Baurecht

Bauüberwachungspflicht des Architekten hinsichtlich der Eignung des verwendeten Baumaterials

Aktenzeichen  2 U 1781/16

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158971
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Soweit der bauaufsichtsführende Architekt die Eignung der verwendeten Materialien nicht sicher beurteilen kann, besteht ggf. auch Anlass zu einer Materialprüfung. Ausreichend ist es auch nicht, sich auf Kontrollen durch Mitarbeiter der bauausführenden Firma zu verlassen. Es ist Aufgabe des Architekten, entweder selbst oder durch einen Erfüllungsgehilfen die Kontrolle der Bauarbeiten wahrzunehmen; dieser Pflicht kann er nicht dadurch nachkommen, dass er sich auf die Sachkunde des eigentlich von ihm zu überwachenden Hauptunternehmens verlässt.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sieht sich ein Architekt außer Stande, das einzubauende Material nach Inaugenscheinnahme selbst zu beurteilen, muss er ggf. einen entsprechenden Sonderfachmann hinzuziehen oder eine Laboruntersuchung veranlassen. Zumindest muss er aber den Bauherrn darauf hinweisen, dass er das Material selbst nicht zu beurteilen vermag (hier Verletzung der Bauüberwachungspflicht angenommen im Hinblick auf mangelnde Festigkeit des Verlegemörtels für Fliesen). (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 O 237/14 2016-08-05 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.08.2016, Az. 9 O 237/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Pflicht zur Bauüberwachung beim Bauvorhaben „XY-Markt “ geltend, weil der Fliesenboden Mängel aufweise.
Wegen der Darstellung des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat ein weiteres Gutachten des bereits im selbständigen Beweisverfahren 6 OH 11114/08 tätigen Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) P. erholt. Dieser hat – neben einigen Verarbeitungsmängeln, die für das Schadensbild nicht kausal geworden sind – insbesondere festgestellt, dass der Verlegemörtel für die Fliesen nicht die geforderte Festigkeit aufweise. Der Rückschluss der zu erwartenden Endfestigkeit eines Mörtels über den Zementgehalt sei zwar nicht möglich, sondern könne immer nur im Zusammenhang mit der Verwendung und dem Einbauverfahren abgeschätzt oder im Nachhinein über Messungen festgestellt werden, da vor allem bei einem Rüttelbett (wie es hier vorliege) andere Faktoren wie die Verdichtungsarbeit beim Einbau sehr wesentliche Festigkeitskriterien darstellten. Es erscheine aber annähernd ausgeschlossen, dass mit einem Zementgehalt von nur 250 kg pro Kubikmeter Mörtelgemisch (wie er aus dem vorlegten Lieferschein hervorgehe) die geforderte Festigkeit von 40 N/mm² erreicht werden könne.
Das Landgericht hat die Beklagten (im Wesentlichen antragsgemäß) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 346.818,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.01.2014 zu zahlen, weitere 23.746,47 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.09.2015 sowie vorgerichtliche Aufwendungen in Höhe von 9.899,76 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2014; schließlich hat es festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner der Klägerin sämtlichen über Ziff. 1 und 2 hinausgehenden Schaden zu ersetzen haben, der aus der unzureichenden Festigkeit des Mörtelbetts entstanden sei und noch entstehe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Abgeltung im Vergleich im vorausgegangenen Rechtsstreit erfasse die streitgegenständlichen Ansprüche nicht, die Klageforderung sei nicht verjährt, geschuldet (und damit für die Bauaufsicht maßgebend) sei eine Belastung von 40 N/mm² gewesen. Wegen der Wichtigkeit dieses Wertes hätte die Beklagte zu 1 die Arbeiten unmittelbar überwachen oder sich nach ihrer Ausführung von deren Ordnungsmäßigkeit überzeugen müssen. Die Beklagte zu 1 hätte sich mindestens den Lieferschein vorlegen lassen müssen; dann hätte sie von dem angegebenen Zementgehalt auf die Einhaltung der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses schließen können. Auch Hinweise auf Risiken wegen der fehlenden Aushärtungszeit für den Estrich (wegen Bauverzugs) habe die Beklagte zu 1 nicht erteilt.
Gegen das den Beklagten am 10.08.2016 zugestellte Urteil haben diese am 26.08.2016 Berufung eingelegt und diese (nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10.11.2016) am 10.11.2016 begründet. Sie berufen sich weiter auf die Abgeltung durch Vergleich und den Eintritt der Verjährung. Der Architektenvertrag sehe einen Haftungsausschluss vor. Maßgebliches Bausoll seien nicht 40 N/mm² gewesen. Die Qualität des Fertigmörtels habe bei der Überwachung nicht festgestellt werden können, da bei der Verarbeitung nach einem Spezialverfahren durch die Fachfirma keine Auffälligkeiten erkennbar gewesen seien. Die Schadenhöhe werde weiterhin bestritten, weil der Sachverständige nur punktuelle Feststellungen getroffen habe und auch nur eine punktuelle Ausbesserung erforderlich sei. Eine Warnpflicht habe nicht bestanden, da die Klägerin durch einen eigenen Bauleiter vertreten gewesen und die Problematik des Zeitverzugs allgemein bekannt gewesen sei. Wegen des Zeitablaufs seit 2003 sei ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen. Wegen einer ohnehin geplanten Bodenerneuerung in allen XY-Märkten sei kein Schaden eingetreten.
Die Beklagten beantragen,
Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.08.2016, Az. 9 O 37/14, wird wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil. Der Haftungsausschluss sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam; soweit Vorbringen der Beklagten erst im Berufungsrechtszug erfolgt sei, so etwa zum behaupteten Abzug „neu für alt“, sei es als verspätet zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze, die vorgelegten Unterlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2. In der Sache bleibt die Berufung aber ohne Erfolg. Die von den Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
a) Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sind nicht durch den Vergleich der Parteien vom 27.03.2006 im Rechtsstreit vor dem Landgericht Bamberg, Az. 1 O 389/05, abgegolten. Die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Mängel des Fliesenbodens gehören nicht zu den „streitgegenständlichen Ansprüchen hinüber und herüber“, die von dem damaligen Vergleich erfasst waren. In den Prozess vor dem Landgericht Bamberg waren Kosten eingeführt, die entstanden waren, weil im hinteren Bereich des Marktes Fliesen starke Farbabweichungen aufwiesen und ein Gully überfliest worden war. Dabei handelt es sich nicht um Symptome des im vorliegenden Prozess geltend gemachten Mangels, nämlich Abplatzungen, lose und hohl liegende Fliesen sowie Setzungen von Fliesen. Allein der Umstand, dass beide Rügen den Fliesenboden betreffen, macht sie nicht zu einem einzigen, einheitlichen Mangel.
b) Die Ansprüche sind nicht verjährt. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, konnte die fünfjährige Verjährungsfrist frühestens mit der Prüfung der Rechnung der R GmbH vom 12.11.2003 am 23.12.2003 (als letzter erkennbarer Tätigkeit der Beklagten im Rahmen des Vertrages) beginnen. Auch wenn die Beklagten im Architektenvertrag vom 04.02.2003 hinsichtlich von Markt und Café nur mit den Leistungsphasen 1 bis 8 beauftragt waren, mit der Leistungsphase 9 aber nur hinsichtlich der Außenanlagen, handelte es sich um einen einheitlichen Vertrag. Die Verjährung aller Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 begann daher einheitlich zu laufen (vgl. Dölle, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl., Rdnr 2867) und war bei Einreichung des Antrags auf selbständiges Beweisverfahren noch nicht abgelaufen. Die Einigung der Parteien darüber, dass die Beklagte zu 1 hinsichtlich der Außenanlagen die Leistungsphase 9 nicht ausführen solle, erfolgte zu einem Zeitpunkt noch nach der angesprochenen Rechnungsprüfung, so dass auch insoweit ein Ablauf der Verjährungsfrist vor Eingang des Antrags auf selbständiges Beweisverfahren nicht vorliegt.
c) Der Haftungsausschluss in Ziff. 7.3 Satz 2 AVA, auf den sich die Beklagten im Berufungsrechtsstreit stützen, ist unwirksam. Die Regelung, nach der sich der Bauherr verpflichtet, Ansprüche aus mangelhafter Bauleistung nur bei den ausführenden Firmen geltend zu machen, verstößt gegen § 307 Abs. 1, 2, § 309 Nr. 8 lit. b aa BGB. Sie geht mit dem völligen Ausschluss von Gewährleistungsrechten gegen den Verwender sogar noch weiter als die Beschränkung auf eine Haftung für vom Architekten „nachweislich verursachte Schäden“, die nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern auch gegenüber Gewerbetreibenden unwirksam ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.03.1990 − VII ZR 61/89 m. w. N., NJW-RR, 1990, 856; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Aufl., § 307 Rdnr. 40).
d) Auch nach Auffassung des Senats musste der von der Fa. R GmbH erstellte Boden aufgrund des eindeutigen Wortlauts des von der Beklagten zu 1 erstellten Leistungsverzeichnisses die volle Belastung mittels Hubwagen mit max. Bodenpressung von 40 N/mm² aushalten. Selbst wenn möglicherweise der in der XY-Baubeschreibung 2000A in der Randbemerkung 4.1.1 genannte Wert von 17,5 N/mm² aus technischer Sicht hätte ausreichen können, waren die Baubeteiligten nicht gehindert, im Leistungsverzeichnis für das konkrete Objekt höhere Anforderungen zu vereinbaren als in einem Standardleistungsverzeichnis genannt, das für eine unbestimmte Vielzahl von Objekten gefertigt worden ist. Die vereinbarte höhere Qualität war auch maßgeblich für die Frage, ob ein Mangel vorliegt; der Auftragnehmer, der eine vereinbarte Qualität nicht ausführt, kann mit dem Argument nicht gehört werden, dass die von ihm ausgeführte Qualität den Zweck genauso gut erfülle (BGH, Urt. v. 21.09.2004 − X ZR 244/01, NZBau 2004, 672). Daher erstreckte sich auch die Bauaufsichtspflicht der Beklagten zu 1 darauf, dass die mit dem Werkunternehmer vereinbarte Belastbarkeit des Bodens, also 40 N/mm², eingehalten wurde.
e) Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte zu 1 ihrer Pflicht zur Bauüberwachung nicht im geschuldeten Maß nachgekommen ist.
Wer vertraglich die Bauaufsicht übernimmt, hat schon während der Ausführung dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird. Er muss die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen. Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist er, so der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn das Bauwerk nicht nach einer eigenen Planung des Auftragnehmers, sondern nach den Vorgaben eines Dritten ausgeführt wird (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2000 − VII ZR 82/98 m. w. N.; NJW-RR 2000, 1468; juris). Soweit der bauaufsichtsführende Architekt die Eignung der verwendeten Materialien nicht sicher beurteilen kann, besteht ggf. auch Anlass zu einer Materialprüfung (BGH, Urt. v. 10.02.1994 − VII ZR 20/93, NJW 1994, 1276; juris). Ausreichend ist es auch nicht, sich auf Kontrollen durch Mitarbeiter der bauausführenden Firma zu verlassen. Es ist Aufgabe des Architekten, entweder selbst oder durch einen Erfüllungsgehilfen die Kontrolle der Bauarbeiten wahrzunehmen; dieser Pflicht kann er nicht dadurch nachkommen, dass er sich auf die Sachkunde des eigentlich von ihm zu überwachenden Hauptunternehmens verlässt (OLG Hamm, Urt. v. 23.11.2004 − 21 U 13/04, BauR 2005,897; juris). Sieht sich ein Architekt außer Stande, das einzubauende Material nach Inaugenscheinnahme selbst zu beurteilen, muss er ggf. einen entsprechenden Sonderfachmann hinzuziehen oder eine Laboruntersuchung veranlassen. Zumindest muss er aber den Bauherrn darauf hinweisen, dass er das Material selbst nicht zu beurteilen vermag (OLG Naumburg, Urt. v. 13.05.2005 − 6 U 4/05, IBRRS 2006, 0024).
Diesen Anforderungen ist die Beklagte zu 1 schon ihrem eigenen Vorbringen nach nicht nachgekommen. Sie hat unter Berufung darauf, dass es sich bei dem von der Fa. R GmbH gewählten um ein Verfahren handelt, dessen Einzelheiten aus Gründen des Wettbewerbs nicht vollständig offengelegt würden, dargelegt, sie sei nicht in der Lage gewesen, die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten zu überwachen. Dabei hätte ihr, wenn sie die Lieferscheine für die angelieferten Materialien überprüft hätte, auffallen müssen, dass − wie der Sachverständige Dipl.-Ing (FH) P. zur Überzeugung auch des Senats dargelegt hat − mit diesem Material die geforderte Belastbarkeit des Bodens nicht hätte hergestellt werden können. Es hätte daher aller Anlass dazu bestanden, zunächst bei der ausführenden Firma nachzufragen, durch welche konkreten Verarbeitungsparameter − oder zusätzlichen Bestandteile − trotzdem die erforderliche Belastbarkeit hergestellt werden solle. Hätte sie die erteilten Auskünfte fachlich nicht überprüfen können oder hätte sie von der ausführenden Firma keine oder nicht ausreichende Auskünfte erhalten, so wäre die Beklagte zu 1 verpflichtet gewesen, die Klägerin darüber zu unterrichten, dass sie insoweit zur Bauaufsicht nicht in der Lage sei; dann wäre die Klägerin in der Lage gewesen, selbst zu entscheiden, ob sie sich auf die Expertise der ausführenden Firma verlassen will oder nicht. So aber hat die Beklagte zu 1 sich blind auf die Zuverlässigkeit der ausführenden Firma verlassen, obwohl die Ausführung nicht nach einer Planung der Beklagten zu 1 erfolgte, sondern nach einem ihr im Einzelnen unbekannten Verfahren der ausführenden Firma. Selbst wenn es nach dem Kenntnisstand der Beklagten zu 1 in der Vergangenheit nicht zu Problemen mit den von der Fa. R GmbH verlegten Böden gekommen sein und die Ausführung den seinerzeitigen Verarbeitungsrichtlinien interessierter Kreise entsprochen haben sollte, berechtigte dies die Beklagte zu 1 nicht dazu, von einer effektiven Bauaufsicht (ohne Hinweis an die Klägerin) abzusehen; denn beim vorliegenden Bauvorhaben war ja ein − nach dem Vortrag der Beklagten − unübliches und über die technischen Notwendigkeiten hinausgehendes Maß der Belastbarkeit des Bodens vereinbart. Insofern konnte die Beklagte zu 1 die Fa. R GmbH auch nicht als ein in der Ausführung von Böden dieser Belastbarkeit erfahrenes Unternehmen ansehen.
f) Die Beklagte zu 1 wäre auch verpflichtet gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass − schon nach dem ursprünglichen Bauzeitenplan und erst recht nach den im Bauablauf eingetretenen Verzögerungen − am Tage der Übergabe des Marktes die Zeit noch nicht verstrichen war, die für eine vollständige Belastbarkeit des Estrichs hätte verstreichen müssen. Dass die Klägerin oder aber Verantwortliche der Fa. XY diese Kenntnis bereits gehabt hätten, ist bestritten und wird von den Beklagten nicht unter Beweis gestellt; in das Wissen des Zeugen … haben die Beklagten gestellt, dass üblicherweise nicht am Tage der Übergabe bereits voll belastet würde, sondern zunächst regaliert und erst später bestückt. Dieser Vortrag ist aber unergiebig für die Behauptung der Beklagten, Klägerin und Fa. XY hätten konkret gewusst, welche Zeiten für die sichere Erreichung der vollen Belastbarkeit aus bautechnischer Sicht erforderlich gewesen wären. Ob sich dieses Unterlassen der Beklagten zu 1 konkret auf die Ausprägung der Mängel ausgewirkt hat, kann für die Entscheidung dahinstehen; der Sachverständige hat bereits den zu geringen Zementgehalt des Bettungsmörtels für sich allein als Ursache für die nicht ausreichende Belastbarkeit des Bodens festgestellt
g) Auch die Einwände der Beklagten gegen die Schadenshöhe bleiben erfolglos.
Die Klägerin braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, die Böden nur gerade in den Bereichen ausbessern zu lassen, in denen der Sachverständige seine Stichproben durchgeführt hat. Es besteht keinerlei Anlass zu der Annahme, dass gerade nur an diesen Stellen zufällig Mängel vorliegen. Vielmehr ist der Boden einheitlich hergestellt worden, so dass die Klägerin davon ausgehen kann bzw. befürchten muss, dass er überall dieselbe mangelhafte Qualität aufweist wie in den vom Sachverständigen beprobten Bereichen. Die Klägerin kann daher auch den gesamten Boden sanieren lassen. Die Kosten für die erforderliche Sanierung ergeben sich aus dem Gutachten im selbständigen Beweisverfahren. Soweit die Klägerin mit der Klageerweiterung vom 04.09.2015 Kosten für eine punktuelle Reparatur der Böden geltend macht, handelt es sich − da nicht den gesamten Boden betreffend − nicht um eine Maßnahme im Rahmen einer ohnehin geplanten optischen Umgestaltung des Marktes, insbesondere unter Verwendung größerer Fliesen. Der Umfang der Arbeiten ist aus dem Vortrag der Klägerin und den vorgelegten Unterlagen schlüssig erkennbar. Die Beklagten bestreiten zwar die Erforderlichkeit der Kosten, nicht aber ihren Anfall. Die Klägerin hat aber nicht lediglich einen Anspruch auf die Beträge, die sich letztlich als tatsächlich erforderlich herausstellen, sondern kann das ersetzt verlangen, was sie zur Beseitigung der einer Weiterbenutzung schon jetzt entgegenstehenden Mängelausprägungen für berechtigt halten durfte. Dies gilt etwa für die Frage der Beauftragung eines Sicherheitsdienstes oder die Einschaltung eines Sachverständigen zur Feststellung des Zustandes vor und nach den Arbeiten, aber auch für den Umfang der einzelnen Maßnahmen und die Höhe der Rechnungen. Dafür, dass die Klägerin schuldhaft zu hohe Kosten hätte anfallen lassen, tragen die Beklagten nichts vor und besteht auch sonst kein Anhaltspunkt, zumal die Klägerin das Risiko trägt, diese Kosten möglicherweise nicht erfolgreich wieder beitreiben zu können.
Soweit die Beklagten sich in der Berufungsinstanz auf einen Abzug „neu für alt“ berufen, fehlt es an den Voraussetzungen hierfür. Ein derartiger Ausgleich wird dann gewährt, wenn sich der Geschädigte durch die Erneuerung im Rahmen des Schadensersatzes eine ohnehin notwendige Erneuerung erspart und die nächste aus technischer Sicht fällige Erneuerung deshalb erst später erforderlich wird. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist − ungeachtet der mit dem Gebrauch verbundenen Abnutzung − für die Böden keine andere Nutzungsdauer anzusetzen als für das Gebäude insgesamt. Dass auch ein mangelfreier Boden nach 13 Jahren auszutauschen wäre, behaupten auch die Beklagten nicht; die nach ihrem Vortrag in anderen XY-Märkten durchgeführten Bodenerneuerungen haben ihren Grund in einem Wunsch nach optischer Aufwertung (trotz geringerer Haltbarkeit). Nur dann würde sich die Klägerin aber durch die Erneuerung im Rahmen des Schadensersatzes Kosten ersparen, die ohnehin aufgrund bloßen Zeitablaufs angefallen wären. So ist aber bei einem Bauwerk, das (Mangelfreiheit unterstellt) weiterhin noch nutzbar wäre, wegen der auch von der Beklagten zu 1 zu vertretenden Mangelhaftigkeit des Bodens eine Erneuerung erforderlich, die sonst hätte unterbleiben können. Ein Anlass für einen Abzug „neu für alt“ besteht daher nicht.
Sowieso-Kosten werden von den Beklagten lediglich unsubstantiiert in den Raum gestellt. Die generellen Ausführungen zur Abdichtung im Bereich der Bodenplatte können einen substantiierten Vortrag zu Kosten für konkrete Ausführungsdetails nicht ersetzen.
Dass auch der gegenständliche Markt für eine optische Überarbeitung vorgesehen wäre, die mit einem Austausch des Bodenbelags verbunden wäre, ist eine unbewiesene Behauptung der Beklagten. Es kommt für die Entscheidung daher nicht auf die Frage an, welchen Einfluss dies ggf. auf die Schadensersatzverpflichtung überhaupt haben könnte.
Schließlich ist auch für Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin kein Raum. Selbst wenn die Klägerin ihrerseits mit einem „persönlichen Bauleiter“ auf der Baustelle vertreten gewesen wäre, wäre dieser kein Erfüllungsgehilfe der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten zu 1 gewesen, sondern hätte lediglich Verpflichtungen gegenüber der Klägerin zu erfüllen gehabt. Dass der insoweit in Betracht kommende Dipl.-Ing. R gegenüber der ausführenden Firma Anweisungen erteilt hätte, tragen selbst die Beklagten nicht vor.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Der Rechtsstreit wirft keine höchstrichterlich ungeklärten Fragen von allgemeinem Interesse auf. Der Senat wendet die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung auf einen konkreten Einzelfall an.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen