Aktenzeichen W 4 S 17.1474
BayBO Art. 6 Abs. 9, Art. 59, Art. 71
BauGB § 34 Abs. 1
BayGaStellV § 2 Abs. 3
Leitsatz
1 Gem. Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1 BayBO dürfen Garagen innerhalb der Abstandsflächen eines Gebäudes errichtet werden, ohne ihrerseits selbst eigene Abstandsflächen einhalten zu müssen. Dies gilt auch dann, wenn diese an die Grundstücksgrenze und an das Hauptgebäude angebaut werden. (Rn. 21) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Ein Rücksichtnahmeberechtigter kann nicht verlangen, dass der Nachbar die von ihm geplante Bebauung aus Rücksicht auf den Rücksichtnahmeberechtigten unterlässt, wenn der Rücksichtnahmeberechtigte durch eigenes Verhalten (hier: Verengung seiner Garagenzufahrt im Umfang von 19 cm) eine illegale Bauausführung herbeigeführt hat. Rücksichtnahme kann nur in dem Umfang verlangt werden, in dem die eigene Bebauung bestandsgeschützt ist. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes A. vom 16. November 2017, mit welchem dem Beigeladenen zu 1) die Baugenehmigung für den Neubau eines Zweifamilienhauses mit einem Gastraum und einer Doppelgarage erteilt wurde.
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. …4 der Gemarkung …, der Beigeladene zu 1) Miteigentümer des westlich angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. …7. Für das in Rede stehende Gebiet existiert kein Bebauungsplan. Im hinterliegenden Bereich seines Grundstücks hat der Antragsteller eine Grenzgarage an der nördlichen und westlichen Grundstücksgrenze errichtet. Die Anfahrt zu dieser Garage erfolgt über eine Zufahrt entlang der westlichen Grundstücksgrenze am Wohngebäude des Antragstellers entlang.
Mit Bescheid vom 21. Mai 2007 wurde dem Antragsteller eine Baugenehmigung für einen Dachgeschossumbau und den Anbau eines Treppenhauses an der Westseite seines bestehenden Wohngebäudes erteilt. Die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Baupläne sehen u.a. vor, dass die nördliche Außenwand des Treppenhausanbaus eine Länge von 1,50 m und die südliche Außenwand eine Länge von 2,69 m haben soll. Die Zufahrt zur Hinterliegergarage des Antragstellers soll ausweislich der Baupläne zwischen der Grundstücksgrenze zum Beigeladenen zu 1) und dem Treppenhausanbau mit einer Breite von 2,50 m vollständig auf dem Grundstück des Antragstellers liegen.
2. Unter dem 16. Juni 2016 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen zu 2) auf deren Antrag hin einen Vorbescheid des Inhalts, dass für den Abriss und Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück Fl.Nr. …7 eine Baugenehmigung in Aussicht gestellt werde. Der Vorbescheid wurde dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde am 18. Juni 2016 zugestellt. Gegen diesen Vorbescheid hatte der Antragsteller keinen Rechtsbehelf eingelegt.
Mit Bescheid vom 16. November 2017 wurde dem Beigeladenen zu 1) vom Antragsgegner die Baugenehmigung für den Neubau eines Zweifamilienhauses, Gastraum (Döner) und Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. …7 erteilt. Die der Genehmigung zugrundeliegenden Baupläne sehen u.a. die Errichtung einer grenzständigen Garage an der östlichen Grundstücksgrenze vor.
3. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 ließ der Antragsteller hiergegen Klage erheben und beantragen, die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung aufzuheben. Zugleich ließ er beantragen,
im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes wird die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller werde durch die erteilte Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt. Die genehmigte Grenzbebauung verstoße gegen nachbarschützende Abstands- und Brandschutzvorschriften. Der in der Genehmigung zugrunde gelegte rechtliche Grenzverlauf entspreche nicht dem Verlauf einer „früheren Bebauungslinie“. Sämtliche Beteiligte seien bisher übereinstimmend von einem unrichtigen Grenzverlauf ausgegangen, an der sie die Baulichkeiten auf den in Rede stehenden Grundstücken ausgerichtet hätten. Insbesondere seine eigene, im hinteren Bereich des Grundstücks des Antragstellers gelegene Grenzgarage habe der Antragsteller ca. 50 cm über seine westliche Grundstücksgrenze hinausgehend auf dem Nachbargrundstück errichtet. Durch die dem Beigeladenen zu 1) nunmehr ermöglichte Grenzbebauung würde die Breite der Zufahrt zu dieser Garage so weit verschmälert, dass diese nicht mehr mit einem Fahrzeug angefahren werden könne.
4. Das Landratsamt A. beantragte mit Schriftsatz vom 2. Januar 2018 für den Antragsgegner, den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtene Baugenehmigung sei rechtmäßig. Sie entspreche dem vom Antragsteller nicht angegriffenen Vorbescheid vom 16. Juni 2017. Die vom Antragsteller angeführte „frühere Bebauungslinie“ existiere nicht. Er habe keinen Anspruch darauf, dass die genehmigte Grenzgarage diesen Grenzabstand (weiterhin) einhalten müsse. Über das Baugrundstück des Beigeladenen zu 1) bestehe zugunsten des Grundstücks des Antragstellers kein Geh- und Fahrtrecht. Die mögliche Verengung der Zufahrt zum hinteren Bereich seines Grundstückes sowie die unzureichenden Abstandsflächen und Brandschutzabstände habe der Antragsteller selbst herbeigeführt.
5. Der Beigeladene zu 1) hat sich im Eilverfahren nicht geäußert. Die Beigeladene zu 2) hat im Eilverfahren keinen Antrag gestellt, nahm aber mit E-Mails vom 10. Januar 2018 Stellung zum Verfahren. Im Zuge eines beabsichtigten Straßenausbaus der Ortsdurchfahrt … hätten die Beigeladene zu 2) und der Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt Aschaffenburg, mit notariellem Kaufvertrag vom 30. Januar 2015 eine Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. …7 von den Eigentümern erworben und sich in diesem Vertrag zugleich zum Abriss des bestehenden Gebäudes auf eigene Kosten verpflichtet. Mit weiterer Vereinbarung vom 13. Februar 2015 habe sich die Beigeladene zu 2) gegenüber den Eigentümern des Grundstücks Fl.Nr. …7 verpflichtet, bei der zuständigen Genehmigungsbehörde die Bebaubarkeit des Grundstücks mittels Bauvoranfrage auf ihre Kosten prüfen zu lassen.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat im Ergebnis keinen Erfolg, da er zwar zulässig, aber in der Sache unbegründet ist.
1. Der Antrag ist zunächst zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 16. November 2017 entfällt aufgrund der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung des § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, sodass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist.
Dem Antragsteller steht auch die erforderliche Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO zu. Als Eigentümer des östlich an das Baugrundstück Fl.Nr. …7 angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. …4 ist er im baurechtlichen Sinne Nachbar des Bauvorhabens. Er kann sich daher hinsichtlich der geltend gemachten Beeinträchtigungen jedenfalls auf das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme berufen.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Im Verfahren nach §§ 80a Abs. 1, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Das Interesse des Beigeladenen zu 1) an einer sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung ist mit den Interessen des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369). Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse (BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – BayVBl 1991, 720). Stellt sich der Verwaltungsakt dagegen als rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris). Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine derartige Beurteilung nicht mit hinreichender Sicherheit treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung der Folgen einer vorläufigen Ausnutzung der Baugenehmigung durch den Beigeladenen zu 1) auf der einen Seite und einer einstweiligen Aussetzung der Baugenehmigung zugunsten des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren auf der anderen Seite an, wobei hierbei insbesondere den Möglichkeiten der Rückabwicklung dieser Folgen besonders Gewicht beizumessen wäre.
Bezüglich der Frage nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die gerichtliche Kontrolle des in der Hauptsache angegriffenen Genehmigungsbescheides nur auf die Einhaltung solcher Rechtsvorschriften erstrecken kann, die überhaupt Gegenstand der behördlichen Prüfung waren und die damit von der Feststellungswirkung der Genehmigung mitumfasst sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich ein Nachbar nur dann mit Erfolg gegen die einem Dritten erteilte bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens zur Wehr setzen kann, wenn hierbei öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5/87 – BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24. März 2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Nur in diesen Fällen wäre nämlich der Nachbar durch die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Eine vollumfassende Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung kann ein Nachbar dagegen nicht beanspruchen.
Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Klage des Antragstellers in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Antragsteller wird durch die Baugenehmigung vom 16. November 2017 aller Voraussicht nach nicht in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
2.1. Dem Klagebegehren des Antragstellers in der Hauptsache kann zunächst entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht die ihm gegenüber eingetretene Bestandskraft des Bauvorbescheids vom 16. Juni 2016 entgegengehalten werden. Denn Bindungswirkung für das spätere Baugenehmigungsverfahren kann einem Vorbescheid nach Art. 71 BayBO nur dann zukommen, wenn das anschließend zur Genehmigung gestellte Vorhaben dem vorangegangenen Vorbescheid inhaltlich vollständig entspricht oder nur eine marginale, nicht rechtserhebliche Abweichung hiervon gegeben ist, da andernfalls die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen werden würde (BayVGH, U.v. 4.11.1996 – 1 B 94.2923 – BayVBl 1997, 341). Vorliegend weicht das mit Bescheid vom 16. November 2017 genehmigte Bauvorhaben schon hinsichtlich seiner Kubatur, der inneren Anordnung der Räumlichkeiten und der Lage der Eingänge von den dem Vorbescheid vom 16. Juni 2016 zugrunde liegenden Bauplänen ab. Daher handelt es sich nicht mehr um dasselbe Bauvorhaben im Rechtssinne, weshalb der Vorbescheid insoweit keine Bindungswirkung zulasten des Antragstellers entfalten kann.
2.2. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch die angegriffene Baugenehmigung wird entgegen seiner Rechtsansicht auch nicht dadurch bewirkt, dass diese die Errichtung der vom Beigeladenen zu 1) geplanten Grenzgarage an dem durch amtliche Vermessung festgestellten gemeinsamen Grenzverlauf beider Grundstücke vorsieht und sich nicht an dem von den Beteiligten ursprünglich zugrunde gelegten „falschen“ Grenzverlauf ausrichtet. Denn für die Genehmigung eines Bauvorhabens und die Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen sind allein die Grundstücksverhältnisse, insbesondere der Verlauf der Grenzen, maßgeblich, wie sie sich aus dem Auszug aus dem Katasterwerk ergeben (BayVGH, U.v. 28.2.1994 – 15 B 92.391 – BeckRS 1994, 16047). Der Antragsteller vertritt diesbezüglich die Ansicht, aus dem Umstand, dass der falsche Grenzverlauf seit langer Zeit von allen Nachbarn akzeptiert worden sei und diese auch bisher ihre Baulichkeiten danach ausgerichtet hätten, ergebe sich eine „Bebauungslinie“, die zulasten des Beigeladenen zu 1) gehen müsse. Ob vorliegend eine derartige faktische Baulinie bzw. Baugrenze gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, da selbst dann eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch die erteilte Baugenehmigung nicht gegeben wäre. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass sich aufgrund der gegebenen Umstände aus dem durch die Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen faktische Vorgaben zur überbaubaren Grundstücksfläche analog § 23 BauNVO ergeben würden, die im Rahmen des Gebotes des Einfügens in die nähere Umgebung nach § 34 Abs. 1 BauGB von dem Bauvorhaben zu beachten wären, so könnte ein Nachbar sich hierauf nicht berufen, denn faktische Baugrenzen und Baulinien sind nicht nachbarschützend, da es ihnen an einer vorgelagerten, gegebenenfalls Nachbarschutz vermittelnden planerischen Abwägungsentscheidung mangelt (VGH Mannheim, B.v. 15.11.1994 – 8 S 2937/94 – juris).
2.3. Soweit der Antragsteller Verstöße des Bauvorhabens des Beigeladenen zu 1) gegen abstandsflächen- und brandschutzrechtliche Bestimmungen moniert, ergibt sich auch hieraus keine Rechtsverletzung des Antragstellers durch die in der Hauptsache angefochtene Baugenehmigung. Da die Baugenehmigung für das in Rede stehende Vorhaben, welches keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt wurde und auch keine Abweichung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften beantragt worden ist, erstreckt sich die bauaufsichtliche Prüfung gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO allein auf die Frage seiner Vereinbarkeit mit den bauplanungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 29 bis 38 BauGB. Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit bauordnungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere betreffend einzuhaltender Abstandsflächen und brandschutzrechtlicher Bestimmungen, wurde dagegen nicht geprüft und ist daher von der Feststellungswirkung der erteilten Baugenehmigung auch nicht mit umfasst. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO Garagen innerhalb der Abstandsflächen eines Gebäudes errichtet werden dürfen, ohne ihrerseits selbst eigene Abstandsflächen einhalten zu müssen. Dies gilt auch dann, wenn diese – wie vorliegend – an die Grundstücksgrenze und an das Hauptgebäude angebaut werden.
2.4. Insoweit kann sich eine mögliche Rechtsverletzung des Antragstellers durch die angegriffene Baugenehmigung allenfalls aus einem Verstoß gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme ergeben. Denn auch ein Bauvorhaben, das im Übrigen zulässigerweise auf der gemeinsamen Grenze zum Nachbargrundstück errichtet werden darf, kann sich gegenüber dem betroffenen Nachbarn als rücksichtlos erweisen, wenn es die Nutzbarkeit des Nachbargrundstückes in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, etwa wenn hierdurch den Erfordernissen gesunder Wohnverhältnisse nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB nicht hinreichend Rechnung getragen wird (vgl. etwa VGH Mannheim, B.v. 12.10.2004 – 8 S 1661/04 – NVwZ-RR 2005, 89).
Das Gebot der Rücksichtnahme ist Bestandteil des Einfügensgebots des § 34 Abs. 1 BauGB. Es zielt darauf ab, bodenrechtliche Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, zu vermeiden. Es soll dabei einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde hierdurch gezwungen wird, in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten. Nach gefestigter Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen ab, wobei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge billigerweise zuzumuten ist, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – DVBl. 1977, 722 ff.; BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14/87 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22 m.w.N.). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen; je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 40). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22).
Gemessen hieran vermag die Kammer eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen zu 1) gegenüber dem Antragsteller nicht zu erkennen.
Diesbezüglich führt der Antragsteller an, durch die genehmigte Grenzbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen zu 1) auf der nunmehr amtlich vermessenen Grundstücksgrenze werde seine bestehende, an der Westseite seines Grundstücks befindliche Zufahrt zu seiner eigenen Garage im hinterliegenden Grundstücksteil derart verengt, dass diese mit einem Kraftfahrzeug nicht mehr angefahren werden könne. In der Tat würde sich im Falle einer Realisierung des Bauvorhabens des Beigeladenen zu 1) der Abstand zwischen dessen Grenzbau und dem Treppenhausanbau des Antragstellers und damit die Breite der Zufahrt an der engsten Stelle auf 2,05 m reduzieren (übereinstimmendes Messergebnis der Beteiligten, vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 15. Januar 2018 und Schriftsatz des Antragstellers vom 17. Januar 2018). Ob hierdurch die Nutzung der Garage des Antragstellers unzumutbar beeinträchtigt und damit das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Das Rücksichtnahmegebot verlangt nämlich dem Bauherrn nur ab, auf eine baurechtlich legale, also baurechtsgemäße Nachbarbebauung hinreichend Rücksicht zu nehmen (BayVGH, U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131 – juris Rn. 37; OVG Saarlouis, U.v. 27.8.1991 – 2 R 512/91 – juris Rn. 39; VG München, U.v. 11.3.2013 – M 8 K 12.3508 – juris Rn. 57). Soweit der betroffene Nachbar hingegen seinerseits sein Grundstück baurechtswidrig nutzt, kann er vom Bauherrn lediglich verlangen, dass dieser in dem Umfang auf den nachbarlichen Baubestand Rücksicht nimmt, wie dieser geltendem Baurecht entspricht, insbesondere in dem Umfang, in dem dieser bestandsgeschützt ist (VG München, U.v. 11.3.2013 – M 8 K 12.3508 – juris Rn. 57; vgl. auch BVerwG, U.v. 24.9.1992 – 7 C 6/92 – juris Rn. 14 zur fehlenden Schutzwürdigkeit einer baurechtswidrigen Wohnnutzung gegenüber nachbarlichen Immissionen).
Ein solcher Fall einer baurechtswidrigen Nutzung des Rücksichtnahmebegünstigten ist vorliegend gegeben. Im Rahmen einer Baukontrolle durch das Landratsamt A. am 12. Januar 2018 wurde festgestellt, dass der vom Antragsteller vorgenommene Treppenhausanbau nicht der hierfür erteilten Baugenehmigung vom 21. Mai 2007 entspricht. Vielmehr hätte der Antragsteller entgegen den eingereichten und genehmigten Bauplänen den Treppenhausanbau an der Westseite seines Wohngebäudes im Erdgeschoss mit einer Länge der nördlichen Außenwand von 1,69 m statt 1,50 m und mit einer Länge der südlichen Außenwand von 2,87 m statt 2,69 m errichtet (Schriftsatz des Antragsgegners vom 15. Januar 2018 unter Bezugnahme auf den Baukontrollbericht vom 12. Januar 2018). Hätte der Antragsteller den Treppenhausanbau nur im genehmigten Umfang errichtet, so wäre selbst im Falle einer Grenzbebauung durch den Beigeladenen zu 1) an der vermessungsamtlich festgestellten Grundstücksgrenze eine Breite der Garagenzufahrt an der engsten Stelle von ca. 2,24 m, also von ca. 19 cm mehr als im Falle der vorliegenden ungenehmigten Bebauung, gewährleistet. Nur in diesem Umfang ist die Bebauung auf dem Grundstück des Antragstellers bestandsgeschützt, weshalb er auch nur in diesem Umfang vom Beigeladenen zu 1) Rücksichtnahme auf seine nachbarlichen Interessen verlangen kann. Die Verengung seiner Garagenzufahrt im Umfang von ca. 19 cm hat der Antragsteller dagegen allein aufgrund seiner eigenen illegalen Bauausführung herbeigeführt. Er kann vom Beigeladenen zu 1) daher nicht verlangen, dass jener die von ihm geplante Bebauung in diesem Umfang aus Rücksicht auf den Antragsteller unterlässt.
Hinsichtlich der insoweit zugrunde zu legenden verbleibenden Breite der Garagenzufahrt von ca. 2,24 m erachtet die Kammer nach vorläufiger Einschätzung das Rücksichtnahmegebot durch die dem Beigeladenen zu 1) genehmigte Grenzbebauung als nicht verletzt. Für die Frage, welche Breite eine Zufahrt zu einer Kleingarage der vorliegenden Art haben muss, enthalten weder das Bundes- noch das Landesrecht ausdrückliche Vorgaben. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO bestimmt, dass ein zur Bebauung vorgesehenes Grundstück als solches in „angemessener Breite“ an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegen muss, und betrifft damit allein die wegemäßige Erschließung, also die Möglichkeit des „Heranfahrenkönnens“ an das Grundstück. Art. 5 Abs. 1 BayBO verlangt, dass zu rückwärtigen Gebäuden insbesondere für die Feuerwehr ein „geradliniger Zu- oder Durchgang“ geschaffen wird, der nach Nr. 14 der Richtlinie über Flächen für die Feuerwehr (Technische Baubestimmung) mindestens 1,25 m breit sein muss (Strohhäker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 127. EL November 2017, Art. 5 Rn. 7). § 2 Abs. 3 Satz 1 GaStellV schließlich bestimmt lediglich für Mittel- und Großgaragen, dass die Fahrbahnen ihrer Zu- und Abfahrten mindestens 2,75 m breit sein müssen, wobei gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 GaStellV im Bereich von Zu- und Abfahrtssperren eine Breite von 2,30 m genügt. Demgegenüber enthält die GaStellV für Zufahrten zu Kleingaragen wie derjenigen des Antragstellers (vgl. § 1 Abs. 7 Satz 1 GaStellV) gerade keine Vorgaben. Die Angemessenheit ihrer Breite lässt sich daher nur anhand der Erfordernisse des Einzelfalles bestimmen. Nach vorläufiger Einschätzung der Kammer bietet jedenfalls die hier im bestandsgeschützten Umfang der Bebauung des Grundstücks des Antragstellers bestehende Zufahrtsbreite von angenommenen 2,24 m dem Antragsteller eine zumindest ausreichende Möglichkeit, die Zufahrt zum Erreichen seiner Hinterliegergarage nutzen zu können.
Sonstige Gesichtspunkte, die vorliegend zur Annahme eines Rücksichtnahmeverstoßes führen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit wird der Antragsteller durch die angefochtene Baugenehmigung auch nicht im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme in seinen Rechten verletzt, weshalb sein Aussetzungsinteresse das öffentliche Sofortvollzugsinteresse unter Einschluss der Interessen des Beigeladenen zu 1) nicht überwiegt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Prozessrisiko beteiligt hatten, entsprach es nicht im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013.