Ausübung des Vorkaufsrechts die Mittel zur Erreichung der Sanierungsziele verwendet werden dürfen (so beispielsweise „Barrierefreiheit“) und ob sich die Einhaltung der Sanierungsziele auch aus den Umständen der Begründung des Bescheides ergeben darf, sind nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Sanierungsplanung hier nicht zu entnehmen ist, welche konkreten städtebaulichen Missstände am streitgegenständlichen Grundstück bzw. in der Langengasse bestehen und durch welche konkreten Maßnahmen diese beseitigt werden sollen.
d) Die Frage, ob die Zurechnung der gemeindlichen Willensbildung bei informellen städtebaulichen Planungen durch Beratung oder Beschlussfassung stattfinden muss oder ob sich die Zurechnung auch durch die Umstände des Einzelfalls ergeben kann, ist nicht klärungsbedürftig. Es ist geklärt, dass der Kern der Sanierungsziele von der Gemeindevertretung beschlossen werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.1982 – 4 C 94.72 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 17.12.1979 – 14 N 838/79 – BayVBl 1980, 339/340 f.) und die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung nach § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB von einer sachgerechten Abwägung getragen sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2006 – 4 C 9.04 – juris Rn. 25). Damit genügt die bloße Vorstellung geplanter oder möglicher Maßnahmen oder die bloße Information des Gemeinderats nicht für eine Festlegung, Änderung oder hinreichende Konkretisierung der Sanierungsziele.
e) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen der behaupteten Abweichung vom Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. August 2012 (W 5 K 11.841) kann sich bereits deswegen nicht ergeben, weil es sich bei dieser Entscheidung um eine einzelfallbezogene Rechtsanwendung handelt. Im Übrigen ist eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht ersichtlich, da vom Verwaltungsgericht für das von der Ausübung des Vorkaufsrechts betroffene Grundstück gerade das Vorliegen konkreter Sanierungsziele bejaht wurde (vgl. VG Würzburg, U.v. 23.8.2012 – W 5 K 11.841 – juris Rn. 3, 30), die im hier maßgeblichen Verfahren aber keine Rolle spielen.
4. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21/16 – juris Rn. 5). Der bloße Hinweis im Zulassungsvorbringen auf das vermeintlich abweichende Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. August 2012 (W 5 K 11.841) und der dort zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt diesen Anforderungen nicht, weil bereits keine divergierenden Rechtssätze dargelegt werden. Darüber hinaus liegen den Entscheidungen – wie oben ausgeführt – keine vergleichbaren Sachverhalte zugrunde. Der Sache nach zielt die Argumentation auf eine Würdigung des Sachverhalts und der getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ab und ist deshalb als Frage einzelfallbezogener Rechtsanwendung für eine Divergenz unerheblich (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2018 – 9 ZB 16.321 – juris Rn. 24). Im Übrigen handelt es sich beim Verwaltungsgericht Würzburg nicht um ein in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgezähltes Divergenzgericht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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