Baurecht

Befreiung von Verboten einer Wasserschutzgebietsverordnung

Aktenzeichen  W 4 K 17.827

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145411
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 52

 

Leitsatz

1 Bei der Erteilung einer Befreiung von den Verboten einer Wasserschutzgebietsverordnung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Danach ist eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers nur dann nicht zu besorgen, wenn die Möglichkeit ihres Eintritts aufgrund der wasserwirtschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen, sei es auch bei ungewöhnlichen Umständen, nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich ist. Unmaßgeblich ist dabei auch die Schwere des Grades der zu besorgenden schädlichen Verunreinigung, da § 52 WHG jede Verschlechterung der Eigenschaften des Grundwassers gegenüber dem vorherigen Zustand, sei es auch nur graduell und in geringstem Ausmaß, verhindern will. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dieser Maßstab wird verkannt, wenn argumentiert wird, dass durch die Errichtung einer neuen Kleinkläranlage gegenüber dem bisherigen bestehenden Zustand eine Verbesserung eintrete. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 22. Mai 2014 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte und der Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Das Gericht konnte vorliegend ohne weitere mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden, da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 8. August 2017 ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist die vom Landratsamt Aschaffenburg mit Bescheid vom 22. Mai 2014 dem Beigeladenen erteilte Befreiung von diversen Verboten der Verordnung des Landratsamts Aschaffenburg über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für die Brunnen I bis IV in den Gemarkungen Dettingen, Kleinostheim, Rückersbach und Hörstein, für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde Karlstein am Main vom 6. Oktober 2003. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Befreiung im Wesentlichen mit der Begründung, sie befürchte eine konkrete Grundwassergefährdung im Einzugsbereich ihrer gemeindlichen Brunnen. Die aus diesem Grund erhobene Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Die vom Beklagten erteilte Befreiung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die von der Klägerin erhobene Drittanfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat in seiner diesem Verfahren zugrundeliegenden Eilentscheidung vom 20. Februar 2015 (Az. 8 CS 14.2590) diesbezüglich ausgeführt, dass zwar die frühere Rechtsprechung eine Klagebefugnis der Träger der öffentlichen Wasserversorgung gegen die Zulassung von Ausnahmen von Verboten einer Schutzgebietsverordnung verneint habe, da der Träger der öffentlichen Wasserversorgung durch die Wasserschutzgebietsverordnung nur reflexartig betroffen sei. Es spreche allerdings viel dafür, dass diese Auffassung im Lichte der mittlerweile durch die unionsrechtlich vorgegebenen Qualitätsanforderungen für das Trinkwasser (vgl. Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABI EG Nr. L 330 S. 32) und angesichts der in § 14 Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) verankerten Unternehmerpflichten mit Art. 83 BV nicht mehr vereinbar sei. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser gehöre danach zu den Kernaufgaben der Gemeinde. Die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets und die dafür festgesetzten Verbote dienten nicht nur der Sicherung der Wasserversorgung an sich, sondern auch der Garantie gesundheitlich unbedenklichen Wassers, zu dessen Lieferung die Gemeinde verpflichtet sei. Die Kammer schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Demnach kann die Begünstigung der Gemeinde nicht mehr als Rechtsreflex verstanden werden, es besteht vielmehr die Möglichkeit, dass die Klägerin als Trägerin der Trinkwasserversorgung für ihr Gemeindegebiet in ihren Rechten aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzt ist (so auch Hess.VGH v. 17.8.2011, 2 B 1484/11 – juris Rn. 9).
Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang aber auch, dass ausweislich der Wasserschutzgebietsverordnung – nachfolgend: WSG-VO – das Wasserschutzgebiet ausdrücklich für die Klägerin vorgehalten wird. Gemäß § 1 WSG-VO dient es zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung für die Gemeinde Karlstein a.Main. Damit versteht es sich aber von selbst, dass die Klägerin im Hinblick auf die dem Beigeladenen erteilte Befreiung zum Kreis der qualifiziert und individualisiert geschützten Dritten gehört. Die Klägerin hat mit ihrer substantiiert vorgetragenen Befürchtung, das von ihr für Zwecke der Trinkwasserversorgung im Wasserschutzgebiet vorgehaltene Grundwasser werde durch das Vorhaben des Beigeladenen in seiner Qualität beeinträchtigt, auch eine Verletzung von eigenen Rechten durch die dem Beigeladenen erteilte Befreiung und damit den ihr zustehenden Anspruch auf ermessensgerechte Beachtung und Würdigung ihrer Belange geltend gemacht. Die Klage ist somit zulässig.
2. Die Klage ist auch begründet, denn der Bescheid des Beklagten vom 22. Mai 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO).
a) Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist der vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Mai 2014 genannte § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde von Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten einer Wasserschutzgebietsverordnung eine Befreiung erteilen, wenn der Schutzzweck nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.
Vorliegend hat das Landratsamt Aschaffenburg als gemäß Art. 63 Abs. 1 BayWG und Art. 3 Abs. 1 BayVwVfG sachlich und örtlich zuständige Behörde eine solche Befreiung von dem in § 3 Abs. 1 Nr. 4.1 der WSG-VO normierten Verbot der Errichtung und Erweiterung von Abwasserbehandlungsanlagen erteilt. Ebenso wurde eine Befreiung von § 3 Abs. 1 Nr. 4.5 WSG-VO erteilt, wonach es verboten ist, Anlagen zur Versickerung oder Versenkung von Abwasser zu errichten oder zu erweitern.
b) Gegen die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit der WSG-VO vom 6. Oktober 2003 bestehen seitens des Gerichts insbesondere auch im Hinblick auf das Verbot in § 3 Abs. 4 Nr. 4.1 und Nr. 4.5 der WSG-VO keine Bedenken. Solche wurden auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht. Die Verordnung selbst findet ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WHG a.F. i.V.m. Art. 35 BayWG a.F. (jetzt § 51 WHG n.F.), wobei § 19 Abs. 1 WHG a.F. ausdrücklich auch den Schutz der künftigen öffentlichen Wasserversorgung vorsah. Die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes ist bereits dann erforderlich, wenn sie vernünftigerweise geboten ist, um eine Beeinträchtigung der Eignung des für Trinkwasserzwecke in Anspruch zu nehmenden Grundwassers zu vermeiden und entsprechende Restrisiken weiter zu vermindern (vgl. BayVGH v. 18.12.1996, ZfW 1997, 236 ff.).
c) Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG ergibt, liegt die Erteilung einer Befreiung im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Maßgeblich für die Zulassung der Befreiung ist insbesondere, ob diese mit der Zwecksetzung des Wasserschutzgebiets, d.h. mit der Sicherung der aktuellen und künftigen Trinkwasserversorgung der Klägerin vereinbar ist („wenn der Schutzzweck nicht gefährdet wird“). Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass in diesem Rahmen von der zuständigen Behörde ein strenger Maßstab anzulegen ist. Hierbei ist von den Grundsätzen auszugehen, die zu der Grundwasserschutzbestimmung des § 34 WHG a.F. entwickelt worden sind (vgl. BVerwG v. 16.7.1965, DVBl 1966, 496 ff.; v. 26.6.1970, NJW 1971, 396; Gössl in Sieder/Zeitler/Dahmer/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, Kommentar, 51. EL, Februar 2017, § 52 Rn. 75 ff. m.w.N.). Danach ist eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers nur dann nicht zu besorgen, wenn die Möglichkeit ihres Eintritts aufgrund der wasserwirtschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen, sei es auch bei ungewöhnlichen Umständen, nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG v. 16.7.1965, a.a.O.). Unmaßgeblich ist dabei auch die Schwere des Grades der zu besorgenden schädlichen Verunreinigung, da § 52 WHG jede Verschlechterung der Eigenschaften des Grundwassers gegenüber dem vorherigen Zustand, sei es auch nur graduell und in geringstem Ausmaß, verhindern will (so auch Gössl in Sieder/Zeitler/Dahmer/Knopp, a.a.O., § 52 Rn. 78).
d) Der Beklagte hat diesen strengen Prüfungsmaßstab vorliegend allerdings nach Überzeugung der Kammer nicht angelegt. Er hat die streitgegenständliche Befreiung allein damit begründet, dass durch die Errichtung einer neuen Kleinkläranlage gegenüber dem bisherigen bestehenden Zustand eine Verbesserung eintrete. Durch die verbindliche Vorgabe einer zusätzlichen Hygienisierungsstufe sei auch sichergestellt, dass eine bestmögliche Reinigung des Abwassers erfolge. Dem Schutzzweck des Wasserschutzgebietes sei mit dieser neuen Anlage mehr gedient. Entsprechend dem Abwasserkonzept der Stadt Alzenau aus dem Jahr 2005 sei ein Anschluss des Anwesens an die Abwasseranlage der Stadt Alzenau auch nicht möglich. Nach den einschlägigen Ausführungen der Fachbehörden sei eine Beeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung der Gemeinde Karlstein a.Main nicht zu erwarten.
Diese Erwägungen werden zweifellos dem oben dargelegten Besorgnisgrundsatz nicht gerecht. Insbesondere die Argumentation, dass durch die Errichtung einer neuen Kleinkläranlage gegenüber dem bisherigen bestehenden Zustand eine Verbesserung eintrete, übersieht, dass die erteilte Befreiung nur und insbesondere daran zu messen ist, ob ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung bzw. des davon Gebrauchmachens eine nachteilige Veränderung des Grundwassers, sei es auch nur graduell oder in geringstem Ausmaß, auch bei ungewöhnlichen Umständen nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich ist. Im Übrigen kann dem Beklagten auch nicht gefolgt werden, wenn er erklärt, dass sich aus den einschlägigen Ausführungen der Fachbehörde ergebe, dass es durch die Befreiung zu keiner Gefährdung des Schutzzweckes der Wasserschutzgebietsfestsetzung komme.
Zwar hat das Wasserwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme vom 25. März 2014 als auch in seinem Schreiben vom 20. November 2014 erklärt, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von einem sicheren Betrieb der Kleinkläranlage des Beigeladenen auszugehen und keine Grundwasserbeeinträchtigung zu erwarten sei.
Andererseits dürfen die Stellungnahmen des Technologiezentrums Wasser vom 14. Oktober 2014 und 7. Dezember 2015 nicht unberücksichtigt bleiben, wonach es nach der Behandlung der häuslichen Abwässer in der Kleinkläranlage zu einem Schmutzwassereintrag im Grundwasser der Trinkwasserschutzzone III kommen könne, der nicht nur technisch messbar sei, sondern die Klägerin auch verpflichten würde, die Grundwasserqualität im Einzelfall durch konkrete Messungen zu überprüfen. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass entsprechende Belastungen unbemerkt blieben und erst im Brunnenwasser erkannt würden. Dann seien die Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich stark eingeschränkt. Auch Belastungen des Brunnenwassers unterhalb von aktuellen Grenzwerten oder gesundheitlichen Orientierungswerten stellten eine Qualitätsverschlechterung des zur Trinkwassergewinnung genutzten Rohwassers dar, die von Verbrauchern abhängig vom jeweiligen Stoff und dessen Konzentration nicht akzeptiert würden und zu weitergehenden kostenintensiven Maßnahmen führen könnten. Weiterhin heißt es in der eben genannten Stellungnahme des Technologiezentrums Wasser, dass entsprechend DVGW-Arbeitsblatt W101 (Juni 2006) Tabelle 1 Nr. 2.1 das „Errichten, Erweitern und Betrieb von Abwasserbehandlungsanlagen einschließlich Kleinkläranlagen mit anschließender Versickerung“ im gesamten Wasserschutzgebiet mit einem sehr hohen Gefährdungspotenzial belegt sei.
Demnach kann vorliegend unter Berücksichtigung des oben dargelegten Besorgnisgrundsatzes nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die streitgegenständliche Befreiung zu nachteiligen Veränderungen des Grundwassers, seien sie auch nur graduell oder in geringstem Ausmaß, kommen kann.
Bestätigt sieht sich das Gericht in dieser Auffassung auch durch die Stellungnahme des Bayer. Landesamtes für Umwelt vom 15. Juli 2015, auf die das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg in seinem Schreiben vom 29. Juli 2015 Bezug nimmt. Danach besteht das in Kleinkläranlagen zu behandelnde Abwasser im Wesentlichen aus Abwasser aus Toiletten (Fäkal- und Schwarzwasser), Sanitäreinrichtungen, Küchen und Waschmaschinen (Wasch- oder Grauwasser). Im häuslichen Schmutzwasser seien zwangsläufig die in den jeweiligen Haushalten verwendeten Produkte, wie z.B. Waschmittel, Reinigungs- und Körperpflegeprodukte enthalten. Bei normalem Gebrauch finde eine Beeinträchtigung der Biologie in der biologischen Reinigungsstufe einer Kleinkläranlage dadurch nicht statt. Durch die biologische Reinigung würden die im Abwasser enthaltenen Inhaltsstoffe in Abhängigkeit von der biologischen Abbaubarkeit reduziert. Ein 100%-iger biologischer Abbau sei technisch allerdings nicht möglich. Darüber hinaus gebe es Stoffe, die schlecht biologisch abbaubar seien. Hier seien die Arzneimittel zu nennen, die nach Einnahme i.d.R. zu einem großen Teil wieder über den Urin ausgeschieden würden. Sie seien biologisch schlecht abbaubar.
Mit anderen Worten: Bei „normalem“ Betrieb ist zwar, worauf auch das Technologiezentrum Wasser zutreffend hinweist, keine Gewässerbeeinträchtigung zu erwarten, wohingegen bei „nicht normalem“ Betrieb eine Beeinträchtigung der Biologie, der biologischen Reinigungsstufe der Kleinkläranlage wahrscheinlich ist. Zudem passieren schlecht abbaubare Stoffe die Kleinkläranlage immer.
Dieses Ergebnis wird auch von den Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg nicht in Abrede gestellt, zumal dieses bereits in einem wasserrechtlichen Gutachten vom 30. September 2002 ausgeführt hat, dass wegen der Gefährdung des Grundwassers für die landwirtschaftlichen Anwesen und damit auch für das Anwesen des Beigeladenen ein Anschluss an das Kanalisationsnetz anzustreben sei. Die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamtes hat diese Aussage auch nochmals im Erörterungstermin, der am 5. April 2016 durchgeführt wurde, bekräftigt. Wegen des Gefährdungspotentials bestehe auch heute noch die Notwendigkeit des Anschlusses an die Kanalisation.
Schließlich zeigt auch die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 17. Oktober 2013 an den Beklagten, dass vorliegend die Gefahr einer schädlichen Gewässerveränderung gegeben ist. Danach stellt eine Kleinkläranlage technisch und betrieblich ein aufwändiges System dar, was äußerst empfindlich auf Nachlässigkeiten im Betrieb reagiert. Biologisch unverträgliche Stoffe dürften nicht in die Anlage gelangen, da sie zu Prozessproblemen führen könnten. Eine genaue Eigenüberwachung und Wartung der Anlage entsprechend der DIN 4261 durch tägliche, wöchentliche und monatliche Betriebskontrollen und Wartungsarbeiten sei unabdingbar.
Im Umkehrschluss muss daraus gefolgert werden, worauf auch der vom Gericht zunächst bestellte Gutachter Prof. Z. in seinem Schreiben vom 27. Juni 2016 hingewiesen hatte, dass eine ordnungsgemäße Funktion der Kleinkläranlage über mehrere Jahrzehnte zwar theoretisch möglich ist, aber auch bei guter Motivation der Betreiber in keinster Weise realistisch ist.
e) Nach alldem steht für die Kammer fest, dass eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Unter Zugrundelegung des o.g. strengen Maßstabs erweist sich damit die streitgegenständliche Befreiung als rechtswidrig.
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Abwasserkonzepts der Stadt Alzenau, des in diesem Verfahren eingeholten Gutachtens des Dr. Ing. Zior sowie des Vortrags des Beklagten, die Stadt Alzenau werde für den Fall, dass der Beigeladene an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden müsse, mit unzumutbaren Kosten belastet. Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot ergibt sich zwar die Verpflichtung, Ausnahmen von den Verboten der Wasserschutzgebietsverordnung zu erteilen, wenn die Durchführung des Verbots zu einer offensichtlich nicht beabsichtigten Härte führen würde. Ein solcher Fall der offensichtlich nicht beabsichtigten Härte ist nach Überzeugung der Kammer vorliegend allerdings nicht gegeben. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die Einhaltung des generellen Verbots im konkreten Einzelfall nicht notwendig wäre, um das durch das Verbot geschützte Wasser zu sichern und um den vom Gesetz zur Erhaltung des Wassers erstrebten Zustand zu gewährleisten (vgl. Gössl in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, a.a.O., § 52 Rn. 78). Wie oben gezeigt und durch die Stellungnahmen der Fachbehörden untermauert, ist das in der WSG-VO geregelte Verbot unter Berücksichtigung des anzuwendenden Besorgnisgrundsatzes aber gerade unerlässlich zur Sicherung des Grundwasserschutzes, so dass auch unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes eine Ausnahme nicht in Betracht kommt.
Im Übrigen würde eine solche Ausnahme vom Verbot die Gegenüberstellung und Abwägung der für und gegen die Maßnahme sprechenden Interessen erfordern (vgl. BVerwG v. 2.8.2012, NVwZ 2013, 227). Ein solcher gerichtlich voll überprüfbarer Abwägungsprozess ist durch den Beklagten vorliegend allerdings nicht erfolgt. Vielmehr hat er lediglich pauschal und ohne substantiierte Prüfung festgestellt, dass aufgrund des Abwasserkonzepts der Stadt Alzenau aus dem Jahr 2005 ein Anschluss des Anwesens an die Abwasseranlage der Stadt Alzenau nicht möglich wäre.
Dem vom Beigeladenenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 8. August 2017 gestellten bedingten Antrag, „dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass durch einen ordnungs- und bescheidsgemäßen Betrieb der Kleinkläranlage und der nachgelagerten Versickerung des gereinigten Abwassers auf dem Grundstück dem durch die Klägerin gewonnenen Rohwasser zusätzliche Stoffe zugeführt werden, die eine zusätzliche Aufbereitung des Rohwassers durch die Klägerin erfordern würden, um es als Trinkwasser nutzen zu können“, war seitens des Gerichts schon deshalb nicht nachzugehen, da es sich lediglich um eine Behauptung und keinen substantiierten Beweisantrag handelt. Sollte der Beigeladenenvertreter mit diesem Antrag das Ziel verfolgt haben, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, bräuchte das Gericht auch einem solchen Beweisantrag nicht nachzugehen, da es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag bzw. Beweisermittlungsantrag handeln würde, der lediglich auf das Auffinden brauchbaren Beweismaterials zielt.
4. Durch die dem Beigeladenen erteilte rechtswidrige Befreiung wird die Klägerin als Trägerin der Trinkwasserversorgung, zu deren Schutz das Wasserschutzgebiet ausgewiesen wurde, auch in ihren subjektiven Rechten verletzt, da durch die erteilte Gestattung eine Grundwasserverunreinigung zu besorgen ist und der Beklagte damit jedenfalls das Recht der Klägerin auf ermessensgerechte Beachtung und Würdigung ihrer Belange verletzt hat.
Der Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 22. Mai 2014 war daher aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 159 VwGO. Da der Beigeladene einen Antrag auf Klageabweisung gestellt hat, hat er sich am Kostenrisiko beteiligt und war so als weitere unterliegende Partei bei der Kostenentscheidung mit zu berücksichtigen.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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