Baurecht

Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang

Aktenzeichen  4 ZB 17.1989

Datum:
22.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32463
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
WHG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4, § 46 Abs. 2, § 54

 

Leitsatz

Das Verrieseln bzw. Versickern von gebrauchtem Schwimmbadwasser ist nicht nach § 46 Abs. 2 WHG erlaubnisfrei, weil nach dieser Vorschrift das Einleiten von Niederschlagswasser in das Grundwasser keiner Erlaubnis bedarf. Für die Versickerung von gebrauchtem Schwimmbadwasser auf dem Grundstück bedarf es daher einer wasserrechtlichen Genehmigung.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 K 16.1355 2017-09-04 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 4. September 2017 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte betreibt eine öffentliche Entwässerungsanlage, für die nach ihrer Entwässerungssatzung ein Anschluss- und Benutzungszwang für bebaute Grundstücke besteht. Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks im Gemeindegebiet der Beklagten, auf dem sich ein an die Entwässerungsanlage der Beklagten angeschlossenes Gebäude und ein unmittelbar an das Gebäude angrenzendes Schwimmbecken befinden. Das Schwimmbecken besitzt keinen Kanalanschluss.
Nach Aufforderung durch die Beklagte, ein in den Straßengrund führendes Ablaufrohr des Schwimmbads zu beseitigen, stellte der Kläger für dessen Entwässerung einen Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, den die Beklagte ablehnte.
Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. September 2017 ab. Der Kläger unterliege nach der Entwässerungssatzung der Beklagten als Eigentümer eines erschlossenen Grundstücks dem Anschluss- und Benutzungszwang. Dieser erstrecke sich auf häusliches Abwasser, zu dem auch das aus dem Schwimmbecken abzuleitende Wasser zähle. Der Anschluss des Schwimmbeckens sei rechtlich und tatsächlich möglich. Sofern das natürliche Gefälle zum Kanal nicht ausreiche, könne der Höhenunterschied durch eine Hebeanlage überwunden werden. Der Anschluss- und Benutzungszwang sei auch unter Berücksichtigung der vom Kläger behaupteten Notwendigkeit einer Hebeanlage und deren Kosten nicht unzumutbar. Die behaupteten Anschlusskosten in Höhe von 15.000 Euro seien im Verhältnis zum Grundstückswert nicht unverhältnismäßig. Das Erfordernis einer Hebeanlage sei allerdings in keiner Weise belegt, zumal das Schwimmbecken direkt neben dem an die öffentliche Kanalisation angeschlossenen Gebäude liege. Die Möglichkeit einer zulässigen anderweitigen Entsorgung des Abwassers, z.B. durch „Verrieselung“, bestehe nicht. Weder seien die Voraussetzungen hierfür nach dem vom Kläger zitierten Merkblatt des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft gegeben, noch besitze der Kläger die für eine Versickerung notwendige wasserrechtliche Erlaubnis. Das zuständige Wasserwirtschaftsamt habe mitgeteilt, dass diese nicht erteilt werden könne. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse des möglichst flächendeckenden Anschlusses an die öffentliche Kanalisation, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung der kommunalen Abwasserbeseitigung als Pflichtaufgabe der Gemeinde.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach § 6 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten (im Folgenden: EWS) verneint.
Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten infrage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838).
a) Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe die Reichweite der Zumutbarkeit im Sinn von § 6 Abs. 1 EWS verkannt, weil es im Rahmen der Abwägung nicht nur auf das Verhältnis der Anschlusskosten zum Grundstückswert hätte abstellen dürfen, sondern auch die Möglichkeit der Versickerung hätte in Betracht ziehen müssen. Selbst wenn das Wasser des Schwimmbads Abwasser im Sinn von § 54 WHG sei, müsse dieses nicht über die öffentliche Kanalisation entsorgt werden. Es sei anerkannt, dass eine Entsorgung durch flächige Versickerung möglich sei, wenn der Aktivkohlegehalt unter 0,05 mg/l liege und eine ausreichend große Versickerungsfläche vorhanden sei. Der von der Beklagten geforderte Anschluss diene daher nicht dem Gemeinwohl, verursache aber für den Kläger Kosten, die angesichts der sporadischen Nutzung des Grundstücks unverhältnismäßig seien. Auf den vorhandenen Grundstücksanschluss komme es nicht an, weil die Versickerung immer die bessere Entsorgungsmöglichkeit sei.
b) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit des Urteils in Zweifel zu ziehen, denn das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der Abwägung zur Unzumutbarkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs nach § 6 Abs. 1 EWS nicht nur auf das Verhältnis zwischen Anschlusskosten und Grundstückswert abgestellt, sondern auch die vom Kläger vorgetragene Möglichkeit, das Wasser auf dem weitläufigen Grundstück versickern zu lassen, in den Blick genommen (vgl. S. 11 f. der Urteilsgründe). Es hat eine Unzumutbarkeit des Anschlusses an die öffentliche Entsorgungseinrichtung unter diesem Gesichtspunkt jedoch zutreffend verneint. Die Versickerung von Wasser stellt nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG eine Gewässerbenutzung dar, die nach § 8 Abs. 1 WHG der Erlaubnis bedarf. Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht besteht vorliegend nicht, insbesondere ist das Verrieseln bzw. Versickern des gebrauchten Schwimmbadwassers nicht nach § 46 Abs. 2 WHG erlaubnisfrei, weil diese Ausnahmeregelung lediglich das Versickern von Niederschlagswasser betrifft. Da somit für die Versickerung auf dem Grundstück eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist, dem Kläger eine solche aber weder erteilt noch in Aussicht gestellt wurde (vgl. Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 24. Juni 2015), hat das Verwaltungsgericht der Versickerungsmöglichkeit im Rahmen der Abwägungsentscheidung zutreffend kein Gewicht beigemessen, weil lediglich rechtlich zulässige Entsorgungsmöglichkeiten in die Abwägung einfließen können. Sofern der Kläger demgegenüber weiterhin der Meinung ist, die Voraussetzungen für eine wasserrechtliche Genehmigung zur Versickerung des Wassers auf seinem Grundstück seien gegeben oder eine Versickerung sei erlaubnisfrei möglich, hat er die Möglichkeit, dies mit einem entsprechenden Antrag bei der zuständigen Genehmigungsbehörde klären zu lassen.
Angesichts der Erlaubnispflicht nach den für das Grundstück des Klägers maßgeblichen deutschen Rechtsvorschriften kommt es auf die Ausführungen des Klägers zur zulässigen Oberflächenversickerung von Poolwasser unter Bezugnahme auf eine Internet-Informationsseite eines österreichischen Wasserverbands nicht an. Auch die Tatsache, dass das Schwimmbad nach Angabe des Klägers nur wenig genutzt wird, wurde vom Verwaltungsgericht in die Abwägung einbezogen. Dieser Umstand kann angesichts des Fehlens anderweitiger Entsorgungsmöglichkeiten nicht zur Unzumutbarkeit des Anschlusses führen. Das gilt ebenso im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Anschlusskosten, zumal er weder die Notwendigkeit für eine Hebeanlage noch deren Kosten belegt hat.
3. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt ebenfalls nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit) sowie in ihrer Bedeutung über die Entscheidung des konkreten Einzelfalles hinausgeht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des § 6 EWS auch zu berücksichtigen ist, ob dem Antragsteller eine alternative gemeinwohlverträgliche Abwasserentsorgung möglich ist, die für ihn ohne weitergehende Kosten verbunden ist, ohne dass dem Betreiber der Entsorgungsanlage finanzielle oder sonstige Nachteile entstehen, ist für das Verwaltungsgericht bereits nicht entscheidungserheblich gewesen, weil mangels wasserrechtlicher Erlaubnis die vom Kläger beabsichtigte alternative Abwasserentsorgung nicht in Betracht kam und somit im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägungen nach § 6 EWS auch keine Berücksichtigung finden konnte.
3. Die Berufung ist schließlich auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Der Kläger macht sinngemäß geltend, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt entgegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht hinreichend ermittelt, denn ihm hätte sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage aufdrängen müssen, ob unbehandeltes Poolwasser, das nur wenige Tage im Sommerhalbjahr benutzt wird, zu einer Verunreinigung des Grundwassers führen kann. Ein solches Gutachten sei schriftsätzlich angeboten worden.
Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung verletzt ein Gericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei – wie hier der Kläger – nicht ausdrücklich beantragt hat. Ein in einem Schriftsatz formulierter Antrag allein genügt insoweit nicht (BayVGH, B.v. 11.3.2009 – 4 ZB 08.1122 – juris Rn. 5). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von unbedingten Beweisanträgen, zu kompensieren (std. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 21.10.2008 – 5 ZB 08.229 – juris Rn. 8 m.w.N.). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt; entgegen seinem Vorbringen hätte sich dem Verwaltungsgericht die unterbliebene Beweisaufnahme auch nicht aufdrängen müssen, weil es aus Sicht des Gerichts mangels wasserrechtlicher Erlaubnis auf die Möglichkeit der Versickerung des Abwassers im Rahmen der Zumutbarkeitserwägungen nicht ankam.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Bei Rechtsstreitigkeiten über einen Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich einer kommunalen Entwässerungseinrichtung ist regelmäßig der Auffangwert des § 52 Abs. 1 GKG als Streitwert anzusetzen, soweit nicht ausreichend konkrete Anhaltspunkte für die Höhe der zu erwartenden Anschlusskosten vorliegen (BayVGH, B.v. 19.2.2018 – 4 C 17.1098- juris). Da der Kläger die behaupteten Anschlusskosten nicht durch Kostenvoranschläge oder andere nachvollziehbare Unterlagen nachgewiesen hat, war hier somit der Auffangwert als Streitwert anzusetzen. Der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts war entsprechend abzuändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtkräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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