Baurecht

Beseitigungsanordnung gegen Zaunanlage für Hundeübungsplatz im Außenbereich

Aktenzeichen  1 ZB 17.179

Datum:
27.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32433
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5
BayBO Art. 76 S. 1

 

Leitsatz

Bei dem Belang „natürliche Eigenart der Landschaft“ gemäß § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB geht es nicht um den Schutz vor ästhetischen Beeinträchtigungen, sondern es ist die funktionelle Bestimmung des Außenbereichs, also die Erhaltung der „naturgegebenen Bodennutzung“ maßgeblich. Die konkrete Ausgestaltung eines Zauns im Außenbereich (hier für einen Hundeübungsplatz) oder dessen Auffälligkeit ist insoweit nicht ausschlaggebend. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 14.5472 2016-09-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Nutzung des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung G., als Hundeübungsplatz untersagt und die Beseitigung der Einfriedung dieses Platzes mit einem Metallzaun und Zugangstor angeordnet wurde. Mit Urteil vom 22. September 2016 hob das Verwaltungsgericht die Nutzungsuntersagung sowie die darauf bezogenen Nebenentscheidungen auf und wies die Klage ab, soweit sie sich auf die Beseitigungsanordnung des Zauns bezieht. Die Zaunanlage sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da das Grundstück im Außenbereich liege und die Einfriedung die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtige.
Der nur zum Teil zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss nach Auslegung gemäß § 88 VwGO so verstanden werden, dass er sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. September 2016 in seiner Gesamtheit und nicht nur gegen den klageabweisenden Teil wendet. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass in der Zulassungsbegründung auch inhaltliche Kritik an der Aufhebungsentscheidung des Verwaltungsgerichts geübt wird (vgl. Seite 11 der Zulassungsbegründung vom 23. Februar 2017). Obwohl der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Mai 2017 darauf hingewiesen hat, dass sich der Antrag auf Zulassung nicht gegen das teilweise Obsiegen in der ersten Instanz richten könne, hat die Klägerin zwar in der Sache auf die Erwiderung des Beklagten reagiert, ihren Antrag jedoch nicht berichtigt. Soweit sich die Klägerin damit auch gegen den stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 22. September 2016 wendet, ist der Zulassungsantrag unzulässig.
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. wird nicht dargelegt. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beseitigung der Zaunanlage gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO ermessensfehlerfrei angeordnet werden konnte, da sie als Außenbereichsvorhaben dem Bauplanungsrecht widerspricht.
2.1 Ein Vorhaben liegt im Außenbereich, wenn es nicht Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB ist. Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgebend, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; B.v. 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – NVwZ 1991, 879).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ergeben sich aus der Zulassungsbegründung keine Anhaltspunkte, die die aufgrund einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht zustande gekommene Einordnung des Zauns als Außenbereichsvorhaben in Frage stellen könnten (vgl. BVerwG, B.v. 4.1.1995 – 4 B 273.94 – juris Rn. 3). Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die unbebaute grüne Wiese am Ortsrand nur im Norden und Osten an prägende Bebauung angrenzt (vgl. UA S. 8). Mit der Zulassungsbegründung wird geltend gemacht, es sei übersehen worden, dass südlich des fraglichen Grundstücksteils ein Waldbestand vorhanden sei, der erst trennende Wirkung zum Außenbereich hin habe. Zudem habe das Verwaltungsgericht auf die Erschließung der östlich angrenzenden Gebäude durch die L. Straße abgestellt. Hierauf komme es für die Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich nicht an, die Freifläche werde von der angrenzenden Bebauung mitgeprägt.
Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich beruht auf einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.1990 – 4 B 103.90 – BayVBl 1991, 473). Das Urteil geht zutreffend davon aus, dass der Bebauungszusammenhang grundsätzlich mit dem letzten Baukörper endet (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67) und betont dabei die Einheitlichkeit der östlich angrenzenden Bebauungszeile, die auch durch die Einheitlichkeit der Erschließungssituation vorgegeben ist. Das bedeutet entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass das Gericht die Grenze des Bebauungszusammenhangs aus der vorhandenen Erschließung ableitet. Der Verweis auf die Erschließungssituation dient lediglich der Verdeutlichung der Einheitlichkeit der letzten Bebauungszeile.
Auch das Vorhandensein eines Waldbestandes wurde gewürdigt und dessen Bedeutung für die Abgrenzung nicht verkannt. Unabhängig davon, ob der Wald wegen der Höhe der Bäume und seiner Dichte als solcher wirkt oder rechtlich als Wald im Sinne von Art. 2 BayWaldG einzuordnen ist, fehlen Anhaltspunkte, die die Zuordnung der streitigen Fläche zum Bebauungszusammenhang rechtfertigen. Wie andere topographische Merkmale ist ein Waldrand nur ausnahmsweise geeignet, eine Zuordnung einer freien Fläche zum Bebauungszusammenhang zu bewirken (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67). Es bedarf über dessen bloßes Vorhandensein hinaus weiterer Umstände, um einen solchen Ausnahmefall anzunehmen. Derartige Umstände werden weder substantiiert dargelegt noch sind sie ersichtlich. Das behauptete Fehlen einer Sichtbeziehung zur freien Landschaft im Süden rechtfertigt die Einbeziehung der Fläche in den Innenbereich nicht. Maßgeblich ist, ob die Fläche im Auge des Betrachters noch durch die Bebauung geprägt wird (vgl. BVerwG, B.v. 1.8.1994 – 4 B 203.93 – juris Rn. 7). Dies ist nur anhand der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Gesamtbetrachtung möglich.
2.2 Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB ist die Einfriedung bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Hieran bestehen auch bei Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine ernsthaften Zweifel.
Der öffentliche Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes dient dem Schutz der naturgegebenen Bodennutzung und der Erholungsfunktion des Außenbereichs vor dem Eindringen einer der freien Landschaft wesensfremden Bebauung. Der öffentliche Belang wird beeinträchtigt, wenn das Vorhaben der naturgegebenen (land- und forstwirtschaftlichen) Bodennutzung des Außenbereichs oder seiner Funktion als Erholungsraum für die Allgemeinheit widerspricht und deshalb einen Fremdkörper in der Landschaft bildet. Eine Beeinträchtigung durch ein nichtprivilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich scheidet nur dann aus, wenn das Baugrundstück sich wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung eignet noch einen Erholungswert hat oder wenn es seine Schutzwürdigkeit bereits durch andere Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2002 – 4 C 4.01 – BVerwGE 116, 169; U.v. 15.5.1997 – 4 C 23.95 – BauR 1997, 988; BayVGH, B.v. 25.4.2006 – 1 ZB 05.1014 – juris Rn. 13).
Die Klägerin macht geltend, die Zaunanlage verlaufe an zwei Seiten parallel zu bestehenden Zäunen, weshalb eine Beeinträchtigung der Landschaft insoweit nicht bestehe. Sie übersieht dabei, dass es bei dem Belang „natürliche Eigenart der Landschaft“ nicht um den Schutz vor ästhetischen Beeinträchtigungen geht, sondern die funktionelle Bestimmung des Außenbereichs, also die Erhaltung der „naturgegebenen Bodennutzung“ maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.5.1997 – 4 C 23.95 – BauR 1997, 988). Die konkrete Ausgestaltung des Zauns oder dessen Auffälligkeit ist insoweit nicht ausschlaggebend (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2006 – 1 ZB 05.1014 – juris Rn. 15). Eine Reduzierung der mit der Zaunanlage verbundenen optischen Beeinträchtigung durch bereits bestehende Zäune, die eine angemessene Gartennutzung von Innenbereichsflächen ermöglichen, vermindert die Beeinträchtigung des Belangs somit nicht. Sie kann daher auch keine Teilbeseitigung der Zaunanlage rechtfertigen, da mit ihr keine Herstellung rechtmäßiger Zustände verbunden wäre (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – BayVBl 2011, 500).
Die Behauptung der Klägerin, dass die umzäunte Fläche gärtnerisch genutzt werde, steht im Widerspruch zu ihrem eigenen Klagevortrag (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 28.1.2015). Ausweislich der Niederschrift über den Augenschein des Verwaltungsgerichts (vgl. Bl. 134 der Gerichtsakte) handelt es sich bei der umzäunten Fläche um eine Wiese. Eine gärtnerische Nutzung lässt sich weder anhand der in den Akten befindlichen Bilder bestätigen noch ist eine solche aufgrund der Nutzung als Hundeübungsplatz anzunehmen.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass die streitige Fläche von Süden wegen der dort vorhandenen landwirtschaftlichen Einfriedung nicht frei betreten werden könne schließt dies die Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft nicht aus. Hierfür ist nicht Voraussetzung, dass der fragliche Bereich tatsächlich durch Erholungssuchende benutzt und betreten werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 6.9.2010 -15 ZB 10.910 – juris Rn. 13)
3. Die Berufung ist auch nicht aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf‚ wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet‚ wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 – juris Rn. 63 und Rudisile in Schoch/Schneider/Bier‚ VwGO‚ Stand: Juni 2017‚ § 124 Rn. 28 m.w.N.).
Die Zulassungsbegründung nennt zur Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten mehrere Fragen‚ die bereits Gegenstand der Beurteilung im Rahmen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel waren. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, wirft die Beantwortung dieser Fragen, soweit sie für die Entscheidung überhaupt von Bedeutung sind, keine über das normale Maß hinausgehenden Schwierigkeiten auf.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 trägt, da diese durch eine Antragstellung mit Begründung das Verfahren gefördert hat (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 162 Rn. 17 m.w.N.). Nachdem sich die Beigeladene zu 2 im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat, hat sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.4 und 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag, da sich der Zulassungsantrag auf das Urteil im Ganzen bezog, auch wenn der Antrag hinsichtlich des stattgebenden Teils unzulässig ist.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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