Baurecht

Baugenehmigung für die Erweiterung einer Freischankfläche mit Markisenanlage

Aktenzeichen  M 9 K 16.1873

Datum:
24.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 128249
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 2 Abs. 2
BauGB § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine Markisenanlage, bei der es sich um eine stabile Metallkonstruktion mit Wänden handelt, die in dieser Form auch winterfest ist, erfüllt die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 BayBO für eine bauliche Anlage. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die hier allein verfahrensgegenständliche Ziff. 2 des Bescheides vom 5. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kläger haben keinen Anspruch auf die beantragte Erweiterung der Freischankfläche mit Markisenanlage über der Bestandsterrasse.
Das Vorhaben ist nach dem Bauplanungsrecht unzulässig. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. … „… Straße, erste Änderung“ der Gemeinde befindet sich die Freischankfläche in einem Bereich, der als private Grünfläche festgesetzt ist, außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche. Abweichend von der Baugenehmigung reicht die Freischankfläche mittlerweile entlang der gesamten Hausfront bis an den Straßenrand. Entgegen dem klägerischen Vortrag und der zitierten Rechtsprechung befindet sich die Markisenanlage nicht über der genehmigten Freischankfläche von ca. 20 m², sondern über der gesamten Freischankfläche, die eine Größe von ca. 50 m² hat und damit mehr als doppelt so groß wie genehmigt ist. Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist der Bebauungsplan hinsichtlich der Festsetzungen einer privaten Grünfläche im Vorgartenbereich entlang der … Straße in unmittelbarer Umgebung des klägerischen Grundstückes ansonsten umgesetzt und eingehalten. Nur auf dem Grundstück der Kläger, Fl.Nr. …, wurde der festgesetzte Grünstreifen nicht verwirklicht; westlich der Freischankfläche grenzen die Stellplätze, abweichend von der Baugenehmigung und entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplanes, ebenfalls bis an den Straßenrand.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) für die Freischankfläche und die Markisenanlage liegen nicht vor. Im Hinblick auf die massive Bauweise bestehen keine Zweifel daran, dass die Markisenanlage eine bauliche Anlage darstellt, die auf Dauer errichtet wurde. Es handelt sich um eine stabile Metallkonstruktion mit Wänden, die in dieser Form auch winterfest ist und damit die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) für eine bauliche Anlage erfüllt. Die Markisenanlage ist auch keine untergeordnete Nebenanlage, die außerhalb der Baugrenzen grundsätzlich möglich wäre (Ziff. 2.5 Bebauungsplan), sondern in ihrer Funktion als Erweiterung des Gastraumes durch Überdachung der Freischankfläche Teil der Hauptanlage. Die Freischankfläche erweitert die Hauptnutzung der Gaststätte und stellt eine größere Fläche für die Hauptnutzung dar. Sie dient deshalb nicht lediglich als Nebenzweck (BVerwG, B.v. 13.6.2005 – 4 B 27/05 -). Die Markisenanlage dient als Überdachung und Schutz der Freischankfläche und damit ebenfalls der Erweiterung des Gastraumes. Sie dient damit ebenfalls dem Hauptzweck und nicht als Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO einem der Hauptnutzung untergeordneten Nebenzweck. Soweit der Bevollmächtigte die Auffassung vertritt, dass es sich bei der Markisenanlage nur um die Überbauung einer vorhandenen, genehmigten baulichen Anlage handelt, trifft dies nicht zu, da lediglich eine Freischankfläche von 20 m² genehmigt wurde und der deutlich größere Teil eine planabweichende Bauausführung darstellt.
Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes setzt nach § 31 Abs. 2 BauGB voraus, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und darüber hinaus alternativ Gründe des Wohles der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und zusätzlich, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Im vorliegenden Fall werden die Grundzüge der Planung berührt, da der Bebauungsplan in diesem Bereich eine private Grünfläche festsetzt. Die Zulassung einer Befreiung würde dem erklärten Willen der Gemeinde widersprechen, die mit der Festsetzung der privaten Grünfläche entlang der Straße einen begrünten Vorgartenbereich und Pufferstreifen festlegen wollte. Die durch die Kläger vorgenommene Erweiterung des Gebäudes bis zum Rand der öffentlichen Verkehrsfläche widerspricht klar dieser planerischen Zielsetzung, einen Vorgartenbereich mit Grünzonen auch für das klägerische Grundstück zu erhalten und zu schaffen, und würde einen Bezugsfall schaffen.
Die Gemeinde hat nach dieser Sachlage zu Recht die Erteilung des Einvernehmens und eine Befreiung vom Bebauungsplan abgelehnt. Einer Ermessensentscheidung bedurfte es nicht, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht vorliegen.
Das Vorhaben ist auch bauordnungsrechtlich unzulässig. Im Hinblick auf die massive bauliche Markisenanlage werden nach dem Ergebnis des Augenscheins und den vorgelegten Plänen die Abstandsflächen zur benachbarten Fl.Nr. …, die östlich angrenzt, verletzt. Da es sich bei der Markisenanlage um eine Erweiterung des Erstraums und nicht um eine untergeordnete, in den Abstandsflächen zulässige Nebenanlage handelt, sind diese einzuhalten, Art. 6 BayBO. Ein Verstoß dagegen führt zu einer Beeinträchtigung nachbarrechtlicher Belange mit der Folge, dass diese einer Befreiung entgegenstehen. Wenn, wie hier, die Notwendigkeit eines bauaufsichtlichen Einschreitens im Raume steht, fehlt es auch an der in § 31 Abs. 2 verlangten Voraussetzung, dass eine Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 f. Zivilprozessordnung (ZPO).

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