Baurecht

Beseitigung von Grundstücksbepflanzung zwecks Hochwasserschutz

Aktenzeichen  AN 9 S 19.02283

Datum:
12.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3966
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWG Art. 58 Abs. 1 S. 2
WHG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, § 75 Abs. 2, § 78a, § 100 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die Beschränkung des Verbots nach § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG auf solche Pflanzungen, die den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes, insbesondere der Gewährleistung natürlicher und schadloser Abflussverhältnisses und Rückhaltung des Wassers in der Fläche, zuwiderlaufen, ist damit begründet, dass Bäume und Sträucher durchaus auch zur Hochwasserrückhaltung beitragen und damit das Abflussverhalten positiv beeinflussen können. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vom Verbot des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG werden wirkungsmäßig Querbauten vergleichbare Bepflanzungen erfasst. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird insoweit wiederhergestellt, als auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, mit Bescheid vom 23.Oktober 2019 die Beseitigung der parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat verlaufenden Buchenhecken verlangt wird. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
2. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt Rechtsschutz gegen eine vom Antragsgegner bezüglich der Anpflanzungen von Buchenhecken auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, erlassene Beseitigungsanordnung.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich im mit Verordnung vom 28. Juni 2005 festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Fränkischen Rezat. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück wurden auf Veranlassung des Antragstellers mehrere Buchenhecken und Ahornbäume gepflanzt. Die Heckenpflanzungen erfolgten teilweise senkrecht, teilweise parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat.
Mit Schreiben vom 29. April 2019 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, die Pflanzungen bis 24. Mai 2019 zu beseitigen.
Am 6. Mai 2019 sprach der Antragsteller persönlich beim Landratsamt vor und teilte u.a. mit, dass er mit einer Drohne das Überschwemmungsgebiet überflogen habe und viele Heckenpflanzungen und Bäume entdeckt habe; er sehe sich nicht gleich behandelt. Auf diese Vorsprache hin wurde die Frist zur Beseitigung bis zum 20. Juni 2019 verlängert.
Mit E-Mail vom 15. Mai 2019 teilte der Antragsgegner mit, dass die Allee im Rahmen der auf dem streitgegenständlichen Grundstück stattfindenden Außentrauungen von Hochzeitspaaren gebucht werde. Es werde um eine Sondergenehmigung gebeten. Weiterhin wurde ein Plan mit der derzeitigen Bepflanzung und einer aus Sicht des Antragstellers möglichen zukünftigen Gestaltung vorgelegt. Nach dem vorgelegten Vorschlag entfällt die westliche, sich am nächsten an der Fränkischen Rezat befindliche Heckenpflanzung.
Mit E-Mail vom 4. Juni 2019 teilte das Wasserwirtschaftsamt mit, dass aus seiner Sicht keine nachteiligen Veränderungen von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser aufgrund der Ahornbaum-Pflanzungen erkennbar seien. Die Ahornbäume seien mit ca. 8 Meter Abstand voneinander angeordnet, mit Laubaustrieb sei nur im Kronenbereich zu rechnen. Der Abstand der Baumreihen zur Fränkischen Rezat betrage rund 50 Meter. Jedoch sei die Buchenhecke, insbesondere im nördlichen Grundstücksbereich, quer zur Fließrichtung angelegt. Die Einzelpflanzen seien mit geringem Abstand sehr dicht gesetzt. Es sei nach Laubaustrieb mit dichtem Blätterwerk ab Geländeoberkante zu rechnen. Daher sei keine Möglichkeit für eine Ausnahme gegeben. Die Hecke sei in Gänze zu entfernen.
Mit behördlichem Schreiben vom 2. Juli 2019 wurde der Antragsteller zum möglichen Erlass einer Beseitigungsanordnung angehört.
Mit E-Mail vom 5. Juli 2019 teilte der Antragsteller mit, dass sich an der Nordseite des Grundstücks teils Gebäude und Zäune des Nachbarn sowie der erhöht gebaute Straßendamm befänden. Hier könne kein Treibgut angeschwemmt werden, da die Fränkische Rezat in Fließrichtung Westen hinter dem Straßendamm liege. Soweit die Fränkische Rezat in Nord-Süd-Richtung fließe, sei die Hecke sehr weit entfernt. Eine Anstau von Treibgut oder eine Behinderung sei nicht einmal theoretisch möglich, zumindest bis zu der Stelle, welche mehr als 50 Meter vom Ufer der Fränkischen Rezat entfernt sei. Die in Nord-Süd-Richtung angepflanzte Hecke verlaufe parallel zur Rezat, welche 50 Meter entfernt sei. Der Antragsteller bot die Erstellung eines Strömungsgutachtens zum Nachweis der Unbedenklichkeit an und wies auf die Möglichkeit hin, die Hecken in Kübel umzutopfen und im Hochwasserfall rechtzeitig abtransportieren zu lassen.
Am 10. Juli 2019 beantragte der Antragsteller eine Ausnahmegenehmigung für die Anpflanzung von Bäumen im Überschwemmungsgebiet.
Am 11. Juli 2019 wurde ein Vorschlag zur Neuanpflanzung durch ein vom Antragsteller beauftragtes Ingenieurbüro vorgelegt und mitgeteilt, dass die bestehende Heckenbepflanzung zwischenzeitlich vertrocknet sei.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2019 wurde dem Antragsteller die Genehmigung nach § 78a Abs. 2 WHG für die Anpflanzung von Bäumen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet erteilt.
Mit E-Mail vom 16. Oktober 2019 legte der Antragsteller eine weitere Stellungnahme durch das von ihm beauftragte Ingenieurbüro vor. Dieser ist zu entnehmen, dass das Hochwasser der Fränkischen Rezat im Hochwasserfall nach Süden im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks nur über zwei Stellen, nämlich unter der Brücke sowie über den …, abfließen könne. Nach der amtlichen Hochwasserkarte sei die Straße hochwasserfrei und werde nicht überschwemmt. Sie wirke als Hochwasserdamm. Hauptfließrichtung nach der Brücke sei das Flussbett der Fränkischen Rezat. In Nord-Süd-Richtung bestehe darüber hinaus der H. Weg, der durch seine ca. 0,5 – 1,5 Meter hohe Aufschüttung zusätzlich den Hochwasserabfluss Richtung streitgegenständliches Grundstück verhindere. Durch die Bepflanzung in Nord-Süd-Richtung bestehe keine Beschränkung, da der H. Weg eine entsprechende Dammfunktion übernehme. Es sei keine Reduktion des Retentionsvolumens gegeben. Bezüglich der in Ost-West-Richtung verlaufenden Bepflanzung sei nach Aussage von Anwohnern der nördlich der Bepflanzung liegende Bolzplatz seit mindestens 50 Jahren nicht überflutet worden. Aufgrund der geodätischen Höhenlage sei die Hochwassergefahr als äußerst gering einzuschätzen.
Mit E-Mail vom 21. Oktober 2019 teilte das Wasserwirtschaftsamt mit, dass auch unter Berücksichtigung der nunmehr vorgelegten Unterlagen nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss nicht ausgeschlossen werden könnten.
Mit E-Mail vom 22. Oktober 2019 teilte die Bürgermeisterin des Marktes … mit, dass sie über die Vornahme von Ersatzpflanzungen an der Buchenhecke durch den Antragsteller informiert worden sei.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2019, zugestellt am 25. Oktober 2019, wurde der Antragsteller verpflichtet, die Anpflanzungen von Buchenhecken auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, im festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Fränkischen Rezat, bis spätestens vier Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu beseitigen und die Beseitigung durch Übersendung von Fotos nachzuweisen (Ziffer 1 des Bescheids). Für den Fall der Nichterfüllung wurde in Ziffer 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR angedroht. In Ziffer 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei der dicht gesetzten Hecke mit Ast- und Laubaustrieb und dichtem Blätterwerk ab Geländeoberkante zu rechnen sei. Im Hochwasserfall würde in der quer zur Fließrichtung errichteten Hecke eine Ansammlung von Treibgut entstehen. Nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes könnten daher nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser nicht ausgeschlossen werden, was zu Schädigungen von Dritten führen könne. Das öffentliche Interesse an einem unbeeinträchtigten Hochwasserabfluss überwiege das Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der Heckenpflanzung. Ein durch Treibgutansammlung gehinderter Hochwasserabfluss könne zu einer nachteiligen Veränderung des Wasserstandes führen, was zu Schäden von Dritten führen könne.
Die sofortige Vollziehung wird mit der Einschätzung als Abflusshindernis begründet. Bei nachteiligen Veränderungen des Wasserstands und Hochwasserabflusses seien Schädigungen schutzwürdiger Interessen Dritter nicht auszuschließen. Insbesondere im anstehenden Winterhalbjahr sei mit zunehmenden Niederschlägen und steigenden Pegeln in den Gewässern zu rechnen.
Mit Schriftsatz vom 21. November 2019, ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage erheben (AN 9 K 19.02284) und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stellen.
Zur Begründung wird ergänzend ausgeführt, der Antragsteller habe die streitgegenständliche Hecke in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September 2019 gem. § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG überhaupt nicht beseitigen dürfen. Im Übrigen stelle die Hecke keine nachteilige Veränderung dar. Die Hecke sei einreihig gepflanzt, der Abstand betrage ca. 1,2 – 1,5 Meter. Statt einer Entfernung der Bepflanzung wäre es möglich, zunächst die Höhen der Geländeoberkante zu vermessen oder auch (ggf. befestigte) Furchen zur Sicherung des Zu- und Ablaufs einzurichten. Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt seien in keinster Weise auf die Lösungsbemühungen des Klägers eingegangen, obwohl mehrfach bauliche Anlagen genehmigt worden seien wie die erst kürzlich neu errichtete Kläranlage … direkt im Überflutungsbereich oder das neue Betriebsgelände des Bauhofs … unmittelbar im Hauptabflussbereich der Fränkischen Rezat. Der Kläger habe einen Anspruch auf Genehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG, die Beseitigungsanordnung sei unverhältnismäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei lediglich formelhaft begründet. Die Beseitigung sei nur zwischen März und September möglich, weshalb die zu erwartende Witterung in den restlichen Monaten per se kein Argument für eine beschleunigte Beseitigung sei. Selbst im Falle eines Hochwassers sei aufgrund der Verhältnisse vor Ort keine Gefährdung zu befürchten. Es entspreche dem in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Eigentums, dass mit erheblichem Aufwand geschaffene Substanzwerte grundsätzlich nicht zerstört würden, solange nicht sicher sei, ob sie erhalten bleiben dürften. Die Anpflanzung und Anwuchspflege der Hecke habe 8.800,00 EUR gekostet; die Beseitigung wäre aufgrund der erforderlichen Beseitigung und des Ausgrabens der Wurzelstöcke noch weit teurer. Dazu kämen die erneuten Kosten für die Wiederanlage nach Abschluss des Verfahrens.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts Ansbach vom 21. Oktober 2019 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ergänzend ausgeführt, dass das festgesetzte Überschwemmungsgebiet den Bereich des Straßendammes nicht als überschwemmte Fläche ausweise. Aufgrund der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes … (Vergleich der Höhenkoten Gelände mit Wasserspiegel) sei davon auszugehen, dass unabhängig von der planerischen Darstellung im Bemessungshochwasserfall auch ein Abfluss über den genannten Straßendamm erfolge, dieser also überschwemmt werde.
Der Neubau der Kläranlage sei bewusst außerhalb des festgesetzten Überschwemmungsgebiets errichtet worden und könne daher nicht als Vergleichsfall herangezogen werden. Die Gebäude des Bauhofs hätten zum Zeitpunkt der Festsetzung des Überschwemmungsgebiets bereits bestanden.
Die Beseitigung der Hecke sei naturschutzrechtlich jederzeit möglich, da die Verbote des § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG nicht bei behördlich angeordneten Maßnahmen gälten.
Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2020 teilte das Landratsamt mit, dass der sich westlich des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, befindliche Teil der Heckenpflanzungen entfernt worden sei. Der gestellte Antrag werde im Hinblick auf die quer zur Fließrichtung errichteten Heckenpflanzungen weiter aufrechterhalten.
Der übermittelten Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes ist zu entnehmen, dass durch das Wasserwirtschaftsamt für den hier maßgeblichen Bereich der Fränkischen Rezat eine 2d-Berechnung für den Bemessungshochwasserfall durchgeführt worden sei. Die Straße (FlNr. …, Gemarkung …) werde im Bemessungshochwasserfall auf einer Breite von ca. 70 Meter überströmt; in Teilbereichen würden Wasserstände von bis ca. 0,45 Meter über Straßenoberkante erreicht. Aufgrund der Höhenlage des Straßendammes (d.h. Straßenoberkante deutlich über dem Geländeniveau südlich der Straße; Höhendifferenz bei rd. 1,5 Meter) erhöhe sich die Fließgeschwindigkeit beim Überströmen der Straße und dem breitflächigen Abfließen in Dammneigung; aufgrund dieses Strömungszustandes seien nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser durch die quer zur Fließrichtung verlaufende Hecke nicht auszuschließen. Bei dem Bewuchs direkt nördlich und südlich der Straße (FlNr. …, Gemarkung …) handele es sich weitestgehend um hochstämmige Bäume. Mit Laubaustrieb sei im Wesentlichen im Kronenbereich zu rechnen, also nicht direkt ab Geländeoberkante. Die dicht gesetzte Heckenpflanzung mit dichtem Blätterwerk ab Geländeoberkante berge ein erhöhtes Risiko der Verklausung durch Treibgut im Hochwasserfall. Sofern ausschließlich der Teil der Heckenpflanzung verbliebe, der parallel zur Fließrichtung verlaufe, seien mögliche nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Hochwasserabfluss, sowie eine potentielle Verklausungsgefahr als vertretbar einzuschätzen.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten.
II.
Streitgegenstand des vorliegenden Antrags ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 21. November 2019, mit der sich dieser gegen die vom Antragsgegner ausgesprochenen Beseitigungsanordnung vom 23. Oktober 2019 wendet.
Der Antrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
1. Gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt kraft Gesetzes bei den in § 80 Abs. 2 Satz1 Nr. 1 bis 3 VwGO aufgeführten Maßnahmen, sowie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei Anordnungen der sofortigen Vollziehbarkeit.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen und in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, dessen sofortige Vollziehung angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen. In letztgenannter Variante überprüft das Gericht zunächst, ob die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspricht. Sodann trifft das Gericht bei beiden Varianten eine eigene originäre Ermessensentscheidung, wobei es unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung für den Sofortvollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3) bzw. für die aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4) eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Anordnung vornimmt (vgl. z.B. VG Ansbach B.v. 1.2.2018 – AN 9 S 17.02461 – juris). Bei dieser Abwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, ist das ein starkes Indiz für ein Überwiegen des behördlichen Vollzugsinteresses gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid im Wege summarischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Im Falle offener Erfolgsaussichten nach summarischer Prüfung ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BayVGH B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris; VG Ansbach B.v. 22.10.2015 – AN 9 S 15.01739 – juris).
Soweit vorläufiger Rechtsschutz gegen die Beseitigungsanordnung gesucht wird, handelt es sich um einen Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, da die sofortige Vollziehung angeordnet wurde.
1.1 Die Sofortvollzugsanordnung begegnet in formeller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat der Antragsgegner, entsprechend den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, eine auf den Einzelfall abstellende und nicht nur formelhafte Begründung verwendet. Der Antragsgegner stellt auf die schutzwürdigen Interessen der angrenzenden Dritten ab und verweist darauf, dass insbesondere im anstehenden Winterhalbjahr mit zunehmenden Niederschlägen und steigenden Pegeln in Gewässern gerechnet werden muss. Die Heckenpflanzung soll nach Darlegung des Antragsgegners nicht zu einem Dauerzustand werden. Das private Interesse an der Grundstücksgestaltung wird durch den Antragsteller im Vergleich zum öffentlichen Interesse an einem ungehinderten Hochwasserabfluss geringer eingeschätzt.
Nach Auffassung der Kammer hat der Antragsgegner damit nachvollziehbar dargelegt, welche Gründe ihn zu der Anordnung veranlasst haben und dass er das Instrument des Sofortvollzugs durchaus hinreichend bedacht und abgewogen hat.
1.2 Die durch das Gericht vorgenommene Interessenabwägung fällt teilweise zulasten des Antragstellers und teilweise zulasten des Antragsgegners aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung hat der eingelegte Rechtsbehelf nur teilweise Aussicht auf Erfolg, weil insbesondere die angefochtene Beseitigungsanordnung teilweise rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beseitigungsanordnung erweist sich im Wege summarischer Prüfung als teilweise rechtswidrig.
1.2.1 Als Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist Art. 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG heranzuziehen. Gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder aufgrund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayWG obliegt diese Gewässeraufsicht den Kreisverwaltungsbehörden, welche gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen.
1.2.2 Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken, insbesondere fand eine Anhörung statt.
1.2.3 Die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage sind allerdings nur hinsichtlich der quer zur Fließrichtung errichteten Hecke zu bejahen.
1.2.3.1 Eine Anordnung für den Einzelfall gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG ist möglich, wenn eine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes vermieden oder beseitigt werden soll oder die Erfüllung einer nach dem WHG und dem BayWG bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung sicherzustellen ist (vgl. Gößl in Sieder/Zeitler BayWG, Stand Februar 2017, Art. 58 Rn. 52).
Gem. § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG ist in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen untersagt, soweit diese den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und § 75 Abs. 2 WHG entgegenstehen. Die Beschränkung des Verbots auf solche Pflanzungen, die den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes, insbesondere der Gewährleistung natürlicher und schadloser Abflussverhältnisses und Rückhaltung des Wassers in der Fläche, zuwiderlaufen, ist damit begründet, dass Bäume und Sträucher durchaus auch zur Hochwasserrückhaltung beitragen und damit das Abflussverhalten positiv beeinflussen können. Derartige Anpflanzungen werden vom Verbot des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG gerade nicht erfasst. Sind hingegen diese positiven Wirkungen nicht gegeben, v.a. bei wirkungsmäßig Querbauten vergleichbaren Bepflanzungen, bleibt es bei der Untersagung (vgl. Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, Stand August 2019, § 78 a Rn. 18).
Zur Durchsetzung dieser Untersagungswirkung ist dann eine Einzelfallanordnung gem. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG möglich, um die nach dem WHG bestehenden Verpflichtungen durchzusetzen und eine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes zu vermeiden.
Gem. § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG kann die zuständige Behörde im Einzelfall Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 1 zulassen, wenn Belange des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen, der Hochwasserabfluss und die Hochwasserrückhaltung nicht wesentlich beeinträchtigt werden und eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit oder erhebliche Sachschäden nicht zu befürchten sind.
1.2.3.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze ist für die im nördlichen Bereich des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, quer zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat angebrachte Heckenanpflanzung das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen im Wege einer summarischen Prüfung zu bejahen.
Nach den Darlegungen des Wasserwirtschaftsamtes wird die sich nördlich des streitgegenständlichen Grundstückes befindliche Straße im Bemessungshochwasserfall auf einer Breite von ca. 70 Metern überströmt; es fließen 18% der Gesamtabflussmenge über den Straßendamm. Aufgrund der Höhendifferenz von bis zu 1,5 Meter zwischen Straßendamm und Gelände südlich der Straße erhöht sich die Fließgeschwindigkeit deutlich. Berücksichtigt man dies, wird deutlich, dass der Abfluss durch die Hecke, insbesondere wenn sich Treibgut zwischen den einzelnen Heckenpflanzen ansammelt und die Stauwirkung dadurch verstärkt, behindert werden kann.
Dieser plausiblen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes kommt auch für das gerichtliche Verfahren besonderes Gewicht zu. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat vielfach entschieden, dass den amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen und deshalb grundsätzlich ein weit größeres Gewicht besitzen als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312; B.v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961; B.v 17.7.2012 – 8 ZB 11.1285).
Das Gericht folgt der nachvollziehbaren Darlegung des Wasserwirtschaftsamtes und kommt im Wege summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass der quer angelegten Hecke die Eignung zur Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses zuzusprechen ist, weshalb die Untersagungswirkung des § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG eintritt und auch keine Zulassung nach § 78a Abs. 2 Satz 2 WHG in Betracht kommt. Soweit die quer angelegte Hecke betroffen ist, begegnet die Anordnung wohl auch im Übrigen keinen Bedenken. Die Vornahme der Handlung ist, wie behördenseits bereits dargelegt wurde, gem. § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG möglich. Die Anordnung erweist sich auch als verhältnismäßig, das behördliche Ermessen wurde erkannt und unter Einbeziehung der betroffenen Interessen fehlerfrei ausgeübt.
1.2.4 Soweit die Hecke parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (entspricht einem Verlauf Nord-Süd) errichtet wurde, sind wohl schon die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht gegeben. Aufgrund der Anordnung parallel zur Fließrichtung steht dieser Teil der Hecke wohl bereits den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes nicht entgegen, womit schon keine Durchsetzung einer nach dem WHG bestehenden Verpflichtung bzw. keine Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes gegeben ist. Eine Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses ist diesbezüglich seitens der Behörde nicht dargelegt, das Wasserwirtschaftsamt selbst schätzt mögliche nachteilige Veränderungen von Wasserstand und Abfluss sowie eine potentielle Verklausungsgefahr als vertretbar ein. Jedenfalls wäre im Rahmen der Ermessensausübung die Möglichkeit einer Zulassung gem. § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG ernsthaft in Erwägung zu ziehen gewesen.
Die insoweit rechtswidrige Beseitigungsanordnung verletzt den Antragsteller auch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.2.5 Nach alledem war die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederherzustellen, als sich die Beseitigungsanordnung auf die parallel zur Fließrichtung der Fränkischen Rezat verlaufende Hecke bezieht. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.
2. Die Kostentragung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, wobei von einem Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR ausgegangen wird, der für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes halbiert wurde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

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