Aktenzeichen M 11 K 15.3047
Leitsatz
Befindet sich ein Teil eines Anbaus an eine genehmigte Garage teilweise und nicht nur geringfügig bereits im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB, handelt es sich ferner beim Anbau um ein einziges, aus einem Raum bestehendes Gebäude und liegt somit bautechnisch keine teilbare Anlage vor, verstößt die Anordnung der Beseitigung der gesamten baulichen Anlage nicht gegen das Übermaßverbot. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 11.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt daher die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer Anlage anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wird und rechtmäßige Zustände nicht auf andere Weise hergestellt werden können.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor.
Die streitgegenständliche Garage ist formell und materiell rechtswidrig errichtet worden.
Die Genehmigungspflichtigkeit folgt aus Art. 55 Abs. 1 BayBO. Das Vorhaben (der gesamte Anbau) ist nicht verfahrensfrei gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BayBO, da sich zumindest ein Teil des Anbaus jedenfalls mit mindestens 3,98 m außerhalb des Bebauungsplans, mithin im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB befindet.
Zwar wurde ursprünglich von der Klagepartei behauptet, die angebaute Garage befinde sich noch innerhalb des Bebauungsplanes Nr. … „An der …-straße“. Infolge der Messungen vom 13.04.2016 durch zwei Mitarbeiter des technischen Bauamtes geht jedoch auch die Klagepartei im Schriftsatz vom 28.04.2016 davon aus, dass es durch den Anbau an die bereits bestehende, am 10.10.2012 genehmigte ursprüngliche Garage zu einer Überschreitung des Geltungsbereiches des Bebauungsplans um 3,98 m kam.
Die bauliche Anlage verstößt auch in materieller Hinsicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften und ist auch nicht genehmigungsfähig.
Hinsichtlich des Anbaus an der Nordseite der genehmigten Garage, der im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB errichtet wurde, liegt keine Privilegierung vor. Das Vorhaben ist nicht nach § 35 Absatz 2 BauGB zulässig. Es widerspricht bereits Darstellungen des Flächennutzungsplanes, da dieser eine Fläche für Landwirtschaft vorsieht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Zudem beeinträchtigt es die natürliche Eigenart der Landschaft und lässt die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 BauGB).
Hinsichtlich des Teils des Anbaus, der im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegen mag, ist die Anwendung von § 23 Absatz 5 Satz 2 BauNVO nach Nr. 6.1. des Bebauungsplans ausgeschlossen. Es besteht auch kein Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach Art. 63 BayBO i. V. m. § 31 Absatz 2 BauGB. Der Anbau befindet sich außerhalb der festgesetzten Baugrenzen und außerhalb des Baufensters für eine Garage. Die Grundzüge der Planung werden dadurch berührt.
Das Landratsamt hat das ihm in Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen fehlerfrei betätigt. Durch die Anordnung der vollständigen Beseitigung des gesamten nördlichen Anbaus an die Garage auf der Flur-Nr. … hat das Landratsamt nicht den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs verletzt.
Bei dem streitgegenständlichen Anbau handelt es sich nach dem Augenschein um ein einziges, aus einem Raum bestehendes Gebäude. Bautechnisch ist keine teilbare Anlage gegeben. Auch liegt kein substantiierter Gegenvorschlag der Klagepartei vor, so dass das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass das Landratsamt keine den Kläger zu 1) weniger belastende Handlungsalternative außer Acht ließ, als es nicht nur eine teilweise Beseitigung anordnete (vgl. Decker in Simon/Busse, Kommentar zur BayBO, Art. 76 RdNr. 242, 249-251). Bei Anordnung der Beseitigung einer gesamten baulichen Anlage verstößt eine Behörde mithin nicht gegen das Übermaßverbot, wenn die unzulässigen Bauteile der baulichen Anlage mit den rechtmäßigen Teilen bautechnisch eine Einheit darstellen (vgl. BayVGH v. 14.11.1975, BayVBl 1976, 564). Eine Überschreitung des Bebauungsplans um 3,98 m ist auch nicht mehr geringfügig.
Gegen die Zwangsgeldandrohung gegenüber dem Kläger zu 1) bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. Art. 29, 31, 36 VwZVG).
Die gegenüber dem Kläger zu 2) als Mieter des Anwesens …-straße 4 ergangene Duldungsanordnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger zu 2) nicht in seinen Rechten.
Die Rechtsgrundlage für die Anordnung leitet sich aus Art. 76 Satz 1 BayBO ab, denn ohne die Duldungsanordnung wäre der Kläger zu 1) rechtlich nicht in der Lage, die durch den Anbau geschaffene baurechtswidrige Lage zu beseitigen, ohne gegenüber dem unter Umständen nicht zustimmenden Mieter des Grundstücks eine verbotene Eigenmacht zu begehen. Auch gegen die Zwangsgeldandrohung gegenüber dem Kläger zu 2) bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. Art. 29, 31, 36 VwZVG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5000 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.