Baurecht

Drittschützende Wirkung einer Erhaltungssatzung

Aktenzeichen  9 CS 16.2522

Datum:
7.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 172 Abs. 1 S. 1
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Im Regelfall gewährt eine Erhaltungssatzung über die rein städtebauliche Zielsetzung des § 172 Abs. 1 BauGB hinaus Eigentümern von im Geltungsbereich gelegenen Grundstücken keine Abwehrrechte gegen benachbarte Vorhaben. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 S 16.2025 2016-11-21 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.250,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Antragsgegnerin für den Neubau von drei Reihenhäusern mit Carports an die Beigeladenen.
Die Beigeladenen sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung E., das mit einem – mittlerweile abgebrochenen – freistehenden Wohngebäude aus den 1930’er Jahren bebaut war. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des östlich angrenzenden Grundstücks FlNr. … Gemarkung E., das – ebenso wie das weiter östlich angrenzende Grundstück FlNr. … Gemarkung E. – mit einem vergleichbaren Wohngebäude bebaut ist. Sämtliche Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 335 mit integriertem Grünordnungsplan „W.-straße“ der Antragsgegnerin vom 20. Januar 2004 und der Satzung der Antragsgegnerin zur Erhaltung baulicher Anlagen im Bereich des Burgbergs (Erhaltungssatzung Burgberg) vom 1. September 1989 in der Fassung vom 10. Dezember 2001.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2016 erteilte die Antragsgegnerin den Beigeladenen die Baugenehmigung zum Neubau von drei Reihenhäusern mit Carports einschließlich einer Befreiung von der Erhaltungssatzung Burgberg. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage (Az. AN 3 K 16.02026) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. November 2016 ablehnte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Erhaltungssatzung Burgberg kein drittschützendes Recht der Antragstellerin begründe und das Bauvorhaben gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses vom 21. November 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 14. Oktober 2016 für den Neubau von drei Reihenhäusern mit Carports auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung E. anzuordnen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen jeweils,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hat keinen Antrag gestellt, hält die Beschwerde aber für begründet, weil auch Erhaltungssatzungen subjektiv-öffentliche Abwehrrechte vermitteln können.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt, weil die Klage der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die angefochtene Baugenehmigung vom 14. Oktober 2016 verstößt – worauf es allein ankommt – nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind.
1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, kann die Antragstellerin aus der Erhaltungssatzung Burgberg keine drittschützenden Rechte ableiten.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Erhaltungssatzung Burgberg sei ausnahmsweise im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan Nr. 335 drittschützend, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Abgesehen davon, dass Festsetzungen in einem Bebauungsplan bereits nicht per se Drittschutz vermitteln (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 21.9.2016 – 9 ZB 14.2715 – juris Rn. 11), ist die Erhaltungssatzung Burgberg weder Bestandteil des Bebauungsplans Nr. 335 noch hat dieser die Erhaltungssatzung Burgberg als sonstige Satzung zu seinem Inhalt gemacht (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Denn der Bebauungsplan Nr. 335 hat die Regelungen der Erhaltungssatzung Burgberg lediglich nachrichtlich erwähnt. Dies ergibt sich eindeutig und zweifelsfrei sowohl aus Nr. 2 der Begründung des Bebauungsplans Nr. 335, in der die Lage des Plangebiets beschrieben wird, als auch aus der Planurkunde, in der zwischen „Hinweisen“ und „Festsetzungen“ unterschieden wird und die Erhaltungssatzung Burgberg (nur) als „Textlicher Hinweis zum Bebauungsplan“ aufgeführt wird.
Darüber hinaus lässt sich dem Beschwerdevorbringen nichts dafür entnehmen, dass die Erhaltungssatzung Burgberg über die rein städtebauliche Zielsetzung des § 172 Abs. 1 BauGB hinaus Eigentümern von im Geltungsbereich gelegenen Grundstücken Abwehrrechte gegen benachbarte Vorhaben gewährt (vgl. OVG Hamburg, B.v. 18.6.2015 – 2 Bs 99/15 – juris Rn. 31; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2016, § 172 Rn. 214). Anhaltspunkte für eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebäudes der Antragstellerin durch das Bauvorhaben ergeben sich aus dem pauschalen Vorbringen der Beschwerde ebenfalls nicht. Sie sind auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres ersichtlich, weil sich die Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB wesentlich von der denkmalrechtlichen Unterschutzstellung und deren Wirkungen nach dem Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (DSchG) unterscheiden dürfte (vgl. OVG Hamburg, B.v. 18.6.2015 a.a.O.).
2. Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt gegenüber der Antragstellerin nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Maßgebend für die Frage der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber der Antragstellerin sind die Umstände des Einzelfalls. Das Verwaltungsgericht ist hierbei im Rahmen einer Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis gekommen, dass das genehmigte Vorhaben gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos ist. Dem setzt das Beschwerdevorbringen nichts entgegen. Die pauschale Behauptung, das Bauvorhaben verstoße gegen die Erhaltungssatzung Burgberg und die Befreiung von § 3 der Erhaltungssatzung führe zu einer Zerstörung des in der Satzung dargestellten spezifischen Charakters der Anwesen, genügt hierfür nach den obigen Ausführungen nicht. Soweit die Beschwerde anführt, es komme zu einer Verschärfung der Verkehrssituation und der Parkmöglichkeiten in der E.-straße, weil das Bauvorhaben drei Grundstückszufahrten aufweise, ist dieser Vortrag – unabhängig davon, dass kein Rechtsanspruch auf Beibehaltung der bestehenden Verkehrsverhältnisse besteht (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2016, Art. 66 Rn. 438) – nicht geeignet, eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Grundstücks der Antragstellerin darzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen im Beschwerdeverfahren einen eigenen Antrag gestellt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen