Baurecht

Baurechtliche Nachbarklage – Zulassung der Berufung erfolglos

Aktenzeichen  9 ZB 16.2615

Datum:
3.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8702
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BImSchG § 3 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. (Rn. 15) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

W 4 K 14.1363 2016-11-08 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Baugenehmigung des Landratsamts S* … vom 21. November 2011 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23. März 2016 an die Beigeladene zur Errichtung eines Kiosks mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen auf deren als betriebliches Freizeitgelände genutztem Grundstück FlNr. … Gemarkung B* … Sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz war zunächst wegen Unbestimmtheit der Baugenehmigung erfolgreich (BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633), seine Beschwerde gegen den Änderungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. April 2016 nach Änderung der Baugenehmigung mit Bescheid vom 23. März 2016 blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 18.7.2016 – 9 CS 16.885). Seine Klage wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. November 2016 abgewiesen, weil das Bauvorhaben bezogen auf das Anwesen des Klägers zu keinen schädlichen Umwelteinwirkungen führe und nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Hiergegen richtet der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt sämtlicher Gerichtsakten beider Rechtszüge und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Absatz 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Danach liegen solche Zweifel hier nicht vor.
a) Soweit der Kläger erstmals geltend macht, der Baugenehmigung vom 21. November 2014 und dem Änderungsbescheid vom 23. März 2016 mangele es an einer Begründung, wird im Zulassungsvorbringen bereits nicht dargelegt, dass eine solche hier überhaupt nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO erforderlich wäre. Im Übrigen würde allein ein Verstoß gegen die Begründungspflicht des Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO nicht automatisch zur Aufhebung der Baugenehmigung zugunsten des Nachbarn führen (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Oktober 2018, Art. 68 Rn. 476, 489; Greim-Diroll in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht, Stand 1.3.2019, Art. 68 Rn. 42).
b) Die vom Kläger nach wie vor geltend gemachten Einwendungen gegen die Bestimmtheit der Baugenehmigung vom 21. November 2014 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 23. März 2016 greifen nicht durch. Soweit vorgetragen wird, die Zählkontrollen seien nicht in der Lage, die Zugangsbeschränkung sicherzustellen, ist dies für die Bestimmtheit der Baugenehmigung ohne Relevanz. Durch die Änderungsgenehmigung vom 23. März 2016 wurde die zulässige Anzahl der Nutzer in der gesamten Anlage auf maximal 400 Personen pro Tag beschränkt. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass Verstöße hiergegen ggf. zu bauaufsichtlichen Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs, aber nicht zu einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung führen können (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2016 – 9 CS 16.885 – juris Rn. 16). Soweit der Kläger nach wie vor auf eine „Fremdnutzung“ der betrieblichen Freizeitanlage abstellt, ist dies immissionsschutzrechtlich ebenfalls nicht relevant (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris Rn. 22) und kann eine Verletzung drittschützender Rechte nicht begründen.
c) Das Verwaltungsgericht hat bei der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zutreffend auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG abgestellt und einen Verstoß verneint, weil nach der immissionsschutzfachlichen Beurteilung des Landratsamts durch das genehmigte Vorhaben auf Grundlage der Regelungen des angefochtenen Bescheids bezogen auf das Anwesen des Klägers keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen für den Kläger ist das Verwaltungsgericht vom Schutzniveau eines Dorfgebiets für das klägerische Wohngebäude ausgangen. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger übersieht, dass sein Anwesen selbst im Außenbereich liegt. Er kann deshalb nicht damit rechnen, dass in seiner Nachbarschaft keine emittierende Nutzung entsteht. Er darf vielmehr nur darauf vertrauen, dass dort keine Nutzung entsteht, die mit der Wohnnutzung nicht mehr verträglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 19). Es ist deshalb nichts dagegen zu erinnern, dass das Verwaltungsgericht gegenüber dem Wohngebäude des Klägers die Werte für ein Dorfgebiet angesetzt hat (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 7 B 24.07 – juris Rn. 4; OVG SH, B.v. 27.11.2014 – 1 LA 52/14, Rn. 23; OVG NW, B.v. 6.2.1997 – 1 EO 876/96 – juris Rn. 76). Soweit der Kläger hierzu pauschal einwendet, die TA Lärm sei „im Außenbereich nicht anwendbar“, trifft dies so nicht zu (vgl. Nr. 1 TA Lärm; BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris Rn. 16).
Soweit der Kläger vorträgt, das Verwaltungsgericht habe die bereits bestehende Nutzung des Geländes der Beigeladenen als Erholungsanlage nicht als Lärmvorbelastung berücksichtigen dürfen, weil es sich um eine unzulässige, nicht genehmigte Nutzung handle, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Das Zulassungsvorbringen setzt sich insoweit weder mit den Voraussetzungen der Nr. 2.4 TA Lärm, der der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme des Landratsamts zugrunde liegt, auseinander, noch wird dargelegt, welche Auswirkungen die Nichtberücksichtigung des Geländes als Vorbelastung auf die Lärmimmissionen beim Kläger hätte, insbesondere, dass es dann zu einer höheren Lärmbelastung des Klägers kommen würde.
d) Mit dem Vortrag des Klägers, die Parkplatzsituation sei nicht angemessen berücksichtigt und die Lärmbelastung bei ihm entstehe bereits vor Wirksamwerden der Zugangsbeschränkung, wird den immissionsschutzfachlichen Stellungnahmen des Landratsamts vom 23. März 2016 und vom 5. November 2016 nicht substantiiert entgegengetreten. Danach wird der „zulässige Immissionsgrenzwert von 64 dB(A)“ tags sogar bei einer Annahme von 1.600 Fahrbewegungen (achtfacher Stellplatzwechsel) nicht erreicht. Unerheblich ist dabei, ob dieser Stellplatzwechsel durch einen häufigeren Besucherwechsel oder durch eine Belegung der Parkplätze bedingt ist. Zudem relativiert der Kläger seine Ausführungen, in dem er selbst vorträgt, nicht alle Besucher kämen mit dem PKW.
e) Hinsichtlich der Einwendungen zu der aus Sicht des Klägers unzureichenden Erschließungssituation zeigt das Zulassungsvorbringen kein drittschützendes Recht des Klägers auf (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2016 – 9 CS 16.885 – juris Rn. 18), zumal sich sowohl das Bauvorhaben als auch das Anwesen des Klägers im Außenbereich befinden und sich insoweit unterschiedliche Anforderungen an die Erschließung gegenüber einem beplanten Gebiet ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 9 C 18.673 – juris Rn. 6). Daran ändert auch die behauptete „fehlende Entkopplung“ des klägerischen Gebäudes von der Straße aufgrund einer Grenzbebauung auf dem Anwesen des Klägers zur Straße hin nichts.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Sofern sich der Zulassungsbegründung überhaupt entsprechende, entscheidungserhebliche Fragen entnehmen lassen, lassen sich diese nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Unabhängig davon hat der Kläger auch nichts Entscheidungserhebliches über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus vorgetragen. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 22).
3. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache scheidet ebenfalls aus (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 24). Dem wird das Zulassungsvorbringen, das bereits keine konkrete Frage formuliert, nicht gerecht. Im Übrigen ist der Umfang des Nachbarschutzes auch bei Außenbereichsvorhaben – wie hier – höchstgerichtlich geklärt (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – juris Rn. 10 ff. m.w.N.).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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