Aktenzeichen 9 C 18.675
ZPO § 114
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 3, Art. 55, Art. 76 S. 1
Leitsatz
Als bauliche Anlagen gelten auch solche Anlagen, die dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Hierzu zählen insbesondere auch für längere Zeit aufgestellte Wohnwagen. Der Umstand, dass der Wohnwagen gelegentlich auch außerhalb des Grundstücks im Verkehr genutzt wird, steht der Annahme einer – gemäß Art 55 BayBO genehmigungspflichtigen – baulichen Anlage nicht entgegen, wenn der Wohnwagen jedenfalls überwiegend ortsfest auf dem Grundstück als Wohnung genutzt wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 9 K 17.1586 2018-02-20 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin zu 1 ist Vorstand des Klägers zu 2, eines eingetragenen Vereins. Beide Kläger begehren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten für ihre Klagen vom 10. August 2018, mit der sie sich gegen die Beseitigungsanordnung des Landratsamts A … vom 10. Juli 2017 für einen auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K … aufgestellten Wohnwagen wenden.
Der Kläger zu 2 begehrt in einem weiteren Klageverfahren (AN 9 K 18.00309) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Bestandsgebäudes mit Stallungen zu einem Gnadenhof für Schlittenhunde mit Wohnnutzung auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K …, die ihm vom Landratsamt A … mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 versagt wurde. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hierfür wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 29. März 2017 und vom 20. Februar 2018 jeweils abgelehnt; die Beschwerden hiergegen blieben erfolglos (Az. 9 C 17.910 und 9 C 18.673).
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten im Verfahren gegen die Beseitigungsanordnung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2018 ab. Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
II.
Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet.
Unabhängig davon, ob der Kläger zu 2, ein eingetragener Verein i.S.d. §§ 21, 65 BGB, überhaupt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO dargestellt hat, hat das Verwaltungsgericht die Prozesskostenhilfeanträge der Kläger jeweils zu Recht abgelehnt, weil die Klagen gegen die Beseitigungsanordnung vom 10. Juli 2017 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten (§ 166 Satz 1 VwGO i.V.m. (§ 116 Satz 2 ZPO,) § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO).
Zwar dürfen im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. (§ 116 Satz 2 ZPO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert und die Anforderungen nicht überspannt werden. Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso infrage kommt, wie ein Unterliegen. Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 9 C 17.2034 – juris Rn. 4 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben bietet die Rechtsverfolgung der Kläger hier keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Allein aus dem Umstand, dass das Parallelverfahren des Klägers zu 2 betreffend die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Bestandsgebäudes mit Stallungen zu einem Gnadenhof für Schlittenhunde mit Wohnnutzung auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K … noch nicht abschließend entschieden ist, ergibt sich kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das hier anhängige Verfahren. Die Erfolgsaussichten der Verfahren sind, trotz gewisser Überschneidungen bei einzelnen Prüfungspunkten, jeweils getrennt voneinander zu beurteilen, was sich bereits aus den unterschiedlichen Streitgegenständen und Klagearten – einerseits der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung in Form einer Versagungsgegenklage und andererseits die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsanordnung des aufgestellten Wohnwagens – eindeutig ergibt.
2. Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Dies ist hier der Fall.
a) Der auf den Grundstücken aufgestellte Wohnwagen, für den keine Baugenehmigung existiert, gilt nach Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BayBO als bauliche Anlage. Hierfür reicht eine verfestigte Beziehung zwischen dem von der Klägerin zu 1 in ihrer Funktion als Vorstand des Klägers zu 2 als Wohnungsersatz genutzten Wohnwagen und dem dienenden Grundstück, das vom Kläger zu 2 als Gnadenhof für Schlittenhunde genutzt wird, aus (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand März 2018, Art. 2 Rn. 132a). Der Vortrag, der Wohnwagen werde gelegentlich auch außerhalb des Grundstücks im Verkehr genutzt, steht der Annahme einer baulichen Anlage nicht entgegen (BayVGH, B.v. 6.3.2012 – 9 CS 12.148 – juris Rn. 7). Denn nach den Feststellungen des Landratsamts – wie sie sich aus den Behördenakten ergeben – wird der Wohnwagen jedenfalls überwiegend ortsfest auf dem Grundstück als Wohnung genutzt. Damit ist der Wohnwagen nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig; Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 BayBO besteht schon aufgrund der Lage im Außenbereich nicht.
b) Der überwiegend ortsfest genutzte Wohnwagen auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K … ist nicht genehmigungsfähig.
Der Kläger zu 2 begehrt in einem Parallelverfahren die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Bestandsgebäudes mit Stallungen zu einem Gnadenhof für Schlittenhunde mit Wohnnutzung auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K* … Der hier gegenständliche Wohnwagen wird nach den Feststellungen des Landratsamts als zwischenzeitlicher Wohngebäudeersatz genutzt. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der dort geplanten Hundehaltung mit Wohnnutzung im Außenbereich um ein – wie die Kläger meinen – privilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) oder um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB handelt und der Wohnwagen isoliert oder im Funktionszusammenhang mit dieser Nutzung zu sehen ist, liegt jedenfalls keine gesicherte Erschließung vor. Zwar mögen die Anforderungen an eine ausreichende Erschließung im Falle des § 35 BauGB geringer sein als die Anforderungen an die Erschließung im Falle der §§ 30, 34 BauGB, erforderlich sind jedoch gleichwohl gewisse Mindestanforderungen, die sich in Art und Umfang nach dem konkreten Vorhaben richten (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2010 – 4 B 20.10 – juris Rn. 3) und die bei einem Vorhaben mit Wohnnutzung anders als bei einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb zu beurteilen sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2018, § 35 Rn. 69). Zur Erschließung gehört danach hier jedenfalls auch eine ordnungsgemäße Wasserversorgung (Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 281; Roeser in Berliner Kommentar, BauGB, Stand September 2017, § 35 Rn. 14). Weder aus dem Klage- noch dem Beschwerdevorbringen ergibt sich jedoch ansatzweise, dass dem die Errichtung eines Hausbrunnens – auch in Form des hier wohl geplanten tiefen Bohrbrunnens – entspricht (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.1976 – 99 II 75 – BayVBl 1977, 212 = juris Rn. 16 f.). Unabhängig davon, ist über einen bloßen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis vom 25. Juli 2016 hinaus nichts vorgetragen, das die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis nahe legt, und bleiben neben Fragen der Abwasserentsorgung im Verhältnis zur Trinkwasserversorgung auf demselben Grundstück auch die Fragen der Finanzierbarkeit der Erschließung angesichts der schwierigen finanziellen Situation der Kläger völlig offen. Dies gilt in gleicher Weise für den als Wohngebäudeersatz überwiegend ortsfest genutzten Wohnwagen.
c) Ein eventueller Bestandsschutz steht der Beseitigungsanordnung nicht entgegen, weil die überwiegend ortsfeste Nutzung des Wohnwagens keine Nutzung eines bisherigen Baubestandes auf den Grundstücken umfasst, sondern es sich vielmehr um eine Neuerrichtung oder Erweiterung handelt. Auf einen erweiterten Bestandsschutz können sich die Kläger nicht berufen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – juris Rn. 24 ff.). Ebenso stellt der Bestandsschutz keine Grundlage für einen Zulassungsanspruch dar (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2007 – 4 B 14.07 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 4.10.2016 – juris Rn. 9). Unabhängig davon entspricht hier die Wasserversorgung nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen nach § 35 BauGB und ist es – unabhängig von der bisherigen Nutzung des Gebäudebestandes auf dem Grundstück und unabhängig von deren Legalität – nicht ersichtlich, dass diese zu irgendeinem Zeitpunkt den Anforderungen entsprach.
d) Die Beseitigungsanordnung ist entgegen der Ansicht der Kläger auch inhaltlich hinreichend bestimmt.
Ein Verwaltungsakt muss nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dabei reicht aus, wenn der Inhalt der Beseitigungsanordnung, der Entscheidungssatz, im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umstände für die Beteiligten gemäß Art. 13 BayVwVfG, vor allem für den Adressaten des Verwaltungsakts, aufgrund einer Auslegung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann und die Anordnung auch Grundlage für mögliche Vollstreckungsmaßnahmen sein kann (BayVGH, U.v. 6.11.2007 – 14 B 06.1933 – juris Rn. 32; B.v. 5.3.2018 – 8 ZB 16.993 – juris Rn. 28). Dies ist hier der Fall.
Die Kläger tragen bereits nicht vor, darüber im Unklaren zu sein, was von ihnen gefordert wird. Unabhängig davon lässt sich dem Bescheid vom 10. Juli 2017 unmissverständlich entnehmen, dass von den Klägern die Entfernung des auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K* … aufgestellten Wohnwagens verlangt wird. Da sich dort – wie auch die in den Behördenakten befindlichen Lichtbilder belegen – nur ein einziger Wohnwagen befindet, ist nicht zweifelhaft welcher konkrete Wohnwagen von den Klägern zu beseitigen ist, zumal dieser auch noch durch die Bezugnahme auf das der Beseitigungsanordnung beiliegende Foto bildlich belegt ist.
e) Die Störerauswahl ist ebenfalls nicht fehlerhaft.
Das Landratsamt hat hier sowohl die Klägerin zu 1 als auch den Kläger zu 2 zur Beseitigung des aufgestellten Wohnwagens in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahme mehrerer Störer kommt in Betracht, wenn andernfalls die behördliche Anordnung nicht durchsetzbar wäre oder um Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis mehrerer Betroffener untereinander vorzubeugen (Decker in Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 181). Ausweislich der Bescheidsgründe hat das Landratsamt beide Kläger als Handlungsstörer (Art. 9 Abs. 1 LStVG) in Anspruch genommen. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin zu 1 Vereinsvorstand des Klägers zu 2 ist und den aufgestellten Wohnwagen für ihre Wohnzwecke nutzt, während der Kläger zu 2 der Klägerin zu 1 die Nutzung des Wohnwagens zu Wohnzwecken auf dem von ihm für den geplanten Gnadenhof für Schlittenhunde genutzten Grundstücken zur Verfügung stellt. Beide in Anspruch genommenen Kläger stehen hier in enger rechtlicher (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BGB) und tatsächlicher Verbindung, die eine Trennung der Verantwortlichkeit nach außen nicht erkennen lässt. Zur Aufklärung, wem von den beiden Klägern die Aufstellung des Wohnwagens zuzurechnen ist, haben beide Kläger auf die Anhörungsschreiben des Landratsamts vom 30. Juli 2017 und vom 25. Oktober 2017 hin nicht Stellung genommen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn das Landratsamt beide Kläger als Handlungsstörer in Anspruch nimmt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Kläger eine Aufklärungsanfrage des Verwaltungsgerichts vom 20. November 2017 unbeantwortet gelassen haben, so dass der individuelle Verursachungsbeitrag nach wie vor unklar ist, was im Hinblick auf eine effektive Gefahrenabwehr nicht zu Lasten der Behörde geht, sondern allein von den Klägern zu verantworten ist. Die bloße, angesichts der finanziellen Situation des Klägers zu 2 zudem durch nichts belegte Behauptung, der Wohnwagen stehe in seinem Eigentum, ändert im Übrigen nichts an der Handlungsstörereigenschaft beider Kläger, auf die das Landratsamt im Bescheid vom 10. Juli 2017 hinsichtlich der Störerauswahl abgestellt hat.
f) Anhaltspunkte für Ermessensfehler, eine Unverhältnismäßigkeit der Anordnung oder Fehler der Zwangsmittelandrohung (Art. 32, 36 VwZVG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 9 C 17.2034 – juris Rn. 6 m.w.N.). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Satz 1 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).