Aktenzeichen M 1 K 17.2220
BauGB § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, S. 2, § 26 Nr. 4, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 136 Abs. 2 S. 2, § 142 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, S. 3, § 144 Abs. 2 Nr. 1, § 235 Abs. 4
BayGO Art. 30 Abs. 2, Art. 37 Abs. 3, Art. 49 Abs. 1 S. 1, Art. 52 Abs. 2
BGB §§ 187 ff., § 275 Abs. 1, § 311a Abs. 1, § 2033 Abs. 1 S. 2
ZPO § 256 Abs. 2
Leitsatz
1. Entscheidet ein Stadtrat an Stelle des nach der Geschäftsordnung zuständigen beschließenden Ausschusses, so ist dieser Stadtratsbeschluss nur dann unwirksam, wenn das gegen die Geschäftsordnung verstoßende Verhalten zugleich eine gesetzliche Bestimmung verletzt und die Gesetzesverletzung nicht anderweitig geheilt ist. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vor, ist das daraus erwachsene Gestaltungsrecht des Vorkaufsberechtigen in seinem rechtlichen Fortbestand grundsätzlich unabhängig von dem rechtlichen Schicksal des Kaufverhältnisses zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem Käufer steht kein Abwendungsrecht nach § 27 Abs. 1 BauGB zu, wenn die Verwendung des Grundstücks aufgrund eines nicht im Detail konkretisierten Planungsstandes der städtebaulichen Maßnahme noch nicht mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Eine Entscheidung konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 26. März 2019 ihr Einverständnis mit einem Übergang ins schriftliche Verfahren erklärt haben.
I.
Die Bescheide der Beklagten zur Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich der Grundstücke Fl.Nrn. 536/655 und 536/164 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den Erlass der Bescheide ist § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Demnach steht der Beklagten beim Kauf von Grundstücken, die in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet liegen, ein Vorkaufsrecht zu.
2. Die Bescheide sind formell rechtmäßig.
a. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Ausübung des Vorkaufsrechts ergibt sich aus § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB.
Es führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Bescheide, dass der Stadtrat über die Ausübung des Vorkaufsrechts entschieden hat, statt, wie es die Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten vom 8. Mai 2014 in der damals geltenden Fassung vom 21. Oktober 2014 (GeschO) regelt, der Bauausschuss der Beklagten. Gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2.4 GeschO entscheidet der Bauausschuss über die Ausübung von Vorkaufsrechten.
Entscheidet ein Stadtrat an Stelle des nach der Geschäftsordnung zuständigen beschließenden Ausschusses, so ist dieser Stadtratsbeschluss mangels Gesetzesverstoß rechtswirksam. Nur dann, wenn ein gegen die Geschäftsordnung verstoßendes Verhalten zugleich eine gesetzliche Bestimmung verletzt (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2008 – 4 BV 07.211 – juris Rn. 25; OVG Münster, U.v. 27.8.1996 – 15 A 32.93 – DÖV 1997, 344; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, 29. EL Mai 2018, BayGO, Art. 45 Rn. 8) und die Gesetzesverletzung nicht anderweitig geheilt ist, kommt ein gültiger Beschluss nicht zustande. Art. 30 Abs. 2 Bayerische Gemeindeordnung (BayGO) enthält keine gesetzlich vorgegebene Zuständigkeitsverteilung, gegen die verstoßen worden ist (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, 29. EL Mai 2018, Art. 32 BayGO Rn. 20). Art. 30 Abs. 2 BayGO regelt nur eine mögliche Übertragung bestimmter Angelegenheiten auf beschließende Ausschüsse. Es ist jedoch nicht bereits gesetzlich vorgesehen, dass die Entscheidung über die Ausübung eines Vorkaufsrechts einem beschließenden Ausschuss obliegt. Somit besteht auch kein Verstoß gegen eine gesetzliche Regelung.
b. Auch liegt kein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz vor.
Gem. Art. 52 Abs. 2 BayGO sind die Stadtratssitzungen öffentlich, soweit nicht die Rücksicht auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegensteht. In § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der GeschO der Beklagten wird dies dahingehend aufgegriffen, dass die Sitzungen bei Grundstücksangelegenheiten in der Regel nicht-öffentlich sind.
Vorliegend wurden die Beteiligten jedoch zu der Durchführung einer öffentlichen Sitzung angehört. Nach Erklärung ihres Einverständnisses wurde die Öffentlichkeit hergestellt. Ein Verstoß gegen berechtigte Ansprüche einzelner, insbesondere durch die Offenlegung des Kaufvertrages, kann bei Zustimmung der Kaufvertragsparteien nicht angenommen werden.
c. Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus einer möglichen Befangenheit eines Mitglieds des Stadtrats, wie sie die Klagepartei vorträgt.
Ein Verstoß gegen Art. 49 Abs. 1 Satz 1 BayGO liegt nicht vor. Demnach kann ein Mitglied des Stadtrats an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst, einem Angehörigen oder einer von ihm vertretenen natürlichen oder juristischen Person oder sonstigen Vereinigung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat das betroffene Stadtratsmitglied nicht an der Sitzung, in der über die Ausübung des Vorkaufsrechts abgestimmt wurde, teilgenommen. Dies ist auch dem Protokoll zur Stadtratssitzung vom 18. April 2017, das öffentlich auf der Homepage der Beklagten einzusehen ist, zu entnehmen. Da das möglicherweise befangene Stadtratsmitglied somit nicht an der Beschlussfassung teilgenommen hat, liegt auch kein Verstoß gegen Art. 49 BayGO vor.
3. Die Bescheide sind materiell rechtmäßig.
a. Das Vorkaufsrecht wurde rechtmäßig ausgeübt, § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
Gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann das Vorkaufsrecht nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden.
Die Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB beginnt erst mit ordnungsgemäßer Mitteilung des Vertragsinhalts nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu laufen. Die Übermittlung des gesamten Vertrags erfolgte mit Eingang bei der Beklagten am 22. März 2017. Die zuvor erfolgte auszugsweise Übermittlung des Vertrags und formblattmäßige Vorkaufsrechtsanfrage des beurkundenden Notars ist nicht geeignet, die Zweimonatsfrist für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB in Lauf zu setzen. Diese Anfrage hat lediglich den Zweck, es den Parteien des Kaufvertrags auf einfache Weise zu ermöglichen, in den Besitz eines Negativattests nach § 28 Abs. 1 Satz 4 BauGB zu kommen (vgl. BGH, B.v. 30.6.1994 – 3 ZR 109.93 – juris Rn. 4). Die Frist begann folglich am 23. März 2017 zu laufen und endete am 22. Mai 2017 (§§ 187 f. BGB). Die Ausübung des Vorkaufsrechts mit Bescheiden vom 19. April 2017 war somit fristgerecht.
b. Das Vorkaufsrecht wurde auch gegenüber der richtigen Vertragspartei ausgeübt.
Gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB muss das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber den Verkäufern ausgeübt werden. Die Bescheide, mit denen das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, wurden den Mitgliedern der Erbengemeinschaft, das heißt, den Beigeladenen als Verkäufer, sowie den Klägern als Käufer bekanntgegeben. Soweit die Klagepartei vorbringt, aufgrund des nach Kaufvertrag abgeschlossenen Erbteilskaufvertrags hätte eine nochmalige Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber den Klägern als nachfolgende Eigentümer erfolgen müssen, trifft dies nicht zu. Eine nochmalige Ausübung des Vorkaufsrechts nach Abschluss des Erbteilskaufvertrags war nicht notwendig. Der Vorkaufsfall ist bereits durch sanierungsrechtliche Genehmigung des ersten Kaufvertrags, bekanntgegeben unter dem 4. April 2017, und somit vor Abschluss des Erbteilskaufvertrags am 6. April 2017 eingetreten, so dass es ausschließlich auf diesen Zeitpunkt ankommt.
c. Es lag ein wirksamer Vorkaufsfall vor.
Der zwischen den Beigeladenen und den Klägern geschlossene Kaufvertrag vom 17. Februar 2017 war bis zur Genehmigung durch den ersten Bürgermeister der Beklagten gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB am 3. April 2017 schwebend unwirksam und wurde sodann mit Bekanntgabe der Genehmigung am 4. April 2017 wirksam. Die Genehmigung wurde durch den ersten Bürgermeister der Beklagten gem. Art. 37 Abs. 3 BayGO als dringliche Anordnung erteilt.
Die Voraussetzungen hierfür lagen vor:
Gem. Art. 37 Abs. 3 BayGO ist der erste Bürgermeister befugt, an Stelle des Stadtrats oder eines Ausschusses dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen. Ein sog. Eilfall liegt dann vor, wenn das eigentlich zuständige Kollegialorgan nicht mehr rechtzeitig einberufen werden könnte (Art. 45 ff. BayGO). Da Art. 37 Abs. 3 BayGO eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung darstellt, ist außerdem zu verlangen, dass ohne die dringliche Anordnung Nachteile für die Gemeinde oder einen Dritten entstünden (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, 29. EL Mai 2018, BayGO Art. 37 Rn. 15).
Die Beklagte erfuhr laut Email eines Mitarbeiters am Freitag, den 31. März 2017, von den Plänen der Klagepartei, dass sie den Abschluss eines Erbteilskaufvertrags und die Auflösung des bestehenden Kaufvertrags noch vor der Stadtratssitzung, die für den 6. April 2017 anberaumt war, anstrebe. Der zuvor abgeschlossene Kaufvertrag war bis zur Genehmigung schwebend unwirksam, so dass bis zum Eintritt der Wirksamkeit auch nicht von einem wirksamen Vorkaufsfall ausgegangen werden konnte. Aufgrund der Befürchtung der Beklagten, dass die Klagepartei und die Beigeladenen durch den Abschluss des Erbteilskaufvertrags den Eigentumsübergang vollziehen würden und dadurch das Vorkaufsrecht nicht ausgelöst werde, lag ein Eilfall vor. Verfügen Miterben über ihren Erbteil und ist Gegenstand des Erbes ein Grundstück, bedarf es zur Wirksamkeit des Eigentumsübergangs keiner Grundbucheintragung. Dieses wird vielmehr bereits durch Abschluss des Verfügungsgeschäfts (§ 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB) wirksam, der Eigentumsübergang ist dadurch bereits vollzogen. Der Erbteilskauf löst auch kein Vorkaufsrecht aus, so dass die Beklagte dieses bei rechtzeitigem Abschluss des Erbteilskaufvertrages nicht mehr hätte ausüben können (vgl. Schöner/Stöber in Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 4113a). Dies hätte zu einem Schaden für die Stadt geführt.
Eine rechtzeitige Einberufung des Stadtrats wäre nicht mehr möglich gewesen. Die Geschäftsordnung der Beklagten sieht in § 23 Abs. 1 GeschO eine Ladungsfrist von fünf Werktagen vor, in dringenden Fällen ist eine Verkürzung auf drei Tage möglich. Der Sitzungstag und der Tag des Zugangs der Ladung werden bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet. Die Frist wäre nicht mehr einzuhalten gewesen: Selbst, wenn man davon ausgehen würde, die Beklagte hätte die Ladung noch am Freitag, den 31. März 2017, versendet, so wäre diese frühestens am Samstag, den 1. April 2017, zugegangen. Dieser Tag wäre bei der Frist nicht mitzuzählen gewesen. Die Berechnung erfolgt mangels eigener Regelung in der Bayerischen Gemeindeordnung analog §§ 187 ff. BGB. Die Sitzung hätte frühestens am Mittwoch, den 5. April 2017, stattfinden können, der Tag der Sitzung selbst wäre ebenfalls nicht mitzuzählen gewesen. Da der Erbteilskaufvertrag jedoch nach Angaben des Klägerbevollmächtigten gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten bereits vor der bereits anberaumten Stadtratssitzung am 6. April 2017 geschlossen werden sollte, wäre auch eine Genehmigung des Kaufvertrages nach § 144 BauGB am 5. April 2017 nach dem Informationsstand der Beklagten zu spät gewesen, da damit gerechnet werden musste, dass der Notartermin spätestens am gleichen Tag stattfinden würde. Die Dringlichkeit für das Tätigwerden des ersten Bürgermeisters der Beklagten lag somit vor.
Der Kaufvertrag blieb auch in der Folge wirksam. Eine Aufhebung des Kaufvertrages erfolgte nach Mitteilung der Beteiligten nicht. Eine nachträgliche Aufhebung hätte jedoch auch keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Vorkaufsrechts:
Das Gesetz knüpft das Entstehen des Vorkaufsrechts an das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrags. Letzteres ist erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Genehmigungen erteilt wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer und Käufer den Kaufvertrag willkürlich aufheben und damit das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen; denn der Vorkaufsberechtigte hat kein Recht auf den Eintritt des Vorkaufsfalls (vgl. BGH, U.v. 15.5.1998 – V ZR 89.97 – NJW 1998, 2352 (2353)). Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts aber erst einmal vor, ist das daraus erwachsene Gestaltungsrecht des Vorkaufsberechtigen in seinem rechtlichen Fortbestand grundsätzlich unabhängig von dem rechtlichen Schicksal des Kaufverhältnisses zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten (vgl. BGH, U.v. 1.10.2010 – V ZR 173.09 – juris Rn. 20). Ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der sanierungsrechtlichen Genehmigung am 4. April 2017 lag ein wirksamer Kaufvertrag vor und somit auch ein Vorkaufsfall. Auch der sodann abgeschlossene Erbteilskaufvertrag hat keine Auswirkungen auf den bestehenden Kaufvertrag, denn der einmal wirksam gewordene erste Kaufvertrag verliert durch den späteren Erbteilskauf nicht automatisch seine Gültigkeit, sondern bleibt vielmehr unberührt.
d. Eine wirksame Sanierungssatzung liegt vor, insbesondere geht die erkennende Kammer von der Rechtmäßigkeit der Satzung aus (§ 142 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 142 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Das Bestehen des Vorkaufsrechts setzt ein förmlich festgesetztes Sanierungsgebiet voraus, das als Satzung zu beschließen ist. Erforderlich ist demnach ein Satzungsbeschluss, der den Geltungsbereich der Sanierungssatzung ordnungsgemäß angibt (§ 142 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 142 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Einer Begründung bedarf es dem Gesetz nach in der Satzung nicht. Auch ist kein förmliches Aufstellungsverfahren vorgesehen. Die Sanierungsziele können sich insbesondere auch aus den Untersuchungsergebnissen der vorbereitenden Untersuchungen nach § 141 BauGB ergeben (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 134. EL August 2019, § 142 Rn. 39; BayVGH, B.v. 8.8.2008 – 15 ZB 07.2925 – juris Rn. 18). Der Beschluss wurde vorliegend auf der Grundlage des Ergebnisses der Voruntersuchungen getroffen. Ein bestimmtes Satzungsgebiet wurde darin angegeben. In materieller Hinsicht sind für die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets das Vorliegen städtebaulicher Missstände, die durch Sanierungsmaßnahmen behoben werden können, sowie eine planerische Entscheidung zur Festlegung des Sanierungsgebiets erforderlich. Durch die vorbereitenden Untersuchungen zur Sanierung der Stadt hat die Beklagte städtebauliche Missstände im Sinne des § 136 Abs. 2 Satz 2 BauGB in ausreichender Form dargelegt. Der Stadtrat hat sich im Rahmen des Satzungsbeschlusses auf die vorbereitenden umfassenden Untersuchungen bezogen. Somit bestand bereits zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine hinreichend konkrete Vorstellung des Stadtrates über Gründe und Ziele der Sanierung.
Soweit die Klagepartei an der Gültigkeit der Satzung zweifelt, da diese keine Frist enthält, innerhalb derer die Sanierung durchgeführt werden soll, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Satzung. Gem. § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist bei dem Beschluss über die Sanierungssatzung zugleich die Frist festzulegen, in der die Sanierung durchgeführt werden soll; die Frist soll 15 Jahre nicht überschreiten. Die Frist kann verlängert werden. Die Fristverlängerung ist durch einen weiteren Beschluss festzulegen, der jedoch nicht Bestandteil der Satzung ist (vgl. Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 142 Rn. 29a; Möller in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 142 Rn. 31). Diese Regelung wurde durch die Änderung des Baugesetzbuchs zum 1. Januar 2007, also nach dem Inkrafttreten der Satzung am 27. Oktober 2000, eingefügt. § 235 Abs. 4 BauGB enthält für diese Fälle eine Übergangsregelung: Die Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht worden sind, sind spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben, es sei denn, es ist entsprechend § 142 Abs. 3 Satz 3 oder 4 BauGB eine andere Frist für die Durchführung der Sanierung festgelegt worden. Eine nachträgliche Fristsetzung ist demnach erst ab 31. Dezember 2021 zwingend gesetzlich erforderlich. Alternativ müsste die Beklagte die Satzung aufheben.
Vorliegend wurde die Satzung im Jahr 2015, also nach Inkrafttreten der Regelung, nochmals hinsichtlich des Satzungsgebiets erweitert. Diese Satzungsänderung führt nach Auffassung der Kammer jedoch nicht dazu, dass § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB direkt zur Anwendung kommt und gleichzeitig ein Beschluss über die Frist gefasst hätte werden müssen. Es wurde durch die Änderung der Satzung lediglich das Satzungsgebiet erweitert, nicht jedoch die Sanierungsziele verändert. Abzustellen ist auf die erstmalige Bekanntmachung der Satzung und nicht auf eine Änderung. Sinn und Zweck der Fristsetzung ist es, die Gemeinden anzuhalten, bei förmlicher Festlegung eines Sanierungsgebiets nicht nur die zügige Durchführbarkeit der Sanierung zu betreiben, sondern dies auch zu dokumentieren und in einer Art Selbstverpflichtung einen bestimmten Zeitraum festzulegen. Durch die Übergangsregelung ist gewährleistet, dass auch bei sog. „Alt-Satzungen“ die Städte und Gemeinden gehalten sind, die Sanierung aktiv zu betreiben. Auch für diesen Fall bleibt die Übergangsregelung des § 235 Abs. 4 BauGB anwendbar, so dass eine nachträgliche Fristsetzung ab 31. Dezember 2021 gesetzlich erforderlich ist. Zudem wäre ein Beschluss über eine Frist zur Sanierungsdurchführung zwar für die Beklagte verpflichtend, jedoch keine Gültigkeitsvoraussetzung der Sanierungssatzung (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 142 Rn. 75d; VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 – AN 9 K 15.01199). Eine Sanierungssatzung ohne Fristbestimmung bleibt, z.B. als Grundlage eines Vorkaufsrechts gem. § 24 BauGB wirksam (vgl. Schmitz in BeckOK, BauGB, Stand: 1.8.2019, § 142 Rn. 46.1). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 12.4.2011 – 4 B 52.10 – juris Rn. 6) gilt auch nach der Einfügung des § 142 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauGB, dass weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung zur Folge haben, dass die zugrundeliegende Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt. Ein langer Zeitraum seit Inkrafttreten der Sanierungssatzung kann wie die unzureichend zügige Förderung der Sanierung bei der Prüfung der Gründe für eine Genehmigung gemäß § 145 BauGB von Belang sein. In sämtlichen Fällen bedarf es gem. § 162 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung über die Aufhebung der Satzung. Daraus kann geschlossen werden, dass nicht nur der Ablauf der Frist sondern auch das generelle Fehlen einer Frist nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Satzung führen.
Die Auffassung der Klagepartei, die Beklagte habe die Ziele der Sanierung nicht ausreichend verfolgt und umgesetzt, teilt die zuständige Kammer nicht. Zum einen wurden vorliegend nach Angaben der Beklagten bereits mehrere Sanierungsmaßnahmen umgesetzt, unter anderem die Umgestaltung des R.platzes, der Neubau des Kultur- und Veranstaltungszentrum „…“, der Neubau des …-Zentrum sowie die Umgestaltung des Bahnhaltepunkts für Personenverkehr. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sich die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen in der Regel über einen langen, in Jahrzehnten bemessenen Prozess erstreckt. Diesem Umstand trägt die Rechtsprechung Rechnung, indem sie auch bei seit Jahren oder sogar Jahrzehnten bestehenden Sanierungssatzungen in aller Regel die Wirksamkeit der zugrundeliegenden Satzung anerkennt (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.1995 – 4 B 33.95 – NVwZ 1995, 897; BayVGH, B.v. 8.8.2008 – 15 ZB 07.2925 – juris Rn. 23).
e. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Ein die Ausübung des Vorkaufsrechtes rechtfertigendes Wohl der Allgemeinheit ist ein qualifiziertes sachlich objektives Interesse als Ergebnis einer Abwägung der im Einzelfall miteinander in Wettstreit stehenden privaten und öffentlichen Interessen (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 134. EL August 2019, § 24 Rn. 63). Die Rechtfertigung durch das Wohl der Allgemeinheit ist insbesondere gegeben, wenn mit der Ausübung des Vorkaufsrechts die in der Sanierungssatzung formulierten städtebaulichen Ziele verfolgt werden (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2008 – 15 ZB 07.2925 – juris Rn. 21; U.v. 9.3.2000 – 2 B 96.467 – juris Rn. 17). Es ist ausreichend, wenn die Beklagte bei ihrer Entscheidung die Zielsetzung der Sanierungssatzung und den Zweck, für den sie die Grundstücke erwerben will, berücksichtigt. Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu den vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecken erfolgt und dabei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (vgl. BayVGH, U. v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 16; VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 – 9 K 15.01199 – juris Rn. 46). In förmlich festgelegten Sanierungsgebieten rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts dann, wenn damit die besonderen Maßnahmen unterstützt werden, die zur Beseitigung städtebaulicher Missstände erforderlich sind. Den breiten Einsatzmöglichkeiten des Sanierungsrechts entspricht dabei ein umfassend anwendbares Vorkaufsrecht (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 24 Rn. 70). Von daher rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn damit die sanierungsrechtlichen Ziele zumindest befördert werden. Alleine die Tatsache, dass seit Inkrafttreten der Sanierungssatzung ein langer Zeitraum vergangen ist, hat nicht zur Folge, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.1995 – 4 B 33.95 – juris Rn. 3). Mit dem Fortschreiten des Sanierungsverfahrens sind allerdings höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2007 – 26 ZB 06.1731 – juris Rn. 10).
Die streitgegenständlichen Grundstücke waren bereits im Rahmen der Voruntersuchungen vor Inkrafttreten der Sanierungssatzung Gegenstand der Sanierungsziele der Beklagten. Empfohlen wurde, zwischen R.platz und K.straße einerseits und der …passage andererseits eine funktionelle und gestaltende Verbindung herzustellen. In der Stadtratssitzung vom 21. Juli 2011 wurde die Planung dahingehend fortgeschrieben, dass nördlich der streitgegenständlichen Grundstücke eine Bücherei und auf den streitgegenständlichen Grundstücken ein Lesegarten errichtet werden solle. Im Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept vom 20. Februar 2014 wurde sodann vorgeschlagen, zwischen der M.straße und der K.straße sog. …höfe zu errichten. Es handle sich um einen besonders zu entwickelnden Sanierungsbereich. Dies wurde in der Feinplanung der Architektin … aus dem Jahr 2015 fortgeführt und eine öffentliche Nutzung eines Teils der Grundstücke in Form eines öffentlichen Quartierhofs zum Aufenthalt vorgeschlagen. In der Folge wurde die Änderung des Bebauungsplans „Gebiet zwischen M.-, K.- und E.straße“ unter Berücksichtigung der Feinplanung vom Stadtrat am 23. Februar 2015 beschlossen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts dient der Umsetzung dieser Feinplanung und der gewünschten Sanierung. Aufgrund dieser Historie geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte ihr Nutzungskonzept stetig fortentwickelt und weiter detailliert hat. Hierbei ist auch unerheblich, dass nach den Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Unterbringung der Bibliothek in dem ehemaligen …-Einkaufszentrum möglicherweise an der fehlenden Zustimmung einzelner Eigentümer scheitert. Der auf den streitgegenständlichen Grundstücken geplante Quartierhof ist nicht nur für die Bibliothek als Lesegarten sinnvoll, sondern auch als öffentliche Fläche für Besucher des Kulturzentrums und im Rahmen der Schaffung eines Durchgangs zwischen M.- und K.straße. Das Allgemeinwohl ist daher zu bejahen.
f. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Beklagte auch den Verwendungszweck des Grundstücks gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB angegeben.
In den streitgegenständlichen Bescheiden wurde ausgeführt, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei zur Sicherstellung der angestrebten Sanierungsziele erforderlich. Nur so könne die gewünschte öffentliche Zugänglichkeit und Nutzung der geplanten Freianlagen über einen zumindest anteiligen Abbruch der vorhandenen Gebäude gewährleistet werden. Die Feinplanung sehe konkret eine öffentliche Nutzung der Grundstücke in Form einer Platzgestaltung zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität vor dem städtischen Kultur- und Veranstaltungszentrum „…“ sowie dem künftigen Standort der Bücherei vor. Hierzu seien mehrere Modelle entwickelt worden, die ohne zumindest einen Teil der dem Kaufvertrag gegenständlichen Grundstücke nicht umgesetzt werden könnten. Den Anforderungen des § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB wurde damit Rechnung getragen.
g. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist auch hinsichtlich beider Grundstücke zulässig.
Die Kammer folgt nicht der Auffassung der Klagepartei, das Vorkaufsrecht hätte sich nur auf ein Grundstück bzw. Teile der Grundstücke beziehen dürfen. In der mündlichen Verhandlung führte die Beklagte aus, dass ein weiteres Ziel der Ausübung des Vorkaufsrechts die Durchlässigkeit für die Öffentlichkeit zwischen K.straße und M.straße in Richtung des städtischen Kulturzentrums auf FlNr. 1177/158 sei und ggfs. auch am Wohngebäude auf FlNr. 536/164 bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssten, da der Bau einer Passage überlegt werde. Diese gewünschte Durchlässigkeit zwischen den beiden genannten Straßen wurde auch seit Erlass der Satzung in verschiedenen Gutachten empfohlen. Auch der Quartierhof soll nach allen vorgelegten Varianten der Feinuntersuchung auf beiden Flurnummern liegen. Die Vorschriften über die Ausübung der gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinde (§§ 24 bis 28 BauGB) sehen zudem nicht die Möglichkeit vor, einen einheitlichen Kaufvertrag über ein Grundstück derart aufzuspalten, dass das Vorkaufsrecht nur für bestimmte Grundstücksteile des Grundstücks ausgeübt wird; damit stünden einem Verkäufer letztlich zwei Käufer gegenüber, obwohl § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB bestimmt, dass nach Ausübung des Vorkaufsrechts der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande kommt, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Auch wäre es dem Käufer nicht zumutbar, ein nach Maßgabe des ausgeübten Vorkaufsrechts anders geschnittenes (kleineres) Grundstück erwerben zu müssen als ursprünglich beabsichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 1 ZB 12.1976 – juris Rn. 20 f.).
h. Die Ausübung des Vorkaufsrechts war nicht ausgeschlossen.
Nach § 26 Nr. 4 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne von § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist. Die im Rahmen der Sanierungsziele angestrebte Nutzung der Grundstücke als Quartierhof sowie die teilweise Beseitigung vorhandener Gebäude ist derzeit noch nicht verwirklicht. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist daher nicht nach § 26 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen.
i. Es besteht keine Abwendungsbefugnis gem. § 27 Abs. 1 BauGB.
Nach dieser Regelung kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Verkäufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist entsprechend zu nutzen und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB hierzu verpflichtet.
Mit Schreiben vom … April 2017 hat die Klagepartei erklärt, von der Abwendungsbefugnis nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB Gebrauch machen zu wollen. Die Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB wurde mit Eingang der Erklärung am 4. April 2017 eingehalten. Eine Ausnahme nach § 27 Abs. 2 BauGB besteht nicht. Jedoch ist § 27 Abs. 1 BauGB vorliegend nicht anwendbar: In den Fällen des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 muss bei der Ausübung des Vorkaufsrechts zwar der Verwendungszweck des Grundstücks angegeben werden (§ 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB). In den streitgegenständlichen Bescheiden wird dementsprechend auch eine öffentliche Nutzung in Form einer Platzgestaltung zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität vor dem städtischen Kultur- und Veranstaltungszentrum sowie dem künftigen Standort der Stadtbücherei benannt. Wie der Quartierhof konkret gestaltet sein soll und ob eine Passage zwischen M.- und K.straße errichtet werden soll, ist jedoch nicht dargestellt, weil die Deatils hierzu noch nicht vollständig geklärt sind. Da das Vorkaufsrecht jedoch auch allgemein zur Förderung der jeweiligen Maßnahme ausgeübt werden kann, muss zu diesem Zeitpunkt die endgültige Verwendung des Grundstücks im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB noch nicht bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar sein mit der Folge, dass insoweit auch das Abwendungsrecht nicht greifen kann (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, 14. Aufl. 2019, BauGB, § 27 Rn. 2). Dem Käufer steht folglich kein Abwendungsrecht zu, wenn die Verwendung des Grundstücks aufgrund eines nicht im Detail konkretisierten Planungsstandes der städtebaulichen Maßnahme noch nicht mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, 134. EL August 2019, BauGB, § 27 Rn. 8-9c).
j. Das Ermessen wurde durch die Beklagte ordnungsgemäß ausgeübt.
Die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt im Ermessen der Beklagten, das heißt, sie kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ihr Recht ausüben, muss dies aber nicht tun (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 134. EL August 2019, § 24 Rn. 66). Ob die gesetzlichen Ausübungsvoraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich nach den konkreten Erwägungen der Beklagten im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtwidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Beklagte hat ihr Ermessen in den Bescheiden erkannt und ausgeführt, dass auch die bei der Anhörung von den Kaufvertragsparteien vorgebrachten Erwägungen mit in die Abwägung einbezogen wurden. Ermessensfehler gem. § 114 VwGO sind nicht ersichtlich.
k. Die Bescheide sind auch nicht wegen möglicherweise fehlender Vollziehbarkeit rechtswidrig.
Es braucht nicht abschließend entschieden zu werden, ob eine Übertragung des Eigentums auf die Beklagte durch die Beigeladenen unmöglich geworden ist, weil durch Abschluss des Erbteilskaufvertrags die Kläger trotz des zuvor ausgeübten Vorkaufsrechts automatisch Eigentümer der streitgegenständlichen Grundstücke geworden sind und der Erbteilskauf wirksam und nicht aufgrund Sittenwidrigkeit als nichtig anzusehen wäre. Nämlich eine möglicherweise gem. § 275 Abs. 1 BGB bestehende anfängliche Unmöglichkeit steht der Wirksamkeit des Kaufvertrages gem. § 311a Abs. 1 BGB jedenfalls nicht entgegen. Mit Bekanntgabe der Bescheide kam automatisch ein neuer Kaufvertrag zwischen der Beklagten und den Beigeladenen zustande. Dieser ist als Verpflichtungsgeschäft wirksam. Unabhängig davon stehen das dingliche Verfügungsgeschäft und die Frage, ob der Vertrag noch erfüllt werden kann. Ob ein Anspruch der Beklagten auf Eigentumsübertragung aus dem Vorkaufsrecht besteht, wäre zivilgerichtlich zu klären. Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Bescheide hat dies jedoch nicht.
Die angefochtenen Bescheide, mit denen das Vorkaufsrecht bezüglich der Grundstücke FlNrn. 536/655 und 536/164 durch die Beklagte ausgeübt wurde, erweisen sich daher als rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
II.
Die prozessuale Bedingung für den hilfsweise gestellten Antrag der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, eine eintragungsfähige unwiderrufliche Löschung der zu ihren Gunsten am 16. Mai 2017 eingetragenen Auflassungsvormerkung auf den streitgegenständlichen Grundstücken zu bewilligen, ist nicht eingetreten, so dass über diese auch nicht zu entscheiden war.
III.
Soweit die Klagepartei weiter hilfsweise beantragt, die Bescheide aufzuheben, soweit die Beklagte das Vorkaufsrecht für die FlNr. 536/164 ausgeübt hat, ist auch dieser Antrag als unbegründet abzuweisen.
Die Bescheide der Beklagten zur Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglich des Grundstücks Fl.Nr. 536/164 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Bezug nehmend auf die bereits erfolgten Ausführungen unter Nr. I.3.g. muss das Vorkaufsrecht nicht auf ein Grundstück beschränkt werden. Die Vorschriften über die Ausübung der gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinde (§§ 24 bis 28 BauGB) sehen nicht die Möglichkeit vor, einen einheitlichen Kaufvertrag über ein Grundstück derart aufzuspalten, dass das Vorkaufsrecht nur für einen bestimmten Teil des Grundstücks ausgeübt wird; damit stünden einem Verkäufer letztlich zwei Käufer gegenüber, obwohl § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB bestimmt, dass nach Ausübung des Vorkaufsrechts der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande kommt, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Auch wäre es dem Käufer nicht zumutbar, ein infolge des Vorkaufsrechts anders geschnittenes, kleineres Grundstück erwerben zu müssen als ursprünglich beabsichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 1 ZB 12.1976 – juris Rn. 20 f.). Zudem sieht die Feinplanung den Quartierhof auf Teilen beider streitgegenständlicher Grundstücke vor. Auch wurde in den Untersuchungen und Planungen empfohlen, eine Durchlässigkeit zwischen K.- und M.straße durch Schaffung einer Passage herzustellen, so dass nicht auszuschließen ist, dass es eines teilweisen Abriss des bestehenden Wohn- und Geschäftsgebäudes bedarf.
Die Beklagte war somit befugt und nach Auffassung der Kammer im Lichte des Allgemeinwohls auch verpflichtet, das Vorkaufsrecht bezüglich beider Grundstücke auszuüben, so dass auch der Hilfsantrag unbegründet ist.
IV.
Die prozessuale Bedingung für den weiter hilfsweise gestellten Antrag der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, eine eintragungsfähige unwiderrufliche Löschung der zu ihren Gunsten am 16. Mai 2017 eingetragenen Auflassungsvormerkung bzgl. des Grundstücks FlNr. 536/164 zu bewilligen, ist nicht eingetreten, so dass hierüber auch nicht zu entscheiden war.
V.
Die Widerklage ist unzulässig und war daher abzuweisen.
Über die Widerklage musste nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden. Eine Entscheidung kann zugleich mit dem Haupturteil ergehen (vgl. Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 256 Rn. 43).
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist für die Zwischenfeststellungsklage gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch für die von der Beklagten erhobene Zwischenfeststellungsklage, für die aufgrund des bestehenden Sachzusammenhangs (Effektivität des Rechtsschutzes) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Eine einheitliche Zuständigkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn eine Vorfrage, über die das Gericht entscheiden muss, durch Zwischenfeststellungsklage (§ 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO) zu einem selbständigen Entscheidungsgegenstand gemacht wird. Die Frage, ob die beantragte Feststellung wirklich vorgreiflich ist, ist erst auf Zulässigkeitsebene zu beantworten.
2. Der Anwendungsbereich von § 89 VwGO ist eröffnet. Auch schließt § 89 Abs. 2 VwGO die Widerklage vorliegend nicht aus. Demnach ist diese bei Anfechtungsklagen nicht anwendbar. Die Vorschrift geht jedoch davon aus, dass in Fällen der Anfechtungsklage ein Subordinationsverhältnis besteht, in welchem die Behörde ihr Begehren durch Verwaltungsakt durchsetzen könnte, so dass sie auf die Erhebung einer (Wider-)Klage nicht angewiesen ist (so die Entwurfsbegründung, BT-Drs. 3/55, S. 41). Die Einschränkung wird in teleologischer Reduktion auf die Fälle begrenzt, in denen diese Grundannahme zutrifft (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 89 Rn. 15). Vorliegend bestand für die Beklagte keine Möglichkeit für den Erlass eines Verwaltungsakts, um die Eigentümerstellung feststellen zu lassen, so dass § 89 Abs. 2 VwGO nicht einschlägig ist.
3. Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage nicht vor.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO kann bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, ein Beteiligter beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werden soll. Zweck der Zwischenfeststellungsklage ist die Ausdehnung der Rechtskraft auf das dem Anspruch zu Grunde liegende Rechtsverhältnis, das sonst von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst würde (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 256 Rn. 6). Voraussetzung ist daher, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses abhängt. Ein weiteres (rechtliches) Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist dagegen nicht erforderlich. Das Feststellungsinteresse wird durch die Vorgreiflichkeit ersetzt (vgl. BGH, U.v. 17.5.1977 – VI ZR 174.74 – NJW 1977, S. 1637).
Als Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 43 Rn. 12). Auch die rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer Sache, wie das Eigentum, stellt ein Rechtsverhältnis dar (vgl. BGH, U.v. 28.6.1968 – V ZR 22.65 – juris Rn. 8). Es handelt sich auch um einen anderen Streitgegenstand als in der Hauptsacheklage.
Jedoch ist das zu klärende Rechtsverhältnis nicht vorgreiflich für das Hauptsacheverfahren. Wie unter Nr. I. ausgeführt, hat die Frage der Eigentümerstellung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide. Durch rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts kam ein Kaufvertrag zwischen der Beklagten und den Beigeladenen zustande. Dieses Verpflichtungsgeschäft ist wirksam und vom Verfügungsgeschäft – der Eigentumsübertragung – zu trennen. Ob die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag noch erfüllt werden kann, ist keine Problematik, die im Rahmen der Rechtmäßigkeit der Bescheide abschließend beantwortet werden muss.
Aufgrund der fehlenden Vorgreiflichkeit ist der Feststellungsantrag als unzulässig abzuweisen.
VI.
Die Klagen sowie die Widerklage waren daher mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz VwGO abzuweisen. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, haben sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.