Aktenzeichen AN 9 K 17.01378
Leitsatz
Wird ein Bauantrag für eine unbefristete Genehmigung eines Vorhabens gestellt, handelt es sich damit bei dem Vorhaben gerade nicht um einen „Fliegenden Bau“ im Sinn des Art. 72 BayBO. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 13. Juni 2017, zugestellt am 21. Juni 2017, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid vom 13. Juni 2017, zugestellt am 21. Juni 2017, zulässig, da dieser Bescheid die nachträgliche Befristung der mit dem am 14. Juni 2017 zugestellten weiteren Bescheid vom 13. Juni 2017 erteilten Baugenehmigung enthält und die Baugenehmigung auch ohne die Befristung möglich, rechtmäßig und sinnvoll ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2.00 – juris).
Die Klage ist auch begründet.
Der angefochtene Änderungsbescheid der Beklagten vom 13. Juni 2018 mit dem die zuvor mit am 14. Juni 2018 erteilte Baugenehmigung auf drei Jahre befristet wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der am 14. Juni 2018 zugestellte Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2018 enthält nach Überzeugung des Gerichts die beantragte Baugenehmigung für das gegenständliche Vorhaben, auch wenn im Tenor nur eine Kostenregelung enthalten ist. Denn bei der Auslegung des Inhalts eines Bescheids sind neben dem Tenor auch die Begründung und der sonstige Inhalt heranzuziehen, dies spricht aber im vorliegenden Fall dafür, dass die Klägerin als Adressatin des Bescheids von der Erteilung der Baugenehmigung ausgehen durfte. Dies ergibt sich daraus, dass der betreffende Bescheid – mit Ausnahme des positiven Ausspruchs der Erteilung der Genehmigung im Tenor – alles enthält, was üblicherweise in einer Baugenehmigung enthalten ist, so z.B. im Betreff das Vorhaben „Errichtung einer Lagerhalle“, in der Begründung die Darstellung des Prüfungsumfangs im Baugenehmigungsverfahren sowie die Aussage, das Vorhaben widerspreche nicht den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien, wenn die gestellten Auflagen eingehalten würden, die Erklärung der Auflagen zum Bestandteil der Genehmigung, in denen in den Auflagen Nr. 1 bis 4 Regelungen getroffen werden, die nur im Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung einen Sinn machen, aber keinesfalls Bestandteil einer reinen Kostenentscheidung sein können. Schließlich zeigt auch der im Bescheid enthaltene Hinweis auf die Möglichkeit der Nachbarklage und darauf, dass diese keine aufschiebende Wirkung besitzt, dass die Beklagte wohl selbst eine Baugenehmigung erteilen wollte und dies auch wirksam getan hat, wofür auch die Bezeichnung „Änderungsbescheid“ beim am 21. Juni 2017 zugestellten weiteren Bescheid vom 13. Juni 2017 spricht.
Da es sich bei der Baugenehmigung um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt, darf dieser nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG nur mit einer Nebenbestimmung wie einer Befristung nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Anforderungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Beide Voraussetzungen für die Befristung der Baugenehmigung liegen hier aber nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Weder ist die Befristung gesetzlich durch Rechtsvorschrift zugelassen, noch ist sie notwendig, um die gesetzlichen Voraussetzungen insbesondere der Art. 3 und 10 BayBO zu erfüllen.
Anders als von der Beklagten angenommen handelt es sich vorliegend gerade nicht um einen „Fliegenden Bau“ im Sinn des Art. 72 BayBO, da nach Abs. 1 dieser Vorschrift „Fliegende Bauten“ nur bauliche Anlagen sind, die geeignet und bestimmt sind, wiederholt an wechselnden Orten aufgestellt und zerlegt zu werden. Gerade an der Bestimmung hierfür fehlt es aber, da der Bauantrag für die unbefristete Genehmigung des Vorhabens gestellt wurde und die Klägerin auch ausdrücklich erklärt hat, das Lagerzelt bzw. die Leichtbauhalle dauerhaft an ihrem Aufstellungsort nutzen zu wollen. Entsprechend dieser Erklärung wurde auch zu Recht ein Baugenehmigungsverfahren nach Aufforderung durch die Beklagte durchgeführt, an dessen Ende die Beklagte die Baugenehmigung erteilt hat. Die Einhaltung der Anforderungen an die bauliche Anlage aus Art. 3 und Art. 10 BayBO wird dabei im Hinblick auf die Standsicherheit durch Vorlage eines entsprechenden Nachweises gemäß Art. 62a BayBO erfüllt, was im vorliegenden Fall durch die Klägerin auch ausgeführt wurde. Die sich aus den Prüfberichten ergebende Verpflichtung zur wiederkehrenden Kontrolle der Standsicherheit dadurch, dass 5 Prozent der Erdnägel einer näher bezeichneten Prüfung alle drei bis fünf Jahre zu unterziehen sind, führt nach Auffassung des Gerichts nicht dazu, dass die Vorschriften für einen „Fliegenden Bau“ gemäß Art. 72 BayBO auf das Vorhaben anzuwenden wären, auch wenn die Typenprüfung für das konkrete Produkt für die Anbindung als „Fliegender Bau“ durch den TÜV Thüringen erfolgte. Die Erteilung einer Baugenehmigung für eine längerfristige, unbegrenzte Aufstellung beinhaltet ja gerade die Vorlage der Standsicherheitsnachweise I und II, sie unterscheidet sich damit gerade vom Verfahren nach Art. 72 BayBO für „Fliegende Bauten“, bei denen die Ausführungsgenehmigung vor Aufstellung eines „Fliegenden Baus“ anstelle der Baugenehmigung erteilt wird. Hier wurde auch bei Erstellung der Standsicherheitsnachweise gerade die Standsicherheit für eine längere, nicht bestimmte oder begrenzte Aufstellungsdauer in einem über das für eine kurzfristige Aufstellung hinausreichenden, umfangreicheren Verfahren geprüft. Zudem zeigt gerade die Feststellung, wonach die wiederholte Kontrolle von 5 Prozent der Stabanker alle drei bis fünf Jahre erforderlich sei, dass die Prüfung und Feststellung der Standsicherheit sich auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum von zumindest mehr als drei Jahre bezog.
Die Klägerin hat somit eine unbefristete Baugenehmigung von der Beklagten zunächst erhalten, deren nachträgliche Befristung auch nicht unter dem Gesichtspunkt erforderlich war, die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Standsicherheitsnachweis I und II sicherzustellen. Denn selbst wenn die Beklagte als Baugenehmigungsbehörde oder Bauaufsichtsbehörde eine über die sich aus dem Inhalt der Standsicherheitsnachweise I und II ergebende Verpflichtung der Klägerin zur regelmäßigen Kontrolle hinausgehende Vorlage von Nachweisen an die Beklagte für notwendig gehalten hätte, hätte sie dieses Ziel mit dem milderen Mittel einer entsprechenden Auflage erreichen können; eine Befristung der Baugenehmigung auf drei Jahre wirkt demgegenüber einschneidender für die Klägerin, da nach drei Jahren die Baugenehmigung erlischt und erneut erteilt werden muss. Die Beklagte hat auch nicht überzeugend darlegen können, dass nur die Befristung der Baugenehmigung zu einer effektiven Kontrolle der Einhaltung der sich aus den Standsicherheitsnachweisen I und II ergebenden Verpflichtungen führen kann, und nicht eine entsprechende Auflage, innerhalb des gebotenen Zeitraums entsprechende Prüfberichte vorzulegen, ausgereicht hätte. Dass die Beklagte in ihrer Praxis bisher anders handelte und dies durch entsprechende Dienstanweisungen geregelt ist, steht dem nicht entgegen: Das der Beklagten in Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG eröffnete Ermessen, eine konkrete Nebenbestimmung wie eine Befristung einem Verwaltungsakt beizufügen, ist hier nicht eröffnet, da es an den Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG hierfür fehlt. Die Erteilung der Baugenehmigung selbst ist ohnehin eine gebundene Entscheidung.
Damit war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG entsprechend dem vorläufig festgesetzten Streitwert festgesetzt.