Baurecht

Besitzeinweisung

Aktenzeichen  B 1 S 19.398

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37196
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FStrG § 18f Abs. 1 S. 1S.2
VwGO § 48 Abs. 1 S.1 Nr. 8,§ 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S.1, § 117 Abs. 3 S. 2
AGVwGO Art. 6, Art. 6

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.109,73 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Besitzeinweisungsbeschluss durch das Landratsamt … Die Regierung von Oberfranken stellte mit bestandskräftigem Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2013 den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 im Abschnitt … – östlich … fest. In dem genannten 10,445 km langen Abschnitt, der einen Teilabschnitt des geplanten Ausbaus der A 3 zwischen dem Autobahnkreuz … und dem Autobahnkreuz … bildet, soll die A 3 … sechsstreifig ausgebaut werden. Bei Baukm … (Nord) bzw. Baukm … (Süd) ist eine beidseitige PWC-Anlage vorgesehen, die auf der nördlichen Seite etwa 700 m östlich der Ortschaft … liegen soll. Auch zu deren Lärmschutz sind entlang der Autobahn einschließlich der PWC-Anlage aktive Lärmschutzmaßnahmen (Lärmschutzwälle und/oder -wände) vorgesehen. Die PWC-Anlage soll zwischen den ca. 12 km voneinander entfernten Anschlussstellen … und … liegen. Die nächsten Tank- und Rastanlagen mit Stellplätzen für LKW befinden sich östlich in einer Entfernung von ca. 12 km (Rastanlage …*) und westlich in einer Entfernung von ca. 25 km (Tankund Rastanlage …*). Direkt an der Abfahrt der Anschlussstelle … liegen der privat betriebene Autohof K. (Esso Autohof …*) sowie eine Aral-Tankstelle. Das insgesamt ca. 1,44 ha große Flurstück des Antragstellers soll in einem Umfang von 6920 m² dauerhaft und von 2045 m² vorübergehend für den Bau des Dammes und des Regenrückhaltesowie des Absetzbeckens in Anspruch genommen werden.
Am 11. April 2019 fasste das Landratsamt … einen Beschluss über die vorzeitige Besitzeinweisung: Die Bundesrepublik Deutschland (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Autobahndirektion … (Beigeladene) wird zur Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2017 mit Wirkung zum 1. Juni 2019 in den Besitz von Teilflächen des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … eingewiesen. Es wurde angeordnet, dass die Besitzeinweisung hinsichtlich von 6920 m² dauerhaft (rot-braun markierter Teil im Lageplan) und im Umfang von 2045 m² (gelb markierter Bereich) bis zum Abschluss der Bauarbeiten im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben sechsstreifiger Ausbau der BAB A 3 „Abschnitt …-östlich …“ wirksam ist (Teil B, Ziffer I des Beschlusses). Ab dem Zeitpunkt der Besitzeinweisung hat jede Störung des Besitzes der Beigeladenen an den Teilen des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … zu unterbleiben, die von der Besitzeinweisung umfasst sind (Teil B, Ziffer II). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Teilflächen aus dem Grundstück Fl.Nr. … für die Bauarbeiten zur Herstellung eines Regenrückhaltebeckens in Anspruch genommen werden. Die Beigeladene habe dem Antragsteller ein Entschädigungsangebot von 20.731,50 EUR für die dauerhaft zu erwerbenden Flächen gemacht. Dies entspreche einem Quadratmeterpreis von 2,70 EUR. Der Antragsteller habe das Angebot nicht angenommen und mit Brief vom 2. November 2018 erklärt, dass er keine Bauerlaubnis erteilen werde. Der sofortige Baubeginn auf dem antragsgegenständlichen Grundstück sei geboten. Das Grundstück werde für ein Regenrückhaltebecken und als Baufeld benötigt. Die Beigeladene habe substantiiert und schlüssig vorgetragen, dass die benötigte Fläche an die bauausführende Firma am 1. Juni 2019 zu übergeben sei. Über die Entschädigung sei in einem späteren Beschluss zu entscheiden (§ 18f Abs. 6 Satz 2 FStrG). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer B II des Beschlusses werde die Anwendung unmittelbaren Zwangs ab dem 1. Juni 2019 angedroht (Teil E des Beschlusses). Es handele sich um eine hohe Eilbedürftigkeit, da die Flächen am 1. Juni 2019 an die bauausführende Firma vergeben werden müssten. Ein Zwangsgeld lasse keinen zweckentsprechenden und vor allem rechtzeitigen Erfolg versprechen.
Dem Beschluss über die Besitzeinweisung ging eine mündliche Verhandlung im Landratsamt … am 10. April 2019 voraus. Hierbei erklärte der Antragsteller, eine Bauerlaubnis nicht zu erteilen.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage gegen die Besitzeinweisung und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass es keinen Grund für eine besondere Dringlichkeit gebe. Die Begründung für die PWC-Anlage treffe inhaltlich nicht zu. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Für die PWC-Anlage bestünde kein konkreter Bedarf. Die Stellplatzprognosen ließen nicht erkennen, ob und in welchem Umfang Autohöfe bei der Prognose Berücksichtigung gefunden hätten. Die Zahlen würden keinen Aufschluss darüber geben, wie die Streckenabschnitte tatsächlich ausgelastet seien. Die genannten Zahlen bezögen sich auf den bestens ausgestatteten 1. Abschnitt von der …raststätte bis Kreuz … Man könne nicht verstehen, wie mit dieser Anlage ein Beitrag zur dramatischen Stellplatznot auf dem 2. Streckenabschnitt geleistet werden könne. Man setze diese Anlage den nicht ausgelasteten Autohöfen vor die Türe. Die Fertigstellung der A 70 habe zu einer großräumigen Verkehrsverlagerung geführt. Über das Autobahnkreuz … komme es zu einer Umlenkung von Verkehrsströmen, welche die A 3 entlasten. Im 2. Streckenabschnitt nach der …raststätte ab … beginne der Großraum … mit einer stärkeren Bevölkerungs- und Industriedichte und einem hohen Binnenverkehrsaufkommen, das die A 3 belaste. Ein konkreter Bedarf für die PWC-Anlage bestehe nicht, man müsse sogar sachfremde Belange annehmen. Diesbezüglich erfolgen weitere Ausführungen zur Verlegung der Anschlussstelle … (unter Punkt II des Antrags, worauf Bezug genommen wird).
Das Bundesverwaltungsgericht habe die nicht schlüssigen Stellplatzzahlen der Beigeladenen gelten lassen. Die Feststellungen im Verkehrsgutachten zur Fertigstellung der A 70 seien auf den Kopf gestellt worden. Nach Ansicht des Antragstellers bestünden auf dem ersten Streckenabschnitt bereits 1130 Lkw-Stellplätze, auf dem zweiten Streckenabschnitt hingegen nur 252. Man könne nicht verstehen, dass zu den 1130 Stellplätzen nun noch 118 weitere Lkw-Stellplätze hinzukommen sollten, und das zwischen den beiden Anschlussstellen … und … (mit bereits bestehenden 780 Stellplätzen). Es spreche einiges dafür, dass der eigentliche Hintergrund dafür die geplante Verlegung der Anschlussstelle gewesen sei. Es sei nicht Recht gesprochen worden, es lägen willkürliche Verfahrensverstöße vor (wird ausgeführt). Der Planfeststellungsbeschluss habe durch ein Urteil Rechtskraft erlangt, das nicht rechtmäßig sein könne. Er wiederhole den Antrag,
„den Besitzeinweisungsbeschluss abzuweisen und den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 17. Dezember 2013 zum mehrstufigen Ausbau der Bundesautobahn A 3 zwischen … und … insoweit aufzuheben, als eine PWC-Anlage … sowie die Schließung des Unterführungsbauwerks, …planfestgestellt ist.“
Der Anlage stehe auch entgegen, dass die seltenen Tier- und Pflanzenarten an der Reichen … zu schützen seien (wird ausgeführt). Durch die geplante Schließung der Unterführung … am östlichen Ortsende fühle er sich in seinem Gleichheitsgrundsatz verletzt, da alle Unterführungen ausnahmslos erhalten blieben. Keiner der Gründe für die Schließung treffe zu (wird ausgeführt). Dies habe man auch in der Klagebegründung beim Bundesverwaltungsgericht vorgetragen. Das Gericht habe sich geweigert, die notwendige rechtliche Bewertung, also die kausale Betroffenheit, zu prüfen. Die Folgen dieses „Willküraktes“ werden beschrieben. Die Regierung von Oberfranken habe unzulässigerweise vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses von einem Erörterungstermin abgesehen. Das Gericht habe dies nicht geprüft. Die Anhörungsrüge habe das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls rechtswidrig abgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es hätte aber die Rüge zur erneuten Verbescheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückgeben müssen. Die höchsten Gerichte hätten bedenkenlos gegen das Recht entschieden.
Dem Begründungsschreiben der Klage des Antragstellers sind folgende Anlagen beigefügt: Stellungnahme der Auobahndirektion …vom 18. Januar 2012, vom 14. Januar 2011, Ermittlung des Stellplatzbedarfs, Anhörungsrüge vom 7. März 2016, Auszug aus der Niederschrift des Stadtrates vom 16. Juni 2015, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 (9 A 1.14), Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin B. vom 1. Dezember 2016, Schreiben des Antragstellers an die Vizepräsidentin des Bundes der Steuerzahler, Schreiben der Bevollmächtigten B. im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 11. Februar 2014, ein Teil des Gutachtens Verkehrsprognose zur BAB A 3 vom 16. Juli 2009, Auszug aus der Niederschrift des Stadtrates vom 16. August 2007, Schreiben des Jagdberaters für Stadt und Landkreis … vom 26. Februar 2015, FT Leserbrief vom 24. November 2018, Protokoll über die öffentliche Sitzung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015, Schreiben der Rechtsanwälte B. vom 25. Juni 2015 und vom 9. September 2015, Schreiben des Antragstellers an das Bundesverfassungsgericht vom 28. April 2016, Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2016 und Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2013. Auf diese und die weiteren Anlagen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2019 beantragte das Landratsamt … für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 15. Mai 2019, den Antrag als unbegründet abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Vorbringen der Beteiligten sowie die Gerichts- und Behördenakten verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
1. Das Verwaltungsgericht Bayreuth ist sachlich zuständig. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO ist nicht gegeben. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO ist bei Streitigkeiten nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht anwendbar (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 48 Rn. 11). Nach dem rechtskräftigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 (9 A 1.14) ist von der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2013 auszugehen. § 48 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. Art. 6 AGVwGO kommt ebenfalls nicht zum Tragen da die vorzeitige Besitzeinweisung bundesrechtlich geregelt ist (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 48 Rn. 13a).
2. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, ob das Suspensivinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; BayVGH, B.v. 14.12.2012 – 8 AS 12.40066). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, hängt die Entscheidung von einer Abwägung dahingehend ab, ob das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bis zur Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt oder nicht.
Die vorzeitige Besitzeinweisung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage des Antragstellers hat nach einer summarischen Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist daher geringer zu bewerten als das öffentliche Interesse am Bestand des gesetzlichen Sofortvollzugs gemäß § 18f Abs. 6a FStrG.
Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen und auch sonst ist nicht ersichtlich, dass das Besitzeinweisungsverfahren formell fehlerhaft durchgeführt worden wäre. Die materiellen Voraussetzungen des § 18f Abs. 1 Sätze 1 und 2 FStrG für eine vorzeitige Besitzeinweisung liegen nach summarischer Prüfung ebenso vor. Der Zeitraum für die Ausschreibung und Vergabe gehört als notwendige Vorbereitung der Bauarbeiten nach ständiger Rechtsprechung zu dem Tatbestand des „sofortigen Beginns von Bauarbeiten“ im Sinne von § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG (BayVGH, U.v. 11. 09.2002 – 8 A 02.40028 – juris Rn. 16). Die Kammer hat deshalb nicht den geringsten Zweifel daran, dass der sofortige Beginn der Bauarbeiten geboten ist. Der Eigentümer (Antragsteller) des betroffenen Grundstücks hat sich geweigert, den Besitz des für die Straßenbaumaßnahme benötigten Grundstücks durch Vereinbarung unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche dem Träger der Straßenbaulast zu überlassen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2013 ist auch vollziehbar.
Weiterer Voraussetzungen bedarf es bei dieser gebundenen Entscheidung gemäß § 18f Abs. 1 Satz 3 FStrG nicht. Das Gericht hat keine irgendwie geartete Kompetenz die sog. „Willkürakte“ des Bundesverwaltungsgerichts zu überprüfen. Alle Einwendungen hierzu sind unbehelflich.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass er auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, da sich diese durch die Sachantragsstellung selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 48.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57: 30% des aktuellen Verkehrswertes bei Besitzeinweisung). Geht man von einem Wert der Flächen für die endgültige Inanspruchnahme von 20.731,50 EUR aus (Entschädigungsangebot der Beigeladenen) ergibt dies einen Streitwert von 6.219,45 EUR, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf 3.109,73 EUR zu reduzieren ist.

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