Baurecht

Beseitigung eines Werbemittels (hier in Gestalt einer Eistüte) von öffentlichem Verkehrsgrund

Aktenzeichen  M 2 S 16.2952

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG BayStrWG Art. 1, Art. 2 Nr. 2, Art. 18 Abs. 1 S. 1, Art. 18a Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Ist eine Straße als „beschränkt-öffentlicher Weg nur für Fußgänger“ gewidmet, handelt es sich um eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, also eine öffentliche Straße iSd Art. 1 S. 1 BayStrWG. (redaktioneller Leitsatz)
2. Da der Luftraum über dem Straßenkörper zur Straße gehört (Art. 2 Nr. 2 BayStrWG), wird eine Straße durch einen in den Luftraum über dem Straßenkörper hineinragenden Gegenstand benutzt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Es gibt keine „Bagatellgrenze“, unterhalb der infolge der Geringfügigkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Straße keine gemeingebrauchsbeeinträchtigende Sondernutzung vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Gemeingebrauch bereits durch andere Hindernisse beeinträchtigt sei. (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Sondernutzungs(erlaubnis)recht ist wirtschafts- und wettbewerbsneutral. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung der Antragsgegnerin, ein Werbemittel in Gestalt einer Eistüte von öffentlichem Verkehrsgrund zu entfernen.
Sie betreibt in der im historischen Ortskern der Antragsgegnerin gelegenen …-straße (auf Fl.Nr. … Gemarkung …) im Gebäude Hausnummer 37 (Fl.Nr. … Gemarkung …) ein Eiscafé. Bei der …-straße handelt es sich in diesem Bereich um eine Fußgängerzone, die straßenrechtlich als „beschränkt-öffentlicher Weg nur für Fußgänger“ gewidmet ist (vgl. Bl. 1a der Behördenakte – BA). Die Pflasterung der …-straße reicht bis an die Außenwand des Gebäudes heran.
Nach Aktenlage stellte die Antragsgegnerin seit dem Jahr 2010 wiederholt fest, dass im Bereich des Eiscafés ein Werbemittel in Gestalt einer ca. 2 m hohen Eistüte aufgestellt ist (vgl. Bl. 28, 31 – 36, 39, 41, 42b, 43 f., 46a, 48c f., 50b ff., 51 ff. BA). Dabei war die Eistüte teilweise auf einer Bodenplatte befestigt, die auf der Eingangsstufe zum Eiscafé stand (siehe Fotos Bl. 32 b, 33a, 34b, 35, 42b, 43, 48c f., 50c, 51 ff. BA), teilweise war sie auf einen Haken aufgesteckt, der in der Außenwand des Gebäudes befestigt ist (siehe Fotos Bl. 39, 41, 46a). Nach Aktenlage wiesen Mitarbeiter der Antragsgegnerin die Antragstellerin mehrfach mündlich sowie u. a. mit Schreiben vom 24. Juni 2013 darauf hin, dass die Eistüte, die in den öffentlichen Straßengrund hineinrage, nicht aufgestellt werden dürfe und zu entfernen sei.
Nachdem die Antragsgegnerin am 1. Februar 2016 erneut feststellte, dass die Eistüte auf dem Hacken an der Außenwand des Gebäudes aufgesteckt war (Foto Bl. 46a BA), hörte sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 4. März 2016 zum Erlass einer Beseitigungsanordnung wegen einer unerlaubten Sondernutzung an. Am 6. Juni 2016 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Eistüte auf der Bodenplatte angebracht war, die auf der Eingangsstufe des Eiscafés stand, wobei die Bodenplatte über die Eingangsstufe hinausragte (Fotos Bl. 48c f. BA).
Daraufhin gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 6. Juni 2016, zugestellt am 8. Juni 2016, auf, das nicht genehmigte Werbemittel in Form einer Eistüte vor dem Geschäft der Antragstellerin in der …-straße 37 bis Freitag, 17. Juni 2016 von öffentlichem Verkehrsgrund zu entfernen (Ziffer 1.), ordnete die sofortige Vollziehung der Nummer 1 an (Ziffer 2.), drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 150,00 € an (Ziffer 3.) und entschied über die Kosten (Ziffern 4. und 5.). Werde eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt, könnten gemäß Art. 18 a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG die zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands erforderlichen Anordnungen erlassen werden, insbesondere die Entfernung der Sondernutzung verlangt werden. Das Aufstellen der Eistüte stelle eine Sondernutzung dar. Durch das Aufstellen der Eistüte könne der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden. Es genüge, dass Fußgänger der aufgestellten Eistüte ausweichen müssten. Eine Sondernutzungserlaubnis für die Eistüte sei nicht beantragt worden und könne gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 der Sondernutzungssatzung auch nicht erteilt werden, weil das Stadtbild erhebliche beeinträchtigt werde. Im Rahmen der Ermessensabwägung sei zwischen den privaten Interessen der Antragstellerin, mit der Aufstellung der Eistüte die Attraktivität der Eisdiele bzw. eine Umsatzsteigerung zu erreichen, und den gegensätzlichen öffentlichen Interessen abzuwägen. Gegen eine weitere Duldung sprächen insbesondere Gründe der Leichtigkeit, aber auch der Sicherheit des Fußgängerverkehrs sowie der Schutz des Stadtbildes. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erscheine geboten, da ein eingelegter Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung entfalten würde und somit auch weiterhin die Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs sowie das historische Stadtbild unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Dieser Zustand sei den Anwohnern und der Allgemeinheit nicht zumutbar.
Am 5. Juli 2016 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid erheben. Über diese Klage, die unter dem Aktenzeichen M 2 K 16.2951 geführt wird, wurde noch nicht entschieden. Zudem ließ sie beantragen,
die aufschiebende Wirkung hinsichtlich Ziffer 1. des Bescheids vom 6. Juni 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Bescheid lasse nicht erkennen, welche Maßnahmen die Antragstellerin treffen bzw. unterlassen solle. Auch sei keine ordnungsgemäße Ermessensausübung, insbesondere hinsichtlich der sofortigen Vollziehbarkeit erkennbar. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Eistüte auf öffentlichem Verkehrsgrund aufgestellt sei. Die Eistüte stehe auf einer Stahlplatte montiert in den Mieträumen der Antragstellerin. Auch am 1. Februar 2016 sei die Eistüte nicht vor der Eisdiele aufgestellt gewesen. Möglicherweise habe sie wegen Reinigungsarbeiten gerade an der Wand gelehnt. Am 6. Juni 2016 habe die Eistüte innerhalb der gemieteten Räume gestanden. Eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen der Eistüte innerhalb der gemieteten Räumlichkeiten sei nicht notwendig. Die Eistüte rage nicht in den öffentlichen Verkehrsraum hinein. Der Gemeingebrauch werde durch die Eistüte nicht beeinträchtigt. Nachdem die Antragsgegnerin jegliche Werbung auf der …-straße verbiete, sei die Antragstellerin darauf angewiesen, in ihren Räumlichkeiten auf den Verkauf von Speiseeis deutlich hinzuweisen. Es erscheine nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragsgegnerin meine, den sofortigen Vollzug anordnen zu müssen: Diese habe den Zustand vier Monate lang nicht kontrolliert. Die halbe Sommersaison sei schon vorbei.
Am 29. und 30. Juli 2016 sowie am 2. August 2016 stellte die Antragsgegnerin jeweils fest, dass die Eistüte wiederum auf der Bodenplatte befestigt auf der Eingangsstufe des Eiscafés stand (Bl. 51 ff. BA).
Mit Schreiben vom 10. August 2016 legte die Antragsgegnerin ihre Akten vor und beantragte sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Der Bescheid sei hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin solle das nicht genehmigte Werbemittel in Form einer Eistüte vor ihrem Geschäft von öffentlichem Verkehrsgrund entfernen. Zu einer Straße gehöre auch der Luftraum über dem Straßenkörper. Fotos zeigten, dass die Eistüte eindeutig in den öffentlichen Verkehrsraum rage. Im Rahmen der Ermessensabwägung sei im Hinblick auf die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs insbesondere zu berücksichtigen, dass vor der Eisdiele der Fußgängerverkehr durch die erlaubte Bestuhlung ohnehin schon erheblich eingeschränkt sei. Wie auf dem Foto vom 1. Februar zu sehen sei, sei die Eistüte an der Außenwand des Cafés angebracht gewesen und habe erheblich in die …-straße hineingeragt. Die Außenwand des Anwesens …-straße 37 stelle die Grenze zwischen dem Privatgrund und öffentlichem Verkehrsgrund dar. Eine Sondernutzungserlaubnis würde nicht erteilt werden, da sie in der historischen …-straße aufdringlich und verunstaltend wirke. Sie würde ferner versagt werden, da durch die Eistüte eine nicht vertretbare Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs zu erwarten sei. Zwischen der Hauswand und der genehmigten Außenschankfläche müsse ein Zwischenraum von 2,50 m frei belieben. Diese Restfläche werde zur Abwicklung eines gesicherten Fußgängerverkehrs in der stark frequentierten …-straße benötigt. Am 6. Juni 2016 sei die Bodenplatte der Eistüte zwar in den Räumen der Eisdiele am Boden befestigt gewesen, ein Teil der Bodenplatte und der Eistüte hätten aber weiterhin in die öffentliche Verkehrsfläche hineingeragt. Hinsichtlich einer Sondernutzung gebe es keine Bagatellgrenze.
Nach Akteneinsicht äußerte sich die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. August 2016 ergänzend u. a. wie folgt: Aus welcher Logik die Antragsgegnerin annehme, die Ladenschwelle sei gleichbedeutend mit der Grundstücksgrenze, sei nicht nachvollziehbar. Messpunkte oder ähnliches seien nicht ersichtlich. Es sei Unsinn, der Eistüte eine Gefährdung des Fußgängerverkehrs zureden zu wollen, wenn Fußgänger 10 cm weiter ein Hindernis (Verkaufsstand bzw. Fahrradständer der nebenan liegenden Apotheke) umgehen müssten.
Mit Schreiben vom 7. September 2016 erwiderte die Antragsgegnerin u. a. wie folgt: Aus dem beigefügten Auszug des Liegenschaftskatasters gehe eindeutig hervor, dass die Außenmauer des Gebäudes …-straße 37 die Grundstücksgrenze darstelle. Der ebenfalls beiliegenden Flurkarte könnten die Messpunkte entnommen werden. Dabei sei klar zu erkennen, dass der Baukörper südlich geringfügig und im östlichen Bereich sogar ca. 30 cm in das städtische Grundstück hineinrage. Da die Eistüte über die Außenmauer des Gebäudes hinausrage, liege eine unerlaubte Sondernutzung vor.
Mit Beschluss vom 8. September 2016 wurde der Rechtstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Die Antragstellerin hat beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 5. Juli 2016 gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 6. Juni 2016 wiederherzustellen (§ 88 VwGO). Dieser Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nur in den in § 80 Abs. 2 VwGO genannten Fällen, u. a. wenn eine Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Bei einer solchen Anordnung des Sofortvollzugs ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen.
Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nach § 80 Abs. 5 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Hinsichtlich der Anordnung des Sofortvollzugs prüft das Gericht zunächst, ob diese formell rechtmäßig war. Im Übrigen trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung: Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Daran gemessen kommt vorliegend keine Wiedererstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 5. Juli 2016 gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 6. Juni 2016 in Betracht: Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 2. dieses Bescheids ist formell rechtmäßig (sogleich 1.). Die Interessenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus, weil ihre Anfechtungsklage gegen Ziffer 1. des Bescheids bei summarischer Prüfung erfolglos bleiben wird (sogleich 2.):
1. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 2. des Bescheids vom 6. Juni 2016 bezüglich der Anordnung in Ziffer 1. dieses Bescheids ist formell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin war als die den Verwaltungsakt erlassende Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs zuständig und hat dabei gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet. Diese Begründung genügt auch den Anforderungen: Insbesondere ist zwar knapp, aber noch hinreichend angegeben, welche Gründe die Antragsgegnerin bezogen auf den konkreten Einzelfall bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen: So wurde dargelegt, dass im vorliegenden Fall ohne Anordnung des Sofortvollzugs die Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs sowie das historische Stadtbild weiterhin beeinträchtigt wäre, was nicht mehr zumutbar sei. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob die Anordnung des Sofortvollzugs notwendig gewesen sei, obwohl vier Monate nicht kontrolliert worden und der „halbe Sommer“ schon vorbei sei, betrifft nicht den vom Gericht im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO allein zu prüfenden Gesichtspunkt der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs.
2. Die vom Gericht im Rahmen seiner eigenen Ermessenentscheidung anzustellende Interessabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus. Nach der im Rahmen dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen summarischen Prüfung ist zu erwarten, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 5. Juli 2016 gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 6. Juni 2016 erfolglos bleiben wird, weil Ziffer 1. dieses Bescheids rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Einzelnen:
a) Rechtsgrundlage der Ziffer 1. des Bescheids ist Art. 18 a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG. Danach kann die Straßenbaubehörde die erforderlichen Anordnungen erlassen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis nach Art. 18 BayStrWG benutzt wird. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG bedarf die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann.
b) Die Anordnung in Ziffer 1. des Bescheids, das nicht genehmigte Werbemittel in Form einer Eistüte vor dem Geschäft der Antragstellerin in der …-straße 37 bis 17. Juni 2016 vom öffentlichem Verkehrsgrund zu entfernen, ist hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin kann unschwer erkennen, was sie zu tun hat, nämlich ihre Eistüte innerhalb der gesetzten Frist vom öffentlichen Verkehrsgrund der …-straße wegzuräumen.
c) Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Art. 18 a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG i. V. m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG sind erfüllt. Die …-straße ist eine öffentliche Straße – sogleich aa) -, die durch die Aufstellung der Eistüte, so wie sie von der Antragsgegnerin festgestellt wurde, benutzt wird – sogleich bb). Die für diese Benutzung erforderliche Sondernutzungserlaubnis liegt nicht vor – sogleich cc). Die Anordnung, die Eistüte vom öffentlichen Verkehrsgrund zu entfernen, ist erforderlich – sogleich dd). Im Einzelnen:
aa) Die …-straße ist im verfahrensgegenständlichen Bereich als „beschränkt-öffentlicher Weg nur für Fußgänger“ gewidmet (vgl. Bl. 1a BA). Mithin handelt es sich bei der …-straße um eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, also eine öffentliche Straße im Sinne des Art. 1 Satz 1 BayStrWG.
Diese öffentliche Straße reicht dabei auch bis unmittelbar an die Außenmauer des Gebäudes heran, in dem sich das Eiscafé befindet: Wie sich aus den von der Antragsgegnerin zuletzt mit Schreiben vom 7. September 2016 vorgelegten Unterlagen (insbesondere Auszug aus dem Liegenschaftskataster, digitale Flurkarte) ergibt, befindet sich die Außenmauer des Gebäudes …-straße 37 unmittelbar an der Grundstücksgrenze zwischen dem Anliegergrundstück Fl.Nr. … und dem Straßengrundstück Fl.Nr. … Genau besehen liegt im westlichen Bereich des Gebäudes ein Teil der Außenmauer sogar auf dem Straßengrundstück Fl.Nr. … Zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann jedenfalls, dass es zwischen dem gewidmeten Straßengrundstück Fl.Nr. … und der Außenmauer gleichsam einen Spalt gibt, der schon auf dem Anliegergrundstück Fl.Nr. … liegt und damit nicht von der Widmung der …-straße umfasst wäre. Den dahingehenden Einwand der Antragstellerin im Schriftsatz vom 21. August 2016 hat die Antragsgegnerin durch die mit Schreiben vom 7. September 2016 vorgelegten Unterlagen entkräftet.
bb) Da der Luftraum über dem Straßenkörper zur Straße gehört (Art. 2 Nr. 2 BayStrWG), wird eine Straße durch einen in den Luftraum über dem Straßenkörper hineinragenden Gegenstand benutzt. Vorliegend ragt die ca. 2 m hohe Eistüte, wenn sie von der Antragstellerin so aufgestellt wird, wie dies die Antragsgegnerin mit den vorliegenden Fotos dokumentiert hat, in den Luftraum über dem Straßenkörper der …-straße hinein, benutzt mithin diese Straße:
Nachdem die öffentliche Straße, wie eben dargelegt, bis an die Außenmauer des Gebäudes …-straße 37 heranreicht, befindet sich die Eistüte vollständig im Luftraum über dem Straßenkörper, wenn sie auf dem Haken aufgesteckt ist, der in der Außenwand des Gebäudes befestigt ist (siehe Fotos Bl. 39, 41, 46a). In einer derartigen Weise hatte die Antragstellerin die Straße u. a. auch am 1. Februar 2016 benutzt (Bl. 46a BA), was Anlass für die Anhörung zum Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids war. Die Behauptung der Antragstellerin, am 1. Februar 2016 sei die Eistüte nicht vor der Eisdiele aufgestellt gewesen, möglicherweise habe sie wegen Reinigungsarbeiten an der Wand gelehnt, wird durch das in den Akten befindliche Foto (Bl. 46a BA) eindeutig widerlegt.
Die Eistüte ragt auch dann in den Luftraum über dem Straßenkörper hinein, wenn sie so wie von der Antragsgegnerin dokumentiert auf einer Bodenplatte befestigt ist, die auf der Eingangsstufe zum Eiscafé steht (siehe Fotos Bl. 32 b, 33a, 34b, 35, 42b, 43, 48c f., 50c, 51 ff. BA). In einer derartigen Weise hatte die Antragstellerin die Straße u. a. am 6. Juni 2016 benutzt (Bl. 48 c f. BA), was dann zum Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids geführt hat, ferner nach Erlass des Bescheids u. a. am 29. Juli 2016 (Bl. 51 BA), am 30. Juli 2016 (Bl. 52 BA) sowie am 2. August 2016 (Bl. 53 BA). Wie die Fotos zeigen, reicht die Eistüte aufgrund ihrer sich nach oben hin verbreiternden Gestalt zumindest im ihrem oberen Bereich über die Außenmauer des Gebäudes hinaus einige Zentimeter in den Luftraum über dem Straßenkörper hinein, wenn die Bodenplatte so wie geschehen auf der Eingangsstufe zum Eiscafé aufgestellt ist. Der Hinweis der Antragstellerin, die Eistüte sei nicht auf öffentlichem Verkehrsgrund aufgestellt gewesen bzw. die Eistüte habe auf einer Stahlplatte montiert innerhalb der gemieteten Räume gestanden, greift zu kurz: Entscheidend ist nicht, wo sich die Bodenplatte befindet, sondern dass die Eistüte zumindest in ihrem oberen Bereich in den Luftraum über dem Straßenkörper hineinragt. Die …-straße würde erst dann nicht mehr benutzt, wenn die Bodenplatte so weit nach innen gerückt wäre, dass die Eistüte selbst in ihrem oberen Bereich nicht mehr den Luftraum über dem bis unmittelbar an die Außenmauer des Gebäudes heranreichenden Straßenkörper berührte.
cc) Für diese Benutzung ist auch eine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG erforderlich, da sie über den Gemeingebrauch hinausgeht (also eine Sondernutzung darstellt) und durch sie der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann. Eine solche Sondernutzungserlaubnis liegt nicht vor.
Die Benutzung des Luftraums über einer öffentlichen Straße durch ein Werbemittel wie die Eistüte gehört nicht mehr zum Gemeingebrauch, da eine solche Benutzung nichts mit einer Benutzung zu Verkehrszwecken zu tun hat (BayVGH, U. v. 27.5.1958 – 111 IV 54 – BayVBl. 1958, 281, 285; vgl. auch: BayVGH, U. v. 22.11.2006 – 8 BV 05.1918 – juris Rn. 38; BayVGH, B. v. 29.12.2008 – 8 CS 08.1371 – juris Rn. 14). Mithin stellt auch die von der Antragsgegnerin dokumentierte Benutzung der …-straße durch die Eistüte eine Sondernutzung dar.
Durch eine solche Sondernutzung kann auch der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden. Dies folgt allein daraus, dass der durch die Sondernutzung beanspruchte Bereich nicht mehr für den Verkehr zur Verfügung steht und somit zumindest im Sinne einer abstrakten Gefahr dessen Sicherheit und Leichtigkeit beeinträchtigt ist. Dem steht nicht entgegen, dass vorliegend „nur“ der Fußgängerverkehr betroffen ist: Erst ab einer Höhe von 3 m über der Straßenoberfläche kann davon ausgegangen werden, dass das Hineinragen in den Luftraum den Fußgängerverkehr nicht mehr behindert und deshalb der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt ist (vgl. BayVGH, U. v. 22.11.2006 – 8 BV 05.1918 – juris Rn. 39). Vorliegend ragt die Eistüte indes bereits in einer Höhe von ca. 1 – 2 m in den Luftraum über der …-straße hinein. Zu Recht weist die Antragsgegnerin ferner darauf hin, dass es keine „Bagatellgrenze“ gibt, unterhalb der infolge der Geringfügigkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Straße keine gemeingebrauchsbeeinträchtigende Sondernutzung vorliegt (BVerwG, B. v. 10.5.1996 – 11 B 29.96 – juris Rn. 4; Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Oktober 2015, Art. 18 Rn. 15 m. w. N.). Eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs kann deshalb vorliegend nicht mit dem Argument verneint werden, die Eistüte rage jedenfalls dann, wenn sie mittels der Bodenplatte auf der Eingangsstufe zum Eiscafé aufgestellt ist, nur einige Zentimeter in den Luftraum hinein. Unbehelflich ist schließlich auch der Hinweis der Antragstellerin darauf, dass in der unmittelbaren Umgebung des Eiscafés weitere Hindernisse wie der Verkaufsstand und die Fahrradständer der nebenan liegenden Apotheke vorhanden seien, weshalb mit der Eistüte keine tatsächliche Gefährdung des Fußgängerverkehrs verbunden sei. Zum einen ist jede zusätzliche, weitergehende Verschlechterung gesondert zu betrachten. Die Antragstellerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass der Gemeingebrauch bereits durch andere Hindernisse beeinträchtigt sei (vgl. dazu Wiget in Zeitler, a. a. O.). Zum andern ist für den Tatbestand des Art. 18 BayStrWG keine konkrete, sondern eine abstrakte Gefährdung des Gemeingebrauchs ausreichend. Die Notwendigkeit für Fußgänger, einem Hindernis ausweichen zu müssen, stellt deshalb zwingend auch dann eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs dar, selbst wenn sie nach der gesamten Sachlage als unbedeutende, ganz geringfügige Umwelteinwirkung anzusehen sein sollte (vgl. Wiget in Zeitler, a. a. O., m. w. N.).
Die mithin erforderliche Sondernutzungserlaubnis liegt unstreitig nicht vor. Die der Antragstellerin für ihre Außengastronomie erteilte Sondernutzungserlaubnis umfasst nicht auch die Aufstellung der Eistüte.
dd) Bei der Anordnung, die Eistüte bis 17. Juni 2016 von öffentlichem Verkehrsgrund zu entfernen, handelt es sich auch um eine erforderliche Anordnung: Diese Anordnung ist geeignet und notwendig, um die unerlaubte Sondernutzung wirksam zu unterbinden. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Die Anordnung ist auch angemessen. Insbesondere ist die gesetzte Frist nicht zu kurz: Die Antragstellerin kann die Eistüte ohne große Mühe in kürzester Zeit entfernen, da diese lediglich auf einen Haken oder eine Bodenplatte aufgesteckt ist.
d) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich: Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass es sich bei Art. 18 a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG um eine Ermessenvorschrift handelt. Auch sonst ist das Ermessen rechtmäßig ausgeübt: Insbesondere hat die Antragsgegnerin die privaten Interessen der Antragstellerin (Werbung für das Eiscafé, Umsatzsteigerung) gesehen. Es ist nicht zu beanstanden, dass sie diesen im Vergleich zu den öffentlichen Interessen kein höheres Gewicht zugemessen hat: Das Sondernutzungs(erlaubnis)recht ist wirtschafts- und wettbewerbsneutral. Es ist nicht Aufgabe der Straßenbaubehörde Wirtschaftsförderung zu betreiben. Auch ist das Interesse an einer Gewinnmaximierung kein besonders und vorrangig zu berücksichtigender Belang (vgl. zum Ganzen im Zusammenhang mit der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen: OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 1.7.2014 – 11 A 1081/12 – juris Rn. 10). Nichts einzuwenden ist auch dagegen, dass die Antragsgegnerin bei den öffentlichen Interessen neben der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auch den Schutz des historischen Stadtbildes der …-straße maßgeblich hat sein lassen: Genauso wie bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen städtebauliche Belange wie der Schutz eines bestimmten Straßen- oder Ortsbilds berücksichtigt werden dürfen (BayVGH, B. v. 3.11.2011 – 8 ZB 11.1457 – juris Rn. 20 m. w. N.; vgl. auch BayVGH, B. v. 17.4.2012 – 8 ZB 11.2785 – juris Rn. 13 m. w. N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 1.7.2014 – 11 A 1081/12 – juris Rn. 8 f.; Wiget in Zeitler, a. a. O., Art. 18 Rn. 26 m. w. N.), können diese auch bei der Unterbindung unerlaubter Sondernutzungen in die Ermessensausübung eingestellt werden.
Nachdem Ziffer 1. des Bescheids vom 6. Juni 2016 auch sonst keine Rechtsfehler erkennen lässt, wird bei summarischer Prüfung die Anfechtungsklage insoweit erfolglos bleiben. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin hat deshalb schon aus diesem Grund hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurückzutreten.
Nach alldem war der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs.

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