Aktenzeichen 6 CS 16.58
Leitsatz
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Dezember 2015 – M 2 S 15.4825 – abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 21. August 2015 angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.703‚32 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, eine GmbH, wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. August 2015 für ihr Grundstück (FlNr. 1…6) zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der M.er Straße (Abschnitt zwischen Z.-straße und Sch.er Straße) in Höhe von 122.813‚28 € herangezogen. Das 20.081 m2 große, gewerblich genutzte Grundstück grenzt im Süden an die Sch.er Straße. Von der westlich gelegenen M.er Straße wird es durch ein 14.692 m2 großes, bebautes und ebenfalls gewerblich genutztes Grundstück (FlNr. 1…5) getrennt. Dieses Anliegergrundstück steht im Miteigentum von drei Personen, die (Minderheits-)Gesellschafterinnen der beiden Aktiengesellschaften sind, die als Gesellschafter der Antragstellerin fungieren. Das Grundstück der Antragstellerin (FlNr. 1…6) wird unterschiedlich genutzt. Die südliche Teilfläche wird aufgrund eines zeitlich befristeten Mietvertrags durch einen Discounter genutzt, der von Süden aus über die Sch.er Straße zu erreichen ist. Auf der nördlichen Teilfläche befinden sich eine Lagerhalle sowie große Stell- und Wendeflächen, die von Westen her über das Anliegergrundstück (FlNr. 1…5) und damit von der M.er Straße aus angefahren werden. Ein rechtlich gesichertes Zuwegungsrecht besteht nicht.
Die Antragstellerin hat gegen den Vorausleistungsbescheid Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden ist. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Antragsgegnerin blieb ohne Erfolg.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs abgelehnt. Es sprächen überwiegende Gründe dafür‚ dass das (Hinterlieger-)Grundstück der Antragstellerin bezogen auf die abgerechnete M.er Straße zum Kreis der im Sinn von § 131 Abs. 1 BauGB erschlossenen Grundstücke zähle und auch nach § 133 Abs. 1 BauGB beitragspflichtig sei. Es verfüge über eine tatsächlich benutzte Zufahrt zu dieser Erschließungsanlage über das Anliegergrundstück. Durch die Errichtung des Discounters auf dem südlichen Teil sei zudem der nördliche Grundstücksteil mittels Einzäunung und Bepflanzung von der Sch.er Straße abgeschnitten worden. Bei diesen Gegebenheiten könnten die übrigen Beitragspflichtigen die Einbeziehung des Grundstücks wohl schutzwürdig erwarten. Das (Hinterlieger-)Grundstück sei voraussichtlich auch beitragspflichtig im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB. Wegen der besonderen Umstände könne sich die Antragstellerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben weder auf das Fehlen einer rechtlich gesicherten Zufahrt noch auf eine Eigentümerverschiedenheit von Anlieger- und Hinterliegergrundstück berufen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der die Antragsgegnerin entgegentritt.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Aus den mit der Beschwerde fristgerecht dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorausleistungsbescheids. Denn es sprechen – bei der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung – überwiegende Gründe dafür, dass das Grundstück der Antragstellerin entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht durch die abgerechnete M.er Straße erschlossen ist und deshalb nicht der Erschließungsbeitragspflicht nach Art. 5a KAG (in der nunmehr geltenden Fassung des Gesetzes vom 8.3.2016, GVBl S. 36) in Verbindung mit den §§ 127 ff. BauGB unterliegt. Hat der Hauptsacherechtsbehelf demnach Aussicht auf Erfolg, ist seine aufschiebende Wirkung unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung anzuordnen.
1. Da die Vorausleistung wegen § 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB eine auf die endgültige Beitragspflicht ausgerichtete, zeitlich vorgezogene „Beitragsleistung“ darstellt, kann eine Vorausleistungspflicht nur für ein Grundstück entstehen, das bezogen auf die Erschließungsanlage, deretwegen eine Vorausleistung erhoben werden soll, zum Kreis der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 und § 133 Abs. 1 BauGB erschlossenen und beitragspflichtigen Grundstücke gehört.
Das setzt bei einer Anbaustraße (Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG), wie sie hier von der Antragsgegnerin abgerechnet wird, unter anderem voraus, dass das Grundstück gerade dieser Straße wegen – im Fall der Zweiterschließung unter Hinwegdenken der Ersterschließung – bebaubar ist, insbesondere also von dieser Straße aus in einer Weise verkehrlich erreichbar ist, die den einschlägigen Bestimmungen des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts genügt (vgl. etwa BVerwG, U. v. 26.2.1993 – 8 C 35.92 – BVerwGE 92, 157/159; U. v. 8.5.2002 – 9 C 5.01 – NVwZ-RR 2002, 770/771; BayVGH, U. v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – BayVBl 2016, 242 Rn. 17). Dass eine Straße von einem Grundstück aus in irgendeiner Form erreichbar ist oder tatsächlich in Anspruch genommen wird, löst demnach noch keine Erschließungsbeitragspflicht aus; erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Anlage, die auf die erschließungsbeitragsrechtlich relevante – bauliche, gewerbliche oder vergleichbare – Ausnutzbarkeit des Grundstücks ausgerichtet ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B. v. 22.4.2009 – 6 ZB 07.1625 – juris Rn. 5; B. v. 20.1.2010 – 6 ZB 08.1003 – BayVBl 2010, 603 Rn. 5).
Das Bauplanungsrecht verlangt für die Bebaubarkeit eines Grundstücks regelmäßig dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (Heranfahrenkönnen)‚ sofern es nicht ausnahmsweise weniger‚ nämlich eine fußläufige Erreichbarkeit (Zugang)‚ genügen lässt oder mehr verlangt‚ nämlich eine Erreichbarkeit dergestalt‚ dass auf das Grundstück mit Kraftfahrzeugen heraufgefahren werden kann (BayVGH, U. v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – BayVBl 2016, 242 Rn. 18 m. w. N.). Das Bauordnungsrecht fordert nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO im Grundsatz, dass das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt. Bei einem Hinterliegergrundstück, das diese Anforderung – definitionsgemäß – nicht erfüllen kann, müssen zumindest die Abweichensvoraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 BayBO für ein Absehen von der Befahrbarkeit (Nr. 1) und/oder von der Widmung (Nr. 2) bei „Wohnwegen begrenzter Länge“ vorliegen. So ist bei einem Wohnweg begrenzter Länge in Gestalt einer befahrbaren Privatzufahrt über das Anliegergrundstück gemäß Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO die Widmung entbehrlich, wenn von ihm nur Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 erschlossen werden und gegenüber dem Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesichert ist, dass der Wohnweg sachgerecht unterhalten wird und allgemein benutzt werden kann (dazu im Einzelnen etwa Wolf in Simon/Busse, BayBO, Art. 4 Rn. 161 ff.; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Art. 4 Rn. 58 ff.).
Ein Hinterliegergrundstück kann nur dann erschlossen sein, wenn die – vorhandene oder zumindest in Betracht kommende – Zuwegung (Zugang oder Zufahrt) von der Anbaustraße über das Anlieger- zu dem Hinterliegergrundstück die jeweiligen bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen für dessen Bebaubarkeit erfüllt. Dabei handelt es sich um eine notwendige, nicht aber in jedem Fall hinreichende Voraussetzung. Denn für die Beantwortung der Frage nach dem Erschlossensein von Hinterliegergrundstücken sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zwei verschiedene Gruppen voneinander zu trennen: die Gruppe der sogenannten gefangenen Hinterliegergrundstücke, d. h. der Hinterliegergrundstücke, die ausschließlich über die jeweils vorgelagerten Anliegergrundstücke eine Verbindung zum gemeindlichen Verkehrsnetz haben, und die Gruppe der anderen (nicht gefangenen) Hinterliegergrundstücke, deren rückwärtige oder seitliche Teilflächen ihrerseits an eine Anbaustraße angrenzen. Während der ersten Gruppe von Hinterliegergrundstücken durch die abzurechnende Anbaustraße die einzige verkehrsmäßige Erschließung vermittelt wird, geht es bei der zweiten Gruppe lediglich um eine Zweiterschließung, also um eine zusätzliche Erschließung durch die dem Anliegergrundstück vorgelagerte Anbaustraße. Diese unterschiedliche Ausgangssituation hat Auswirkungen auf die Voraussetzungen, unter denen Hinterliegergrundstücke von einer Anbaustraße erschlossen werden. Während gefangene Hinterliegergrundstücke – unter der Voraussetzung ihrer bauplanungs- und bauordnungsrechtlich erforderlichen Erreichbarkeit – in aller Regel erschlossen sind, haben nicht gefangene Hinterliegergrundstücke bei der Aufwandsverteilung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben, wenn sie aufgrund planungsrechtlicher, sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Umstände eindeutig erkennbar auf die Straße ausgerichtet sind, an die sie angrenzen, wenn es also mit anderen Worten im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten an irgendwelchen Anhaltspunkten fehlt, die den Schluss erlauben, die abzurechnende Straße werde über das Anliegergrundstück vom Hinterliegergrundstück aus ungeachtet dessen direkter Anbindung an seine „eigene“ Straße in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen. Als solcher Anhaltspunkt für eine beitragsrelevante Inanspruchnahme durch das nicht gefangene Hinterliegergrundstück kommt insbesondere eine tatsächlich angelegte Zufahrt über das Anliegergrundstück in Betracht (vgl. BayVGH, U. v. 20.10.2011 – 6 B 09.2043 – juris Rn. 18 m. w. N.).
§ 133 Abs. 1 BauGB verlangt allerdings nicht, dass allen Erreichbarkeitsanforderungen namentlich des Bauordnungsrechts bereits vollauf aktuell genügt ist und angesichts dessen der Aufnahme der baulichen (oder gewerblichen) Nutzung nichts mehr im Wege steht; vielmehr reicht es aus, wenn ein (Hinterlieger-)Grundstück derart „bebaubar“ ist, dass lediglich noch Hindernisse bestehen, die durch entsprechende Schritte des Eigentümers ausgeräumt werden können. In Fällen der Eigentümeridentität, in denen Anlieger- und Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person (oder derselben Personenmehrheit) stehen, hat es der Eigentümer regelmäßig in der Hand, solche Hindernisse zu beseitigen (BVerwG, U. v. 26.2.1993 – 8 C 35.92 – BVerwGE 92, 157/159 f.; U. v. 24.2.2010 – 9 C 1.09 – BVerwGE 136, 126 Rn. 25). Ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist unerheblich.
2. Gemessen an diesem Maßstab unterliegt das Grundstück der Antragstellerin (FlNr. 1…6) nicht der Erschließungsbeitrags- und damit auch nicht der Vorausleistungspflicht, weil es nicht durch die M.er Straße erschlossen wird.
Es handelt sich um ein nicht gefangenes Hinterliegergrundstück, weil es an eine „eigene“ Anbaustraße, nämlich die Sch.er Straße, angrenzt. Zwar ist es auch an die M.er Straße mittels einer seit geraumer Zeit bestehenden und ersichtlich auch intensiv genutzten Zufahrt über das Anliegergrundstück (FlNr. 1…5) angebunden. Diese befahrbare, aber nicht gewidmete (Privat-)Zufahrt mag für die Nutzung der Lagerhalle und der Stellflächen auf dem nördlichen Teil des Hinterliegergrundstücks zwingend erforderlich sein, weil die Antragstellerin dessen ursprüngliche Anbindung an die Sch.er Straße aufgrund der Vermietung des südlichen Grundstücksteils derzeit beseitigt hat. Sie erfüllt jedoch nicht die Erreichbarkeitsvoraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO. Abgesehen davon, dass es sich mit Blick auf die vorhandene gewerbliche Bebauung nicht um einen „Wohnweg“ zur Erschließung von „Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3“ handelt, fehlt es an der rechtlichen Sicherung dieser Privatzufahrt gegenüber dem Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde. Ohne eine solche Sicherung können die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine Bebaubarkeit „wegen“ der M.er Straße nicht erfüllt sein. Damit ist der die Beitragserhebung rechtfertigende Erschließungsvorteil nicht begründet; denn die bloße tatsächliche Inanspruchnahme der Straße kann, wie oben ausgeführt, eine Erschließungsbeitragspflicht nicht auslösen (vgl. BayVGH, B. v. 20.1.2010 – 6 ZB 08.1003 – BayVBl 2010, 603, für den Fall, dass für eine tatsächlich bestehende Zufahrt zu einem gefangenen Hinterliegergrundstück „sogar“ ein Notwegerecht besteht).
Es steht auch nicht in der Rechtsmacht der Antragstellerin, dieses rechtliche Erreichbarkeitshindernis zu beheben, wie das in den Fällen der Eigentümeridentität in aller Regel der Fall ist und was für die Begründung der Beitragspflicht ausreichen würde. Denn die Antragstellerin ist nicht Eigentümerin des Anliegergrundstücks. Sie hat es auch nicht aus anderen (zivilen oder öffentlichen) Rechtsgründen in der Hand, die erforderliche Sicherung gegenüber dem Eigentümer des Anliegergrundstücks durchzusetzen und dadurch die bauordnungsrechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen. Es liegt keine Fallgestaltung vor, die der Eigentümeridentität wertungsmäßig gleichzustellen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht hat das für den Fall angenommen und ein Erschlossensein im Sinn von § 131 Abs. 1 Satz 1 und § 133 Abs. 1 BauGB bejaht, wenn es – bei einheitlicher Nutzung beider Grundstücke – in der Hand (schon) nur eines von mehreren Miteigentümern des Hinterliegergrundstücks liegt, der zugleich auch Alleineigentümer des Anliegergrundstücks ist, die bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Erreichbarkeit des Hinterliegergrundstücks zu erfüllen (vgl. BVerwG, U. v. 28.3.2007 – 9 C 4.06 – BVerwGE 128, 246 ff.). Vergleichbares gilt nach Auffassung des Senats, wenn das Anliegergrundstück im Eigentum einer natürlichen Person steht, die Komplementär einer Kommanditgesellschaft ist, die ihrerseits Eigentümerin des Hinterliegergrundstücks ist (BayVGH, U. v.13.5.2004 – 6 B 01.1762 – juris Rn. 25). Ein Erschlossensein kann hingegen im Regelfall nicht angenommen werden, wenn das Hinterliegergrundstück im Alleineigentum eines von mehreren Miteigentümern des Anliegergrundstücks steht, weil es nicht allein in der Hand des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks liegt, die Erreichbarkeitsanforderungen zu erfüllen (BVerwG, U. v. 24.2.2010 – 9 C 1.09 – BVerwGE 136, 126 Rn. 25).
Hier steht das Anliegergrundstück (FlNr. 1…5) im Miteigentum von drei natürlichen Personen. Diese sind zwar mittelbar an der Antragstellerin, einer juristischen Person in Form einer GmbH, beteiligt. Sie sind, wie die Beschwerde unwidersprochen vorbringt, „teilweise, jedoch nur mit untergeordneten Anteilen“ an den beiden Aktiengesellschaften beteiligt, die ihrerseits als – einzige – Gesellschafterinnen der Antragstellerin fungieren; ihre Gesellschaftsanteile ergeben allerdings auch zusammengerechnet keine Mehrheit in den Aktiengesellschaften. Ferner ist ausweislich des aktuellen Handelsregisterauszugs eine der Miteigentümerinnen Geschäftsführerin, eine andere Prokuristin der Antragstellerin. Dennoch ist auch unter Berücksichtigung der wohl bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Gesellschaftern kein ausreichender Gesichtspunkt ersichtlich, die Antragstellerin für befugt zu halten, die baurechtlichen Erreichbarkeitsanforderungen auf dem Anliegergrundstück gegen den Willen dessen Miteigentümerinnen zu erfüllen. Letztere mögen gesellschaftsrechtlich unter Umständen verpflichtet sein, die Zufahrt schuldrechtlich zu dulden; zur Bestellung einer den Anforderungen des Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO entsprechenden Sicherung sind sie es hingegen (wohl) nicht. Es bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte, sie würden die Erreichbarkeitsanforderungen gleichwohl erfüllen.
Eine Beitragspflicht dürfte sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben begründen lassen. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt zwar auch im öffentlichen Recht (BVerwG, U. v. 24.2.2010 – 9 C 1.09 – BVerwGE 136, 126 Rn. 38 zum Erschließungsbeitragsrecht; BFH, U. v. 9.8.1989 – I R 181/85 – BFHE 158, 31 zum Steuerrecht) und mag unter besonderen Umständen ausnahmsweise zu einer Beitragspflicht führen, obwohl die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen. Für einen solchen Ausnahmefall ist indes nichts zu erkennen. Zwar nutzt die Antragstellerin die Zufahrt über das Anliegergrundstück auf die M.er Straße und ist auf diese Anbindung an das öffentliche Straßennetz für die nördliche Teilfläche aufgrund der unterschiedlichen Grundstücksnutzung derzeit sogar zwingend angewiesen. Diese Zufahrtssituation hat sich zudem nicht nur bautechnisch (etwa durch eine Toranlage zwischen Anlieger- und Hinterliegergrundstück), sondern auch durch die Hausnummernvergabe verfestigt; denn die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 22. November 2012 der Antragstellerin für alle drei Gewerbehallen, die sich im jeweils nördlichen Grundstücksteil des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks befinden, dieselbe Hausnummer mit der Auflage vergeben, dass „im Bereich der Zufahrt für die 3 Hallen an der M.er Straße“ Hinweisschilder zu errichten sind, die auf die jeweiligen Firmen in den einzelnen Hallen hinweisen.
Trotz dieser Umstände kann es weder als unzulässige Rechtsausübung noch als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens oder als Missbrauch von Gestaltungsformen des bürgerlichen Rechts angesehen werden, dass die Antragstellerin sich auf das Fehlen einer rechtlich gesicherten Zuwegung beruft. Einen Rechtsanspruch gegen die Miteigentümerinnen des Anliegergrundstücks auf Bestellung der Sicherung hat sie, wie oben ausgeführt, nicht. Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die Miteigentümerinnen würden bei entsprechender Initiative der Antragstellerin dieser eine den Anforderungen des Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO genügende Sicherung gewähren (vgl. Driehaus in Berliner Kommentar zum BauGB, § 131 Rn. 37a). Die tatsächliche Inanspruchnahme der Erschließungsanlage begründet für sich, also ohne Vermittlung der Bebaubarkeit, keinen Erschließungsvorteil, der die Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertigt; deshalb kann die tatsächliche (Weiter-) Nutzung der ungesicherten Zufahrt schwerlich als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Die besonderen Umstände der Grundstücksnutzung (einerseits die faktische Teilung des Hinterliegergrundstücks, andererseits die übergreifende Nutzung von Anlieger- und Hinterliegergrundstück im nördlichen Teil) sind in diesem Zusammenhang ebenfalls unergiebig. Denn im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts auszugehen (vgl. BayVGH, U. v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 – BayVBl 2014, 241 Rn. 33 m. w. N.). Deshalb würde etwa bei einer Abrechnung der Sch.er Straße eine Zerlegung des in Streit stehenden Grundstücks in einen erschlossenen südlichen und einen nicht erschlossenen nördlichen Teil ausscheiden, und zwar unabhängig von den auf ihm geschaffenen baulichen Gegebenheiten oder den privatrechtlichen Verhältnissen zwischen etwaigen Miteigentümern (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.7.1981 – 8 C 23.81 – BVerwGE 64, 4/5 f.).
Schließlich kann die schutzwürdige Erwartung der anderen Anlieger, dass alle bevorteilten Grundstücke am umlagefähigen Erschließungsaufwand entsprechend der satzungsmäßigen Verteilungsregelung beteiligt werden, keine tragfähige Grundlage darstellen, um eine rechtliche Sicherung der Zufahrt über das Anliegergrundstück im Sinn von Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO zu fingieren. Schutzwürdig mag zwar unter Umständen die Erwartung sein, das (Hinterlieger-)Grundstück sei erschlossen im Sinn von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB und deshalb bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (vgl. Driehaus a. a. O.). Das kann jedoch nicht zum Erschlossensein im Sinn von § 133 Abs. 1 BauGB und damit zur Beitragspflicht führen, weil die abzurechnende Anbaustraße dem (Hinterlieger-)Grundstück den die Beitragserhebung rechtfertigenden Sondervorteil objektiv nicht vermittelt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läge allerdings dann vor, wenn die Antragstellerin sich zugleich bauordnungsrechtlich auf das Vorhandensein einer gesicherten Zuwegung über das Anliegergrundstück berufen würde, etwa weil sie sich ansonsten in Widerspruch zu einer ihr erteilten Baugenehmigung setzen würde. Dafür ist indes nach Aktenlage nichts ersichtlich. Die vom Verwaltungsgericht angesprochene Gefahr, dass das Hinterliegergrundstück zwar als erschlossen nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB an der Aufwandsverteilung zu beteiligen, aber nicht nach § 133 Abs. 1 BauGB beitragspflichtig sein könnte und die Antragsgegnerin entgegen der Intention des Gesetzes den Ausfallbetrag übernehmen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Antragsgegnerin kann dieser Gefahr wirksam begegnen, indem sie vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten an die Miteigentümerinnen des Anliegergrundstücks herantritt und eine verbindliche Erklärung dazu einholt, ob diese zur rechtlichen Sicherung der Zufahrt entsprechend den Anforderungen des Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayBO bereit sind oder nicht. Sind sie es, ist das Hinterliegergrundstück der Antragstellerin erschlossen und beitragspflichtig; sind sie es nicht, scheidet das Hinterliegergrundstück bereits aus dem Kreis der bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigenden Grundstücke mit der Folge aus, dass auf die verbleibenden Grundstücke, darunter das Anliegergrundstück der Miteigentümerinnen, ein entsprechend höherer Beitrag entfällt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei der Senat im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in ständiger Rechtsprechung ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts ansetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).