Baurecht

Duldung der Beseitigung tatsächlich-öffentlicher Verkehrsflächen durch den Grundstückseigentümer

Aktenzeichen  M 2 K 18.4417

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43798
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14 Abs. 1
VwGO § 43 Abs. 2 S. 1
BGB § 229, § 858, § 903 S. 1
BayStrWG Art. 6 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 8, Art. 14, Art. 58 Abs. 2 Nr. 3, Art. 67 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5
BauGB § 14 Abs. 1, § 29 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die erstmalige Anlegung eines Bestandsverzeichnisses entfaltet die Rechtswirkung der Widmungsfiktion, durch die die Zustimmung des Eigentümers als erteilt und die Widmung als verfügt gilt, regelmäßig nur für solche Grundstücke, deren Flurnummern in der Eintragung als öffentliche Verkehrsfläche auch genannt sind; eine faktische oder konkludente Widmung kennt das Bayerische Straßen- und Wegerecht hingegen nicht (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 138459 Rn. 20, BeckRS 2017, 105380 Rn. 11, BeckRS 2016, 47049 Rn. 21). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Widmungsfiktion nach dem in Art. 6 Abs. 8 BayStrWG normierten Grundsatz der Elastizität der Widmung kann als eng auszulegende Ausnahme vom Prinzip der Formstrenge generell nur in Fällen von untergeordneter Bedeutung eingreifen (vgl. BayVGH BeckRS 2013, 56967 Rn. 12), so dass wesentliche Änderungen der Straße stets der förmlichen Widmung bedürfen. (Rn. 23 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Veränderungssperre verändert weder die Besitz- noch die Eigentumsverhältnisse und findet auf öffentliche Verkehrsflächen keine Anwendung, weil Errichtung und Änderung einer öffentlichen Straßenfläche nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht dem Begriff des Vorhabens im Sinn des § 29 Abs. 1 BauGB unterfallen (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 124752 Rn. 25) und für die Anwendung des § 14 Abs. 1 BauGB kein Raum ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger die im Westen des Flurstücks Fl.Nr. 997 der Gemarkung … an die H…-Straße anschließende Verkehrsfläche ihrer Straßen und Wege, die im Norden des Flurstücks Fl.Nr. 997 der Gemarkung … an den K…weg anschließende Verkehrsfläche ihrer Straßen und Wege, sowie die im Westen des Flurstücks Fl.Nr. 984 der Gemarkung … an die H…-Straße anschließende Verkehrsfläche ihrer Straßen und Wege entfernt, soweit diese Verkehrsflächen auf den vorgenannten Grundstücken des Klägers liegen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige allgemeine Leistungsklage hat in der Sache Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Der Kläger begehrt die Duldung der Beseitigung der auf den Grundstücken des Klägers liegenden Verkehrsflächen der Beklagten durch den Kläger, also eine tatsächliche Leistung und keinen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG. Mit der allgemeinen Leistungsklage kann der Kläger grundsätzlich einen materiellen Anspruch auf Duldung gegenüber der Behörde durchsetzen.
2. Der Kläger ist auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), da eine Rechtsbeeinträchtigung des Klägers in seinem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) möglich erscheint.
Liegt eine Wegefläche, die faktisch für den öffentlichen Verkehr genutzt wird, auf einer nicht gewidmeten Grundstücksfläche, handelt es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche. Eine solche Fläche, bei der zumindest aus Sicht der Verkehrsteilnehmer nach den objektiv erkennbaren äußeren Umständen von einer Freigabe zur öffentlichen Verkehrsnutzung auszugehen ist, unterliegt dem Straßenverkehrsrecht. Zur Vermeidung der Ausübung unzulässiger Selbsthilfe (§ 229 BGB) oder verbotener Eigenmacht (§ 858 BGB) ist der betroffene Grundstückseigentümer oder sonstige Berechtigte darauf verwiesen, zur Wahrnehmung seiner Rechte die vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel zu ergreifen und auf diesem Weg gegen den Straßenbaulastträger die Befugnis zur Ausübung seiner Eigentümerrechte durchzusetzen (vgl. BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – juris Rn. 22 und 31 ff.; VG München, U.v. 13.10.2015 – M 2 K 15.1586 – juris). So liegt der Fall auch hier, da die maßgeblichen Teilflächen der streitgegenständlichen Grundstücke, die im Eigentum des Klägers stehen, nicht gewidmet sind, aber als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche in der Baulast der Beklagten genutzt werden (vgl. hierzu im Folgenden unter II).
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Der Kläger ist im Rahmen seiner aus dem Eigentumsrecht folgenden Rechtsmacht (Art. 14 Abs. 1 GG, § 903 Satz 1 BGB) berechtigt, die Allgemeinheit von der Nutzung der auf seinen Grundstücken befindlichen Teilflächen der H…-Straße und des K…weges auszuschließen und diese zu renaturieren. Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Im Öffentlichen Recht gilt nichts anderes. Umfasst wird der Anspruch gegenüber dem Störer, hier der Beklagten, jedenfalls die Maßnahmen zu dulden, die nötig sind, die rechtswidrige Eigentumsstörung zu beseitigen (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2013 – 9 B 12.13 – juris Rn. 4).
Das Recht des Klägers zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung der H…-Straße und des K…weges durch Beseitigung der Verkehrsflächen auf den in seinem Eigentum stehenden Grundstücksflächen für den öffentlichen Verkehr ist nicht durch die Eröffnung des Gemeingebrauchs (Art. 14 BayStrWG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung oder Widmungsfiktion (Art. 67 Abs. 4 BayStrWG) eingeschränkt.
Die von der Beklagten im Zuge der H…-Straße und des K…weges als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche in Anspruch genommenen Teilflächen der klägerischen Grundstücke gelten nicht nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG als gewidmet. Maßgeblich für die Eigenschaft der streitbefangenen Wegefläche als öffentliche Verkehrsfläche ist die Eintragung im Zuge der Erstanlegung im Bestandsverzeichnis der Beklagten nach Art. 67 Abs. 3 BayStrWG. Liegt eine solche Eintragung unanfechtbar vor, so gilt die Zustimmung nach Art. 6 Abs. 3 Alt. 3 BayStrWG als erteilt und die Widmung (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG) als verfügt. Ist eine Straße demgegenüber nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gilt sie nach Art. 67 Abs. 5 BayStrWG nicht als öffentliche Straße. Dabei entfaltet die erstmalige Anlegung eines Bestandsverzeichnisses regelmäßig nur für solche Grundstücke die Rechtswirkung der Widmungsfiktion, deren Flurnummern in der Eintragung auch genannt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2017 – 8 ZB 17.1189 – juris Rn. 20; B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn.11 f.). Eine faktische oder konkludente Widmung kennt das Bayerische Straßen- und Wegerecht hingegen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2017 aaO; B.v. 21.4.2016 – 8 B 15.129 – juris Rn. 21).
Vorliegend sind weder in der Eintragung der H…-Straße, noch in der Eintragung des K…weges im Bestandsverzeichnis die Flurnummern der beiden Grundstücke des Klägers – FlNr. 997 und FlNr. 984 – genannt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten gelten die streitgegenständlichen Flächen auch nicht nach Art. 6 Abs. 8 BayStrWG als gewidmet. Gemäß dieser Vorschrift, die den ursprünglich von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsatz der Elastizität der Widmung normiert, gilt bei einer Verbreiterung, Begradigung, unerheblichen Verlegung oder Ergänzung einer Straße der neue Straßenteil durch die Verkehrsübergabe als gewidmet, sofern die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayStrWG vorliegen. Diese Vorschrift greift vorliegend schon deshalb nicht, weil es sich nicht nur um eine unwesentliche Änderung der beiden Straßen handelt.
Zwar ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die Formulierung „unwesentlich“ nur bei einer „Verlegung“ der Straße genannt ist, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die Widmungsfiktion generell nur in Fällen von untergeordneter Bedeutung eingreifen kann (BayVGH, B.v. 23. 9. 2013 – 8 ZB 12.2525; Zeitler/Häußler, 28. EL Januar 2018, BayStrWG Art. 6 Rn. 80-83). Denn als Ausnahme vom Prinzip der Formstrenge ist Art. 6 Abs. 8 BayStrWG im Interesse der Rechtssicherheit eng auszulegen (BayVGH, B.v. 23.9.2013 – 8 ZB 12.2525; Allesch, BayVBl. 2016, 217/218). Wesentliche Änderungen der Straße bedürfen daher stets der förmlichen Widmung (vgl. Marschall in Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, 5. Aufl. 1998, § 2 Rn. 34). Liegt keine unwesentliche Änderung vor, greift auch die Widmungsfiktion nicht ein (vgl. BayVGH, U.v. 24. 10. 2005 – 6 B 01.2416 juris Rn. 31). Im streitgegenständlichen Fall erstreckt sich die Verbreiterung der H…-Straße und des K…weges auf nicht gewidmete, im Eigentum des Klägers stehende Grundstücksflächen im Umfang von mehr als 400 m². Von einer unwesentlichen Verbreiterung kann hier keine Rede mehr sein.
Es fehlt somit an einer Widmung bzw. Widmungsfiktion (Art. 67 Abs. 4 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 Alt. 3 und Abs. 1 BayStrWG) der hier streitigen Flächen. Durch die Herstellung und Unterhaltung der H…-Straße und des K…weges durch die Beklagte und ihre Nutzung als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche ist für den Kläger als Eigentümer mithin ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden, der bis in die Gegenwart fortdauert. Die Beklagte hat zwar Ende des Jahres 2018 nach Kanalverlegungsarbeiten die hierzu entfernte Asphaltdecke der H…-Straße nur noch bis zu der Grundstücksgrenze des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks erneuert. Auf den streitbefangenen Grundstücksteilen des Klägers befindet sich aber immer noch eine Kiesdecke; die Fläche wird nach wie vor als öffentliche Verkehrsfläche genutzt. Außerdem erstreckt sich die Verankerung der bis zur Grundstücksgrenze reichenden Asphaltdecke im Straßengrund in die im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke.
Die Beklagte ist Trägerin der Straßenbaulast für die H…-Straße (Art. 47 Abs. 1 BayStrWG) und des K…weges (Art. 54 Abs. 1 BayStrWG) und daher als zuständige Straßenbaubehörde (Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG) auch richtige Adressatin der hier streitbefangenen Ansprüche.
2. Den vorgenannten, nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unverjährbaren (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2013 – 9 B 12.13 – juris Rn. 4) Anspruch hat der Kläger bzw. seine Rechtsvorgängerin nicht verwirkt.
Der Kläger bzw. seine Rechtsvorgängerin hat das Recht auf Geltendmachung der aus dem Grundstückseigentum folgenden Rechte hinsichtlich der von der Beklagten als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche in Anspruch genommenen Grundstücksflächen nicht verwirkt.
Nachdem dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz – wie vorstehend ausgeführt – eine faktische oder konkludente Widmung nicht bekannt ist und ein Grundstückseigentümer in Ausübung seines Eigentumsrechts grundsätzlich jederzeit die Zustimmung zur Nutzung einer Fläche durch die Allgemeinheit als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche widerrufen oder einschränken kann, sind die außergerichtliche Vorgehensweise des Klägers und seiner Rechtsvorgängerin und sein nunmehr verfolgtes Rechtsschutzbegehren nicht als Verstoß gegen den auch im Öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) zu beanstanden. Die als Unterfall dieses Grundsatzes als Rechtsinstitut anerkannte Verwirkung hat zwei tatbestandliche Voraussetzungen, die kumulativ gegeben sein müssen (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 53 Rn. 23). Zum einen muss das Recht über längere Zeit nicht geltend gemacht worden sein, nachdem dies dem Rechtsinhaber möglich war (Zeitmoment); zum anderen müssen besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).
Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass zumindest die Rechtsvorgängerin des Klägers seit mehreren Jahren Kenntnis von der rechtlichen Situation gehabt hat, kann daraus nicht auf eine Verwirkung des Klagerechts geschlossen werden. Die Treuwidrigkeit einer Rechtsausübung ergibt sich vor allem aus einer Verletzung des Vertrauensschutzes und setzt unter anderem voraus (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs aaO Rn. 23 f.), dass der von der Rechtsausübung Betroffene, hier also die Beklagte, infolge eines Verhaltens des Berechtigten, hier der Rechtsvorgängerin des Klägers, darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde. Als Vertrauensgrundlage reicht das reine Schweigen oder Nichtstun, also der bloße, selbst extrem lange Zeitablauf in der Regel allerdings nicht aus. Der Umstand also, dass der Kläger bzw. dessen Rechtsvorgängerin den Überbau der nach dem Vortrag der Beklagten seit Jahrzehnten existierenden H…-Straße und des K…wegs über einen nicht unerheblichen Zeitraum auf ihren Grundstücken hingenommen haben, ist mithin als solches von Rechts wegen unerheblich. Für ein positives Verhalten der Rechtsvorgängerin des Klägers bzw. des Klägers selbst, etwa eine ausdrücklich duldende Willensäußerung oder ein erkennbar bewusstes Absehen von der Geltendmachung der aus dem Eigentum sich ergebenden Rechte, obwohl dies aufgrund der Umstände zu erwarten gewesen wäre, mit dem die Begründung einer schützenswerten Vertrauensgrundlage der Beklagten einhergehen würde, ist nichts ersichtlich. Zudem fehlt es auch am Vorliegen der daneben ebenfalls notwendigen besonderen Umstände, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen (Umstandsmoment). Es sind keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher im vorstehenden Sinne notwendigen besonderen Umstände ersichtlich, die die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens zuließen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hinsichtlich des Gewichts von hoheitlicher Seite geschaffener sog. „vollendeter Tatsachen“ bei der Beseitigung entsprechender rechtswidriger Zustände anerkannt, dass sich faktische Macht gegenüber dem Bürger nicht deshalb durchsetzt, weil sie bereits vollzogen wurde, sondern weil sie von der Rechtsordnung hierzu legitimiert ist. Der Gesetzgeber regelt durch das einfachgesetzliche Verfahren, hier durch das Widmungsrecht im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz, im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur Inhalt und Schranken des Eigentums; vielmehr sollen derartige Verfahren auch durch ihre spezifische Ausgestaltung – gewissermaßen im Vorfeld der materiellen Entscheidung – den Betroffenen Grundrechtsschutz vermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – juris Rn. 52). Mithin ist es vorliegend im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG nicht Sache der Beklagten, die Sinnhaftigkeit des klägerischen Begehrens im Hinblick auf die zukünftige Verwendung seiner Grundstücke zu hinterfragen.
3. Die von der Beklagten am 22. November 2018 erlassene Veränderungssperre zum Bebauungsplan Nr. 188 „H…-Straße Süd“ steht dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen.
Nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Veränderungssperre zum Bebauungsplan Nr. 188 dürfen Vorhaben im Sinn des § 29 BauGB nicht durchgeführt und bauliche Anlagen nicht beseitigt werden. Die Veränderungssperre wird auf § 14 Abs. 1 BauGB gestützt. Sinn und Zweck einer Veränderungssperre ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB „die Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich“ eines Bebauungsplans. Offenbleiben kann im vorliegenden Fall, ob die Veränderungssperre den planungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Denn jedenfalls ist es nicht Sinn und Zweck einer Veränderungssperre, einen bereits (seit langem) bestehenden nicht verjährbaren Anspruch auf Beseitigung eines rechtswidrigen Eigentumseingriffs zu vernichten. Eine Veränderungssperre verändert weder die Besitz- noch die Eigentumsverhältnisse. Zudem fehlt es, soweit die klägerischen Grundstücke erfasst sind, an einer Rechtsgrundlage für den Erlass einer Veränderungssperre. § 14 Abs. 1 BauGB findet auf öffentliche Verkehrsflächen keine Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unterfallen Errichtung und Änderung einer öffentlichen Straßenfläche nicht dem Begriff des Vorhabens im Sinn des § 29 Abs. 1 BauGB mit der Folge, dass §§ 30 ff. BauGB hier keine Anwendung finden (vgl. BayVGH, U.v. 27.7.2017 – 8 B 16.1030 – juris Rn. 25; U.v. 27.9.2005 – 8 N 03.2750 – NVwZ-RR 2006, 381f.) und für die Anwendung des § 14 Abs. 1 BauGB kein Raum ist (zur Begründung siehe BayVGH, U.v. 27.9.2005 – 8 N 03.2750 – insbes. Unter Nr. 3a)).
Der darin zum Ausdruck kommende Vorrang des Straßenrechtsregimes gilt auch hinsichtlich des Begriffs der „baulichen Anlagen“ im Sinn des § 14 Abs. 1 BauGB. Die Frage, was unter „baulichen Anlagen“ im Sinn des § 14 Abs. 1 BauGB zu verstehen ist, ist nach Landesrecht zu beantworten. Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBO sind Anlagen des öffentlichen Verkehrs einschließlich ihrer Nebenanlagen vom Geltungsbereich der bayerischen Bauordnung ausgenommen. Anlagen in diesem Sinn sind insbesondere öffentliche Straßen nach bayerischem Landesrecht einschließlich ihrer Bestandteile (vgl. Dirnberger/Lechner in Simon/Busse BayBO, Stand: Dezember 2017, Art. 1 Rn. 61 ff.). Die Beseitigung einer öffentlichen Verkehrsfläche unterfällt daher nicht § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2018, juris Rn. 16 unter Bestätigung des Beschlusses des VG München vom 2.5.2018 – M 2 E 18.2021 – s. Gründe II 2 a) bb)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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