Aktenzeichen Au 4 K 17.1109
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie mag zwar in Bezug auf das Erfordernis einer Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) jedenfalls insoweit zulässig sein, als der Kläger eine Beeinträchtigung seines Anwesens …straße … (Grundstücke Fl.Nrn. … und …) in Folge der genehmigten Mehrfamilienhäuser anführt.
Jedenfalls ist die Klage unbegründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO können sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz der betroffenen Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. etwa BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 16 m.w.N.). Eine solche Verletzung von Rechten des Klägers durch die streitgegenständliche Baugenehmigung ist nicht erkennbar.
Die Baukörper der genehmigten Mehrfamilienhäuser verstoßen nicht zu Lasten des Klägers gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Bereits objektiv-rechtlich spricht nichts gegen deren Einfügen i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB, insbesondere hinsichtlich Geschossigkeit und Gebäudehöhe. Die Wohngebäude auf dem unmittelbar östlich an das klägerische Anwesen …straße … angrenzenden Grundstück Fl.Nr. … (… Straße … und …) stellen sich als zumindest – wie die genehmigten Gebäude – dreigeschossig dar und überragen in ihrer Gesamthöhe das klägerische Anwesen. Gleiches gilt für den noch zum maßgeblichen Straßengeviert rechnenden Gebäudekomplex auf Fl.Nr. … (…, … Straße …). Auch sind die Gebäude des vom Kläger selbst angeführten gewerblichen Betriebs auf Fl.Nr. 586 jedenfalls teilweise höher als die genehmigten Mehrfamilienhäuser. Erst recht ist eine Rücksichtslosigkeit der Gebäude in Folge einer erdrückenden, abriegelnden oder einmauernden Wirkung nicht anzunehmen. In drei Himmelsrichtungen, insbesondere auf der in Bezug auf Belichtung und Besonnung besonders relevanten Südseite, ändert sich für das klägerische Anwesen nichts. In westlicher Richtung war das klägerische Anwesen bisher von dem ca. 42 m langen durchgehenden Gebäuderiegel des ehemaligen Supermarkts beeinträchtigt, welches zumindest ähnlich nahe, wenn nicht näher an seinen Grundstücken gelegen war. Dieser Gebäuderiegel mag zwar niedriger als die jetzt genehmigten Wohnhäuser gewesen sein; allerdings wird nunmehr – was dem klägerischen Anwesen zu Gute kommt – durch die zwei in offener Bauweise vorgesehenen Häuser 2 und 3 die Bebauung auf einer Länge von mehr als 11 m durchbrochen. Haus 2 befindet sich im Vergleich zum Supermarktgebäude weiter nördlich, so dass diese Situierung dem klägerischen Anwesen in südwestlicher Richtung ebenfalls in gewisser Weise zu Gute kommt. Bei der Beurteilung des dem Kläger im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach Lage der Dinge Zuzumutenden (vgl. etwa BayVGH, B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – juris Rn. 11) ist ferner zu berücksichtigen, dass mit dem streitgegenständlichen Vorhaben ein seit etlichen Jahren bestehender städtebaulicher Missstand (innerstädtische Gewerbebrache) behoben werden soll. Zudem besteht bekanntermaßen im südbayerischen Raum Bedarf nach zusätzlichen Wohnungen, so dass die Ausgestaltung des Vorhabens als Mehrfamilienhäuser (mit entsprechender Geschossigkeit und Höhe) nachvollziehbar erscheint, während umgekehrt der Kläger angesichts des in der Umgebung Vorhandenen und der Lage seines Anwesens in einem innerörtlichen bzw. -städtischen Bereich mit einem derartigen Wohnbauvorhaben rechnen musste.
Hinsichtlich der Stellplätze für Kraftfahrzeuge hält das Vorhaben nach der beim Orttermin übergebenen Stellplatzsatzung sowie nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten die Vorgaben der Stadt … ein. Davon abgesehen lässt sich aus dem Stellplatzerfordernis grundsätzlich kein nachbarrechtliches Abwehrrecht ableiten (vgl. etwa BayVGH, B.v. 15.2.2017 – 9 ZB 14.2230 – juris Rn. 14). Ein Ausnahmefall ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Stellplätze und Garagen befinden sich durchweg auf den vom Kläger abgewandten Gebäudeseiten. Die Zufahrt zu den Stellplätzen erfolgt aus Richtung der …straße, also der vom Kläger abgewandten Seite des Vorhabengrundstücks, oder von der Zufahrt über die …straße, ohne dass der Zu- und Abfahrverkehr an den klägerischen Grundstücken vorbeiführt oder diese auch nur tangiert. Dass im Bereich des – letztlich noch hinter dem Ende der Sackgasse …straße befindlichen – klägerischen Anwesens Parksuchverkehr stattfinden könnte, ist nicht anzunehmen; weiterer Parkraum steht zudem westlich und nördlich der Vorhabengrundstücke zur Verfügung.
Der Kläger kann (offenkundig) keine Rechtsverletzung unter Berufung darauf geltend machen, dass das genehmigte Vorhaben für die Zufahrt zur …straße einer Sondernutzung nach Art. 18 BayStrWG bedurft hätte. Wie der Kläger selbst zutreffend vorträgt, ist mit der Baugenehmigung grundsätzlich keine straßen- und wegerechtliche Erlaubnis verbunden (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2009 – 8 B 09.1980 – juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 19.7.2011 – 15 N 10.579 – juris Rn. 25; VG Würzburg, B.v. 26.8.2015 – W 4 E 15.759 – juris Rn. 31); ein Fall des Art. 21 BayStrWG liegt ersichtlich nicht vor (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2009 – 8 B 09.1980 – a.a.O.). Eine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Baugenehmigung kommt jedoch von vornherein nur insoweit in Betracht, als – anders als hier – die gerügte Rechtsverletzung auch Gegenstand des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren war (vgl. etwa BayVGH, B.v. 8.8.2016 – 9 ZB.14.2808 – juris Rn. 9). Im Übrigen weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass das Bauordnungsrecht (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO) gerade die (hier gegebene) Lage des Vorhabengrundstücks an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche erfordert. Daneben war im Bereich der Ein- und Ausfahrt …straße schon bisher eine Anbindung des früheren Supermarktgeländes vorhanden, mag diese in der Praxis auch nur eingeschränkt genutzt worden sein. Die klägerseits angeführte Konstellation der Schaffung einer neuen bzw. weiteren Zufahrt liegt daher nicht vor. Im Übrigen kann der Kläger weder die Einhaltung von Vorschriften über die Genehmigungspflicht noch die Durchführung eines richtigen Verwaltungsverfahrens verlangen (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 288). Ebenso wenig ist in subjektiv-rechtlicher Hinsicht bezüglich der Anbindung der klägerischen Grundstücke die Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zu- oder Abgangs geschützt (vgl. BayVGH, B.v. 12.6.2003 – 8 ZB 03.599 – juris Rn. 2). Auf solche rechtlich nicht maßgeblichen Aspekte beruft sich jedoch der Kläger. Ein Anspruch auf Verhinderung einer Verkehrszunahme auf der öffentlichen Verkehrsfläche …straße steht ihm nicht zu; eine etwaige in Folge des streitgegenständlichen Vorhabens geringfügige Zunahme des Zu- und Abfahrverkehrs auf der …straße durch künftige Anwohner begründet keine Verletzung von Rechten des Klägers.
Die vom Kläger angeführte Beeinträchtigung gesunder Arbeitsverhältnisse in den streitgegenständlichen Wohngebäuden wegen gewerblicher Betriebe im Umfeld begründet ebenfalls ersichtlich keine eigene Rechtsverletzung. Im Übrigen befindet sich das klägerische Wohnanwesen in ähnlicher Entfernung zu den von ihm angeführten Betrieben; dass es insoweit zu Beeinträchtigungen gekommen ist, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da sich die Beigeladene durch die Stellung eines Antrags dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit gem. § 162 Abs. 3 VwGO, dem Kläger auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.