Aktenzeichen 15 U 3694/18
Leitsatz
Beauftragt ein Grundstückseigentümer einen Bauunternehmer aufgrund einer genehmigten Planung mit der Errichtung eines Wohngebäudes und einer an der Grundstücksgrenze geplanten Garage, muss er sich einen vom Bauunternehmer zu vertretenden teilweisen Überbau der Garage zurechnen lassen, so dass er die Beseitigung nicht nur als Zustands- sondern auch als Handlungsstörer schuldet. (Rn. 13 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
24 O 3339/18 2018-09-21 LGMUENCHENI LG München I
Tenor
I. Das Urteil des Landgerichts München I, Az. 24 O 3339/18, vom 21.09.2018 wird abgeändert.
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den zwischen 21 bis 22 cm betragenden Überbau der kompletten Ostseite der Garage, der von dem Grundstück H.-straße 50, … M., Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/88, auf das Grundstück H.-straße 52, … M., Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/89, ausgeht, inklusive der über- oder unterbauten Fundamente vollständig zu beseitigen und den betreffenden Grundstücksteil an die Klägerin herauszugeben. Zur näheren Bestimmung des Überbaus und der überbauten Fläche wird auf den diesem Urteil als Anlage beigefügten Riss …89 der Gemarkung T… …07 (= Anlage 2 zum Protokoll vom 03.07.2019, Vor- und Rückseite) Bezug genommen, auf dem der Überbau der Garage zeichnerisch festgehalten ist.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die ca. 20 cm im vorderen Grundstücksbereich zwischen Garage auf Grundstück H.-straße 50, … M., Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/88, in das Grundstück H.-straße 52, … M., Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/89, hineinragenden Bodenplatten und Leistensteine inklusive etwaiger Fundamente zu beseitigen und den betreffenden Grundstücksanteil an die Klägerin herauszugeben. Zur näheren Bestimmung der Fläche wird auf den diesem Urteil als Anlage beigefügten Riss …89 der Gemarkung T. …07 (= Anlage 2 zum Protokoll vom 03.07.2019, Vor- und Rückseite) Bezug genommen, auf dem die Garage, die davor befindliche Fläche und der nördliche Grenzpunkt an der H.-straße zeichnerisch festgehalten sind.
3. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I. wie folgt abwenden:
Wegen des Anspruchs aus Ziffer I. 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € soweit nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 20.000,00 € leistet.
Wegen des Anspruchs aus Ziffer I. 2. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 € soweit nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 500,00 € leistet.
Hinsichtlich Ziffer II. können die Beklagten die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des danach vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn in M. Die Klägerin verlangt von den beiden Beklagten den teilweisen Rückbau einer ihrer Auffassung nach über die Grenze gebauten Garage nebst eines Teils der dazu gehörenden Zufahrt.
Die Klägerin war bei Klageerhebung Eigentümerin des Grundstücks H.-straße 52 …M. (Fl.Nr. …34/89), die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks H.-straße 50 … M. (Fl.Nr. …34/88), jeweils der Gemarkung T. Die Beklagten errichteten ihr Gebäude mit Garage aufgrund einer ihnen am 15.05.2008 erteilten Baugenehmigung. Die Klägerin, eine Bauträgerin, erwarb das an das Grundstück der Beklagten östlich angrenzende Grundstück und bebaute dieses in den Jahren 2016/2017. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts München I vom 21.09.2018 sowie wegen der Lage der Grundstücke auf die Pläne, die Anlage zum Protokoll vom 03.07.2019 (Bl. 113 d.A.) sind, Bezug genommen.
Das Landgericht wies die Klage ab, da der Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB) verjährt sei. Die dreijährige Verjährungsfrist habe im Jahr 2008, als die Garage der Beklagten errichtet worden sei, begonnen und sei Ende des Jahres 2011 abgelaufen. Die Klage sei aber erst im Jahr 2018 erhoben worden; verjährungshemmende Maßnahmen vor Ende 2011 seien nicht zu erkennen. Da der Beseitigungsanspruch spezieller sei, komme es auf den Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) und dessen Verjährung nicht weiter an. Da die Klägerin wegen des Garagenüberbaus keine Ansprüche habe, gelte gleiches für die Bodenplatten und Fundamente der Zufahrt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 07.01.2019 (Bl. 63 d. A.):
I.
Das Urteil des Landgerichts München I, Az.: 24 O 3339/18 vom 21.09.2018 wird aufgehoben.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den ca. 20 cm betragenden Überbau der kompletten Ostseite der Garage, der von dem Grundstück H.-straße 50, …M., Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/88, auf das Grundstück H.-straße 52, … M., Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/89, ausgeht, inklusive der überbeziehungsweise unterbauten Fundamente vollständig zu beseitigen und den betreffenden Grundstücksanteil an die Klägerin herauszugeben.
III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die ca. 20 cm im vorderen Grundstücksbereich zwischen Garage auf Grundstück H.-straße 50, … M., Germakung T., Fl.-Nr. …34/88, in das Grundstück H.-straße 52, … M…, Gemarkung T., Fl.-Nr. …34/89, hineinragenden Bodenplatten und Leistensteine inklusive etwaiger Fundamente zu beseitigen und den betreffenden Grundstücksanteil an die Klägerin herauszugeben.
IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer 1,8 Geschäftsgebühr aus dem noch von dem Gericht festzusetzenden Streitwert nebst Kostenpauschale und Umsatzsteuer zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen mit Schriftsatz vom 13.11.2018 (Bl. 58 d. A.), die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten meinen, die Verjährung habe am 01.01.2009 zu laufen begonnen, da die Voreigentümerin den Grenzverlauf kannte (vgl. Schreiben in Anlage BB 1). Die Garage sei im Jahr 2008 auf Altbestand gesetzt worden, ein Überbau liege nicht vor. Das Beseitigungsverlangen der Klägerin stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, da nur wenige cm² überbaut worden seien. Auch habe es eine mündliche Vereinbarung mit dem Geschäftsführer der Klägerin gegeben, für den Fall der Rücknahme der Nachbarklage und der Zustimmung zu Eingabeplänen durch die Beklagten.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen H., A. und W. (Protokoll vom 03.07.2019, Bl. 113 d.A.).
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 07.01.2019 (Bl. 62 d.A.) und vom 15.06.2019 (Bl. 110 d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.04.2019 (Bl. 91 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg und führt unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Verurteilung der Beklagten zur Beseitigung der die Grundstücksgrenze überschreitenden Bauteile (Garage und Zufahrt) und zur Herausgabe der überbauten Grundstücksfläche.
1. Die Klägerin kann von den Beklagten die Beseitigung des Teils der vom Grundstück der Beklagten aus errichteten Garage verlangen, der sich auf dem Grundstück der Klägerin befindet (§ 1004 Abs. 1 BGB).
a) Die Beklagten sind Störer der von ihrer Garage ausgehenden Beeinträchtigung in Form der Überbauung des Grundstücks der Klägerin.
aa) Die Errichtung des Hauses mit der dazugehörenden Garage auf dem Grundstück der Beklagten durch ein Bauunternehmen ist den Beklagten als eigene Handlung zuzurechnen, weswegen sie als (Handlungs-)Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB anzusehen sind.
Zwar wurde das von den Beklagten beauftragte Bauunternehmen aufgrund eines Werk-/Bauvertrages eigenständig tätig, so dass sich der Auftraggeber dessen Verhalten nicht wie bei einem eigenen weisungsgebundenen Arbeitnehmer umfassend zurechnen lassen muss. Hier erfolgte die Errichtung des Wohngebäudes und der Garage jedoch aufgrund einer genehmigten Planung, so dass insoweit auch der selbständige Bauunternehmer keine Handlungsfreiheit hatte, wo die Gebäude zu errichten sind. Soweit sich also die Garage der Beklagten in Ausführung des Bauvorhabens teilweise auf dem Boden des Grundstücks der Klägerin befindet, ist dies unmittelbar den Beklagten als Bauherrn zuzurechnen. Insoweit kann es hier offen bleiben, ob der Beklagte zu 1) gegenüber dem von ihm beauftragten Bauunternehmern die Weisung erteilte, die Garage (abweichend von der Planung und Genehmigung) teilweise auf das Grundstück der Klägerin zu setzen.
bb) Jedenfalls sind die Beklagen wegen der von ihrer Garage ausgehenden Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin in Form des Überbaus als Zustandsstörer anzusehen (Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl., § 1004 Rdnr. 19). Die Garage befindet sich im (Mit-)Besitz der Beklagten und es hängt allein von ihrem Willen ab, dass der Überbau weiter aufrechterhalten wird.
cc) Die Störereigenschaft der Beklagten entfällt nicht deswegen, da – wie unten näher ausführen ist – das Eigentum an der von den Beklagten errichteten Garage lotgerecht entlang der Grundstücksgrenze geteilt ist und der Überbau im Eigentum der Klägerin steht (zur dinglichen Rechtslage beim rechtswidrigen, bösgläubigen Überbau: Palandt/Herrler, BGB, § 912 Rdnr. 18). Die Errichtung der Garage der Beklagten stellt eine tatsächliche Veränderung des Grundstücks der Klägerin dar, welche diese nicht wünschte und dessen Beseitigung sie nach § 1004 Abs. 1 BGB verlangen kann; soweit die Klägerin Eigentümerin des rechtswidrig, bösgläubig überbauten Teils der Garage ist, verbessert dies ihre Rechtsstellung, ohne dass sie den Rechtsschutz, den ihr § 1004 BGB anlässlich der Errichtung des Überbaus gewährt, verliert.
b) Soweit sich die von den Beklagten errichtete Garage auf dem Grundstück der Klägerin befindet, liegt darin eine rechtswidrige Verletzung des Eigentums der Klägerin (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BGB).
aa) Die von den Beklagten errichtete Garage befindet sich mit ihrer Ostwand zwischen 21 cm und 22 cm auf dem Grundstück der Klägerin.
Von dem tatsächlichen Umfang des Grenzüberbaus, wie er in Ziffer I. 1. des Tenors beschreiben ist, ist der Senat aufgrund der Beweisaufnahme überzeugt (§ 286 ZPO). Der Überbau ergibt sich aus dem vom Zeugen H. mitgebrachten und der Gerichtsakte überlassenen Handriss der Landeshauptstadt M. (Anlage zum Protokoll vom 03.07.2019; Anlage zu diesem Urteil). Die Echtheit dieses Dokument wurde von keiner Seite in Zweifel gezogen und auch der Senat hat daran keinen Zweifel. Danach ergibt sich die Grenzüberschreitung der Garage der Beklagten aus der amtlichen Vermessung. Zudem bestätigte der Zeuge, dass dieser Überbau ebenfalls bei der weiteren Vermessung des Baugrundstücks der Klägerin durch sein Büro genauso festgestellt wurde. Die Klägerin hat damit den ihr obliegenden Beweis geführt.
Eine weitere Beweisaufnahme ist nicht erforderlich. Die Beklagten hatten ein Sachverständigengutachten zunächst für die Tatsache angeboten, dass die neue Garage an der Stelle der alten Garage gebaut wurde (Schriftsatz 02.05.2018, Seite 2 = Bl. 15 d.A.). Dies hat mit der hier zu beurteilenden Frage, ob die (neue) Garage über die Grenze gebaut ist, nichts zu tun, sondern könnte allenfalls belegen, dass schon die alte Garage (vor ihrem Abriss) über die Grenze ragte. Im Schriftsatz vom 06.07.2018 (Bl. 22 d.A.) trugen sie vor, dass der Überbau nur 8 cm betrage und boten dafür ein Sachverständigengutachten an. Ein solches Gutachten liegt mit dem Auszug der amtlichen Vermessungsfeststellungen der Landeshauptstadt M. zum exakten Umfang der Grenzüberschreitung vor, so dass auch insoweit Beweis erhoben wurde. Auch die Beklagten sind auf den Umfang des Überbaus (20 cm oder 8 cm) nach der Beweisaufnahme in der anschließenden mündlichen Verhandlung nicht mehr zurückgekommen.
bb) Der festgestellte Überbau ist von der Klägerin weder nach § 912 Abs. 1 BGB als gutgläubiger Überbau noch aufgrund einer Gestattung der früheren Eigentümerin des Anwesens H.-straße 52 zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB).
(1) Der Überbauer trägt im Rahmen von § 912 Abs. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (Palandt/Herrler, § 912 Rdnr. 9; BeckOGK/Vollkommer, 1.12.2018, BGB § 912 Rn. 34); der Vortrag der Beklagten genügt dieser Last nicht. Schon nach dem Vortrag der Beklagten kann jedenfalls grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Grenzüberschreitung nicht ausgeschlossen werden.
Die Beklagten tragen nicht anhand von Tatsachen vor, warum ihre Garage anlässlich des Neubaus ihres Anwesens im Jahr 2008/2009 zum Teil jenseits der Grundstücksgrenze errichtet wurde. Allein der recht allgemeine Hinweis, dass die neue Garage an die Stelle der alten Garage trat, erklärt nicht, welche Vermessungen vor Baubeginn erfolgt waren (vgl. auch die von den Beklagten vorgelegte Einmessung in Anlage BB 2) und welcher Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken dabei festgestellt worden war. Auf jeden Fall waren sich die Beklagten bewusst, dass sie an der Grenze bauten, so dass sie deren Verlauf vor Baubeginn ermitteln und die gefundenen Messergebnisse beachten mussten. Nach dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu erklären, wie es zu dem Überbau kommen konnte.
Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Senat sogar der Überzeugung, dass der Beklagte zu 1) die Garage absichtlich zum Teil auf dem Grundstück der Klägerin errichten ließ. Nach der Beweisaufnahme gab der Beklagte zu 1) bei zwei Gelegenheiten zu, dass er seine Garage bewusst unter Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin errichten ließ.
Dieses Verhalten des Beklagten zu 1) ergibt sich sowohl aus dem von den Zeugen inhaltlich bestätigten Gesprächsprotokoll in der Anlage K 4 als auch aus der Aussage der Zeugin W. Nach den Aussagen der Zeugen A. und K. geht der Senat davon aus, dass das Protokoll in Anlage K 4 unmittelbar nach dem dort beschriebenen Gespräch niedergelegt wurde und dessen Inhalt zutreffend wiedergibt. Die Zeugen waren glaubwürdig und ihre Aussage glaubhaft. Zwar hatte der Zeuge A. zunächst keine konkrete Erinnerung daran, dass die fragliche Aussage des Beklagten in diesem „Vierer-Gespräch“ fiel, sie war ihm aber als solche bekannt; er verortete sie nur zu einem späteren Zeitpunkt. Vor allem bestätigen beide Zeugen, dass das Protokoll schon damals so verfasst wurde und das Gespräch richtig wiedergab. Zudem schilderte die Zeugin W. sehr lebhaft die Telefongespräche mit dem Beklagten zu 1). Trotz ihrer beruflichen Nähe zur Klägerin ist auch diese Zeugin glaubwürdig und ihre Aussage glaubhaft. Von der Zeugin wird glaubhaft geschildert, dass der Beklagte zu 1) ihr erzählte, die Weisung erteilt zu haben, seine Garage teilweise auf dem Grundstück der Klägerin zu bauen.
Der Beklagte zu 1) wandte in der mündlichen Verhandlung gegenüber diesem Punkt ein, dass es keinen Sinn mache, dass er absichtlich auf das fremde Grundstück hätte bauen sollen. Es ist aber auch von ihm nicht bestritten, dass er damals selbst das Grundstück H.-straße 52 kaufen wollte, so dass eine Verschiebung der Garage durchaus eine innere Rechtfertigung haben kann, zumal ihm diese Maßnahme Vorteile bei der eigenen Bausituation verschaffte, indem er seine Garage von seinem Wohnhaus etwas abrücken konnte. Schließlich kann es der Senat aufgrund des Eindrucks vom Beklagten zu 1) in der Sitzung ausschließen, dass es sich bei den beiden von den Zeugen berichteten Äußerungen des Beklagten zu 1) um ein Missverständnis wegen Sprachproblemen gehandelt haben könnte. Der Beklagte zu 1) beherrscht die deutsche Sprache ausgezeichnet und vermag sich klar und überlegt zu artikulieren.
(2) Eine Einwilligung der früheren Eigentümerin M. J. in den Grenzüberbau der Beklagten vermag der Senat nicht festzustellen (kein gestatteter Überbau; vgl. dazu BGH NJW 2008, 3122; 1971, 426).
Die Zustimmung zu einem Überbau muss zwar nicht ausdrücklich erteilt werden, jedoch darf diese nicht ohne ausreichende tatsächliche Grundlage angenommen werden (vgl. BGH WM 1979, 644; dort Unterzeichnung eines Protokolls zur Grenzvermessung). Ein ausreichender tatsächlicher Vortrag der Beklagten zu diesem (nicht alltäglichen) Vorgang fehlt.
Die frühere Eigentümerin J. lebte schon damals nicht mehr auf dem (jetzigen) Grundstück der Klägerin und es ist nicht ersichtlich, anhand welcher äußeren Umstände ihr ein Überbau, der sich erst aus der genauen Grenzvermessung und der anschließenden Bebauung ergab, bekannt geworden sein sollte. Das von den Beklagten im Berufungsverfahren dazu vorgelegte Schreiben in Anlage BB 1 gibt dazu keinen Hinweis und spricht eher dafür, dass mit einer Grenzverletzung gerade kein Einverständnis bestand. Ein Einverständnis des Betreuers der Eigentümerin Jahn wird von den Beklagten ohnehin nicht behauptet.
Schließlich bieten die Beklagten für den Vortrag einer Gestattung kein weiteres Beweismittel an, so dass sie auch den Beweis nicht führen können.
cc) Die Klägerin war bei Klageerhebung (§§ 253, 261 Abs. 1 ZPO) Eigentümerin des beeinträchtigten Grundstücks H.straße 52; ein möglicher Übergang des Eigentums auf den Erwerber (§§ 925, 873 BGB; § 265 Abs. 1 ZPO) während des Prozesses hat auf das Verfahren keinen Einfluss (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ein Antrag nach § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO wurde nicht gestellt.
c) Der Beseitigungsanspruch ist nicht im Wege einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien erloschen.
Die Beklagten tragen vor, die Parteien hätten sich am 19.04.2017 geeinigt, dass die Garage der Beklagten bleiben dürfe, wenn die Klägerin ihre Garage und das Fahrradhaus am Ende des Grundstücks errichten würde (Schriftsatz vom 06.07.2018, Seite 1 = Bl. 22 d.A. und vom 22.04.2019, Seite 3 = Bl. 93 d.A.). Die Klägerin bestreitet eine solche Vereinbarung; dies sei ein Vorschlag gewesen, der von den Beklagten verworfen worden wäre (Schriftsatz vom 23.08.2018, Seite 2 = Bl. 37 d.A.).
Eine solche (Vergleichs-)Vereinbarung, die zum Wegfall der Klageansprüche führte, vermag der Senat nicht festzustellen. Die von den Beklagten dazu vorgelegte E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin vom 19.04.2017 (Anlage B 1, nach Bl. 23 d.A. = Anlage 5 zum Protokoll vom 03.07.2019) belegt keine solche Einigung. Darin stellte der Geschäftsführer der Klägerin lediglich eine Zustimmung seiner Käufer in Aussicht, erklärte diese aber nicht selbst und gab auch keine entsprechende Verpflichtung seinerseits ab. In der mündlichen Verhandlung am 03.07.2019 ergab sich, dass die Käufer eine solche Zustimmung nicht erteilt haben und mit der Prozessführung der Klägerin – nach deren Aussage – ausdrücklich einverstanden sind. Einen gegenteiligen Vortrag des Beklagten dazu gibt es auch mit Blick auf die in der Verhandlung am 03.07.2019 übergebenen Ausdrucke nicht.
Aufgrund der Beweisaufnahme vom 03.07.2019 (Protokoll, Bl. 113 ff d.A.) ergibt sich ferner, dass eine solche Vereinbarung nicht bei dem Vierer-Gespräch am 15.02.2017 (Anlage K 4) getroffen wurde, da sie dort vom Beklagten zu 1) ausdrücklich ablehnt wurde (Bl. 117/118), so dass ein dort unterbreitetes Angebot der Klägerin erloschen war (§§ 146, 147 Abs. 1 Satz 1 BGB).
d) Der Beseitigungsanspruch ist nicht verjährt (§§ 195, 199, 198 BGB).
aa) Der Garagenneubau entstand erst nach Juli 2008 (vgl. Bescheinigung in Anlage BB 2, wonach mit dem Bau auf dem Grundstück der Beklagten offenbar nicht vor Juli 2008 begonnen wurde), womit die Klage vom 07.03.2018 (zugestellt am 07.04.2018) die 10-jährige Verjährungsfrist des §§ 199 Abs. 4, 198 BGB hemmte (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
bb) Es kann nicht festgestellt werden, dass die frühere Eigentümerin des Grundstücks H.-straße 52, M. J., den Überbau kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Beklagten beziehen sich wegen deren Kenntnis vom Überbau auf das Schreiben vom 09.06.2009 (Anlage BB 1). Hieraus kann wegen des durch die Garage erfolgten Grenzüberbaus nichts entnommen werden (siehe auch schon oben zu einem Einverständnis mit dem Überbau).
Jedenfalls bleiben die Beklagten beweisfällig (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 199 Rdnr. 50), da sie eine Kenntnis/grob fahrlässige Unkenntnis der Voreigentümerin vom Überbau und von einem ihr zustehenden Anspruch aus § 1004 BGB mangels weiterer Beweisangebote nicht beweisen können.
e) Das Beseitigungs- und Herausgabeverlangen der Klägerin ist nicht missbräuchlich und stellt keine Schikane dar (§§ 242, 226 BGB).
aa) Die Beklagten machen den Einwand des Rechtsmissbrauchs an der geringen Überschreitung der Grundstücksgrenze von lediglich 20 cm durch ihren Überbau fest. Dieser Vortrag genügt aber nicht, die Ansprüche der Klägerin auszuschließen, da er die enge Bebauung der Grundstücke im städtischen Bereich ausblendet.
Zum einen beeinträchtigt der Überbau die (künftige) bauliche Nutzung des Grundstücks der Klägerin. Nach dem Vortrag der Klägerin konnte sie auf ihrem Grundstück die Garage nicht wie ursprünglich geplant im vorderen Bereich des Grundstücks (in Nähe der Straße) errichten, da wegen des Überbaus dort der erforderliche Platz fehlte (vgl. dazu auch die Zeugenaussage K., Protokoll vom 03.07.2019). Mit der Beseitigung des Überbaus kann die Klägerin ihr Grundstück umgestalten und die Garage dort anders platzieren. Allein der Umstand, dass inzwischen eine andere bauliche Lösung gewählt wurde (dazu sogleich) lässt diese Option nicht unrealistisch werden. Abriss und Neubau einer genormten Garage sind mit überschaubarem Aufwand möglich und bei der hochpreisigen Lage im Stadtgebiet von M. eine echte Option, den vorhandenen Garten wertsteigend zu erweitern.
Bei der gegenwärtigen Bebauung des Grundstücks der Klägerin, bei die Garage am südlichen Ende des Grundstücks errichtet wurde, ist die dahin führende Zufahrt mit 2,85 m deutlich schmaler, als sie ohne den Überbau der Beklagten wäre (dann ca. 3,00 m). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, ist beim Rangieren und Befahren von Grundstückszufahrten jeder zusätzliche cm hilfreich. Von daher sieht er allein schon in der Erweiterung der Zufahrt zur Garage auf dem Grundstück der Klägerin um 20 cm eine objektive Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten dieses Grundstücks, was eine rechtsmissbräuchliche Ausübung der Rechte der Klägerin ausscheiden lässt.
Hinzu kommt, dass er Beklagte zu 1) den Grenzüberbau vorsätzlich veranlasste (siehe oben), so dass sein Interesse, den rechtswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten, bei der gebotenen Abwägung der Interessen nicht schutzwürdig ist, zumal er den Garagenüberbau mit für ihn auch finanziell zumutbaren Mitteln beseitigen kann, indem er die Garage vollständig auf sein Grundstück versetzt oder dort neu errichten lässt.
bb) Die Beklagten können die Missbräuchlichkeit des Klageverlangens auch nicht damit begründen, dass sie der Errichtung der Garage der Klägerin am Ende von deren Grundstück letztlich doch zugestimmt hätten. Die Klägerin sah sich gezwungen, die Platzierung der Garage wegen des Überbaus der Beklagten zu verschieben, so dass deren Zustimmung zu dieser Lösung kein echtes Entgegenkommen darstellt, mit dem sie die Ausübung der Rechte der Klägerin aus §§ 1004, 985 BGB zu Fall bringen könnten. Die Verweigerung der Zustimmung hätte vielmehr die von den Beklagten ausgehende Eigentumsverletzung der Klägerin nur vertieft.
cc) Aus diesen Gründen liegt mit dem Klagebegehren auch keine Schikane vor.
2. Die Klägerin kann von den Beklagten die Beseitigung des Teils der Zufahrt zu deren Garage verlangen, der sich auf dem Grundstück der Klägerin befindet (§ 1004 Abs. 1 BGB).
a) Die Zufahrt zur Garage (mit sämtlichen über- und unterirdischen Bauteilen) der Beklagten befindet sich ebenfalls teilweise (ca. 20 cm) auf dem Grundstück der Klägerin und stellt damit eine rechtswidrige Eigentumsverletzung dar.
Die Eigentumsverletzung im Umfang von Ziffer I. 2. des Tenors ergibt sich einerseits (wie bei der Garage) aus dem amtlichen Handriss und zum anderen aus den ersten drei und dem sechsten Foto in der Anlage K 3. In der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass sich der dort orangefarben markierte Halbkreis mit einem darin befindlichen orangefarbenen Punkt den tatsächlichen Grenzpunkt darstellt, während die dort zu sehende rote Linie den von den Beklagten beanspruchten Grenzverlauf beschreibt. Danach haben die Beklagten in einer Breite von ca. 20 cm die Pflasterung ihrer Zufahrt samt den Begrenzungssteinen und deren Fundamenten auf dem Grundstück der Klägerin ausgebracht.
b) Eine Duldungspflicht der Klägerin besteht nicht. Bei der Zufahrt handelt es sich nicht um ein Gebäude, so dass § 912 BGB nicht einschlägig ist; ein Fall des § 917 BGB liegt ebenfalls nicht vor.
Dem Beseitigungsanspruch stehen auch die §§ 242, 226 BGB nicht entgegen. Der teilweise der Rückbau der Garagenzufahrt stellt für die Beklagten keine so schwere Beeinträchtigung dar, die es der Klägerin verwehren könnte, ihr Eigentum durchzusetzen.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen zum Beseitigungsanspruch wegen der Garage Bezug genommen.
3. Die Klägerin kann von den Beklagten weiter die Herausgabe des von deren Garage nebst Zufahrt genutzten Teils des Grundstücks der Klägerin Verlangen (§§ 985, 986 BGB).
a) Die Klägerin ist Eigentümerin der Fläche des Grundstücks H.-straße 52 (FlNr. …34/89).
b) Die Beklagten haben die in Ziffern I. 1. und I. 2. des Urteilstenors beschriebenen Teile des Grundstücks der Klägerin in Besitz genommen, indem sie dieses mit der Garage und der dazugehörenden Zufahrt bebaut haben und damit für sich nutzen (§ 854 BGB).
c) Die Beklagten haben kein Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 BGB). Die Garage stellt keinen gutgläubigen Überbau dar (§ 912 Abs. 1 BGB), so dass weder eine Duldungspflicht noch ein Recht zum Besitz an der überbauten Grundstücksfläche besteht. Hinsichtlich der Zufahrt fehlt es schon an einem Gebäude, für das ein Recht zum Überbau bestehen könnte.
d) Der dingliche Herausgabeanspruch aus § 985 BGB eines Grundstücks unterliegt nicht der Verjährung (§ 902 BGB). Eine unzulässige Rechtsausübung der Klägerin liegt auch hier nicht vor.
4. Die weitergehende Klage auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war abzuweisen, da kein bestimmter Klageantrag gestellt wurde (§ 253 Abs. 2 ZPO).
Die Klägerin beziffert ihre Forderung nicht, sondern überlässt es dem Gericht ihren Anspruch gegen die Beklagten aufgrund bestimmter Angaben errechnen, ohne dass die Grundlagen des Innenverhältnisses der Klägerin zu ihren Rechtsanwälten dargestellt werden. Diese Art der Klageerhebung sieht der Senat als unzulässig an; eines besonderen Hinweises bedurfte es nicht (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Der Antrag ist formal nicht beziffert und damit unbestimmt. Auch die Begründung enthält keinen bestimmbaren Anspruch. Soweit sich die Klägerin wegen der Auseinandersetzung mit den Beklagten anlässlich des Überbaus hat anwaltlich vertreten lassen, trägt sie weder vor, ob sie dafür ihrem Rechtsanwalt eine bestimmte Vergütung bezahlt hat, ob und in welcher Höhe gegen sie deswegen eine offene Vergütungsforderung besteht oder dem Grunde nach entstanden sein soll oder ob z.B. wegen der Höhe des vorgerichtlichen Gegenstandswertes (RVG VV 2300) eine Vergütungsvereinbarung oä getroffen wurde. Mit dem Klageantrag in Ziffer III. wird letztlich eine abstrakte Verurteilung – ähnlich der Kostengrundentscheidung nach §§ 308 Abs. 2, 91 ff. ZPO – wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt, ohne dass ein bestimmter oder zumindest bestimmbarer Schadensersatzanspruch vorgetragen wird.
5. Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91, 92, 100 Abs. 4 ZPO, wobei das Unterliegen der Klägerin mit der Nebenforderung nicht ins Gewicht fällt.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass zugunsten der Beklagten ein Rechtsbehelf gegen dieses Urteil gegeben ist.
Soweit nach diesem Urteil der teilweise Abriss der Garage der Beklagten vollstreckt werden kann, bewertet der Senat den Beseitigungsanspruch der Klägerin mit 10.000,00 € und legt diesen Betrag der von den Beklagten zu leistenden Sicherheit zugrunde; soweit die Klägerin ihrerseits nach § 711 Satz 1 ZPO Sicherheit leisten kann, um trotz einer von den Beklagten gestellten Sicherheit vor Eintritt der Rechtskraft vollstrecken zu können, bewertet der Senat das Interesse der Beklagten wegen des damit verbunden möglichen kompletten Abrisses mit 20.000,00 € und ordnet daher (ausnahmsweise) eine höhere Sicherheitsleistung der Gläubigerin an (vgl. Zöller/Herget, § 711 Rdnr. 2; BeckOKZPO/Ulrici § 711 Rdnr. 10.2). Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zufahrt liegen sowohl das Beseitigungs- als auch das Erhaltungsinteresse deutlich niedriger.
Die Revision war mangels des Vorliegens von Zulassungsgründen nicht zuzulassen. Die Feststellung des tatsächlichen Grenzüberbaus durch die Beklagten betrifft keine Rechtsfrage und auch sonst ist das Recht des Überbaus in der Rechtsprechung des BGH geklärt.