Baurecht

Baugenehmigung für eine Werbeanlage

Aktenzeichen  M 9 K 16.1946

Datum:
26.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG BayStrWG Art. 24 Abs. 1
StVO StVO § 33 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 14 Abs. 2, Art. 59 S. 1

 

Leitsatz

Anders als Art. 14 Abs. 2 BayBO fordert Art. 24 Abs. 1 BayStrWG keine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs, sondern lässt eine abstrakte Gefahr ausreichen. Durch die Vorschrift des Art. 24 BayStrWG wird bereits ein „normaler“ Verkehrsablauf geschützt, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Bereits der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll geschützt werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Es liegt kein Fall von Art. 56 Satz 1 Nr. 5 Bayerische Bauordnung (BayBO) i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 1 Variante 3 Straßenverkehrsordnung (StVO) vor.
Entgegen der Auffassung der im Verwaltungsverfahren beteiligten Fachstellen könnte die streitgegenständliche Werbeanlage die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung … Straße/ …straße/ … Straße/ …straße von der … Straße aus kommend nicht in ihrer Wirkung beeinträchtigen, da hierfür insbesondere der Abstand der Werbeanlage von der Lichtzeichenanlage mit 20 m zu groß ist. Daher ist die erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung die richtige Klage, da die streitgegenständliche Werbeanlage einer Baugenehmigung und keiner straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmeerlaubnis bedarf.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO.
Die Werbeanlage ist genehmigungspflichtig; weder Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO noch Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Straßenverkehrsordnung (StVO) sind einschlägig.
Die Werbeanlage ist allerdings nicht genehmigungsfähig.
Sie verstößt gegen die Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG).
Zwar gilt hier das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO. Das Landratsamt hat hier jedoch von seiner Ablehnungsbefugnis – bezogen auf außerhalb des Prüfumfangs des Art. 59 Satz 1 BayBO liegende Gründe – Gebrauch gemacht gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO. Dass das Landratsamt im Ablehnungsbescheid diese Vorschrift nicht genannt hat, schadet dabei nicht, da aus dem Bescheid insbesondere ausdrücklich der Wille hervorgeht, aus dem außerhalb des Prüfumfangs liegenden Hinderungsgrund des Art. 24 Abs. 1 BayStrWG abzulehnen.
1. Der Genehmigungsfähigkeit der Werbeanlage steht die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG entgegen.
Danach dürfen unbeschadet der Vorschrift des Art. 23 BayStrWG baurechtliche oder nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigungen nur im Einvernehmen mit der Straßenbaubehörde erteilt werden, wenn die bauliche Anlage längs einer Kreisstraße in einer Entfernung von bis zu 30 m – jeweils gemessen vom Rand der Fahrbahndecke – errichtet, erheblich geändert oder so anders genutzt werden soll, dass Auswirkungen auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten sind.
Gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG darf das Einvernehmen nur verweigert oder von Auflagen abhängig gemacht werden, soweit dies für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, besonders wegen der Sichtverhältnisse, Verkehrsgefährdung, Bebauungsabsichten und Straßenbaugestaltung erforderlich ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Das Baugrundstück liegt an der Kreisstraße … 2 innerhalb der geschlossenen Ortslage. Das im Verfahren beteiligte Staatliche Bauamt Rosenheim hat das erforderliche Einvernehmen nicht erteilt. Das Gericht hat in einer solchen Situation zu prüfen, ob das Einvernehmen zu Recht nicht erteilt wurde und ob Gründe der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs der Baugenehmigung entgegenstehen (VG Würzburg, U.v. 4.9.2012 – W 4 K 12.364 – juris; VG München, U.v. 12.10.2016 – M 9 K 15.2642 – juris Rn. 30; U.v. 19.10.2016 – M 9 K 16.2007 – juris Rn. 17).
Hier wurde das Einvernehmen zu Recht nicht erteilt, da Gründe der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs der Baugenehmigung entgegenstehen.
Maßstab für die Prüfung im Rahmen des Art. 24 BayStrWG ist, ob eine abstrakte Gefährlichkeit gegeben ist. Anders als Art. 14 Abs. 2 BayBO fordert Art. 24 Abs. 1 BayStrWG keine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs, sondern lässt eine abstrakte Gefahr ausreichen. Durch die Vorschrift des Art. 24 BayStrWG wird bereits ein „normaler“ Verkehrsablauf geschützt, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Bereits der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll geschützt werden.
Eine im Einzelfall bestehende gegenwärtige Gefahr braucht nicht zu befürchten sein (vgl. zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 9 Abs. 3a i.V.m. § 3 Bundes-fernstraßengesetz (FStrG): VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 – AN 3 K 16.00277 – juris Rn. 65; BayVGH, B.v. 25.10.2011 – 15 ZB 10.2590 – juris Rn. 3; explizit für Art. 24 Abs. 1: VG München, U.v. 19.10.2016 – M 9 K 16.2007 – juris Rn. 25).
Hier ist eine abstrakte Gefährlichkeit in diesem Sinn zu bejahen.
Das ergibt sich aus den Erkenntnissen des Augenscheins unter Berücksichtigung der vorgefundenen Verkehrssituation sowie aus den Akten, aus den Stellungnahmen des Staatlichen Bauamtes Rosenheim und des Sachgebiets „Öffentliche Sicherheit“ des Landratsamtes.
Es handelt sich bei der Kreisstraße … 2 – im Bereich des Vorhabenstandortes … Straße – um eine stark befahrene Straße. Die streitgegenständliche Werbeanlage soll auf der Westseite dieser Straße, unmittelbar südlich der Kreuzung mit der Kreisstraße … 1 (hier …straße), errichtet werden.
Aus den Akten ergibt sich, dass nach der unwidersprochenen Stellungnahme des Landratsamtes – Sachgebiet „Öffentliche Sicherheit“ vom 26. Januar 2016 die Verkehrsbelastung auf diesem Streckenabschnitt bei etwa 15.000 Fahrzeugen/Tag liegt. Der Verkehr auf der Kreuzung der Kreisstraßen … 1 und … 2 wird mit einer Lichtsignalanlage geregelt. Auf Höhe der geplanten Werbeanlage befindet sich der Beginn der Linksabbiegespur. Aus den Akten, insbesondere aus den mit den Bauvorlagen vorgelegten Fotos der Kreuzung, in welche die zu errichtende Werbeanlage hineinmontiert ist, ergibt sich außerdem, dass sich direkt hinter dem Standort der Werbeanlage und von dieser teilweise verdeckt Richtungswegweiser befinden. In etwa auf Höhe der Werbeanlage beginnt die Linksabbiegerspur auf der ansonsten zweispurigen … Straße. Dass der Verkehrsteilnehmer, der die … Straße Richtung Süden befährt, möglicherweise von dem Verkehrsgeschehen zu dem Zeitpunkt, wenn er die Entscheidung treffen muss, ob er geradeaus weiter fährt oder sich zum Abbiegen einordnet, abgelenkt werden kann – wie die Stellungnahme des Landratsamtes, Sachgebiet „Öffentliche Sicherheit“ ausführt – ist nachvollziehbar. Dazu kommt noch der Umstand, dass sich im Beweistermin der Augenscheineinnahme ergeben hat, dass es sich bei dem Gehweg im Bereich der nördlich vom Vorhabenstandort gelegenen Unterführung um einen kombinierten Geh- und Radweg handelt, der sich dann nach der Unterführung und im Bereich des Baugrundstücks zu einem reinen Gehweg verändert mit der Notwendigkeit für die Radfahrer, an dieser Stelle auf die Fahrbahn zu wechseln. Daraus können sich ebenfalls straßenverkehrlich gefährliche Situationen ergeben. Schließlich ist nach den im Augenscheintermin festgestellten tatsächlichen Verhältnissen auch nicht auszuschließen, dass die streitgegenständliche Werbeanlage die Wahrnehmung der Lichtzeichenanlage an der Kreuzung beeinträchtigt, wenn auch wegen des Abstandes die für § 33 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 StVO erforderliche Beeinträchtigungswirkung bzw. deren Schwelle nicht überschritten wird.
Die soeben geschilderten Umstände genügen für die Annahme einer für Art. 24 Abs. 1 BayStrWG ausreichenden abstrakten Gefährlichkeit für die straßenverkehrlichen Verhältnisse. Es liegt auf der Hand, dass die Errichtung der Werbeanlage an dieser Stelle die ohnehin schon straßenverkehrlich schwierige Situation im Bereich des Baugrundstücks noch verschlechtert.
Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung des gewählten konkreten Standortes, der – soweit wie es die Abmessungen des Baugrundstücks erlauben – an dessen östlichsten Rand und so nahe an der Fahrbahn wie möglich und direkt bis zum die Fahrbahn begleitenden Gehsteig reicht.
Angesichts der geschilderten Umstände liegt eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vor.
2. Ob darüber hinaus auch eine konkrete Straßengefährdung – wie sie für die Bejahung von Art. 14 Abs. 2 BayBO erforderlich wäre – gegeben ist, wofür hier ebenfalls einiges spricht, kann offenbleiben, da die Genehmigungsfähigkeit jedenfalls an Art. 24 Abs. 1 BayStrWG scheitert.
Schließlich schadet es nicht, dass die Beigeladene ihr Einvernehmen gemäß § 36 BauGB zu Unrecht verweigert hat. Zwar liegen keine Gründe vor, welche die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens rechtfertigen. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind das ausschließlich bauplanungsrechtliche Umstände, danach ist das Vorhaben zulässig. Jedoch ändert das nichts daran, dass das Landratsamt das Vorhaben im Ergebnis zu Recht wegen des Verstoßes gegen das Straßenrecht abgelehnt hat.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO und § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO; es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO)

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