Aktenzeichen Au 9 K 19.1040
WHG § 99a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4
BayWG Art. 57a Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz
1. Mit dem Vorkaufsrecht an Grundstücken, die für Maßnahmen des Hochwasser- und Küstenschutzes benötigt werden, soll den Ländern die Möglichkeit eingeräumt werden, bereits frühzeitig und unabhängig von Entscheidungen zum Gewässerausbau auf den Grundstücksverkehr einseitig und zugunsten der Flächenbevorratung der öffentlichen Hand einzuwirken. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundstücksflächen für Maßnahmen des Technischen Hochwasserschutzes, mit denen auf den Ablauf des Hochwassers eingewirkt werden soll, unterliegen dem Vorkaufsrecht. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das wasserrechtliche Vorkaufsrecht darf allerdings nicht ins „Blaue“ oder auf bloßen „Vorrat“ ausgeübt werden; es müssen zumindest konkrete Anhaltspunkte für eine Planungsabsicht vorhanden sein. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Wasserwirtschaftsamts … vom 4. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig und insbesondere statthaft. Der mit der Klage angegriffene Ausübungsbescheid des Beklagten ist ein die Klägerin belastender privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt im Sinn von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) (BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – BayVBl. 1994, 657 zum naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht). Dies ergibt sich auch aus Art. 57a Abs. 3 Satz 2 BayWG, wonach in den Fällen des Art. 57a Abs. 3 Satz 1 BayWG der Verpflichtete berechtigt ist, bis zum Ablauf eines Monats nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts über die Ausübung des Vorkaufsrechts vom Vertrag zurückzutreten.
Die Klägerin ist klagebefugt, weil sie nach § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann, durch den angefochtenen Bescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das Vorkaufsrecht wird nach § 99a Abs. 4 Satz 5 WHG i.V.m. § 464 Abs. 1 Satz 1 BGB zwar gegenüber dem Verkäufer des Grundstücks ausgeübt. Dieser Verwaltungsakt belastet aber auch den Grundstückskäufer, weil ihm durch die Ausübung des Vorkaufsrechts ein vertragliches Recht auf Eigentumsverschaffung entzogen wird (vgl. BVerwG, B.v. 25.5.1982 – 4 B 98.82 – Buchholz 406. 11 § 25a BBauG Nr. 1; BayVGH, U.v. 22.5.1995 – 9 B 92.1183/84 – NuR 1995 S. 554; VGH BW, U.v. 28.2.1991 – 5 S 1222/90 – NVwZ 1992, 898). Dies gilt – unabhängig von konkreten Planungsabsichten – auch im Fall der Klägerin, da sie mit Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 7. Mai 2019, mit dem die Klägerin vom Beigeladenen das streitgegenständliche Grundstück zu einem Kaufpreis von 300.000,00 EUR erworben hat, wie ein privater Dritter am Erwerbsleben teilgenommen hat. Die Ausübung des Vorkaufsrechts führt für die betroffene Teilfläche (3.221 m²) zu einem Schuldnerwechsel im notariellen Kaufvertrag vom 7. Mai 2019. Damit ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin als ursprüngliche Vertragspartei durch den Streit befangenen Ausübungsbescheid des Beklagten möglicherweise in sie schützenden Rechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG betroffen ist.
2. Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 4. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der mit der Klage angegriffene Bescheid findet als die Klägerin belastender Rechtsakt seine Rechtsgrundlage in § 99a Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 57a BayWG.
Gemäß § 99a Abs. 1 Satz 1 WHG, in Kraft getreten am 5. Januar 2018 durch das Hochwasserschutzgesetz II des Bundes vom 30. Juni 2017 (BGBl 2017 I 2193), steht den Ländern ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zu, die für Maßnahmen des Hochwasser- oder Küstenschutzes benötigt werden. In Ausführung der den Ländern gemäß § 99a Abs. 6 WHG eingeräumten Abweichungskompetenz und in Abweichung von § 99a Abs. 1 Satz 1 WHG bestimmt Art. 57a Abs. 1 Satz 1 BayWG i.d.F. vom 21.2.2018 (GVBl 2010 S. 66) und in Kraft getreten am 1. März 2018, dass das LfU ein Verzeichnis über die Grundstücke führt, für die dem Freistaat Bayern ein Vorkaufsrecht nach § 99a WHG zusteht. Da der streitgegenständliche notarielle Kaufvertrag am 7. Mai 2019 und somit nach in Kraft treten von § 99a WHG bzw. Art. 57a BayWG geschlossen wurde, unterfällt dieser dem wasserrechtlichen Regime des § 99a WHG bzw. Art. 57a BayWG.
Die formelle Rechtmäßigkeit des mit der Klage angegriffenen Bescheids vom 4. Juli 2019 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Solche wurden auch von der Klägerin nicht aufgezeigt. Insbesondere ist das die Ausübung des Vorkaufsrechts erklärende Wasserwirtschaftsamt … gemäß Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayWG für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 99a WHG zuständig. Es fehlt dem Bescheid auch nicht an der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Dem Bescheid vom 4. Juli 2019 wurde ein Lageplan als Anlage beigefügt, aus dem sich die von der Ausübung des Vorkaufsrechts betroffene Teilfläche ergibt.
3. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 99a WHG, Art. 57a BayWG lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses vor. Das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … war im Zeitpunkt der notariellen Veräußerung an die Klägerin (7. Mai 2019) mit einem wasserrechtlichen Vorkaufsrecht belastet. Dass ein solches wasserrechtliches Vorkaufsrecht am streitgegenständlichen Grundstück (Teilfläche) entstanden ist, wird von der Klägerin auch gar nicht bestritten.
a) Nach § 99a Abs. 1 Satz 1 WHG steht den Ländern ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zu, die für Maßnahmen des Hochwasser- oder Küstenschutzes benötigt werden. Ziel der Vorschrift des § 99a WHG ist es, die Verfahren für die Zulassung von Hochwasserschutzanlagen oder für Einrichtungen des vorbeugenden Hochwasserschutzes weiter zu beschleunigen. Bei einer vorausschauenden Grundstücksbewirtschaftung wird den zuständigen Behörden damit die Abwägung ermöglicht, mit welchen Mitteln sie den notwendigen Flächenbedarf decken wollen. Mit dem Vorkaufsrecht soll den Ländern die Möglichkeit eingeräumt werden, bereits frühzeitig und unabhängig von entsprechenden Entscheidungen zum Gewässerausbau auf den Grundstücksverkehr einseitig einwirken zu können. Insbesondere soll eine Erschwerung des Grunderwerbs für zum Hochwasser- oder Küstenschutz benötigte Grundstücke durch Verkauf an Dritte unterbunden werden (vgl. zum Ganzen Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Bd. I b, §§ 50 ff. WHG, Stand: Dezember 2018, § 99a WHG Rn. 6). Mit Art. 57a BayWG soll der Hochwasserschutz effektiver ausgestaltet werden, indem der Erwerb von Flächen sowie Planungen und Genehmigungen für den Bau von Hochwasserschutzanlagen erleichtert und beschleunigt werden sollen (Rossi in Sieder/Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, Kommentar, Bd. I, Stand: Februar 2019, Art. 57a Rn. 5). Zu Gunsten der beabsichtigten Flächenbevorratung der öffentlichen Hand für Hochwasserschutzmaßnahmen wird mit § 99a WHG, Art. 57a BayWG ein weitgehender Eingriff in die Privatautonomie der jeweiligen Grundstückseigentümer zugelassen.
b) Vorliegend handelt es sich bei dem streitbefangenen Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … um ein Grundstück, das für Maßnahmen des Hochwasserschutzes benötigt wird. Die von der Ausübung des Vorkaufsrechts betroffene Teilfläche im Umfang von 3.221 m² ist Teil einer geplanten Deichtrasse für den Hochwasserschutz-Rückhalteraum, wie er im Hochwasserschutz-Aktionsprogramm … als Maßnahme des technischen Hochwasserschutzes vorgesehen ist. Dass für den Hochwasserschutz-Rückhalteraum … im Hochwasserschutz-Aktionsprogramm … aktuell zwei Planungsvarianten enthalten sind (Varianten A und B) ändert nichts daran, dass die von der Ausübung des Vorkaufsrechts betroffene Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … integrativer Bestandteil einer bereits ausgearbeiteten Planungsvariante des Technischen Hochwasserschutzes ist und insoweit die Voraussetzungen des § 99a Abs. 1 Satz 1 WHG, Art. 57a Abs. 1, Abs. 4 BayWG erfüllt.
c) In Ausfüllung der Abweichungskompetenz des § 99a Abs. 6 WHG beschränkt Art. 57a Abs. 4 BayWG das wasserrechtliche Vorkaufsrecht auf Maßnahmen des Technischen Hochwasserschutzes und des natürlichen Rückhalts. Maßnahmen des Technischen Hochwasserschutzes sind dabei insbesondere Dämme, Deiche, Mauern, Wehre und sonstige künstlich hergestellte Einrichtungen, mit denen auf den Ablauf eines Hochwassers eingewirkt werden soll (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Bd. II, BayWG, Stand: Juli 2018, Art. 57a BayWG Rn. 22). Die für derartige Baumaßnahmen benötigten Grundstücksflächen einschließlich des für ihre Errichtung und Betrieb erforderlichen Umgriffs unterliegen dem Vorkaufsrecht. Damit ist die hier betroffene Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr., die nach der Planungsvariante B für die Errichtung eines Deichbauwerkes vorgesehen ist, mit einem wasserrechtlichen Vorkaufsrecht im Sinne von § 99a WHG, Art. 57a BayWG belastet.
d) Auch die für das Entstehen des Vorkaufsrechts erforderliche Eintragung des Grundstücks in das Grundstücksverzeichnis nach Art. 57a Abs. 1 Satz 1 BayWG liegt hier vor. Mit Allgemeinverfügung zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 99a WHG wurde mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 29. November 2017 (Gz. 52h-U4502-2010/14-163) bestimmt, dass zur Erleichterung des Vollzugs für Behörden, Notare und Bürger für Bayern ein Flurstücksverzeichnis mit allen Grundstücken erstellt und vom LfU geführt wird, für die ein Vorkaufsrecht nach § 99a WHG besteht. Das Vorkaufsrechtsregister wurde zeitgleich mit Inkrafttreten von Art. 57a Abs. 1 Satz 1 BayWG zum 1. März 2018 frei geschaltet. Ab diesem Zeitpunkt können die Notare elektronisch Einsicht in das Vorkaufsrechtsregister nehmen (s. Schreiben des StMUV vom 8.2.2018 (Gz. 52h-U4502-2010/14-196). Die Eintragung eines Grundstücks in das beim LfU geführte Vorkaufsrechtsverzeichnis hat dabei konstitutive Wirkung. Es besteht daher nur an solchen Grundstücken ein Vorkaufsrecht, die zum jeweiligen Zeitpunkt des Vertragsschlusses in das Verzeichnis eingetragen sind. Im Verzeichnis des LfU werden dabei sämtliche Grundstücke erfasst, die für Maßnahmen des Hochwasserschutzaktionsprogramms 2020plus (AP2020 plus) erforderlich sind (Rossi in Siedler/Zeitler, BayWG, a.a.O., Art. 57a Rn. 9).
Vorliegend ist das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … seit dem 1. Februar 2019 in das maßgebliche Grundstücksverzeichnis des LfU eingetragen. Soweit die Klägerin und der Beigeladene vortragen, dass ihnen weder die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 29. November 2017 noch die konstitutive Eintragung im Grundstücksregister des LfU bekannt gewesen seien, so vermag dieser Umstand die Belastung des streitgegenständlichen Grundstücks mit einem wasserrechtlichen Vorkaufsrecht nicht zu verhindern. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass Art. 57a Abs. 1 Satz 1 und 2 BayWG eine Informationsstruktur schafft, die es Dritten ermöglicht, festzustellen, ob ein Grundstück mit einem Vorkaufsrecht belastet ist. Art. 57a Abs. 1 Satz 2 BayWG bestimmt insbesondere, dass die Einsicht des Verzeichnisses jedem gestattet ist, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Weiter ist darauf zu verweisen, dass im maßgeblichen notariellen Kaufvertrag vom 7. Mai 2019 in Ziffer IV. „Sonstiges“ Nr. 2 „Vorkaufsrecht“ die Vertragsparteien darauf hingewiesen wurden, dass der Vertragsgegenstand im elektronischen Vorkaufsrechtsverzeichnis nach dem BayWG eingetragen ist, so dass ein Vorkaufsrecht nach dem Wasserhaushaltsgesetz besteht. Insoweit geht der von Klägerin und Beigeladenem erhobene Einwand ins Leere.
4. Schließlich begegnet auch die Ausübung des Vorkaufsrechts im konkreten Einzelfall keinen rechtlichen Bedenken. Das Vorkaufsrecht dient der in § 99a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 WHG gesetzlich vorgegebenen Zweckbestimmung (Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Bd. I b, §§ 50 ff. WHG, a.a.O., § 99a WHG Rn. 6) und ist aus Gründen des Hochwasserschutzes erforderlich.
a) Nach § 99a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 57a Abs. 4 BayWG darf der begünstigte Freistaat Bayern das Vorkaufsrecht nur im Zuge von Maßnahmen des Technischen Hochwasserschutzes und des natürlichen Rückhalts ausüben. Diese Voraussetzungen sind mit der im Rahmen des Hochwasserschutz-Aktionsprogramm … für den Rückhalteraum … – … geplanten Deichtrasse, die auf dem streitgegenständlichen Grundstücksteil verlaufen soll, erfüllt.
b) Nach Auffassung der Kammer liegt auch die für die Ausübung des Vorkaufsrechts in § 99a Abs. 3 WHG verlangte Erforderlichkeit vor.
aa) Nach § 99a Abs. 3 WHG darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn dies aus Gründen des Hochwasserschutzes oder des Küstenschutzes erforderlich ist, was bereits durch die Aufnahme des streitgegenständlichen Grundstücks in das beim LfU geführte und konstitutiv wirkende Vorkaufsrechtsregister belegt wird. Die Erforderlichkeit für die Ausübung des Vorkaufsrechts am betreffenden Grundstück ist nicht erst zu dem Zeitpunkt gegeben, in dem eine Entscheidung des Planungsträgers für … oder … gefallen ist. Dieses wäre mit der Zielsetzung des Vorkaufsrechts nach § 99a WHG und Art. 57a BayWG nicht zu vereinbaren. Mit dem Vorkaufsrecht soll den Ländern unabhängig von entsprechenden Genehmigungsentscheidungen für den Gewässerausbau (§ 67 Abs. 2 WHG) eine frühzeitige Einwirkungsmöglichkeit auf den Grundstücksverkehr ermöglicht werden (Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Bd. II, a.a.O. Art. 57a BayWG Rn. 4). Eingeschränkt zweckgebunden durch Art. 57a Abs. 4 BayWG dient das wasserrechtliche Vorkaufsrecht daher auch der gebotenen Flächenbevorratung für beabsichtigte Hochwasserschutzmaßnahmen. Ebenfalls unerheblich ist, ob die Gemeinde als örtlicher Planungsträger in die örtlichen bzw. überörtlichen Planungsentscheidungen zum Hochwasserschutz eingebunden ist oder war. Diese Frage stellt sich im Rahmen des Entstehens und der Ausübung des wasserrechtlichen Vorkaufsrechts nicht. Eine mögliche Einwendungsberechtigung der Klägerin im Rahmen einer Planungs- oder späteren Genehmigungsentscheidung ist zwingend vom Entstehen und der Ausübung des vorgelagerten wasserrechtlichen Vorkaufsrechts an potenziell benötigten Grundstücksflächen für Hochwasserschutzmaßnahmen zu trennen.
bb) Verlangt wird für eine Erforderlichkeit nach § 99a Abs. 3 WHG lediglich, dass das Vorkaufsrecht nicht ins „Blaue“ hinein bzw. auf bloßen „Vorrat“ ausgeübt wird. Es müssen zumindest konkrete Anhaltspunkte für eine Planungsabsicht vorhanden sein (vgl. Rossi in Sieder/Zeitler, BayWG, Bd. I, a.a.O., Art. 57a BayWG Rn. 35). Das ist vorliegend der Fall. Es bestehen mit den Planungsvarianten A und B für den Rückhalteraum … im Rahmen des Hochwasserschutz-Aktionsprogramm … konkrete Planungsabsichten für Technische Hochwasserschutzmaßnahmen in Gestalt der Errichtung von Dammbauten. Die Tatsache, dass bislang keine Entscheidung für eine der beiden Varianten erfolgt ist, führt nicht zum Entfallen der Erforderlichkeit. Eine Vorkaufsberechtigung besteht hier für sämtliche Grundstücke in beiden Planvarianten, wie sie auch deren Aufnahme in das Verzeichnis nach § 99a Abs. 1 Satz 1 WHG belegt. Um eine Alternativenprüfung als Wesensmerkmal jeglicher Planungsentscheidung zu ermöglichen, muss sich auch das wasserrechtliche Vorkaufsrecht auf Grundstücke im Geltungsbereich beider Varianten erstrecken.
cc) Dass die Ausübung des Vorkaufsrechtes vorliegend erforderlich ist, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass bei einer Nichtausübung des Vorkaufsrechts aufgrund dessen zeitlicher Beschränkung in § 469 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 99a WHG bzw. Art. 57a BayWG enthalten hierfür keine gesonderten Vorschriften – ein späterer Grundstückserwerb bei beiden Varianten nur unter erheblich erschwerten Bedingungen in einem Enteignungsverfahren möglich wäre. Diese zeitliche Beschränkung der Ausübung des Vorkaufsrechtes belegt darüber hinaus, dass der Beklagte mit dem von ihm beabsichtigten Zugriff auf das streitgegenständliche Grundstück nicht bis zu einer abschließenden Entscheidung im Raumordnungsverfahren für eine der beiden Planungsvarianten zuwarten kann.
dd) Die Erforderlichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts entfällt nicht deswegen, weil der Freistaat Bayern als Hoheitsträger die Ausübung gegenüber der Gemeinde als einem weiteren Träger öffentlicher Gewalt erklärt hat. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen in § 99a WHG bzw. Art. 57a BayWG sehen in derartigen Fällen keine Einschränkung der Ausübung des wasserrechtlichen Vorkaufsrechts vor. Im Übrigen ist an dieser Stelle nochmals darauf zu verweisen, dass sich die Klägerin mit dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 7. Mai 2019 gerade nicht hoheitlich betätigt hat, sondern mit dem Erwerb des Grundstücks vom Beigeladenen wie ein privater Dritter am Grundstücksverkehr teilgenommen hat.
c) Schließlich ändert auch die erforderliche Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz (GrundstVerkG) nichts an der rechtmäßigen Ausübung des wasserrechtlichen Vorkaufsrechts.
Die mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2019 vorgelegte Genehmigung mit Bescheid des Landratsamtes … vom 11. Juni 2019 (Az. …) besagt nämlich nur, dass die Klägerin das Grundstück nur zur weiteren landwirtschaftlichen Nutzung veräußern darf. Dies vermag die Ausübung eines wasserrechtlichen Vorkaufsrechts zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu verhindern. Kommt es nämlich zu keinem weiteren Verkauf seitens der Klägerin, so entsteht kein weiterer Vorkaufsfall, der dem Beklagten den Zugriff auf das streitgegenständliche Grundstück bzw. die hiervon benötigte Teilfläche ermöglichen würde.
d) Ebenfalls ins Leere geht der Einwand der Klägerin, die Ausübung des Vorkaufsrechts führe dazu, dass wesentlich in die Privatautonomie des Beigeladenen zur Wahl des Vertragspartners eingegriffen werde. Es ist Wesen jedes gesetzlichen Vorkaufsrechts, dass dieses – sofern es rechtmäßig ausgeübt wird – einen Schuldnerwechsel zur Folge hat. Überdies stellt das gesetzliche Vorkaufsrecht keine Enteignung dar. Insbesondere wird dem Eigentümer des Grundstücks, hier dem Beigeladenen, kein Eigentum „entzogen“, da die Entscheidung ob, wann und zu welchem Preis der Verkauf erfolgt, beim Verkäufer verbleibt und er allein die Entscheidung über die Käuferpartei verliert (Rossi in Siedler/Zeitler, BayWG, Bd. I, a.a.O., Art. 57a Rn. 6). Damit werden die Interessen des jeweiligen Grundstückseigentümers hinreichend durch die Beschränkungen des § 99a Abs. 3 WHG und des Art. 57a Abs. 4 BayWG geschützt (Ell, Kommunalpraxis Bayern, 2018, 261 ff.).
5. Das Vorkaufsrecht ist auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig.
Der Beklagte hat das Vorkaufsrecht in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Vorgabe in § 99a Abs. 1 Satz 2 WHG auf die streitgegenständliche Teilfläche im Umfang von 3.221 m² beschränkt, da sich das gesetzliche wasserrechtliche Vorkaufsrecht nur auf den Grundstücksteil erstreckt, bei dem die Merkmale des § 99a Abs. 1 Satz 1 WHG vorliegen. Da sich die Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich auf eine Teilfläche von etwa einem Zehntel des veräußerten Gesamtgrundstücks (Gesamtgröße 30.329 m²) beläuft, liegt es auch nicht nahe, dass der weitere Verbleib des übrigen Grundstücksteils beim Eigentümer für diesen wirtschaftlich unzumutbar ist.
6. Die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts bedarf nach § 464 Abs. 1 Satz 2 BGB keiner besonderen Form, insbesondere ist keine notarielle Beurkundung notwendig, § 311b i.V.m. § 128 BGB. Auch eine Eintragung ins Grundbuch ist nach § 99a Abs. 4 Satz 1 WHG nicht erforderlich.
Das Vorkaufsrecht wurde fristgerecht ausgeübt. Mangels einer Regelung in § 99a WHG, Art. 57a BayWG ist zur Bestimmung der Frist auf § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB abzustellen. Nach dieser Vorschrift ist das Vorkaufsrecht innerhalb von zwei Monaten ab der Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrags an den Ausübungsberechtigten (Wasserwirtschaftsamt … nach Art. 57a Abs. 2 Satz 1 BayWG) zu erklären. Am 4. Juni 2019 erfolgte die Übersendung der Vertragsurkunde durch die Notarin, die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgte am 4. Juli 2019 somit fristgerecht. Selbst wenn der Eingang der ersten Mitteilung der Notarin vom 15. Mai 2019, der allerdings keine Vertragsurkunde beigefügt war, als ausreichend angesehen werden würde, wäre die Frist erst am 15. Juli 2019 abgelaufen.
7. Der mit der Klage angegriffene Ausübungsbescheid des Beklagten vom 4. Juli 2019 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Deren Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlich entstandenen Kosten selbst zu tragen hat, da er sich ohne eigene Antragstellung keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Auch eine Kostenerstattung nach § 162 Abs. 3 VwGO ist insoweit ausgeschlossen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).