Aktenzeichen 15 ZB 18.190
Leitsatz
Der nicht ordnungsgemäß verkündete Bebauungsplan bleibt auf Dauer unwirksam, solange der Mangel der Bekanntmachung – etwa im ergänzenden Verfahren nach Maßgabe des § 214 Abs. 4 BauGB – nicht geheilt wird. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 6 K 15.962 2017-11-28 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine ihm gegenüber ausgesprochene Nutzungsuntersagung (Bescheid des Landratsamts vom 22.5.2015).
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Aufhebung der angefochtenen Nutzungsuntersagung gerichtete Klage mit Urteil vom 28. November 2017 abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 BayBO) lägen vor. Der streitgegenständliche (genehmigte) „Anbau zur Zwischenlagerung und Trocknung von Hackschnitzel“ werde vom Kläger ohne die erforderliche baurechtliche Genehmigung zur Herstellung und zum Vertrieb von diversen Stahlteilen, Präzisionsteilen und Schweißkonstruktionen genutzt. Die geänderte Nutzung des Anbaus sei nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der von der beigeladenen Gemeinde am 25. Oktober 2017 bekannt gemachte Bebauungsplan, der die streitgegenständliche – im Außenbereich (§ 35 BauGB) gelegene – Nutzungsänderung planungsrechtlich genehmigungsfähig machen solle, sei nicht ordnungsgemäß verkündet worden und daher nicht wirksam. Die Wirksamkeit des Bebauungsplans sei im Übrigen auch materiell-rechtlich in Zweifel zu ziehen. Ein Bauantrag sei in Bezug auf die streitgegenständliche Nutzungsänderung bisher nicht gestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Urteil weiche auch von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2015 – 1 B 14.1652 – über die eingeschränkte verwaltungsgerichtliche inzidente Kontrolle von Bebauungsplänen ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht habe über die Wirksamkeit des Bebauungsplans inzident entschieden, obwohl es sich bei dem Umstand, dass der Bebauungsplan nicht ordnungsgemäß verkündet worden sei, um keinen Mangel handele, der stets beachtlich bleibe. Es handele sich vielmehr um einen Mangel, der von der Rügepflicht des § 215 Abs. 1 BauGB erfasst sei. Da niemand diesen Mangel – innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB – rügen werde, sei der Verkündungsmangel nicht auf Dauer beachtlich. Den Zweifeln des Verwaltungsgerichts an der materiellen Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit des Bebauungsplans trete der Kläger im Übrigen entgegen. Die Nutzungsuntersagung leide ferner an einem Ermessensfehler, weil das Landratsamt bei Erlass seines Bescheids davon ausgegangen sei, dass der von der Nutzungsänderung betroffene Anbau im Außenbereich liege und den Umstand, dass die beigeladene Gemeinde mittels des Bebauungsplans genehmigungsfähige Zustände herstellen wolle, nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe. Das Verwaltungsgericht habe auch dem klägerischen Sachvortrag, wonach der Eigentümer des Baugrundstücks eine Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung beantragt habe, nicht widersprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 14. Februar 2018 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger wird durch die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung nicht in seinen Rechten verletzt. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Zum Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren ist ergänzend zu bemerken:
a) Der vom Verwaltungsgericht – unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 18.8.2016 – 4 BN 24.16 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 9 N 13.558 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.) zu den an die Verkündung von Rechtsnormen zu stellenden rechtsstaatlichen Anforderungen, wenn in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans eine DIN-Vorschrift in Bezug genommen wird, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind – in der Streitsache festgestellte und vom Kläger nicht in Zweifel gezogene formelle Mangel der ordnungsgemäßen Verkündung des einschlägigen Bebauungsplans der Beigeladenen ist entgegen der Ansicht des Klägers kein Mangel, der nach Maßgabe des § 215 Abs. 1 BauGB durch Zeitablauf unbeachtlich werden könnte. Vielmehr ist und bleibt der nicht ordnungsgemäß verkündete Bebauungsplan auf Dauer unwirksam, solange der Mangel der Bekanntmachung – etwa im ergänzenden Verfahren nach Maßgabe des § 214 Abs. 4 BauGB – nicht geheilt wird (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 4.8.2015 – 15 N 12.2124 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.). Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass der festgestellte Verkündungsmangel zwischenzeitlich geheilt worden ist.
b) Die Nutzungsuntersagung leidet entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht an einem Ermessensfehler. Das Landratsamt hat die Bemühungen der Beigeladenen, die streitgegenständliche Nutzungsänderung planungsrechtlich genehmigungsfähig zu machen, schon zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 22. Mai 2015 – als noch keine weiteren Verfahrensschritte mit Ausnahme des bereits am 10. März 2014 gefassten Planaufstellungsbeschlusses eingeleitet waren – berücksichtigt. Es hat auch gegenwärtig keinen Anlass, den Fortbestand der Nutzungsuntersagung (Dauerverwaltungsakt) in Zweifel zu ziehen, weil eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Nutzungsänderung unverändert nicht erkennbar ist. Abgesehen davon, dass der Bebauungsplan, welcher eine planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzungsänderung begründen könnte, wegen des Mangels einer ordnungsgemäßen Verkündung nicht wirksam ist, bestehen auch die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil genannten fachliche Einwände gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans, die jedenfalls gegenwärtig beachtlich sind und zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führen können. Die Untersagung der nicht genehmigten streitgegenständlichen Nutzungsänderung ist daher schon wegen ihrer zweifelhaft gebliebenen planungsrechtlichen Zulässigkeit gerichtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen trifft der Einwand des Klägers nicht zu, das Verwaltungsgericht habe seinem Vortrag nicht widersprochen, dass in Bezug auf die streitgegenständliche Nutzungsänderung ein Bauantrag gestellt worden sei. Tatsächlich hat der Eigentümer des Baugrundstücks in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich angegeben, dass ein Bauantrag (bisher) lediglich in Bezug auf ein anderes Gebäude – nicht jedoch in Bezug auf den streitgegenständlichen „Anbau“ – gestellt worden ist. In dem angefochtenen Urteil geht das Verwaltungsgericht hierauf auch ausdrücklich ein (S. 6 a.E. des Urteils).
2. Das angefochtene Urteil weicht – wie ausgeführt – nicht von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2015 – 1 B 14.1652 – über die unter Berücksichtigung des § 215 Abs. 1 BauGB eingeschränkte verwaltungsgerichtliche inzidente Kontrolle von Bebauungsplänen ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert und trägt ihre etwaigen außergerichtlichen Kosten daher billigerweise selbst (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).