Aktenzeichen 2 ZB 18.528
BayDSchG Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 S. 3
Leitsatz
Die Voraussetzungen für eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis bei Ensembles sind mit Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG hinreichend bestimmt normiert.
Verfahrensgang
M 9 K 17.1651 2018-01-24 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil dieser gewichtige Gründe des Denkmalschutzes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG entgegenstehen.
a) Der Kläger ist der Auffassung, dass es an einer gesetzlichen Regelung fehle, wann eine Erlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG versagt werden könne. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG normiere sehr dezidiert die Voraussetzungen, unter denen die Erlaubnis für die Veränderung eines Denkmals versagt werden könne. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG regle die Voraussetzungen für die Versagung einer Erlaubnis für die Errichtung, Veränderung oder Beseitigung von baulichen Anlagen in der Nähe von Baudenkmälern. Dagegen fehle eine entsprechende Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis für eine Veränderung im Ensemble versagt werden könne. Das Denkmalschutzgesetz schränke die grundgesetzlich garantierte Baufreiheit ein. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Gewaltenteilung verlange, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung die den staatlichen Eingriffsmöglichkeiten offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenze und dies nicht dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überlasse. Der Gesetzgeber müsse den genehmigungspflichtigen Tatbestand sowie die Voraussetzungen der Genehmigungserteilung oder -versagung hinreichend genau festlegen. Es fehle an einer verfassungsgemäßen Normierung des Erlaubnistatbestands.
Der Senat teilt die Bedenken des Klägers nicht. Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung und -versagung sind hinreichend bestimmt norminiert. Denn eine systematische Auslegung der Normen des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes ergibt, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis für eine Veränderung im Ensemble versagt werden kann. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen den tatbestandlichen Voraussetzungen für das Bestehen der Erlaubnispflicht und den Voraussetzungen, unter denen eine Erlaubnis zu erteilen bzw. zu versagen ist. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG normiert eine Erlaubnispflicht für die Veränderung eines Ensembles, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Art. 6 Abs. 2 DSchG hingegen enthält mit seinen abstrakten und deshalb auslegungsbedürftigen Formulierungen die Grundsätze für die Versagung der Erlaubnis (vgl. Martin/Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 6 Rdnr. 31; Martin, BayDSchG, 1. Aufl. 2019, Art. 6 Rn. 85). Dabei regelt Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG die Nähefälle des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG, während im Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 DSchG die Erlaubnis versagt werden kann, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Der zentrale Begriff in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG ist der des Baudenkmals. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 1 Abs. 3 DSchG kann zu den Baudenkmälern auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen gehören (Ensemble). Insofern ergeben sich die Versagungsgründe für Ensembles zwanglos aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 DSchG. Diese Regelungssystematik des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes kommt auch an anderen Stellen zum Tragen. So ist etwa auch für die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG die Ausweitung des Baudenkmalbegriffs auf Ensembles (Art. 1 Abs. 3 DSchG) von großer Bedeutung. So können im Einzelfall ganze Stadtkerne geschützt sein, wobei auch alle Veränderungen erlaubnispflichtig werden, die den Anblick der Stadtsilhouette beeinträchtigen können (vgl. Martin, BayDSG a.a.O. Art. 6 Rdnr. 69). Auch dies zeigt, dass Ensembles systematisch dem Baudenkmalsbegriff angehören.
Diese Sicht der Dinge wird durch die Gesetzgebungsgeschichte gestützt. Nach dem Willen des Gesetzgebers wurde im damaligen Art. 1 Abs. 2 DSchG (heute Art. 1 Abs. 3 DSchG) festgelegt, dass auch eine Mehrheit von Gebäuden ein Baudenkmal sein kann (Ensembleschutz). Baudenkmal ist hier nicht oder jedenfalls nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern ein Platz oder eine Straße (LT-Drs. 7/2033 S. 9). Bereits dies spricht dafür, dass ein Ensemble mit einem Einzelbaudenkmal nach dem Willen des Gesetzgebers gleich zu behandeln ist. Denkmalrechtlich geschützte Ensembles genießen grundsätzlich den gleichen Schutz wie Einzeldenkmäler (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 2 ZB 16.1842 – juris).
Der Umstand, dass sowohl Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG als auch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 DSchG unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm. Grundsätzlich sind Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebensachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 9.8.1995 -1 BvR 2263.94 – BVerfGE 93, 213). Die genannten Vorschriften enthalten zwar unbestimmte Rechtsbegriffe. Durch die Verwendung dieser unbestimmten Begriffe wird aber nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gegründete Gebot hinreichender Bestimmtheit verstoßen. Die fraglichen Vorschriften enthalten Begriffsbestimmungen, deren Merkmale sich gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigen anhand objektiver Kriterien ermitteln lassen. Etwaige Auslegungsschwierigkeiten im Einzelfall führen nicht zu einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, B.v. 18.5.1988 – 2 BvR 579.84 – BVerfGE 78, 205). Das im Rechtsstaatsprinzip begründete Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze zwingt den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Begriffsbestimmung nimmt ihr noch nicht die Bestimmtheit, die der Rechtsstaat von einem Gesetz fordert. Es genügt, wenn die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1997 – 6 B 42.97 – juris m.w.N.). Dem werden die einschlägigen denkmalrechtlichen Regelungen hier gerecht (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1997 – 6 B 42.97 – Buchholz 406.39 – DSchR Nr. 8a; BayVGH, B.v. 14.2.2018 -2 ZB 16.1842 – juris).
Mithin stellt Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG keinen kriterienlosen Erlaubnisvorbehalt dar. Denn insbesondere aus den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes selbst, aber auch aus den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen lässt sich durch Auslegung entnehmen, unter welchen Voraussetzungen Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles vorliegen und welche Gesichtspunkte für die Ausübung des Ermessens maßgeblich sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 2 ZB 16.1842 – juris; B.v. 20.12.2016 2 ZB 15.1869 – BayBl 2017, 529). Die gängige Praxis (vgl. z.B. bereits BayVGH, U.v. 3.8.2000 – 2 B 97.1119 – juris) entspricht somit auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2012 – 15 ZB 11.736 – juris; U.v. 18.11.2010 – 2 B 09.1497 – juris).
Das Verwaltungsgericht konnte auch von der ausreichenden Bestimmtheit des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 DSchG ausgehen. Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 DSchG ergibt sich ohne weiteres was den Ensembleschutz ausmacht. Es ist das insgesamt erhaltungswürdige Orts-, Platz- oder Straßenbild. Ebenso bestimmt geregelt ist auch, was unterlassen werden muss. Für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands müssen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes sprechen.
b) Der Kläger rügt, dass das Erstgericht hinsichtlich der gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes, die für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Einzeldenkmälern verwiesen habe, während der Ansatz beim Ensemble ein völlig anderer sei. Denkmalrechtlich geschützte Ensembles genießen grundsätzlich den gleichen Schutz wie Einzeldenkmäler, wobei bei Ensembles insbesondere das überlieferte Erscheinungsbild maßgeblich ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 2 ZB 16.1842 – juris; U.v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760 – BayVBl 2008, 477). Das Erstgericht hat seine Auffassung, dass gegenüber dem in Streit stehenden Bauvorhaben gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, auf die fachlichen Stellungnahmen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege gestützt. Entgegen der Meinung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der Quergiebel vom Marktplatz aus einsehbar wäre, weil entsprechend der nachvollziehbaren Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege durch die Errichtung eines Quergiebels die Gebäudekubatur, -typologie und -gestaltung wesentlich verändert werden würde. Der Bau würde wesentliche Merkmale seiner typologischen Herkunft aus der ländlichen Bautradition und seines spät klassizistischen Erscheinungswerts verlieren, mit der Folge der Verfälschung und des Verlusts seines wesentlichen Beitrags zur Denkmalaussage des Ensembles. Dabei beschränkt sich das Ensemble nicht auf den Marktplatz (Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 11.12.2017). Auch hinsichtlich der beantragten Photovoltaik- und Solarthermieanlage sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands.
Der Kläger behauptet, dass auf anderen Häusern im Ensemble Dachgauben sowie Quergiebel vorhanden seien und diese die Harmonie des Ensembles nicht stören würden. Das Verwaltungsgericht hat auf die entsprechenden Ausführungen in seinem vorherigen Urteil vom 13. Juli 2016 (M 9 K 15.1989) und die diesem zu Grunde liegenden Feststellungen im damaligen gerichtlichen Augenscheinstermin Bezug genommen. Es behandelt auch ausführlich das Gebäude Marktplatz … (UA S. 14). Mit diesen Ausführungen setzt sich der Kläger nicht auseinander und genügt bereits deshalb nicht dem Darlegungserfordernis aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Der Kläger hält die Fragen der fehlenden verfassungsrechtlich gebotenen Normierung der Erlaubnispflicht sowie der Beurteilung des Quergiebels und der Solaranlagen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles für rechtlich schwierig. Die Voraussetzungen einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 DSchG sind in der Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die Fragen des Vorliegens eines schützenswerten Ensembles sowie der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind im Einzelfall vom Verwaltungsgericht zu entscheiden und werfen keine besonderen Schwierigkeiten auf. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.
3. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Dem Kläger zufolge bedarf es der grundsätzlichen Klärung, ob eine Veränderung im Ensemble nur verweigert werden kann, wenn hierfür eine verfassungsgemäße Erlaubnisnorm existiert. Die Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig. Denn sie ist ohne weiteres zu bejahen (vgl. schon BVerfG, U.v. 16.1.1957 – 1 BvR 253.56 – BVerfGE 6, 32; B.v. 10.7.1958 -1 BvF 1.58 – NJW 1958, 1388). Eine verfassungsgemäße Erlaubnisnorm liegt, wie oben dargelegt, vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.