Baurecht

Drittanfechtungsklage gegen beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis

Aktenzeichen  8 ZB 19.47

Datum:
2.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1229
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
VwGO § 98, § 412 ZPO
BayWHG Art. 10, Art. 63 Abs. 3 S. 1
BayWG Art. 15

 

Leitsatz

1. Amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts kommt als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) eine besondere Bedeutung zu. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Beweiswert der fachbehördlichen Einschätzung wird nicht deshalb verringert, weil das Wasserwirtschaftsamt das Gutachten nicht selbst erstellt, sondern die Untersuchung eines privaten Fachbüros überprüft hat.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.1386 2018-11-06 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger zu 1 bis 3 und die Kläger zu 4 und 5 tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens jeweils zur Hälfte als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich im Wege einer Drittanfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis.
Die Kläger zu 1 bis 3 sind ausweislich des Grundbuchs Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 10086 Gemarkung W… (A…straße 7), die Kläger zu 4 und 5 Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 10091 (A…straße 13).
Die Beigeladene plant auf den zwischen den o.g. Grundstücken liegenden Grundstücken FlNr. 10089 und 1090 (A…straße 9 und 11) den Rückbau der bestehenden Gebäude und die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses.
Mit Bescheid 25. August 2017 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme von in der Baugrube anfallendem Grundwasser und die hieraus resultierende Grundwasserableitung in die städtische Kanalisation und für die dauerhafte Einbindung des Bauwerks in das Grundwasser.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 6. November 2018 abgewiesen. Die Befürchtungen der Kläger, das Bauvorhaben der Beigeladenen gefährde ihre Grundstücke im Hinblick auf hydraulischen Grundbruch, Auftrieb der Baugrubensohle, innere Erosion und Piping sowie artesisches Grundwasser, seien auf Grundlage der fachtechnischen Untersuchung des Büros „G** … … … … Beratende Ingenieure und Geologen“ (im Folgenden: G**) und der darauf gestützten Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts grundlos und aus geotechnischen Gesichtspunkten ausgeschlossen.
Mit ihrem Berufungszulassungsantrag wenden sich die Kläger gegen dieses Urteil.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19).
Nach diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils auf. Das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe auf Basis der gutachterlichen Stellungnahmen des Büros G** vom 7. März und 31. Juli 2017 und der diesbezüglichen Plausibilitätsprüfung des Wasserwirtschaftsamts nicht annehmen dürfen, dass das Bauvorhaben keine relevanten Auswirkungen für die Nachbargebäude der Kläger erwarten lasse, greift nicht durch.
Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. B.v. 5.9.2019 – 8 ZB 16.1851 – juris Rn. 20; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl 2012, 47 = juris Rn. 11) davon ausgegangen, dass amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) eine besondere Bedeutung zukommt. Diesen liegt die fachliche Erfahrung aus einer jahrelangen Bearbeitung wasserrechtlicher Sachverhalte in einem bestimmten Gebiet zugrunde und nicht nur die Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall, sodass ihnen grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute zukommt; für nicht durch Aussagen sachverständiger Personen untermauerte Darlegungen wasserwirtschaftlicher Art von Prozessbeteiligten gilt dies erst recht. Die Kläger haben nicht substanziiert vorgetragen, warum sich dem Verwaltungsgericht der Eindruck aufdrängen musste, dass die gutachterliche Äußerung des Wasserwirtschaftsamts vom 16. August 2017 tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (BayVGH, B.v. 23.2.2016 – 8 CS 15.1096 – BayVBl 2016, 677 = juris Rn. 36; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl 2012, 47 = juris Rn. 11). Ihr Einwand, es handle sich nur um eine „Plausibilitätsprüfung“ auf Grundlage der Aussagen der Untersuchung des Fachbüros der Beigeladenen, greift nicht durch. Der Beweiswert der fachbehördlichen Einschätzung wird nicht deshalb verringert, weil das Wasserwirtschaftsamt das Gutachten nicht selbst erstellt, sondern die Untersuchung eines privaten Fachbüros überprüft hat. Die Prüfung privatgutachterlicher Stellungnahmen ist gängige Praxis der Wasserwirtschaftsämter (vgl. z.B. Nr. 3.1.4.2, 3.1.4.3 VVWas vom 27.1.2014, AllMBl S. 57); eine solche „Plausibilitätsprüfung“ hat grundsätzlich kein geringeres Gewicht (vgl. BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 8 CS 18.455 = juris Rn. 15).
Die Kläger haben ihre Einwendungen gegen die gutachterlichen Stellungnahmen des Fachbüros der Beigeladenen vom 7. März und 31. Juli 2017 und gegen die diese als plausibel bewertende Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts vom 16. August 2017 nicht durch Vorlage einer privatgutachterlichen Stellungnahme substanziiert. Vielmehr bewegt sich ihr gegen die Tragfähigkeit dieser gutachterlichen Bewertungen angeführtes Zulassungsvorbringen weitestgehend im Spekulativen. Ihre Behauptung, hoch unterschiedliche Werte des an den Grundwassermessstellen 1 und 2 entnommenen Wassers zu elektrischer Leitfähigkeit und Chemismus (Calcium, Chlorid und Sulfat) widerlegten die Annahme nicht deutlich getrennter Grundwasserleiter, ist nicht hydrogeologisch belegt. Der Beigeladene hat hierzu erläutert, dass die Frage, ob zwei Grundwasserleiter voneinander abhängig sind, durch dortige Pumpversuche bestimmt werde und nicht durch Vergleich der Werte zu elektrischer Leitfähigkeit oder Chemismus (vgl. Schriftsatz an das VG vom 10.7.2018 S. 9). Dementsprechend stellt der Gutachter der Beigeladenen im Erläuterungsbericht vom 7. März 2017 darauf ab, dass die Wasserspiegel in den Pegeln beider Grundwassermessstellen vermutlich über die Verwitterungszone am Top des Wellenkalkes zusammenhingen, sodass kein deutlich getrennter Grundwasserleiter vorliege (vgl. dort S. 13).
2. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die Kläger sehen besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten in denselben Fragen, die sie auch zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts angeführt haben. Diese Fragen sind weder besonders komplex noch fehleranfällig (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 = juris Rn. 28) und können – wie oben ausgeführt – ohne nennenswerten Aufwand im Zulassungsverfahren geklärt werden.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht hat mit der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber verletzt, wenn die für die Ablehnung angegebenen Gründe im Prozessrecht keine Stütze mehr finden (BVerfG, B.v. 2.7.2018 – 1 BvR 612/12 – NVwZ 2018, 1555 = juris Rn. 31; BVerwG, B.v. 20.12.2010 – 5 B 38.10 – juris Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall.
3.1 Das Verwaltungsgericht durfte die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO ablehnen.
Amtlichen Auskünften des Wasserwirtschaftsamts kommt eine besondere Bedeutung zu (BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 8 ZB 16.2496 – juris Rn. 10; B.v. 9.3.2011 – 8 ZB 10.165 – BayVBl 2011, 728 = juris Rn. 12). Ein Tatsachengericht kann sich daher grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht darauf stützen. Dies gilt auch dann, wenn sie eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat (BVerwG, U.v. 3.2.2010 – 7 B 35.09 – juris Rn. 12; B.v. 30.12.1997 – 11 B 3.97 – UPR 1998, 194 = juris Rn. 19; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 79). Die Entscheidung, ob ein weiteres Gutachten eingeholt wird, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen wird nur dann fehlerhaft ausgeübt, wenn es von der Einholung eines weiteren Gutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 4.17 – juris Rn. 12; B.v. 8.3.2018 – 9 B 25.17 – DVBl 2018, 1179 = juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 17.5.2018 – 8 ZB 16.1977 – juris Rn. 39). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn ein Beteiligter das Gutachten, auf das die behördliche Entscheidung gestützt ist, für unzutreffend hält und die Zweifel durch den Hinweis auf abweichende Gutachten fallbezogen konkretisiert sind. Vielmehr muss das Tatsachengericht zu der Überzeugung gelangen, dass die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit des Gutachtens nicht gegeben sind. Das ist vor allem dann anzunehmen, wenn dieses offen erkennbare Mängel enthält, z.B. von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche aufweist, Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht oder wenn es um besonders schwierige Fachfragen geht, die ein spezielles Fachwissen erfordern, das bei dem bisherigen Gutachter nicht vorhanden ist (BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 4.17 – juris Rn. 12; B.v. 18.5.2016 – 7 B 23.15 – juris Rn. 6; BVerfG, B.v. 20.2.2008 – 1 BvR 2722/06 – NVwZ 2008, 780 = juris Rn. 10).
3.2 Ob es sich bei dem Beweisantrag der Kläger zudem um ein unzulässiges Ausforschungs- bzw. Beweisermittlungsbegehren gehandelt hat (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 17.9.2014 – 8 B 15.14 – ZOV 2014, 268 = juris Rn. 10; B.v. 29.4.2002 – 1 B 59.02 u.a. – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60 = juris Rn. 4; B.v.18.6.1993 – 2 BvR 231/93 – NVwZ 1994, 62 = juris Rn. 21), kann deshalb dahinstehen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 8 ZB 15.2664 – ZfB 2018, 33 = juris Rn. 24). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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