Baurecht

Beseitigungsanordnung für eine Dachterrassenüberdachung aus Gründen des Denkmalschutzes

Aktenzeichen  Au 5 K 17.1911

Datum:
13.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24577
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 1, S. 3 Hs. 1, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. g, Art. 76 S. 1
BayDSchG Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2, Abs. 3 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1
BayVwVfG Art. 40
BayLStVG Art. 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ob nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayDSchG gewichtige Gründe des Denkmalschutzes vorliegen, unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, rechtfertigt für sich allein noch keine Ablehnung des Vorhabens. Vielmehr verlangen Art. 6 Abs. 2 S. 1 und 2 BayDSchG gerade für diesen Fall eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage einer Abwägung der von dem Vorhaben berührten Belange. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einer Beseitigungsanordnung darf nicht dazu führen, dass im Ergebnis derjenige, der sich baurechtswidrig verhält, gegenüber dem rechtstreuen Bauherren, der sich vor der Errichtung des Bauvorhabens durch ein entsprechendes Verfahren bei der Bauaufsichtsbehörde vergewissert, ob das Vorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist und bei einem für ihn nicht positiven Ausgang des Prüfungsverfahrens von der Ausführung des Bauvorhabens Abstand nimmt, bevorzugt wird. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO gegen die Beseitigungsanordnung vom 30. November 2017 statthaft. Die Klägerin ist als Adressatin der Beseitigungsanordnung auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
a) Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO.
Danach kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, deren teilweise oder vollständige Beseitigung anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO sind vorliegend gegeben. Auch die erforderliche Ermessensausübung der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
b) Sowohl die Dachterrassenüberdachung als auch die angebrachte Brüstung aus Glaselementen sind bauliche Anlagen Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 HS 1 BayBO. Für beide Anlagen liegt weder eine Baugenehmigung noch die erforderliche denkmalschutzrechtliche Erlaubnis vor, sie sind demnach formell rechtswidrig.
Die Überdachungskonstruktion ist nach Art. 55 Abs. 1 BayBO baugenehmigungspflichtig. Die Voraussetzungen für eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g BayBO liegen nicht vor, weil die Dachterrasse eine Fläche von 60,99 m² hat. Nachdem insoweit eine Baugenehmigung erforderlich ist, entfällt die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG. Gleichwohl sind die materiell-rechtlichen Erteilungsvoraussetzungen einer derartigen Erlaubnis im Baugenehmigungsverfahren mit zu überprüfen.
Ob die Brüstung aus Glaselementen als Teil einer nicht verfahrensfreien Terrassenüberdachung ebenfalls baugenehmigungspflichtig wäre oder nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO bzw. Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. e BayBO verfahrensfrei ist, kann dahingestellt bleiben. Denn auch die Glasbrüstung bedarf nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 DSchG einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis.
Die Wohnung der Klägerin liegt in einem Gebäude, das Bestandteil des denkmalgeschützten Ensembles „Altstadt …“ ist. Dieses Gebäude liegt darüber hinaus unmittelbar benachbart zum Einzelbaudenkmal, dem sog. „…“, einem dreigeschossigen Großbürgerhaus. Sowohl die Überdachungskonstruktion als auch die Glasbrüstung können sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles „Altstadt …“ und des Einzelbaudenkmals auswirken, weil sie eine Änderung des äußeren Erscheinungsbildes bewirken (s. hierzu Eberl/Martin/Spennemann, DSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 6 Rn. 22). Zudem können Überdachungskonstruktion und Glasbrüstung jedenfalls teilweise gemeinsam mit dem benachbarten Einzelbaudenkmal wahrgenommen werden (Eberl/Martin/ Spennemann, a.a.O., Rn. 20).
c) Die Beklagte geht im angefochtenen Bescheid zu Recht davon aus, dass die Terrassenüberdachung und die Glasbrüstung materiell rechtswidrig sind, weil sie gegen denkmalschutzrechtliche Vorschriften verstoßen und die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nicht in Betracht kommt.
Die Beklagte hat dabei, wie sich aus der Bescheidsbegründung ergibt, maßgeblich auf die Sicht des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege abgestellt. Dieser Ansatz erscheint sachgerecht, da insoweit nicht auf die Anschauung eines gebildeten Durchschnittsmenschen abzustellen ist, sondern auf den Wissens- und Kenntnisstand sachverständiger Kreise (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2002 – 14 ZB 00.3360 – juris). Fachbehörden wie das Landesamt für Denkmalschutz haben de facto eine Einschätzungprärogative (BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris; Eberl/MartinSpennemann, a.a.O. Rn. 43).
aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG bedarf der Erlaubnis, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Wer ein Ensemble verändern will, bedarf nach § 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG der Erlaubnis nur, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die Erlaubnis kann in den Fällen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 DSchG nach § 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG kann die Erlaubnis im Fall des Abs. 1 Satz 2 versagt werden, wenn das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Die Gründe, die für die – mit dem Denkmalschutz grundsätzlich bezweckte – (möglichst) unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, müssen dabei so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – BayVBl. 2008, 141 ff.).
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 DSchG sind als Ermessensvorschriften ausgestaltet. Ob gewichtige Gründe des Denkmalschutzes vorliegen, ist aber ein uneingeschränkt gerichtlich nachprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite der Norm. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760 – juris) ist davon auszugehen, dass Ensembles den gleichen Schutz wie Einzeldenkmäler genießen und ensembleprägende Bestandteile, auch wenn sie keine Baudenkmäler sind, grundsätzlich erhalten werden sollen. Danach ist der Schutzanspruch des Ensembles nicht geringer als der für Einzeldenkmäler, auch wenn er stärker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild zielt, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist. Das Vorliegen gewichtiger Gründe ist im Einzelfall festzustellen. Dabei ist davon auszugehen, dass in aller Regel bei jedem Denkmal oder auch denkmalgeschütztem Ensemble das Erhaltungsinteresse besteht und damit Gründe für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands indiziert sind. Die Genehmigungsbehörde ist zu einer Abwägung der für und gegen den Erhalt eines Baudenkmals sprechenden Belange verpflichtet. Grundsätzlich ist das Baudenkmal in der überkommenen Form zu erhalten, denn Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Substanz zu schützen und nicht erforderliche Eingriffe zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 4).
bb) Vorliegend sprechen nach Überzeugung der Kammer gewichtige denkmalschutzfachliche Gründe im oben dargestellten Sinne für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes. Dies ergibt sich aus den fachlichen Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und Luftbildern sowie nicht zuletzt aus den beim gerichtlichen Augenschein gewonnenen Erkenntnissen.
Dem Ensemble „Altstadt …“, das jedenfalls im näheren Umgriff des streitgegenständlichen Vorhabens durch eine historisch noch weitgehend erhaltene Dachlandschaft sowie durch zahlreiche Einzelbaudenkmäler geprägt ist, kommt eine besondere, auch überregionale Bedeutung zu. Das Erscheinungsbild dieses Ensembles wird im Bereich …, in dem die Wohnung der Klägerin (…) liegt, sowohl in der „…“ als auch im Bereich unterhalb der Hangkante zu einem wesentlichen Teil von geneigten Dächern mit Ziegeleindeckung ohne auffällige Aufbauten bestimmt. Diese sind sowohl für das Straßenbild als auch für das Stadtbild prägend. Das Landesamt für Denkmalpflege führt hierzu zuletzt in der Stellungnahme vom 11. Mai 2018 aus, dass in der direkten Umgebung des Vorhabens der Klägerin fast alle Hauptgebäude ein geneigtes Satteldach mit schuppiger Ziegeleindeckung hätten. Flach geneigte Pultdächer oder Flachdächer kämen nur bei untergeordneten Bauteilen wie rückwärtigen Abseiten oder Anbauten vor. Dies sei bisher vom Grundsatz her auch beim viergeschossigen rückwärtigen Anbau des Anwesens … der Fall gewesen. Dieser rückwärtige Anbau trete bereits jetzt als viergeschossiger Gebäudeteil deutlicher im Stadtbild in Erscheinung als niedrigere Pult- und Flachdachbauten. Aus diesem Grund habe es im Genehmigungsbescheid auch eine Aussage zur Brüstungsgestaltung der Dachterrasse gegeben. Ein flach geneigtes Pultdach sei gerade bei rückwärtigen Bauten im Stadtbild von … kein Fremdkörper, deshalb habe die Umgestaltung der abgetreppten Pultdächer über dem rückwärtigen Anbau zu einer Dachterrasse noch hingenommen werden können. Mit der Überdachung werde der ohnehin hohe Anbau jedoch nochmals erhöht, zudem mit Materialien – dies gelte auch für die Glasbänder der Brüstung – die in der Dachzone des Ensembles „Altstadt …“ keine Entsprechung hätten. Die Aufbauten und die Glasbänder müssten deshalb als störende Elemente, die das Erscheinungsbild und das Wesen der Dachlandschaft im Ensemble „Altstadt …“ im allgemeinen und im näheren Umfeld des Anwesens … erheblich beeinträchtigen, bezeichnet werden.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid hierzu ausgeführt, dass im Straßenzug … Gauben und vereinzelt kleinformatige Dachflächenfenster vorhanden seien und die Dachlandschaft hier im Wesentlichen noch frei sei von Störungen und auffälligen Aufbauten. Einzelne, kleine, auf Nebengebäuden vorhandene Flachdachbereiche seien farblich und vom Material her neutral mit Deckungen aus Dachpappe versehen. Die von der Klägerin errichtete Terrassenüberdachung aus Metall sei in dieser Umgebung aufgrund von Formgebung, Situierung, Falbe und Material ein besonders sichtbarer und damit erheblicher Eingriff in das überlieferte Erscheinungsbild des Ensembles „Altstadt …“. Die Anlage wirke schon mit eingefahrener Überdachung auffällig. Sei die Überdachung ausgefahren, wirke die Anlage massiv wie ein zusätzliches Geschoß. Der weithin sichtbare Aufbau wirke aufgrund seiner Konstruktion und durch die verwendeten Materialien in der Umgebung als Fremdkörper und habe so einen besonders störenden Einfluss auf die bezüglich der Dach- und Fassadengestaltung vorhandene Harmonie im Bereich der Straßenzüge … und …. Die Anlage könne sowohl vom … aus als auch von den benachbarten Gebäuden an der, den oberen Gebäuden der umgebenden Gebäude der Unterstadt und vom Turm der … wahrgenommen werden. Im umgebenden Bereich gebe es bisher keine Genehmigungen für Dachterrassenüberdachungen, ein negativer Bezugsfall wäre zu befürchten. Auch die Glasbrüstung beeinträchtige das Erscheinungsbild des Ensembles „Altstadt …“. Die historischen Fassaden seien hier fast ausschließlich verputzt, teilweise von Stuckelementen gegliedert. Die Fenster seien mehrflüglig und in Holz gearbeitet. Die Dachflächen besäßen naturrote Ziegeleindeckungen, in der Regel Biberschwanzziegel. Diese Materialien ließen zum einen Reparaturen zu, würden jedoch andererseits den Prozess der Patinierung mitmachen, was beides für das Erscheinungsbild und den Alterswert eines historischen Gebäudes oder einer Gebäudegruppe von höchster Bedeutung sei. Demgegenüber stelle eine makellos-glänzende, spiegelnde Oberfläche einen störenden Fremdkörper dar, der dem Erscheinungsbild der überkommenen historischen Umgebung im Ensemble in keiner Weise entspreche.
Der am 20. Juni 2018 durchgeführte Augenschein hat diese Einschätzungen bestätigt. Im Nähebereich des Vorhabens der Klägerin wird die Dachlandschaft geprägt durch Satteldächer, die teils mit Gauben, teils mit kleineren Dachflächenfenstern versehen sind. Soweit Balkone und Terrassen vorhanden sind, sind diese in der Regel mit Stabgittereinfassungen oder in verputzter Form umfriedet. Sämtliche Terrassen im Umfeld des Vorhabens der Klägerin liegen jedoch tiefer und stehen in ihrer optischen Erscheinung nicht im unmittelbaren Bezug zur Dachlandschaft. Demgegenüber schließt der Dachterrassenaufbau der Klägerin unmittelbar unterhalb der Traufe des Gebäudes an und befindet sich noch oberhalb der Traufe des benachbarten „…“. In der Wahrnehmung erscheint der Aufbau damit je nach Sichtachse als Fremdkörper in der Dachlandschaft und durchbricht diese. Dies zeigt insbesondere der Blick vom … auf die rückwärtige Ansicht der Häuserzeile … Von hier ist das Vorhaben teilweise vollständig sichtbar und erscheint je nach Blickwinkel als ein die Dachlandschaft sogar überragender Fremdkörper. Eine Entsprechung in Bauweise und verwendeten Materialien findet sich im näheren Umfeld in diesem Maß und dieser exponierten Lage bislang nicht. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich das Vorhaben der Klägerin inmitten des besonders sensiblen Kernbereichs des Ensembles „Altstadt …“ befindet. Unmittelbar neben dem Anwesen … befindet sich ein Einzelbaudenkmal, ebenso schließen an der dem … zugewandten Rückseite, an der sich auch die Dachterrasse der Klägerin befindet, zwei Einzelbaudenkmäler an. Der gesamte nähere Bereich ist gekennzeichnet durch eine hohe Dichte von Einzelbaudenkmälern. Auf diesen Bereich ergeben sich aus verschiedensten Blickwinkeln Ausblicke auf die historische Dachlandschaft, bei denen auch das Vorhaben der Klägerin immer wieder mit in den Blick gerät. Angesichts dessen exponierter Lage ist auch die von der Beklagten befürchtete Bezugsfallwirkung durchaus gegeben.
Die in den fachlichen Stellungnahmen des Landesamtes für Denkmalschutz dargestellte schützenswerte Dachlandschaft ist auch noch nicht in einer Weise beeinträchtigt, dass keine gewichtigen Gründe mehr für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen könnten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das vom Bevollmächtigten der Klägerin erwähnte Anwesen, dessen Rückseite durch eine Vielzahl von Dacheinschnitten geprägt ist. Zum einen handelt es sich dabei um ein nach Auskunft der Vertreter der Beklagten singulär gebliebenes Einzelvorhaben aus den 1960-er Jahren, das schon genehmigt worden sei, bevor für … der Entwurf der Denkmalliste vorgelegen habe. Als solches mag es aus denkmalschutzfachlicher Sicht unter heutigen Gesichtspunkten bedenklich sein. Dies allein genügt jedoch nicht für die Annahme, dass im maßgeblichen Umfeld des Vorhabens der Klägerin das überlieferte Erscheinungsbild nicht mehr erhaltenswert sei. Zudem entspricht das Vorhaben … jedenfalls insoweit dem überlieferten Erscheinungsbild insbesondere der dortigen Dachlandschaft, als es die im rückwärtigen Bereich vielfach vorhandenen Abtreppungen und Abstufungen in einer grundsätzlichen Satteldachform aufnimmt. Ob dies nach heutiger Auffassung in einer auch ästhetisch ansprechenden Form gelungen ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben.
Zu Recht hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid auch festgestellt, dass die angeführten wichtigen Gründe für den Rückbau der Dachterrassenüberdachung und Glasbrüstung die privaten Interessen der Klägerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes überwiegen. Die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, rechtfertigt für sich alleine noch nicht eine Ablehnung des Vorhabens. Vielmehr verlangen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 DSchG gerade für diesen Fall eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage einer Abwägung der von dem Vorhaben berührten Belange. Nach Art. 40 BayVwVfG ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Der Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 2 DSchG steht unter dem Vorzeichen des gesamten Denkmalschutzrechtes, mit dessen Hilfe die Denkmäler in Bayern möglichst unverändert erhalten werden sollen (vgl. VG München, U.v. 15.10.2012 – M 8 K 11.4210 – juris Rn. 30). Dies zugrunde gelegt, ist die von der Beklagten vorgenommene Abwägung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und den klägerischen Interessen, die gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wird der Klägerin mit dem Rückbau ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Diesen hätte sie jedoch vermeiden können, wenn sie die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens vorab von der Beklagten hätte prüfen lassen. Zudem bleibt die Dachterrasse selbst in vollem Umfang nutzbar.
Damit kommt die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 DSchG weder für die Überdachungskonstruktion noch für die Glasbrüstung in Betracht. Das Vorhaben der Klägerin ist auch materiell rechtswidrig, die Schaffung rechtmäßiger Zustände durch die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis bzw. einer Baugenehmigung kommt nicht in Betracht.
d) Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob das Vorhaben der Klägerin auch gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften verstößt.
Das Vorhaben liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. … „Beiderseits der …“, der ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt. Im Übrigen richtet sich die planungsrechtliche Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid darauf abgestellt, dass das Vorhaben sich deshalb nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, weil die Überdachungskonstruktion wie eine Aufstockung wirke. Sie durchbreche die gestaffelte Ordnung der umgebenden Bebauung, von ihr gehe die Wirkung eines massiven Bauteils aus.
Allerdings werden mit dem Vorhaben der Klägerin weder die Art der baulichen Nutzung noch die Bauweise oder die überbaute Grundstücksfläche verändert. Nachdem auch weder die Gesamthöhe des Gebäudes noch die Zahl der Geschosse durch das Vorhaben verändert werden, spricht einiges dafür, dass sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügt. Baugestalterische Details wie Form, Baumaterial, Farbe und das Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander haben bei der Beurteilung außer Betracht zu bleiben (Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 34 Rn. 35). Auch von einer Beeinträchtigung des Ortsbildes i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB ist nicht auszugehen, da dies anhand eines größeren Umgriffs zu beurteilen ist und darüber hinaus auch eine gewisse prägende Kraft des Vorhabens voraussetzt, die einer Dachterrasse nicht zugemessen werden kann. Damit spricht nach Auffassung der Kammer einiges dafür, dass das Vorhaben sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde. Hierauf kommt es jedoch nicht streitentscheidend an, weil das Vorhaben, wie oben ausgeführt, wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 DSchG materiell rechtswidrig ist.
e) Soweit Art. 76 Satz 1 BayBO der Behörde ein Ermessen einräumt, ist unter Berücksichtigung des insoweit nach § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten Prüfungsumfanges des Gerichts die Ermessensausübung der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid die für die Beseitigung sprechenden öffentlichen Interessen in nicht zu beanstandender Weise mit den privaten Interessen der Klägerin abgewogen. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich und werden von der Klägerseite auch nicht vorgetragen.
Die Beseitigungsanordnung ist auch verhältnismäßig. Sie ist geeignet, die baurechtswidrigen Zustände zu beenden. Ein gleich geeignetes, weniger belastendes und damit milderes Mittel ist vorliegend nicht ersichtlich. Der von der Klägerin angebotene Teilrückbau der Anlagen lässt die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Ensembles „Altstadt …“, wie das Landesamt für Denkmalpflege in der Stellungnahme vom 15. November 2017 ausgeführt hat, nicht entfallen. Damit ist ein milderes Mittel zur Vermeidung der beeinträchtigenden Wirkung nicht ersichtlich.
Die Anordnung ist auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Anordnung der Beseitigung ist zwar mit einem wirtschaftlichen Schaden für die Klägerin verbunden. Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit darf allerdings nicht dazu führen, dass im Ergebnis derjenige, der sich baurechtswidrig verhält, gegenüber dem rechtstreuen Bauherren, der sich vor der Errichtung des Bauvorhabens durch ein entsprechendes Verfahren bei der Bauaufsichtsbehörde vergewissert, ob das Vorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist und bei einem für ihn nicht positiven Ausgang des Prüfungsverfahrens von der Ausführung des Bauvorhabens Abstand nimmt, bevorzugt wird.
f) Die Beklagte hat auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Klägerin als Adressatin der Beseitigungsanordnung herangezogen.
Mangels spezialgesetzlicher Regelungen in der Bayerischen Bauordnung ist für die Störerauswahl auf die allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere auf Art. 9 LStVG, zurückzugreifen. Die Klägerin ist als Eigentümerin der Wohnung sowie als Bauherrin sowohl Handlungsstörerin (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG) als auch Zustandsstörerin (Art. 9 Abs. 2 LStVG). Sie wurde damit zu Recht in Anspruch genommen.
g) Die der Klägerin gesetzte Frist für die Beseitigung der Terrassenüberdachung und der umlaufenden Brüstung aus Glaselementen (Nrn. 3 und 4 des angefochtenen Bescheids) von jeweils drei Monaten ist ebenfalls verhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beseitigung einen größeren zeitlichen oder technischen Aufwand erfordert oder nicht ganzjährig ausgeführt werden könnte.
Die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Nrn. 3 und 4 des Bescheids ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 1 und 36 Abs. 1 und 2 VwZVG. Die angedrohten Zwangsgelder sind hinreichend bestimmt, die Höhe der Zwangsgelder entspricht den Vorgaben des Art. 31 Abs. 2 VwZVG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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