Baurecht

Bauvertragliche Mängelansprüche bei vereinbarter Ausführungsart unter Verstoß gegen die Regeln der Technik

Aktenzeichen  5 O 4172/05

Datum:
5.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 159145
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VOB/B § 13 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

1. § 13 Nr. 3 VOB/B setzt schon begrifflich die Existenz von Mängeln voraus, die auf der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers beruhen. Hieraus folgt, dass eine Leistung nicht bereits deshalb mangelfrei sein muss, weil sie der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers entspricht. Auch aus einem niedrigen Angebotspreis kann nicht entnommen werden, dass der übliche Qualitätsstandard unterschritten werden durfte. Dies bedürfte vielmehr einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vereinbarung einer bestimmten Ausführungsart, die den anerkannten Regeln der Technik nicht genügt, reicht allein für eine Auslegung dahin, dass die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik von den Parteien ausdrücklich oder konkludent abbedungen wurden, nicht aus. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 133.656,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 58.355,00 € seit 26.05.2005 bis 26.05.2015, aus 133.656,00 € ab 27.05.2015 und weitere 1.761,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 869,94 € seit 02.06.2006 bis 01.06.2016 und aus 1.761,08 € ab 02.06.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 4.200,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.05.2005 zu zahlen.
3. Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages Ziffer III. (merkantiler Minderwert) wird festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 18 % und die Beklagte 82 % zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 12.05.2015 auf 58.355,00 €, ab 13.05.2015 bis 23.08.2016 auf 146.523,43 € und ab 24.08.2016 auf 167.856,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Die Klage wurde zulässig gemäß § 264 ZPO auf die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches umgestellt.
Im Übrigen wäre die Klageänderung von der Klage auf Zahlung eines Vorschusses für die Mängelbeseitigung in eine Schadensersatzklage auch sachdienlich und damit gemäß § 263 ZPO zulässig. Die Klageänderung ist sachdienlich, wenn mit der geänderten Klage die noch bestehenden Streitpunkte miterledigt werden können und dadurch ein neuer Prozess vermieden wird; nicht entscheidend ist, dass neue Parteierklärungen oder Beweiserhebungen nötig werden und dadurch das Verfahren sich verzögert (BGH NJW 2000, 800, 803). Dies ist vorliegend der Fall.
2. Es liegt keine Veräußerung der streitbefangenen Sache nach § 265 ZPO vor.
Eine Sache ist streitbefangen, wenn die für das Verfahren maßgebliche Sachlegitimation einer Partei auf der rechtlichen Beziehung zu der Sache beruht und diese den unmittelbaren Gegenstand des Rechtsstreits bildet (BGH, NJW 2014, 782, 784 f.)
Die Veräußerung müsste also im vorliegenden Fall den Klägern die Aktivlegitimation entziehen. Dies ist nicht der Fall, da die Kläger Mängelrechte aus einem mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag geltend machen. Diese Rechte bleiben auch nach Veräußerung des Grundstückes mit dem Gebäude bestehen, da weiterhin nur die Kläger Vertragspartner der Beklagten bleiben.
II.
Die Klage ist teilweise begründet. Die Kläger haben als Gesamtgläubiger einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B (2000) in Höhe von 137.856,14 € und auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Werkvertrag unter wirksamer Einbeziehung der VOB/B (2000) über die Errichtung des streitgegenständlichen Hauses zustande gekommen. Die Parteien haben die VOB/B in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung vereinbart (Anlage K1).
2. Das Gebäude war zum Zeitpunkt der unstreitig erfolgten Abnahme am 04.11.2002. durch die Beklagten mangelhaft errichtet.
Die Leistung der Beklagten ist vertragswidrig i.S. des § 13 Nr. 1 VOB/B (2000). Dabei ist es unerheblich, ob die Parteien, wie dies die Beklagte vorträgt, sich dahingehend geeinigt hätten, auf eine Statik zu verzichten. Der Auftraggeber wünscht regelmäßig eine Leistung von zumindest durchschnittlicher Qualität. Selbst wenn er eine billige Ausführungsart wählt, hofft er dennoch, dass diese gegenüber einer teuren keine wesentlichen Qualitätseinbußen mit sich bringt. Insofern stellt sich bei der Vereinbarung einer untauglichen Ausführungsart nicht die Frage, ob deshalb auch der Werkerfolg nicht geschuldet ist, sondern die Frage, wer das Risiko der Nichterreichung des Werkerfolges tragen muss. Die Risikoverteilung ist jedoch in § 13 Nr. 3 VOB/B eindeutig geregelt. § 13 Nr. 3 VOB/B setzt schon begrifflich die Existenz von Mängeln voraus, die auf der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers beruhen. Hieraus folgt, dass eine Leistung nicht bereits deshalb mangelfrei sein muss, weil sie der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers entspricht. Auch aus dem niedrigen Angebotspreis kann nicht entnommen werden, dass der übliche Qualitätsstandard unterschritten werden durfte. Dies bedürfte vielmehr einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien (BGH, BauR 2000, 411, 413; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, B 13.1, Rdnr. 27). Wenn die Beklagte nunmehr behauptet, die Kläger hätten gewusst, dass das Haus ohne entsprechende Statik errichtet wird, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Kläger die Mängelrisiken einer fehlenden Statik bewusst in Kauf nehmen wollten.
Die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik ist darüber hinaus von den Parteien weder ausdrücklich noch konkludent abbedungen worden. Die Vereinbarung einer bestimmten Ausführungsart, die den anerkannten Regeln der Technik nicht genügt, reicht allein für eine derartige Auslegung nicht aus (BGH, Urt. v. 16.07.1998 – VII ZR 350/96, NJW 1998, 3707). Dies ergibt sich aus den gleichen Gesichtspunkten, die auch zur Annahme eines Fehlers i.S. des § 13 Nr. 1 VOB/B geführt haben. Die Ausnahmeregelung § 13 Nr. 3 VOB/B greift nicht ein (OLG Düsseldorf Urt. v. 11.12.2001 – 21 U 92/01, BeckRS 2005, 14721).
Daher ist die Leistung der Beklagten auch mangelhaft i.S. des §§ 13 Nr. 1 VOB/B, weil sie nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Nach dem auch insoweit überzeugenden und widerspruchsfreien Sachverständigengutachten ergeben sich zusätzlich zum Fehlen einer Statik noch folgende Mängel, insbesondere aus den vom Sachverständigen gefertigten Lichtbildern und den Feststellungen bei den Ortsterminen:
-Verformungen der Dachflächen Haus West- und Ostseiten bis zu 27 mm,
-Durchbiegungen an der Nordseite des Garagendachs wegen nicht ausreichender Dimensionierung der Sparren
-keine ausreichende Verankerung der Schwellen, auch wenn man die Angaben der Beklagten zugrundelegt.
-Fugen zwischen den Konstruktionshölzern an der Eckstütze des dreieckigen Erkerelements an der Westseite und bauphysikalisch falsche Aufbringung der für den Außenbereich nicht geeigneten SIGA-Sicrall-Streifen
-Einbau der OSB-Platten mit nicht unterlegten Horizontalstößen nicht der DIN 1052 Teil 3 entsprechend
-Schiefstellung und unzureichende Befestigung der Stahlstützen wegen fehlender Distanzscheiben
-Unzureichende Dimensionierung des Türsturzes über der Tür zum Bad
-Erhöhte Luftströmungen und Zugerscheinungen an zahlreichen Anschlüssen, wie an den Anschlüssen der Dachkonstruktion an den Außenwänden; Zugerscheinungen bei den Dachflächenfenstern im NO-Zimmer, im NW-Zimmer, im mittleren Zimmer an der Ostseite und dem südlichen Dachflächenzimmer in der westseitigen Dachfläche der Galerie; bei den Fenstern kann jedoch nicht geklärt werden, welcher Anteil der Luftwechselrate über diese Anschlussfugen der Fenster/Türen entsteht, die nicht die Beklagte eingebaut hat.
-Keine ausreichende Führung der Dachschalung und Schalungsbahn über die Sparrenenden
-Undichtigkeit in der Schalungsbahn unter dem Kehlblech
-Dampfbremsbahn im Firstbereich sichtbar, da Sichtschalung nicht dicht gestoßen
-Überarbeitung von Fugen der Holzkonstruktion mit ungeeigneten Mitteln
-Verfärbungen, Verschmutzungen und Fingerabdrücke an den Sparren und Pfetten im Vordachbereich
-Gehrungsstoß an der Vollholzfensterbank nicht als Bewegungsfuge ausgebildet und nicht kraftschlüssig verbunden
-Keine fachgerechte Unterfütterung der Schwellen der Außenwände
-Abstand der Schiftersparren innerhalb der großen Dachverglasung größer als 80 cm, nämlich 93 cm
-Ungünstige Rahmengeometrie am unteren Rand der großen Dachverglasung, daher Tauwasser und Eisbildung am unteren Rand des Rahmens
-o Schadhafte Schaumstoffstreifen, die als Abdichtung der Lüftungsklappen dienen
-Risse mit Breiten bis 3 mm in den Kanten und an den Anschlüssen der Gipskartonverkleidung zu massiven Holzbauteilen und auch vereinzelt innerhalb der Gipskartonflächen
-Fehlende Abweisbleche am Anschluss der Kehlen zu den Dachrinnen
Für die Verformung der Außenwände des Hauses ist aufgrund der statischen Mängel die Beklagte aus technischer Sicht verantwortlich. Die Standsicherheit des Gebäudes ist rechnerisch nicht nachweisbar. Wenn die Standsicherheit rechnerisch nicht nachweisbar ist, kann es bei entsprechender Belastung, z.B. durch Schnee oder Wind, zum Versagen einzelner Bauteile kommen. Diese Überlastung kann zu Rissen in einzelnen Bauteilen, Verschiebungen und in der Folge unter Umständen sogar zum Einsturz von Teilen des Gebäudes führen. Während bei den Bauteilen, die durch Schnee-/Eislast überbelastet werden können, die maximale Schneelast ermittelt und bei Erreichen/Überschreiten dieser Schneelast der Schnee abgeräumt und damit das Versagen der Bauteile verhindert werden kann, ist dies bei Sturm ungünstiger. Um die nach Norm anzusetzenden Windlasten aufnehmen zu können, muss das Gebäude ausreichend ausgesteift sein. Bei mangelhafter Aussteifung kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem Sturm Bauteile verschoben werden und unter Umständen auch einstürzen. Somit hat das Gebäude keine ausreichende Statik.
Die Mangelhaftigkeit der Dampfbremse zwischen den Außenwänden und der Bodenplatte ist dagegen nicht der Beklagten zuzurechnen. Nach den Angaben des Klägers zu 1) gegenüber dem Sachverständigen Paul wurden die Anschlüsse nicht von der Beklagte gemacht, sondern vom Kläger zu 1) bzw. auf seine Veranlassung die Anschlüsse der Außenwände auf der Betonplatte mit PU-Schaum ausgeschäumt. Mit dem PU-Schaum in die Fuge zwischen Schelle der Außenwände und der Bodenplatte kann die nach DIN 1408 und der Wärmeschutzverordnung 1995 erforderliche Luftdichtigkeit nicht dauerhaft sichergestellt werden. Dieser Mangel ist jedoch nicht der Beklagten zuzurechnen.
3. Die unter Ziffer 2. genannten Mängel hat die Beklagte auch zu vertreten. Hinsichtlich der nicht erfolgten Statik handelte die Beklagte durch ihren Geschäftsführer vorsätzlich und nahm damit auch die statischen Mängel in Kauf. Die Beklagte hat sich das Verhalten ihres Geschäftsführers gemäß § 31 BGB in entsprechender Anwendung zurechnen zu lassen (Ganten/Jansen/Voit, VOB/B, VOB/B § 13 Rn. 66).
Hinsichtlich der anderen Mängel beruhen diese auf fahrlässigem Handeln der Erfüllungsgehilfen der Beklagten und sind dieser gemäß § 278 BGB zuzurechnen.
4. Die Kläger haben die Beklagte mehrfach unter Benennung der aufgetretenen Symptome für die einzelnen Mängel zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufgefordert, so z.B. mit Schreiben vom, 28.02.2005 (Anlage K22) des Klägervertreters.
5. Die Kläger haben einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 133.656,00 €.
5.1. Ob und inwieweit ein nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Diese so genannte Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht worden ist, d.h. ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen. Die Frage, ob Aufwendungen einen Schaden darstellen, lässt sich daher nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Haftungsgrundlage beurteilen. Handelt es sich – wie auch im vorliegenden Fall – um die Nichterfüllung eines Vertrags, so liegt der Schaden in der Differenz zwischen der vorhandenen Vermögenslage und derjenigen, die bei weiterer ordnungsgemäßer Erfüllung eingetreten wäre. Dementsprechend geht der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung dahin, den Geschädigten vermögensmäßig so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags gestanden hätte, d.h. nicht schlechter, aber auch nicht besser (BGH, Urt. v. 15.3.2000 – XII ZR 81/97, NJW 2000, 2342, 2343).
5.2. Die Höhe des Schadensersatzanspruches wird gemäß § 287 ZPO geschätzt. Eine genaue Ermittlung des Schadens ist nicht mehr möglich. Aufgrund der Versteigerung des Anwesens kann eine Mängelbeseitigung durch die Beklagte rein rechtlich nicht mehr stattfinden. Somit können die genauen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und ihr Umfang nicht mehr eindeutig bestimmt werden und daher die Höhe der Kosten und damit die entsprechende Wertminderung des Objekts nicht mehr tatsächlich ermittelt werden.
Zur Objektivierung der Werte werden die Gutachten der Sachverständigen … und … herangezogen. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hinsichtlich des Wertes des Anwesens war nicht erforderlich. Die notwendigen Grundlagen für eine Schätzung des Wertes ergaben sich bereits aus dem Gutachten …. Bei der Bestimmung der Mängelbeseitigungskosten durch den Sachverständigen … berücksichtigte dieser, dass sich verschiedene Mängel überschneiden, wurden verschiedene Arbeitsleistungen, wie z.B. Demontage von Verkleidungen oder der Dachdeckung, nur einmal berücksichtigt ebenso die Kosten für vorbereitende Arbeiten und Nebenkosten für Bauleiter und Statiker. Die seitens der Beklagten geltend gemachten Abzüge sind teilweise im Gutachten berücksichtigt, teilweise nicht zu berücksichtigen. Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Dachfenster bereits 12 Jahre alt sind, hat dies bereits in der altersbedingten Wertbereinigung Eingang gefunden.
5.3. Nach dem klaren und widerspruchsfreien Gutachten der Sachverständigen … ergibt sich zum 19.08.2013 ein Wert des Anwesens ohne Mängel in Höhe von 375.656,00 € (Bodenwert 75.922,00 € + alterswertgeminderte Herstellungskosten 289.734,00 € + Sachwert Außenanlagen 10.000,00 €).
Bei der Wertermittlung wurde durch die Sachverständige das Sachwertverfahren nach §§ 21-23 ImmoWertV herangezogen, da keine hinreichend vergleichsgeeignete Daten für das Vergleichswertverfahren vorhanden waren und das Ertragswertverfahren bei eigengenutzen Einfamilienhäusern regelmäßig ausscheidet, da sich Kaufinteressenten meist keine Gedanken über die Vermietbarkeit des Objekts machen.
Der Sachwert setzt sich gemäß § 21 ImmoWertV aus dem Bodenwert, dem Sachwert der Gebäude und aus dem Sachwert der sonstigen Außenanlagen zusammen. Dies ergibt sodann den vorläufigen Sachwert, der dann unter Berücksichtigung der Marktanpassung und besonderer objektspezifischer Merkmale, wie Baumängel und Schäden, zur Bestimmung des Verkehrswertes führt.
Der Bodenwert ergibt sich bei dem streitgegenständlichen Objekt aus der entsprechenden Bodenrichtwertliste für … unter einem 10 % Lagezuschlag und der Hinzurechnung der Erschließungskosten in Höhe von 75.922,00 € (101,50 €/m² × 748 m²).
Der Sachwert der Gebäude wird aufgrund der Herstellungskosten ermittelt. Dabei werden die Normalherstellungskosten nach der NHK 2000 unter Berücksichtigung der regionalen und zeitlichen Unterschiede herangezogen. So werden für das Wohnhaus Normalherstellungskosten in Höhe von 915 € pro m2 zzgl. 12 % Baunebenkosten und für die Garagen 280 € pro m² zzgl. 12 % Baunebenkosten angesetzt. Dies ergibt für das Wohnhaus einen Herstellungswert von 294.118,00 € und für die Garage von 50.803,00 €. Sodann ist eine Wertminderung wegen Alters bei einer Gesamtnutzungsdauer von 70 Jahren und einem Alter des Gebäudes von 11 Jahren (2013) von 16 % anzusetzen. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von insgesamt 289.734,00 €. Der Wert der baulichen Außenanlagen ist mit 10.000,00 € anzusetzen. Somit ergibt sich ein vorläufiger Sachwert des Anwesens von 375.656,00 €.
Nunmehr ist im Rahmen einer Marktanpassung der vorläufige Sachwert an Angebot und Nachfrage im örtlichen Grundstückteilemarkt zu überprüfen. Da sich die Preise für Immobilien in den Lagen außerhalb der Ballungszentren 2013 wieder normalisiert haben, ist eine Marktanpassung aufgrund der konjunkturellen Situation nicht vorzunehmen. Jedoch ist ein Abschlag wegen der individuellen Gestaltung, der für den ländlichen Raum überdurchschnittlichen Wohnfläche von 217 m² und aufgrund der nicht gestatteten Innenbesichtigung ist von 30.000,00 € zu machen.
Des Weiteren sind bei der Bewertung des Anwesens die besonderen Merkmale zu berücksichtigen.
Dabei führt die fehlende Fertigstellung in Teilbereichen des Innenausbaus zu einem Abschlag von 5.000 €. Diese mangelnde Fertigstellung ist jedoch nicht durch die Beklagte zuzurechnen. Insoweit ist bei der Schätzung des Minderwertes dieser Betrag nicht zu berücksichtigen.
Bei der Kostenschätzung seitens der Sachverständigen … und … wurden auch Kosten für die Feststellung der Luftdichtigkeit und Maßnahmen zur Beseitigung der Zugerscheinungen einberechnet. Da die Ausschäumung der Anschlüsse der Außenwände zur Bodenplatte nicht von der Beklagten durchgeführt wurden, die Beschädigung der Dampfbremse durch Nachfolgegewerke und ein undichter Einbau der Dachflächenfenster durch andere Werkunternehmer, die der Beklagten nicht zuzurechnen sind, nach Angaben des Sachverständigen … nicht ausgeschlossen werden können, wurde diese Kosten in Höhe von ca. 11.000,00 € bei der Korrektur aufgrund objektspezifischer Besonderheiten nicht berücksichtigt.
Somit ergibt sich für die Beseitigung der Mängel einschließlich der statischen Mängel ein Betrag von ca. 80.000,00 €. Dabei wurde für die Beseitigung der statischen Mängel einen Wert von 50.000,00 € angesetzt. Dieser ergibt sich zum einen aus den groben Berechnungen in den schriftlichen Sachverständigengutachten und auch aus der Aussage des Sachverständigen … unter Berücksichtigung der seitens der Beklagten vorgeschlagenen Mängelbeseitigung. Hierbei hat sich aufgrund der Untersuchungen der Deckenplatte durch den Sachverständigen … (Gutachten vom 25.06.2016) ergeben, dass die Deckenscheibe, anders als von der Beklagten in ihrem Sanierungsvorschlag angegeben, nicht ausreichend tragfähig ist, um eine Ableitung der Kräfte auf die Außenwände zu gewährleisten. Nach der Schätzung des Sachverständigen … (Protokoll vom 16.06.2016) dürfte der Aufwand der Sanierung der Statik bei 50.000,00 € liegen, wobei sich die seitens der Beklagten vorgeschlagenen Sanierung und die seitens des Sachverständigen … vorgeschlagenen Sanierung um ca. 5.000,00 € unterscheiden könnten. Dieser Betrag wurde aufgrund der Ungenauigkeit der Schätzung außer Betracht gelassen.
Hinzuzurechnen sind noch 15 % für die Leistung eines Architekten und 10 % für die Leistung eines Statikers, da nach Feststellung des Sachverständigen … ohne eine Begleitung der Maßnahmen durch Architekt und Statiker eine Sanierung aufgrund des Umfangs nicht möglich ist.
Somit ergibt sich insgesamt aufgrund der Bauschäden und -mängel, sofern sie von der Beklagten zu vertreten sind, ein Betrag von 100.000,00 €. Hierzu ist aufgrund der Ungenauigkeit der Schätzungen und der nicht durchgeführten Öffnung von Bauteilen ein Risikoabschlag in Höhe von 25.000,00 € (25 % des Mängelbeseitigungsaufwandes von 100.000,00 €) zu berücksichtigen. Ebenso ein Nutzungsausfall in Höhe von 2.500,00 € aufgrund der umfangreichen Sanierungsarbeiten.
Als merkantiler Minderwert wird, wie im Gutachten der Sachverständigen …, ein Abschlag von 15.000,00 € berücksichtigt. Dabei sind seitens des Sachverständigen im Gutachten angesetzten Wertminderungen mitberücksichtigt, die bei Berechnung des Mängelbeseitigungsaufwandes keine Berücksichtigung finden konnten.
Ein merkantiler Minderwert liegt vor, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben (BGH, Urt. v. 06.12.2012 – VII ZR 84/10, Rn. 20, juris).
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein marktgängiges Objekt, so dass deren Verwertbarkeit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen grundsätzlich festgestellt werden kann. Es ist auch davon auszugehen, dass ein redlicher Verkäufer einen Kaufinteressenten über die ausgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten informiert. Somit ist beim streitgegenständlichen Anwesen eine merkantiler Minderwert anzusetzen, der unter Zugrundelegung der Gutachten des Sachverständigen … und des Gutachtens der Sachverständigen … gemäß § 287 ZPO auf 15.000,00 € geschätzt wird.
Es ergibt sich somit folgender Verkehrswert des Anwesens:
Vorläufiger Sachwert
375.656,00 €
Marktanpassung
– 30.000,00 €
Bauschäden/-mängel
– 100.000,00 €
Risikoabschlag
– 25.000,00 €
Nutzungsausfall
– 2.500,00 €
Merkantiler Minderwert
– 15.000,00 €
Sachwert
203.156,00 €
Somit ergibt sich ein Schaden für die Kläger in Höhe der Differenz des Wertes des mangelfreien Anwesens in Höhe von 345.565,00 € (375.656,00 € – 30.000,00 € Marktanpassung) und dem Wert des mangelhaften Anwesens in Höhe von 203.156,00 €, insgesamt 142.500,00 €.
5.4. Im Rahmen der Vorteilsanrechnung müssen sich die Kläger jedoch denjenigen Betrag anrechnen lassen, den sie bei Versteigerung des Anwesens über den seitens der Sachverständigen … bestimmten Verkehrswert erzielt haben. Dies sind 8.844,00 € (212.000,00 € – 203.156,00 € €). Somit haben sie einen Anspruch in Höhe von 133.656,00 € (142.500,00 € – 8.844,00 €). Dies entspricht der Differenz zwischen dem Wert des mangelfreien Anwesens nach Marktanpassung von 345.656,00 € und dem erzielten Versteigerungserlös von 212.000,00 €.
6. Die Kläger haben ebenfalls Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 4.200,14 €. Die Kosten von fachkundigen, nicht notwendigerweise öffentlich bestellten Sachverständigen bzw. Gutachtern, soweit diese zur Ermittlung von Mängeln und Schäden im Sinne des § 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 1 VOB/B dienen und – was schon bei einer im Vergleich zur Sachkenntnis des Auftraggebers überlegenen Sachkunde des Auftragnehmers in der Regel der Fall ist – notwendig sind, können als Schadensersatz eingefordert werden (Ganten/Jansen/Voit, VOB/B, VOB/B § 13 Rn. 155). Dabei umfasst der Schadensersatzanspruch auch die Kosten einer zunächst sinnvoll erscheinenden, aber im Ergebnis fehlerhaften oder sonst unergiebigen Untersuchung durch den Sachverständigen (Ganten/Jansen/Voit, VOB/B, VOB/B § 13 Rn. 155).
Der beigezogene Sachverständige … war für die Kläger zunächst zur Ermittlung der Mängel notwendig, da sie nicht über die nötige Sachkunde verfügten. Eine teilweise andere Beurteilung der Mängel und ihrer Ursachen durch die gerichtlichen Sachverständigen steht dem Ersatz der Kosten nicht entgegen.
7. Die Kläger haben des Weiteren einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.761,08 € gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 ZPO. Dabei ist die 2005 geltende Gebührenordnung zugrunde zulegen.
8. Der Schadensersatzanspruch in Höhe von 58.355,00 € sind ab 26.05.2005 gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen, da die Beklagte mit Schreiben vom 17.05.2005 des Klägevertreters ab diesem Zeitpunkt in Verzug gesetzt wurde. Der restliche Schadensersatzanspruch, der Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen, sobald sie klageweise geltend gemacht wurden.
9. Da der merkantile Minderwert in der Berechnung des Schadensersatzanspruches mitenthalten ist, hat sich insoweit der Klageantrag 3. in der Hauptsache erledigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Der Streitwert für die ursprüngliche Klage und den zuletzt gestellten Antrag ergibt sich jeweils aus den geltend gemachten Zahlungsanspruch, wobei Nebenforderungen gemäß § 43 GKG außer Betracht bleiben und der Klageantrag Ziffer 3. keinen eigenen wirtschaftlichen Wert hat. Der Streitwert für die Klageerweiterung im Schriftsatz vom 13.05.2015 ergibt sich aus dem seitens der Klagepartei errechneten Mängelbeseitigungsaufwandes von 117.218,75 € zzgl. 25 % für den darüberhinausgehenden Feststellungsantrag, somit 146.523,43 €.
Verkündet am 05.10.2017

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