Baurecht

Bauvorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Erotik-Shops

Aktenzeichen  15 ZB 14.1227

Datum:
8.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111583
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 2, § 31 Abs. 2
BauNVO § 1 Abs. 5, Abs. 9, § 8

 

Leitsatz

1. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung Spannungen hineinträgt oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 13.1511 2014-04-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 16.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Erotik-Shops auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung N- … (Baugrundstück). Ihrem unter dem 5. Juli 2013 gestellten Antrag war folgende „Sortimentsliste … 2012“ beigefügt:
Warengruppe: Sortimentanteil in %:
– Wäsche, 25,20%
davon:
o Leder u. Kleinteile 5,50%
o Herrenwäsche 2,00%
o Damenslips 0,60%
o BH-Sets 1,80%
o BHs/Strapse/Strumpfb. 0,40%
o Strümpfe / Handschuhe 1,90%
o Corsagen / Strapshemd. 1,80%
o Bodies / Großteile etc. 6,40%
o Lack 1,90%
o Gummi 2,10%
o Sonstige 0,80%
– Kondome 3,60%
– Technische Hilfsmittel (Puppen, Vibratoren etc.) 33,90%
– Präparate (Gleitmittel, Anregungsmittel, Körperpflege etc.) 9,30%
– Diverse (erotische Scherzartikel/Spiele etc.) 5,40%
– Multimedia (DVD ausschließlich erotisch/pornographisch. Sortiment) 17,30%
– Print (Zeitschriften/Bücher: ausschließlich erotisch/
pornographisch. Sortiment) 5,30%
Nach Nr. III.1.2 der textlichen Festsetzungen der am 23. März 2012 im Amtsblatt der Beklagten bekanntgemachten Bebauungsplanteiländerung M … „Z … … / 2. Fortschreibung“ (im Folgenden: Änderungsbebauungsplan) sind für den betroffenen Bereich „GE 4“, in dem auch das Baugrundstück liegt, u.a. „Gewerbebetriebe aller Art“ (Abs. 2) zulässig. Ausdrücklich als unzulässig werden folgende Nutzungen ausgewiesen (Abs. 3): „Selbständige Einzelhandelsbetriebe, die an letzte Verbraucher verkaufen mit zentrenrelevanten Sortimenten gemäß Sortimentsliste unter III.1.3.2“. Durch anschließenden Klammerzusatz wird klargestellt, dass Einzelhandelsbetriebe, die den zulässigen Gewerbebetrieben zugeordnet sind (also der Verkauf selbst hergestellter Waren durch produzierende Gewerbebetriebe, vgl. Nr. V.3 der Begründung des Änderungsbebauungsplans), sowie Einzelhandelsbetriebe „mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten gemäß Liste unter III.1.3.1“ als zulässig angesehen werden. Eingangs der Liste der nicht zentrenrelevanten Sortimente (Nr. III.1.3.1 des Änderungsbebauungsplans) – die keine speziellen Waren aufzählt, die der Sortimentsbeschreibung des Vorbescheidantrags entsprechen – findet sich folgende Umschreibung:
„Nicht-zentrenrelevante Sortimente sind für die Funktionsfähigkeit von zentralen Versorgungseinrichtungen nicht zwingend erforderlich und lassen sich auch dort in der Regel nicht verträglich unterbringen. Sie beschränken sich auf die Versorgung der Bevölkerung mit langfristigen Gütern, besitzen einen hohen Flächenbedarf für die Präsentation und Lagerung der Waren. Weil sie nicht ohne weiteres problemlos zu transportieren sind, erzeugen sie erheblichen Verkehr.“
Die zentrenrelevanten Sortimente werden eingangs der Liste III.1.3.2 – die u.a. ausdrücklich aufführt: medizinische Produkte, Bücher, Drogeriewaren, Elektrowaren (kleinteilige), Fotowaren, Geschenkartikel, Hausrat, Haus- und Heimtextilien, Leder- und Galanteriewaren, Spielwaren, Sportartikel (kleinteilig), Unterhaltungselektronik, Wäsche, Zeitschriften – werden wie folgt beschrieben:
„Zentrenrelevante Sortimente lassen sich dadurch charakterisieren, dass sie verhältnismäßig viele Besucher in die Innenstädte ziehen, zumeist kleinere Flächen beanspruchen, oft zusammen mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und überwiegend ohne Pkw transportiert werden können.“
Mit Bescheid vom 5. September 2013 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter Nr. 1. fest, dass der beantragte „…-Shop“ planungsrechtlich unzulässig sei und dass eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht erteilt werde; eine Baugenehmigung werde daher nicht in Aussicht gestellt.
Die Klage mit dem Antrag der Klägerin, den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2013 in Ziffer 1 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung dieses Vorhabens zu erteilen, wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 23. April 2014 ab. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts stünden dem Vorhaben die Sortimentsbeschränkungen des Änderungsbebauungsplans entgegen. Bei dem geplanten Erotikshop handele es sich um einen Einzelhandelsbetrieb, der nach Maßgabe der dem Vorbescheidsantrag beigefügten Sortimentsliste überwiegend – und zwar zu jedenfalls 60,7% – ein Angebot führe, das unter die gemäß Nr. III.1.2, Nr. III.1.3 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans ausgeschlossenen zentrenrelevante Sortimente falle, nämlich: 25,2% Wäsche, 17,3% Unterhaltungselektronik („Multimedia“), 5,3% Bücher bzw. Zeitschriften („Print“), 3,6% + 9,3% Drogeriewaren („Kondome“ und „Präparate“). Dass es sich dabei überwiegend um Waren mit sexuellem bzw. erotischem Bezug handele, sei irrelevant. Der einschlägige Bebauungsplan unterscheide drei Einzelhandelsvarianten: (1) Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten, (2) Einzelhandelsbetriebe mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten sowie (3) die den zulässigen Gewerbebetrieben zugeordneten Einzelhandelsbetriebe. Ein spezialisierter Anlagentyp „Einzelhandelsgeschäft mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment“ könne nicht berücksichtigt bzw. anerkannt werden. Eine „Unterdefinition“ bezüglich eines spezialisierten Warenangebots könne nur durch den Satzungsgeber, nicht aber durch das Gericht erfolgen. Es sei eindeutig, dass sich das Angebot des beantragten Erotikshops den Warengruppen des (für das Baugrundstück zulässigen) nicht zentrenrelevanten Sortiments gem. Nr. III 1.3.1 der textlichen Festsetzungen nicht zuordnen lasse. Der Shop sei auch keinem Gewerbebetrieb zugeordnet. Der Umstand, dass es fraglich sein könne, ob das Angebot des beantragten Sexshops im Sinne der einleitenden Umschreibung gem. Nr. III 1.3.2 der textlichen Festsetzungen verhältnismäßig viele Besucher in die Innenstädte ziehe bzw. zusammen mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werde, sei nicht ausschlaggebend, weil dies ebenfalls für die ausdrücklich als zentrenrelevant aufgezählten, sich ebenfalls an eine lediglich begrenzte Käuferschicht wendenden Sortimente „Jagd- und Anglerbedarf“ sowie „Waffen“ gelte. Nach Nr. V.3 der Begründung des Änderungsbebauungsplans seien für die Erweiterung des Zulässigkeitsmaßstabs gewollte Impulse für eine städtebauliche Aufwertung des Gewerbegebiets ausschlaggebend gewesen, die – jedenfalls nach überwiegender Meinung – von einem Sex-Shop nicht ausgingen. Daraus werde ersichtlich, dass entscheidend nicht die pauschale einleitende Beschreibung für die Differenzierung sein könne, sondern nur die konkreten, aufgezählten Warengruppen. Die festgesetzten Sortimentsausschlüsse beträfen Grundzüge der Planung, weshalb auch eine Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB ausscheide.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen entweder nicht vor oder wurden nicht ausreichend am Maßstab von § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.
1. Die Berufung ist nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts sind nach Maßgabe der Zulassungsbegründung nicht ersichtlich.
a) Die Einwände der Klägerin gegen die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Vorhaben stünden durch Bebauungsplan festgesetzte Sortimentsbeschränkungen entgegen, greifen nicht durch.
Von der Klägerin wurde die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Wirksamkeit der Sortimentsbeschränkungen durch Nr. III.1.2 i.V. mit Nr. III.1.3.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans und deren ebenfalls vom Verwaltungsgericht angenommene grundsätzliche Geltung für das Baugrundstück nicht in Frage gestellt (zur grundsätzlichen Möglichkeit von Sortimentsbeschränkungen gem. § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98 = juris Rn. 13 ff.; BayVGH, U.v. 12.5.2015 – 15 N 13.2533 – juris Rn. 52; OVG NRW, U.v. 18.5.2010 – 10 D 92/08.NE – juris Rn. 68 ff.). Die Klägerin hat auch die Ausgangsthese des Verwaltungsgerichts, dass ein Einzelhandelsbetrieb mit einem Warenangebot, das zwar nicht ausschließlich, aber überwiegend (hier zu 60,7%) den zentrenrelevanten Sortimenten gemäß Nr. III 1.3.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans unterfällt, auf dem Baugrundstück planungsrechtlich unzulässig ist, nicht substanziiert angegriffen.
Soweit die Klägerin vorbringt, das Erstgericht habe verkannt, dass im vorliegenden Fall ein Einzelhandelsgeschäft mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment gegeben sei, welches nicht mit den Anlagentypen des Bebauungsplans gleichgesetzt werden könne, und dass aufgrund des sexuellen Bezugs die Waren nicht z.B. als Drogerieartikel qualifiziert werden könnten, vermag sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht zu begründen.
Mit Blick auf die ausgiebige Begründung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin bereits die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO für die Geltendmachung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllt. Auch die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils verlangt eine substanzielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes. Schon wegen der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe im Zulassungsverfahren einerseits und im nachfolgenden Berufungsverfahren andererseits genügt es in der Regel nicht, etwa unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen und unter schlichter Wiederholung der eigenen Ansichten die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Auch eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (zum Ganzen BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung der Klägerin nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem bereits erstinstanzlich von der Klägerin erhobenen Einwand der Klägerin, sex- bzw. erotikbezogene Waren seien der Terminologie der „zentrenrelevanten Sortimente“ nicht zuzuordnen, intensiv befasst und hat eine entsprechende Auslegung des Änderungsbebauungsplans vorgenommen. Es ist nach ausgiebiger Betrachtung der Für und Wider (vgl. Seiten 7 bis 9 des angegriffenen Urteils) zum überzeugenden Ergebnis gekommen, dass der Umstand, dass das beabsichtigte Warenangebot einen sexuellen bzw. erotischen Bezug hat, nicht dazu führt, dass dieses nicht den „zentrenrelevanten Sortimenten“ i.S. von Nr. III.1.3.2 des Änderungsbebauungsplans zuzuordnen sei. Mit den entscheidungstragenden Einzelargumenten, mit denen das Verwaltungsgericht sein Auslegungsergebnis im Detail begründet hat, hat sich die Klägerin in ihrem Zulassungsvorbringen nicht hinreichend substanziiert auseinandergesetzt.
Ihr Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen auf die These, es handele es sich bei Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevantem Warensortiment i.S. von Nr. III.1.3.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans nur um Geschäfte, die solche Waren an den Endverbraucher verkauften, die typischerweise in zentralen Lagen bzw. in Stadtzentren vertreten seien. Neben dem Wortlaut spreche hierfür die teleologische Auslegung. Es sei darauf abzustellen, inwieweit auch der Endverbraucher damit rechnen könne, dass er die Waren in einem Stadtzentrum erwerben könne. Ein Bürger oder ein Besucher von N**- … rechne eher damit, dass Sexartikelbetriebe außerhalb des Stadtzentrums angesiedelt seien. Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevantem Warensortiment, mit denen im Stadtzentrum zu rechnen sei, seien demgegenüber klassische Geschäfte, wie Modehäuser, Drogeriemärkte, Elektrogeschäfte etc. Der geplante Sexshop der Klägerin stelle aber keinen klassischen Einzelhandelsbetrieb in diesem Sinne dar. Die Sortimentsbeschränkung des Änderungsbebauungsplans sei auf den geplanten Einzelhandelsbetrieb der Klägerin nicht anwendbar, zumal das Konzept der Beklagten dazu diene, die Innenstädte vor dem Aussterben zu bewahren. Der geplante Einzelhandel der Klägerin stelle aber einen Betrieb dar, der nicht die Mehrzahl der Bürger und Besucher der Stadt, sondern nur einen bestimmten, begrenzten Personenkreis anspreche. Weder erwarte der Endverbraucher, dass ein Sexshop im Stadtzentrum angesiedelt sein müsse, noch sei zu erwarten, dass gerade diese Form des Einzelhandels einer drohenden Abwanderung von Geschäften in der Innenstadt entgegenwirken könne.
Eine substanziierte Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Argumenten des Verwaltungsgerichts, warum es für die Zuordnung zum Bereich der zentrenrelevanten bzw. nicht-zentrenrelevanten Sortimente nicht entscheidend auf die einleitenden Beschreibungen in Nr. III.1.3.1 und Nr. III.1.3.2 der textlichen Festsetzungen, sondern speziell auf die konkret aufgelisteten Warengruppen ankomme, findet sich in der Zulassungsbegründung hingegen nicht. Die von der Klägerin allein thematisierte Frage einer abstrakten Auslegung der Begriffe „zentrenrelevante“ und „nicht-zentrenrelevante Sortimente“ anhand der einleitenden Beschreibungen der Warenlisten können aber erst dann entscheidungserheblich und im Zulassungsverfahren von Relevanz sein, wenn es hierauf überhaupt ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 23 m.w.N.). Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die aufgelisteten Waren bzw. Warengruppen lediglich Regelbeispiele darstellten, die nach Maßgabe der konkreten Festsetzung des Bebauungsplans nur dann den Begriffen der „zentrenrelevanten“ und „nicht-zentrenrelevanten Sortimente“ unterfielen, wenn sie von den einleitenden Umschreibungen gedeckt wären. Dies hat aber das Verwaltungsgericht (Seiten 8 f. des Urteils) mit der Begründung verneint, dass einzelne unter Nr. III.1.3.2 ausdrücklich als zentrenrelevant aufgeführte Warengruppen wie „Jagd- und Anglerbedarf“ sowie „Waffen“ ebenfalls verhältnismäßig wenige Besucher in die Innenstädte ziehen dürften. Ergänzend hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass es das Ziel der Bebauungsplanteiländerung M … „Z* … … / 2. Fortschreibung“ aus dem Jahr 2012 gewesen sei, Impulse für eine städtebauliche Aufwertung des Gewerbegebiets zu geben; solche gingen aber nach überwiegender Meinung von einem Sex-Shop gerade nicht aus. Zu der hiermit begründeten, entscheidungstragenden These des Verwaltungsgerichts, es komme maßgeblich auf die aufgezählten Warengruppen und nicht entscheidend auf die pauschalen einleitenden Beschreibungen der Sortimentslisten an, findet sich aber in der Zulassungsbegründung kein Gegenvortrag.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass generalklauselartig formulierte Sortimentsbeschränkungen in Bebauungsplänen – die z.B. mit „zentrenrelevant“, „innenstadtrelevant“, „citytypisch“, „nahversorgungsrelevant“, „branchentypisch“ o.ä. umschrieben werden – häufig Problemfragen hinsichtlich des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots (Gebot der Normenklarheit) aufwerfen, die über konkretisierende Sortimentslisten gelöst werden können (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2012 – 4 BN 32.12 – BauR 2013, 561 = juris Rn. 4; OVG Rh-Pf, U.v. 1.6.2011 – 8 A 10399/11 – BauR 2011, 1624 = juris Rn. 26 ff.; U.v. 7.3.2013 – 1 C 10544/12 – BauR 2013, 1230 = juris Rn. 43; VGH BW, U.v. 4.5.2007 – 5 S 2484/05 – BauR 2008, 633 = juris Rn. 21 ff.; U.v. 8.5.2012 – 8 S 1739/10 – BauR 2012, 1761 = juris Rn. 91; U.v. 7.6.2016 – 3 S 250/16 – BauR 2016, 1744 = juris Rn. 28 f.; OVG NRW, U.v. 11.12.2006 – 7 A 964/05 – BauR 2007, 845 = juris Rn. 48 ff.; U.v. 18.5.2010 – 10 D 92/08.NE – juris Rn. 79 ff.). Absatz 3 der Nr. III.1.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans aus dem Jahr 2012 löst dieses Problem, indem zur Frage, welche Einzelhandelsbetriebe unzulässig sind, ausdrücklich auf die „Sortimentsliste unter III.1.3.2“ – mithin auf die aufgelisteten Warengruppen und nicht auf die einleitenden Umschreibungen – verwiesen wird. Damit dürfte sowohl die semantische als auch die teleologische Auslegung des Änderungsbebauungsplans das Ergebnis des Verwaltungsgerichts stützen, dass hinsichtlich der Frage, welche Einzelhandelsbetriebe gem. Nr. III.1.2, Nr. III.1.3.2 der textlichen Festsetzungen ausgeschlossen sind, auf die insofern als abschließend zu verstehende Warengruppenauflistung in der Sortimentsliste gemäß Nr. III.1.3.2 abzustellen ist (vgl. auch OVG Rh-Pf, U.v. 7.3.2013 a.a.O.).
Der Vorhalt der Klägerin, die Beklagte habe in keinem Verfahrensstand vorgebracht, dass sex- und erotikbezogene Artikel gerade im Zentrum der Stadt gekauft werden könnten und dort auch erwünscht seien, ist für die Auslegung der hier einschlägigen Sortimentsbeschränkung im Gewerbegebiet unergiebig.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet auch die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der festgesetzten Sortimentsbeschränkung nicht vorlägen, weil eine Abweichung von dieser Festsetzung die Grundzüge der Planung berühren würde, keinen ernstlichen Zweifeln.
Der Kläger trägt im Zulassungsverfahren zur Begründung seiner Einwendung vor, Sinn und Zweck des Zentrenkonzepts sei die Förderung und Erhaltung der Ortsmitte der Beklagten. Es werde bezweifelt, dass es der Beklagten auch um den Erhalt bzw. die Förderung von Betrieben mit Sex- und Erotikartikeln gehe, zumal laut einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen im Innenstadtbereich Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment gerade ausgeschlossen werden sollten. Weshalb demgegenüber im vorliegenden Fall gerade ein Sexshop als Einzelhandel mit zentrenrelevantem Konzept qualifiziert werde, sei nicht verständlich. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass die Beklagte ein Geschäft der Klägerin mit diesem Warensortiment explizit in der Innenstadt bevorzuge. Auch wenn es sich bei der Sortimentsfestsetzung als Bestandteil der Steuerung der Einzelhandelsentwicklung im Stadtzentrum um ein Grundkonzept der baulichen Planung handele, würden mit einer Befreiung von diesem Konzept zugunsten der Klägerin Grundzüge der Planung vorliegend nicht berührt, da Sinn und Zweck des Konzepts hierdurch gerade nicht tangiert würden.
Diese Argumentation vermag eine Berufungszulassung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu stützen. Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung bezeichnet das Gesetz die durch die Hauptziele der Planung bestimmte Grundkonzeption eines Bauleitplans. Beim Bebauungsplan manifestieren sich die Grundzüge in den seine Hauptziele umsetzenden Festsetzungen. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich jeweils nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Kommune. Unter welchen Voraussetzungen die Grundzüge der Planung berührt werden, lässt sich nicht allgemeingültig formulieren; maßgeblich ist die jeweilige Planungssituation. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung Spannungen hineinträgt oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind. Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Kommune und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. zusammenfassend BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 15 ZB 15.468 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht zweifelhaft, dass die Erteilung einer Befreiung hier ausscheidet, weil es sich hinsichtlich des Sortimentsausschlusses gem. Abs. 3 der Nr. III.1.2 i.V. mit Nr. III.1.3.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans um einen Grundzug der Planung handelt [vgl. unten aa) ] und dieser durch die beantragte Befreiung berührt würde [vgl. unten bb) ].
aa) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei der festgesetzten Sortimentsbeschränkung mit den Ausschlussregelungen gemäß Abs. 3 der Nr. III.1.2 i.V. mit Nr. III.3.1.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans um einen Grundzug der Planung im Sinn von § 31 Abs. 2 BauGB handelt. Dies lässt sich ohne Weiteres der Begründung der Bebauungsplanteiländerung M … „Z* … … / 2. Fortschreibung“ aus dem Jahr 2012 entnehmen. Tragendes Ziel des Änderungsbebauungsplans war gemäß Nr. V.2 die Umsetzung der vom Stadtrat im Mai 2009 auf der Grundlage eines Gutachtens beschlossenen 2. Fortschreibung des „Z* … …“ der Beklagten. Da die Sortimentsbeschränkungsregelungen in Nr. III.1.1 für das Gewerbegebiet 3 (GE 3) und gem. Nr. III.1.2 für das Gewerbegebiet 4 (GE 4) zusammen mit den konkretisierenden Listen (Nr. III.1.3) laut der Planbegründung auch und gerade zur Umsetzung des o.g. Ziels getroffen wurden und zudem diese Regelungen – neben der Bestätigung der festgesetzten generellen Nutzungsart (Gewerbegebiet, § 8 BauNVO) – den eigentlichen Kernpunkt der Bebauungsplanteiländerung aus dem Jahr 2012 darstellen, handelt es sich hierbei zweifelsfrei und offensichtlich um einen Grundzug der Planung. Das der Sortimentsbeschränkung zugrunde liegende Konzept soll nach der Planbegründung (Nr. V.2) „als nachvollziehbare und transparente Grundlage bei der Beurteilung künftiger Bauvorhaben sowohl für Investoren und Grundstückseigentümer als auch für Stadtrat und Verwaltung dienen“. Insofern geht die Klägerin in der Annahme fehl, das Planungskonzept verfolge ausschließlich die Steuerung der Einzelhandelsentwicklung im Stadtzentrum, zumal sie sich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seite 10 des angegriffenen Urteils), wonach laut der Begründung des Änderungsbebauungsplans (vgl. Abs. 4 unter Nr. V.3) auch eine städtebauliche Aufwertung des Gewerbegebietes beabsichtigt gewesen sei, nicht substanziiert auseinandergesetzt hat.
bb) Mit Blick auf eine mögliche Vorbildwirkung (vgl. auch BayVGH, U.v. 8.12.2015 – 15 B 14.1840 – juris Rn. 18 m.w.N.) ist auch nicht fraglich, dass der von der Klägerin geplante Erotikshop diesen Grundzug der Planung berühren würde. Im Übrigen ist das Argument der Klägerin, Grundzüge der Planung könnten nicht berührt werden, weil eine Befreiung auf die Einzelhandelsentwicklung im Stadtzentrum keine Auswirkung habe und daher „Sinn und Zweck des Konzepts nicht tangieren“ könnte, unbehelflich. Denn das Planungskonzept der Bebauungsplanteiländerung M … „Z* … … / 2. Fortschreibung“ begrenzt sich – wie bereits aufgezeigt – nicht ausschließlich darauf, die Einzelhandelsentwicklung im Stadtzentrum zu steuern.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 33 m.w.N.).
Die vom Kläger aufgeworfene und als grundsätzlich bezeichnete Frage, „ob es sich bei einem Einzelhandelsgeschäft mit Sex- und Erotiksortiment um einen Einzelhandelsbetrieb mit zentrenrelevantem Sortiment handele“, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Auslegung der Reichweite einer Festsetzung in einem Bebauungsplan ist nicht verallgemeinerungsfähig, sondern eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Das gilt auch für generalklauselartige Begriffe im Rahmen von Sortimentsbeschränkungen, selbst wenn diese – wie z.B. hier die „zentrenrelevanten“ bzw. „nicht-zentrenrelevanten Sortimente“ – so oder so ähnlich bundesweit in Bebauungsplänen benutzt werden. Insbesondere zeigt die bereits oben zu 1. a) (a.E.) zitierte Rechtsprechung zur Frage der hinreichenden Bestimmtheit solcher Begrifflichkeiten, dass diese auf unterschiedliche Weise durch begleitende Regelungen konkretisiert bzw. durch in der jeweiligen Planbegründung manifestierte Umstände mitdefiniert werden können (vgl. insbesondere BVerwG, B.v. 21.12.2012 – 4 BN 32.12 – BauR 2013, 561 = juris Rn. 4; OVG Rh-Pf, U.v. 1.6.2011 – 8 A 10399/11 – BauR 2011, 1624 = juris Rn. 28; U.v. 7.3.2013 – 1 C 10544/12 – BauR 2013, 1230 = juris Rn. 43). Je nach Regelungstechnik, je nach Regelungsinhalt konkretisierender bzw. begleitender Festsetzungen bzw. je nach dem konkreten Regelungsbezug und den Einzelumständen (vgl. VGH BW, U.v. 8.5.2012 – 8 S 1739/10 – BauR 2012, 1761 = juris Rn. 91; nach Maßgabe der Planbegründung vgl. VGH BW, U.v. 4.5.2007 – 5 S 2484/05 – BauR 2008, 633 = juris Rn. 23) können daher dieselben sortimentsbezogenen Begrifflichkeiten in unterschiedlichen Bebauungsplänen unterschiedliche Bedeutung bzw. Reichweite haben. Insofern ist die Frage der „Zentrenrelevanz“ eines Sexshops – worauf die Beklagte im Zulassungsverfahren zu Recht hingewiesen hat – für jede Einzelhandelsregelung in einem Bebauungsplan gesondert zu prüfen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Frage der Auslegung des jeweiligen Bebauungsplans, die keiner rechtsgrundsätzlichen, vereinheitlichenden Klärung zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2012 a.a.O.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Nr. 9.1.2.1, Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs (220 m² Verkaufsfläche x 150 Euro/m² = 33.000 Euro, hälftig wegen Bauvorbescheid). Sie folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen