Baurecht

Berechnung der Werterhöhung eines Grundstücks nach städtebaulicher Sanierungsmaßnahme

Aktenzeichen  RO 7 K 16.1883

Datum:
6.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 154 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
ImmoWertV § 15, § 16

 

Leitsatz

1. Bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags besteht zwar der grundsätzliche Vorrang der in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehenen Wertermittlungsverfahren. Kann jedoch eine in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehene Methode nicht angewandt werden, so darf nach anderen geeigneten Methoden gesucht werden (vgl. zum Ganzen BVerwG, BeckRS 2015, 41450; BeckRS 9998, 29847). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Komponentenmethode-Verfahren (auch als „Modell N.“ bezeichnet) ist dem Grunde nach in der Rechtsprechung und Literatur als mögliche Methode der Differenzwertermittlung anerkannt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. November 2016 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Ausgleichsbetragsbescheids bestehen keine Bedenken. Soweit die Klägerin meint, vor der Grundstücksbewertung durch den Gutachterausschuss hätte die Anhörung der Betroffenen erfolgen müssen, damit deren Belange im Gutachten noch berücksichtigt werden können, greift dieser Einwand nicht durch. § 154 Abs. 4 Satz 2 BauGB setzt lediglich voraus, dass dem Grundstückseigentümer vor der Festsetzung des Ausgleichsbetrags Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung geben wird; eine Anhörung vor Erstellung des Wertermittlungsgutachtens ist gerade nicht vorgesehen. Eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs kann darin nicht gesehen werden. Denn dem Betroffenen bleibt, wenn auch in einem späteren Stadium, die Möglichkeit, sich vor Erlass einer belastenden Maßnahme zu äußern. Hiervon hat die Klägerin Gebrauch gemacht. Ob ihre Stellungnahme zu einer Abänderung der Bewertung durch den Gutachterausschuss bzw. die Beklagte hätten führen müssen, ist eine Frage des materiellen Rechts. Sonstige Umstände, die die formelle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids in Zweifel ziehen, sind weder vorgebracht noch ersichtlich.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Die Rechtsgrundlage für die Erhebung des Ausgleichsbetrages findet sich in § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Danach hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Der Ausgleichsbetrag ist nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten (§ 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Hiervon ausgehend trifft die Klägerin dem Grunde nach eine Ausgleichsbetragspflicht. Das in ihrem Eigentum stehende streitgegenständliche Grundstück FlNr. 2024/20 der Gemarkung … lag unzweifelhaft innerhalb des Geltungsbereichs der Sanierungssatzung zum Sanierungsgebiet „B.“. Die Wirksamkeit der Sanierungssatzung wurde von der Klägerin nicht explizit in Frage gestellt. Allenfalls der Einwand, für die gewerblich genutzten Grundstücke der Klägerin hätten keine städtebaulichen Missstände bestanden, könnte in diese Richtung zielen (vgl. § 136 Abs. 2 BauGB). Die Beklagte führte hierzu aus, dass vor Sanierung der (Lkw-)Verkehr von und zum Betrieb der Klägerin ausschließlich über die G. Straße mit der dortigen Wohnbebauung abgewickelt wurde, weil die R.straße ca. 300 m östlich vom klägerischen Grundstück endete, und dies an den Wohnungen entlang der G. Straße zu starken Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub sowie an der Straße selbst zu einem erhöhten Verschleiß geführt habe. Vor diesem Hintergrund von städtebaulichen Missständen bzgl. der Erschließungssituation des klägerischen Grundstücks auszugehen, ist nicht zu beanstanden. Sonstige Mängel der Sanierungssatzung wurden weder geltend gemacht noch sind sie evident erkennbar. Eine „ungefragte Fehlersuche“ des Gerichts ohne entsprechende Anhaltspunkte oder Rügen der Klägerseite gebietet der in § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommende Amtsermittlungsgrundsatz nicht (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2018 – 9 B 26/17 -; U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – jeweils juris). Mit der Aufhebung der Sanierungssatzung „B* …“ zum 1. Februar 2012 entstand auch die Ausgleichsbetragspflicht für die Klägerin (vgl. § 154 Abs. 3 Satz 1, § 162 BauGB).
Gegen die von der Beklagten angenommene sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung bzw. die Höhe des im Bescheid festgesetzten Ausgleichsbetrags für das streitgegenständliche Grundstück ist nichts zu erinnern.
Nach § 154 Abs. 2 BauGB besteht die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert).
Mit welcher Methode diese Differenz und insbesondere die für sie maßgeblichen Anfangs- und Endwerte zu ermitteln sind, wird vom Gesetzgeber nicht vorgegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte hat die Gemeinde sowohl bei der Wahl des anzuwendenden Wertermittlungsverfahrens als auch bei dessen Umsetzung einen Wertermittlungsspielraum, der nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Die Einräumung eines Wertermittlungsspielraums beruht zum einen darauf, dass der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung zur Methode der Wertermittlung getroffen hat, sich aus den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) nur allgemeine Grundsätze ergeben und der Gesetzgeber zur Wertermittlung unabhängige Gutachterausschüsse eingerichtet hat. Zum anderen folgt der Wertermittlungsspielraum daraus, dass die eigentliche Bewertung nur im Wege einer Schätzung möglich ist, die Erfahrung sowie Expertise von Fachleuten erfordert, über die ein insoweit nicht sachkundiges Gericht weniger verfügt als etwa Mitglieder von Gutachterausschüssen. Das vom Gutachterausschuss gefundene Ergebnis kann daher nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Vorgaben und allgemeinen Grundsätze der Wertermittlung beachtet worden sind, ob die Bewertung auf zutreffenden Tatsachen beruht und plausibel bzw. vertretbar ist (vgl. zum Ganzen u. a. BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 4 C 31.13 -; U.v. 27.11.2014 – 4 C 31/13 -; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 25.1.2018 – 2 B 18.16 -; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.2.2017 – 6 A 10137/14 -; OVG Hamburg, U.v. 21.6.2016 – 3 Bf 54/15 -; SächsOVG, U.v. 17.6.2004 – 1 B 854/02 – alle juris). Den Wertermittlungsspielraum beschränkende allgemein anerkannte Grundsätze der Wertermittlung finden sich in der Immobilienwertermittlungsverordnung. Hieraus folgt zwar der grundsätzliche Vorrang der in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehenen Wertermittlungsverfahren. Kann jedoch eine in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehene Methode nicht angewandt werden, so darf nach anderen geeigneten Methoden gesucht werden (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 4 C 31.13 -; U.v. 16.1.1996 – 4 B 69/95; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 25.1.2018 – 2 B 18.16 -; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.2.2017 – 6 A 10137/14 -; OVG Hamburg, U.v. 21.6.2016 – 3 Bf 54/15 -; SächsOVG, U.v. 17.6.2004 – 1 B 854/02 – jeweils juris).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist die von der Beklagten angenommene sanierungsbedingte Erhöhung des Bodenwerts des klägerischen Grundstücks um 1,50 € pro m2 nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte zur Ermittlung der Bodenwertsteigerung ein Verfahren angewendet werden, das nicht in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehen ist. Denn die Beklagte beruft sich zu Recht darauf, dass für das Vergleichswertverfahren nach §§ 15 und 16 ImmoWertV keine Datenlage gegeben war, die eine zuverlässige Ermittlung der sanierungsbedingten Werterhöhung zugelassen hätte.
Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV ist der Wert des Bodens vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 ohne Berücksichtigung der vorhandenen baulichen Anlagen auf dem Grundstück vorrangig im Vergleichswertverfahren (§ 15 ImmoWertV) zu ermitteln. Voraussetzung für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist, dass eine ausreichende Zahl geeigneter Vergleichspreise zur Verfügung steht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Für die Ableitung der Vergleichspreise sind die Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmende Grundstücksmerkmale aufweisen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV).
Aus dem Gutachten Nr. 422 und den Ausführungen des Vertreters des Gutachterausschusses in der mündlichen Verhandlung folgt, dass der Gutachterausschuss das in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehene Vergleichswertverfahren als grundsätzlich vorrangig erkannt hat, es aber mangels geeigneter Vergleichspreise aus der Kaufpreissammlung nicht hat angewendet werden können. Die Nichtanwendbarkeit mangels geeigneter Vergleichspreise aus der Kaufpreissammlung ist vom Vertreter des Gutachterausschusses in der mündlichen Verhandlung näher erläutert worden. Dabei hat der Gutachter dargelegt, dass er über sämtliche Kaufpreise im Sanierungsgebiet verfüge, die in dem Zeitraum 1998 bis 2011 angefallen seien. Die entsprechenden Unterlagen sind dem Gericht und den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gezeigt worden. Anhand der Unterlagen hat der Gutachter aufgezeigt, dass es sich bei den Verkäufen im Sanierungsgebiet im Wesentlichen um Eigentumswohnungen, Wohnhäuser, Verkehrsflächen, Spielplatzflächen, Tauschflächen und Flächen aus Zwangsversteigerungen handelte. Diese seien zur Bodenwertermittlung ungeeignet, da sich aus den Kaufverträgen über bebaute Flächen der Bodenwert unbebauter Flächen nicht hinreichend klar ableiten lasse, Verkehrsflächen und Allgemeinbedarfsflächen wegen ihres geringeren Werts gegenüber den streitgegenständlichen Baulandflächen nicht vergleichbar seien und es bei Tauschflächen bzw. Flächen aus Zwangsversteigerungen keinen Bodenwert gebe. Diese Ausführungen des Gutachters sind nachvollziehbar. Gleiches gilt für dessen Einschätzung, dass er für eine zuverlässige Wertermittlung mindestens drei vergleichbare Verkäufe von unbebauten Grundstücken in der Größenordnung wie die zum Ausgleichsbetrag veranlagten Grundstücke sowohl bezogen auf den Anfangs- als auch Endwert benötige, solche aber in keinem einzigen Fall gefunden habe. Auf die Frage, ob man nicht bei Verkäufen von bebauten Grundstücken auf den Bodenwert unbebauter Grundstücke zurückrechnen könne, entgegnete der Gutachter, dass dies zwar grundsätzlich möglich, aber sehr aufwändig sei und es sich dabei nur um Schätzungen handele, für die viele Annahmen zum Tragen kämen. Es erscheint dem Gericht plausibel und innerhalb des Beurteilungsspielraums liegend, dass sich der Gutachterausschuss auf eine solche unsichere und nur bedingt aussagekräftige Methode zur Ermittlung der sanierungsbedingten Wertsteigerung von Grundstücken im Sanierungsgebiet nicht eingelassen hat.
Ob das in der Immobilienwertermittlungsverordnung erwähnte „Bodenrichtwertverfahren“ gegenüber alternativen, in dieser Verordnung nicht vorgesehenen Verfahren noch als grundsätzlich vorrangig anzusehen ist, erscheint dem Gericht fraglich. Denn während nach der durch die Immobilienwertermittlungsverordnung abgelösten Wertermittlungsverordnung geeignete Bodenrichtwerte „neben oder anstelle von Preisen“ herangezogen werden konnten (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 WertV), heißt es in § 16 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV Bezug nehmend auf das in § 16 Abs. 1 Satz 1 und § 15 ImmoWertV geregelte Vergleichswertverfahren (nur noch): „Dabei kann der Bodenwert auch auf der Grundlage geeigneter Bodenrichtwerte ermittelt werden“. Diese neue Formulierung wirft im Vergleich zur Vorgängerregelung die Frage auf, ob dem Bodenrichtwertverfahren nach der nunmehr anzuwendenden Immobilienwertermittlungsverordnung überhaupt noch eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. dazu Kleiber in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Rn. 20 zu § 10 ImmoWertV). Letztlich kann das aber offen bleiben, da die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise die hinreichende Aussagekraft der vorhandenen Bodenrichtwerte für die Beurteilung von sanierungsbedingten Wertsteigerungen verneint hat und sich damit die Frage des Vorrangs des „Bodenrichtwertverfahrens“ nicht stellt.
Vom Vertreter des Gutachterausschusses ist in der mündlichen Verhandlung dargelegt worden, dass die zur Verfügung stehenden Bodenrichtwerte für das Sanierungsgebiet „B.“ ungeeignet sind für die Bestimmung der sanierungsbedingten Werterhöhung von im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücken. Dies erscheint dem Gericht nachvollziehbar. Laut Gutachten Nr. 422 blieben die Bodenrichtwerte im Gebiet 043 „B. Gewerbe“ in den Jahren 2000 bis 2010 unverändert auf dem Wert von 50 € pro m². Aus der daraus gefolgerten Beurteilung des Gutachterausschusses, es lasse sich insoweit keine sanierungsbedingte Erhöhung der Bodenwerte für Grundstücke im Gewerbegebiet nachweisen, kann die Klägerin nicht ableiten, es habe eine solche nicht gegeben. Der Vertreter des Gutachterausschusses hat hierzu ausgeführt, dass die Bodenrichtwerte auf der Kaufpreissammlung fußen und sich der Bodenrichtwert deshalb auch nicht ändern könne, wenn wie dargelegt keine geeigneten Kaufpreise vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht plausibel, dass aus den im Sanierungszeitraum unveränderten Bodenrichtwerten von 50 € pro m² für das Gebiet 043 „B. Gewerbe“ kein Rückschluss auf eine nicht vorhandene sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung gezogen werden kann. Hinzu kommt: In der Stadt … wird der Bodenrichtwert nur in 5-€-Schritten geändert. Eine Änderung unter 5 €, wie sie im Ergebnis von der Beklagten angenommen wird, könnte somit vom Bodenrichtwert gar nicht abgebildet werden. Dies alles rechtfertigt die Auffassung des Gutachterausschusses bzw. der Beklagten, wonach die Bodenrichtwerte im Sanierungsgebiet keine zuverlässige Grundlage für die Bewertung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung darstellen. Gleiches gilt im Übrigen für die im Gutachten angeführten Bodenrichtwerte von Vergleichsgebieten (Gebiet 191 „A.straße“, 171 A „…höhe“, 171 B „…höhe“, 051 A „… Schießstätte“ und 051 B „…-Schießstätte“). Denn diese wurden vom Gutachterausschuss nur als Vergleichsgebiete im Hinblick auf den Zustand des Gebiets „B.“ vor Sanierung herangezogen. Schlussfolgerungen auf sanierungsbedingte Werterhöhungen wären aber nur dann möglich, wenn auch die Vergleichsgebiete sanierungsbedingte Maßnahmen ähnlich wie das Gebiet „B.“ erfahren hätten. Davon ist aber nicht auszugehen. Im Übrigen hat der Vertreter des Gutachterausschusses in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass ihm kein Gebiet in … bekannt sei, das vom Zustand her mit dem des Gebiets „B. nach Sanierung“ verglichen werden könnte.
Nach alledem musste der Gutachterausschuss bzw. die Beklagte nicht ein in der Immobilienwertermittlungsverordnung vorgesehenes Verfahren anwenden. Es konnte deshalb jede Methode gewählt werden, mit der der gesetzliche Auftrag, die Bodenwerterhöhung und damit den Ausgleichsbetrag nach dem Unterschied zwischen Anfangs- und Endwert zu ermitteln, erfüllt wird.
Das vom Gutachterausschuss angewandte und dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde gelegte Komponentenmethode-Verfahren (auch als „Modell N.“ bezeichnet) ist dem Grunde nach in der Rechtsprechung und Literatur als mögliche Methode der Differenzwertermittlung anerkannt (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 28 WertV Rn. 44 ff., Leitfaden der Obersten Baubehörde, „Arbeitsblatt Nr. 4, Ausgleichsbeträge in Sanierungsgebieten“, S. 79 ff.; zu einem zumindest sehr ähnlichen Verfahren: OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 14.9.2004 – 6 A 10530/04 – juris). Gleiches gilt für das Wertermittlungsverfahren nach dem sog. „Modell Niedersachsen“, das die Beklagte ebenfalls in den Blick genommen hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 26.1.2005 – 8 S 722/04; OVG Schleswig-Holstein, B.v. 9.7.2001, 1 M 22/00; Nieders. OVG, B.v. 8.5.2000, 1 M 1287/00 – jeweils juris). Da die angefochtene Ausgleichsbetragsfestsetzung aber nicht auf dem „Modell Niedersachsen“ fußt und die Anwendung dieses Modells zu einer höheren Ausgleichsbetragspflicht der Klägerin geführt hätte (2 € statt 1,50 € pro m²), bedarf dieses Verfahren keiner näheren Würdigung.
Gegen die vom Gutachterausschuss konkret vorgenommene Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung nach der Komponentenmethode ist nichts zu erinnern. Der Gutachterausschuss bildete im Rahmen des Verfahrens „N.“ vier mögliche Bodenwertsteigerungsfaktoren, die mit einem Prozentsatz bewertet wurden. Dieser Prozentsatz wurde beim festgestellten Anfangswert für ein Grundstück in Ansatz gebracht und ergab dann die sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung. Der Endwert eines Grundstücks setzt sich somit aus dem Anfangswert zuzüglich der nach der Komponentenmethode ermittelten sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung zusammen.
Im Rahmen des Verfahrens „N.“ hat der Gutachterausschuss folgende Komponenten für potentielle sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen herangezogen: „Allgemeiner Sanierungsvorteil“, „Änderungen der rechtlichen Gegebenheiten“, „Strukturverbesserungen und Veränderungen der (inneren und äußeren) Erschließung“, „städtebauliche Aufwertung“ und „Erschließungs- und Ausbauvorteile (Bodenwerterhöhung durch eingesparte Erschließungs- und Ausbaukosten)“.
Die Komponenten „Allgemeiner Sanierungsvorteil“, „Änderungen der rechtlichen Gegebenheiten“ und „städtebauliche Aufwertung“ wurden vom Gutachterausschuss für den hier betroffenen Bereich „Gewerbe“ mit 0% angesetzt, eine Berücksichtigung der Komponente „Erschließungs- und Ausbauvorteile (Bodenwerterhöhung durch eingesparte Erschließungs- und Ausbaukosten)“, die im Gutachten mit 0,40 € pro m² bemessen wurde, erfolgte im streitgegenständlichen Bescheid nicht. Die gegenüber der Klägerin festgesetzte sanierungsbedingte Werterhöhung ergibt sich deshalb ausschließlich aus dem Faktor „Strukturverbesserungen und Veränderungen der (inneren und äußeren) Erschließung“, weshalb im vorliegenden Verfahren nur dieser einer rechtlichen Kontrolle zu unterziehen ist.
Die Komponente „Strukturverbesserungen und Veränderungen der (inneren und äußeren) Erschließung“ wurde für die Kategorie „Gewerbe“ mit 3%, für „Wohnen“ mit 1% bewertet. Dies führt für das in den Bereich „Gewerbe“ fallende klägerische Grundstück bei einem angenommenen Anfangswert von 50 € pro m² zu einer sanierungsbedingten Wertsteigerung von 1,50 € pro m², mithin zu einem Endwert von 51,50 € pro m².
Im Gutachten werden als Strukturverbesserungen und Veränderungen der (inneren und äußeren) Erschließung folgende wesentliche Maßnahmen genannt: Ausbau der R* …straße, der …Straße, Aus- bzw. Neubau von Spiel- und Bolzplatz und indirekt bessere Anbindung der G.Straße durch den Ausbau des Kreisverkehrs.
Dass der Gutachterausschuss mit der 3%-Bewertung dieser Maßnahmen die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten hätte, ist nicht ersichtlich.
Positive Auswirkungen von Strukturverbesserungen und Veränderungen der (inneren und äußeren) Erschließung auf den Bodenwert liegen auf der Hand.
Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, bei den gewerblich bzw. industriell genutzten Grundstücken habe sich durch die vorstehenden Sanierungsmaßnahmen praktisch nichts geändert, insbesondere sei die verkehrliche Anbindung nicht besser, kann dies nicht nachvollzogen werden. Vor den Sanierungsmaßnahmen lief der (Lkw-)Verkehr von und zu dem klägerischen Grundstück ausschließlich über die G. Straße mit der dortigen Wohnbebauung, weil die R.straße ca. 300 m östlich vom klägerischen Grundstück endete. Durch die Verlängerung der R.straße hat das Grundstück der Klägerin eine Anbindung an das Gebiet „F.“ und damit, was entscheidend ist, an die Bundesstraße B 85 erhalten. Es bestehen für das Gericht keine Zweifel, dass diese zweite Verkehrsanbindung bodenwerterhöhende Vorteile bringt, gerade für Grundstücke, die gewerblich bzw. industriell genutzt werden können und für die eine gute Erschließung insbesondere im Hinblick auf den Lieferverkehr von erheblicher Bedeutung ist. Der Gutachterausschuss durfte deshalb, wie in seinem Gutachten ausgeführt, in nicht zu beanstandender Weise die neue Verkehrsanbindung als werterhöhend ansehen.
Plausibel ist dem Gericht auch die Differenzierung bei der Beurteilung der sanierungsbedingten Werterhöhung für den Bereich „Gewerbe“ (mit 3%) und den Bereich „Wohnen“ (mit 1%). In diesem Zusammenhang weist die Beklagtenseite zu Recht darauf hin, dass die zweite Verkehrsanbindung wegen des damit verbundenen zusätzlichen Verkehrs für die Wohnbevölkerung auch Nachteile mit sich bringt, die wertmindernd zu berücksichtigen sind.
Mit der Bewertung der Komponente „Strukturverbesserungen und Veränderungen der (inneren und äußeren) Erschließung“ in einer Größenordnung von 3% bewegt sich der Gutachterausschuss innerhalb seines Beurteilungsspielraums. Das muss umso mehr gelten, als der Wert im unteren Prozentbereich liegt. Auch wenn dies bei einem Grundstück mit großer Fläche zu einer beachtlichen Summe führen kann, bestehen, vor allem unter Würdigung des Gesamtwerts eines solchen Grundstücks, keine Anhaltspunkte, dass der Ansatz einer Werterhöhung von 3% völlig aus dem Rahmen fällt bzw. nicht mehr vertretbar erscheint.
Bei der dargestellten Ermittlung der sanierungsbedingten Wertsteigerung der in Frage kommenden Grundstücke hat der Gutachterausschuss bzw. die Beklagte den 1. Februar 2012 und damit den Tag, an dem die Aufhebung der Sanierungssatzung in Kraft trat, als Endwert bzw. Wertermittlungsstichtag bestimmt. Dies entspricht den Vorgaben des § 154 Abs. 2, 3, § 162 Abs. 1 BauGB.
Schließlich sind auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Festlegung des als Bezugspunkt für die prozentuale Werterhöhung dienenden Anfangswerts des klägerischen Grundstücks in Höhe von 50 € pro m² gegeben.
Der Anfangswert muss frei von sanierungsbedingten Wertsteigerungen sein (vgl. § 154 Abs. 2 BauGB, § 16 Abs. 5 ImmoWertV). Vor diesem Hintergrund hat der Gutachterausschuss in nicht zu beanstandender Weise als Zeitpunkt für den Anfangswert den 11. November 1999 bestimmt. Denn an diesem Tag wurde erstmals in der örtlichen Presse über einen Antrag der Beklagten auf Aufnahme des Gebiets „B.“ in das Förderprogramm „Soziale Stadt“ berichtet, wovon schon wertverändernde Wirkungen auf den Grundstücksmarkt im Sanierungsgebiet ausgehen können.
Der angenommene Anfangswert des klägerischen Grundstücks mit 50 € pro m² beruht nach Darlegung des Vertreters des Gutachterausschusses in der mündlichen Verhandlung auf dem Bodenrichtwert. Gegen dessen Richtigkeit in der Höhe wurden von Klägerseite keine substantiierten Einwendungen erhoben. Das Gericht hält das Abstellen auf den im Gebiet 043 „B. Gewerbe“ ausgewiesenen Bodenrichtwert von 50 € pro m² im Jahr 2000 auch für plausibel. Bodenrichtwerte werden von einem gesetzlich vorgesehenen, unabhängigen und mit besonderer fachlicher Expertise ausgestatteten Gutachterausschuss unter Berücksichtigung von Kaufpreissammlungen ermittelt (vgl. §§ 192 ff BauGB). Es liegt daher nahe, zur Bestimmung des Anfangswerts von im Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücken den geltenden Bodenrichtwert für das Jahr 2000 heranzuziehen. Dies stellt keinen Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen dar, wonach im hier zu entscheidenden Fall Bodenrichtwerte nicht geeignet waren, um die sanierungsbedingte Wertsteigerung eines Grundstücks zu ermitteln. Denn dabei musste ein Sanierungszeitraum von ca. elf Jahren in den Blick genommen werden, für den es keine geeigneten Vergleichskaufpreise in der Kaufpreissammlung und somit auch keine aussagekräftigen Bodenrichtwerte zur Beurteilung der sanierungsbedingten Wertsteigerung von unbebauten Grundstücken gegeben hat. Bezogen auf den Bodenrichtwert für das Jahr 2000 geht das Gericht jedoch davon aus, dass dieser aus geeigneten Kaufpreisen abgeleitet wurde und zwar über einen längeren (fortgeschriebenen) Zeitraum, zu dem es auch Verkäufe von unbebauten Gewerbegrundstücken gab.
Nach alledem durfte die Beklagte eine sanierungsbedingte Wertsteigerung für das klägerische Grundstück in Höhe von 1,50 € pro m² annehmen und somit bei der Fläche des klägerischen Grundstücks von 14.136 m² einen Ausgleichsbetrag von 21.204 € festsetzen.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen