Baurecht

Denkmalrechtliche Anordnungen zur Instandsetzung des Daches einer Kapelle

Aktenzeichen  M 1 K 16.5222

Datum:
21.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DSchG Art. 4 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Aufgrund der gem. Art. 4 Abs. 1 DSchG bestehenden gesetzlichen Erhaltungspflicht des Denkmaleigentümers ist die Behörde nicht gehalten, sämtliche möglicherweise durchzuführenden Maßnahmen durch Bescheid anzuordnen; vielmehr kann sie darauf vertrauen, dass der Eigentümer seiner gesetzlichen Pflicht nachkommt.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist regelmäßig im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu fragen, ob die Erhaltung des Denkmals und hierbei zu erbringende Maßnahmen in angemessener Relation zum Nutzwert des Gebäudes, seinem Zustand und seiner denkmalschutzrechtlichen Bedeutung bestehen.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Versäumnisse beim Bauunterhalt sind im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2008, 27571) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin und der Beklagte haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Soweit die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Streitgegenstand sind nach der Aufhebung von Nrn. 1.1 und 3.1 des Bescheids vom 25. Oktober 2016 in der mündlichen Verhandlung nur noch die Nrn. 1.2, 1.3, 1.4, 2, 3.2, 3.3 und 3.4 dieses Bescheids.
Die Klage ist in diesem Rahmen zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 2016 in der Fassung, die er in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2017 erhalten hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2. Die Anordnungen in Nr. 1.2, 1.3 und 1.4 des Bescheids können sich in nicht zu beanstandender Weise auf Art. 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG stützen.
2.1 Die Anordnungen sind hinreichend bestimmt.
Die Einwände der Klägerin gegen die Bestimmtheit des Bescheids richteten sich inhaltlich gegen die in Nr. 1.1 des Bescheids getroffenen Anordnungen. Nach Aufhebung dieser Ziffer bestehen hinsichtlich der Bestimmtheit des Bescheids keine Bedenken. In Nr. 1.2 des Bescheids wird gefordert, dass künftig möglicherweise durchzuführende Instandsetzungsarbeiten anhand von Schemaplänen mit der Darstellung auszutauschender Schadstellen darzulegen sind. Der Inhalt dieser Anordnung ist unmissverständlich. In Nr. 1.3 des Bescheids wird die Ersetzung der schadhaften Schindeleindeckung gefordert (Satz 1). Die folgenden Sätze der Nr. 1.3 beziehen sich auf die Art der Eindeckung und sind ohne weiteres zu verstehen. Gleiches gilt für die Anzeigepflicht in Nr. 1.4 des Bescheids.
2.2 Die geforderten Maßnahmen sind als Erhaltungsmaßnahmen gem. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG erforderlich.
Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG können die Eigentümer von Baudenkmälern verpflichtet werden, bestimmte Erhaltungsmaßnahmen ganz oder zum Teil durchzuführen, soweit ihnen das – insbesondere unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen – zumutbar ist.
Bei der Kapelle handelt es sich unstreitig um ein Baudenkmal im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 DSchG. Dessen Instandhaltung erfordert das angeordnete Vorgehen. Im Rahmen der Instandhaltung geht es um Maßnahmen, die das Baudenkmal in seiner historischen Substanz vor dem Verfall schützen und die Entstehung weiterer Schäden verhüten sollen. Die in Nr. 1.3 des Bescheids angeordnete Ersetzung der Schindeleindeckung ist geeignet und erforderlich, die dem Denkmal drohenden Schäden durch Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Sowohl aus den Feststellungen bei den gemeinsamen Ortsterminen als auch aus den in den Akten befindlichen Lichtbildern ergibt sich, dass die vorhandene Schindeleindeckung der Kapelle schadhaft ist. Dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Vielmehr hat der Bevollmächtigte der Klägerin selbst mit Schriftsatz vom … Januar 2017 vorgetragen, dass die Holzdachschindeln teilweise defekt sind. Bei der durch Mitarbeiter der Klägerin veranlassten Öffnung der Dachhaut an einzelnen Stellen war nach den Angaben der Klägerin zu sehen, dass die unter den Schindeln verlaufenden Bretter feucht waren. Das Eindringen der Feuchtigkeit zeigt, dass die Dacheindeckung ihre Funktion derzeit nicht mehr erfüllen kann. Mit dem Eindringen der Feuchtigkeit ist zu befürchten, dass die unter der Dachhaut liegenden Bauteile Schaden erleiden. In der Folge ist eine Beschädigung der Dachkonstruktion sowie des verputzen Holzgewölbes im Innenraum zu erwarten. Eine Reparatur der Schindeleindeckung ist daher zeitnah erforderlich, um die Substanz des Denkmals zu schützen.
Die Maßnahme ist auch geeignet, um dem Denkmalerhalt zu dienen. Die Verhinderung des Eindringens von Nässe ist die wichtigste und elementare Maßnahme zur Verhinderung von Schäden an einem Gebäude. Durch die Reparatur der Dachhaut wird das Eindringen von Feuchtigkeit verhindert. Ein Verzicht auf die Schindeleindeckung kommt nicht in Betracht, wenn das Dach erhalten werden soll. Auch wenn sich beim Entfernen der alten Dacheindeckung ergeben sollte, dass auch die darunter liegende Holzkonstruktion ersetzt werden muss, so bleibt die Reparatur der Dachhaut gleichwohl die Maßnahme, die zum Schutz des gesamten Bauwerks am dringendsten durchzuführen ist. Ob darüber hinaus auch noch der Austausch von tragenden Teilen der Dachkonstruktion erforderlich ist, hat die Klägerin nach der Aufhebung von Nr. 1.1 des Bescheids selbst zu entscheiden. Möglicherweise wird eine fachgerechte Aufbringung einer Schindeleindeckung weitere Maßnahmen an der Dachunterkonstruktion erfordern. Da bisher nicht bekannt ist, in welchem Umfang solche Maßnahmen erforderlich sind, durfte der Beklagte sich auf die Anordnung zur Schindeleindeckung beschränken. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Aufbringung von Schindeln auf einen defekten Dachstuhl ist mit der Anordnung nicht verbunden.
Aufgrund der gem. Art. 4 Abs. 1 DSchG bestehenden gesetzlichen Erhaltungs-pflicht des Denkmaleigentümers ist die Behörde nicht gehalten, sämtliche möglicherweise durchzuführenden Maßnahmen durch Bescheid anzuordnen. Vielmehr kann sie darauf vertrauen, dass der Eigentümer seiner gesetzlichen Pflicht nachkommt. Dies gilt umso mehr, als hier noch nicht abschließend zu beurteilen ist, ob über die Ersetzung der Eindeckung hinaus weitere Maßnahmen zu treffen sind.
In gleicher Weise erforderlich und verhältnismäßig ist die Anordnung in Nr. 1.2 des Bescheids. Mit dieser Anordnung wird die Vorlage von Plänen zur Darstellung von „auszutauschenden Schadstellen“ gefordert. Die Maßnahme dient der Überprüfung und Sicherung der denkmalgerechten Ausführung von über die Schindeleindeckung hinausgehenden Instandhaltungsarbeiten. Sollten derartige Ausbesserungsarbeiten erforderlich sein, setzt die Überprüfung der denkmalfachlichen Zulässigkeit der Maßnahme die Vorlage derartiger Pläne voraus.
Auch die in Nr. 1.4 des Bescheids geforderte Anzeige der Aufnahme sowie des Endes der Arbeiten ist nicht zu beanstanden. Diese Anordnung ist erforderlich und verhältnismäßig, um die denkmalgerechte Ausführung der Arbeiten sicherzustellen. Eine spürbare Belastung der Klägerin ist mit der bloßen Anzeigepflicht nicht verbunden.
2.3 Die streitgegenständlichen Erhaltungsmaßnahmen sind der Klägerin zumutbar.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist regelmäßig im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu fragen, ob die Erhaltung des Denkmals und hierbei zu erbringende Maßnahmen in angemessener Relation zum Nutzwert des Gebäudes, seinem Zustand und seiner denkmalschutzrechtlichen Bedeutung bestehen. Hierbei sind jedoch nicht alle Erhaltungskosten in die Berechnung einzubeziehen. Außer Betracht bleiben Grundleistungen der Erhaltung, die von dem Pflichtigen stets auf eigene Rechnung zu erbringen sind. Versäumnisse beim Bauunterhalt sind somit im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen (BayVGH, B.v. 19.2.2008 – 14 ZB 07.3069 – juris Rn. 15; VG München, U.v. 18.3.2014 – M 1 K 13.5550 – juris Rn. 35). Es liegt in der Natur der Eindeckung eines Daches durch Holzschindeln, dass diese Dacheindeckung in regelmäßigen Abständen zu ersetzen ist. Nachdem dieses Naturprodukt aus Holz der Witterung unmittelbar ausgesetzt ist, wird es infolge von Fäulnis von Zeit zu Zeit ausgebessert werden müssen. Es handelt sich damit um eine Maßnahme der Grunderhaltung, die als regelmäßiger Bauunterhalt nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen ist.
Wenn sich die Klägerin auf eine Unzumutbarkeit der Anordnung berufen will wäre es zudem ihre Aufgabe darzulegen, dass die konkrete Maßnahme die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt (BayVGH, U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 – juris Rn. 15). Solche konkret auf ihre Leistungsfähigkeit bezogene Einwände hat sie aber nicht erhoben. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat sich lediglich darauf beschränkt darzulegen, dass die zu erwartenden Kosten nicht abschätzbar seien. Dies genügt für die Beurteilung der Zumutbarkeit – bezogen auf die Verhältnisse der Klägerin – nicht. Soweit es an einer substantiierten Äußerung der Klägerin zur Zumutbarkeit fehlt, ist der Beklagte nicht gehindert, die streitgegenständliche belastende Maßnahme zu treffen (BayVGH, B.v. 25.10.2016 – 1 ZB 14.1015 – juris Rn. 11).
2.4 Die streitgegenständlichen Anordnungen sind auch nicht ermessensfehlerhaft.
Das Landratsamt hat erkannt, dass ihm bei der Anordnung ein Ermessensspielraum zustand. Es hat die Bewahrung des Baudenkmals für die Allgemeinheit höher bewertet als das Interesse der Klägerin am Nichterlass der belastenden Anordnung. Durch die Beschränkung der Maßnahme auf die bloße Schindeleindeckung sowie die Vorlage von Plänen bei einer möglicherweise erforderlichen Instandsetzung der Dachkonstruktion hat das Landratsamt das mildeste Mittel gewählt, das geeignet ist, die unmittelbar durch das Eindringen von Nässe drohende Gefahr für das Baudenkmal zu unterbinden. Eine weniger belastende Maßnahme – die in gleicher Weise den Erhalt des Baudenkmals sichern könnte – ist nicht erkennbar. Die vom Klägerbevollmächtigten angesprochene Inanspruchnahme des Straßenbaulastträgers kommt nicht in Betracht, da dieser nicht zu den in Art. 4 Abs. 1 DSchG genannten Erhaltungspflichtigen gehört.
3. Die in dem Bescheid ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen in Nr. 3.2, 3.3 und 3.4 sind nicht zu beanstanden. Sie beruhen in zulässiger Weise auf Art. 36, 31 VwZVG. Insbesondere ist die mit der Androhung der Zwangsmittel verbundene Frist angemessen im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Es ist der Klägerin in den vorgegebenen 60 Tagen möglich, die angeordnete Maßnahme durchzuführen. Zwischen den Parteien wurde bereits lange vor dem Erlass des Bescheids über die erforderlichen Maßnahmen gesprochen. Die Klägerin hatte hierzu bereits eine Beurteilung durch ein Ingenieurbüro sowie ein Kostenangebot durch eine Zimmerei eingeholt. Nachdem nunmehr lediglich die Eindeckung des Gebäudes erneuert werden muss, ist dies innerhalb von 60 Tagen aufgrund der bereits getroffenen Vorüberlegungen möglich. Die kurze Frist ist insbesondere aufgrund der durch die Witterung in der Winterzeit besonders stark zu befürchtenden Beschädigungen gerechtfertigt und damit angemessen.
4. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte gem. § 155 Abs. 1 VwGO je zur Hälfte zu tragen.
Die Kostenlast des Beklagten ergibt sich aus § 161 Abs. 2 VwGO. Danach ist hinsichtlich des erledigten Teils der Klage nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage über die Kostenverteilung zu entscheiden. Hinsichtlich der Nr. 1.1 und 3.1 des Bescheids, die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgehoben wurden, wäre dieser voraussichtlich unterlegen. Die Anordnung in Nr. 1.1 verpflichtete die Klägerin zur Reparatur der Dachkonstruktion, obwohl aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse nicht geklärt war, ob eine Reparatur der Dachkonstruktion erforderlich ist. Damit geht die Anordnung über das hinaus, was zur Erhaltung des Denkmals notwendig ist. Auch wenn sich die Notwendigkeit einer solchen Reparatur nach der Beseitigung der schadhaften Dachschindeln und der Dachschalung ergeben könnte, ist diese Erkenntnis bisher nicht gesichert. Weder aus der Stellungnahme des Ingenieurbüros … noch aus der Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege lässt sich entnehmen, dass eine Reparatur der Dachkonstruktion – mit Ausnahme der Schindeleindeckung – aufgrund einer durch Nässe oder ähnliches eingetretenen Schädigung derzeit notwendig ist. Sämtliche Stellungnahmen verweisen darauf, dass dies erst nach einer Öffnung der Dachhaut beurteilt werden kann. Falls sich ein entsprechender Bedarf nach der Öffnung der Dachhaut im Rahmen der Neueindeckung der Kapelle ergeben sollte, könnte der Beklagte eine derartige Anordnung treffen, sofern die Klägerin nicht in Befolgung ihrer gesetzlichen Erhaltungspflicht gem. § 4 Abs. 1 DSchG selbst die gebotenen Arbeiten durchführt. Die im streitgegenständlichen Bescheid „auf Vorrat“ getroffene Anordnung war angesichts dieser Möglichkeit unverhältnismäßig.
Der von der Klägerin zu tragende Kostenteil ergibt sich aus dem Unterliegen im Übrigen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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