Aktenzeichen M 10 K 17.2336
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Es ist nicht zu beanstanden, wenn untergesetzliches Recht die Möglichkeit vorsieht, gegenüber Abfallüberlassungspflichtigen die eigene Verbringung der Müllbehälter vor das Grundstück auf öffentlichen Straßengrund anzuordnen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 3. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anordnung der Eigenbereitstellung kann vorliegend auf § 11 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 3 der Satzung über die Hausmüllentsorgung der Beklagten (Hausmüllentsorgungssatzung – HausmüllentsorgungsS) vom 12. Dezember 2001 in der Fassung der letzten Änderung vom 4. Januar 2017 gestützt werden.
1. Bedenken gegen die formelle und inhaltliche Richtigkeit der Hausmüllentsorgungssatzung wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Nach Art. 7 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) können die entsorgungspflichtigen Körperschaften – hier also die Beklagte als kreisfreie Gemeinde nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayAbfG – durch Satzung den Anschlusszwang und die Überlassungspflicht regeln. Sie können insbesondere bestimmen, in welcher Art, in welcher Weise, an welchem Ort und zu welcher Zeit ihnen die Abfälle zu überlassen sind. Diese landesrechtliche Ermächtigung wird durch § 6 und die übrigen Regelungen der Hausmüllentsorgungssatzung der Beklagten ausgefüllt.
Im Gebiet der Beklagten ist es die Regel – von der Beklagten als so genannter Vollservice bezeichnet -, dass der hierzu errichtete Abfallwirtschaftsbetrieb die Müllbehälter durch seine Beschäftigten von den Stellplätzen auf den jeweiligen Grundstücken zum Entleeren in das Müllfahrzeug abholt und wieder zurückbringt. Unter bestimmten Voraussetzungen, die in § 6 HausmüllentsorgungsS näher geregelt sind, zum Beispiel in Fällen der angeordneten Eigenbereitstellung (§ 6 Abs. 1 Satz 4 HausmüllentsorgungsS) oder wenn der Standplatz für die Müllbehälter in einer Entfernung von mehr als 15 m von der nächsten mit Müllsammelfahrzeugen befahrbaren Zufahrtsmöglichkeit entfernt ist (§ 6 Abs. 1 Sätze 6 und 7 HausmüllentsorgungsS), müssen die Anschlusspflichtigen dagegen die Mülltonnen auf eigene Veranlassung und Kosten selbst außerhalb der Grundstückseinfriedung aufstellen und nach Leerung zurückbringen.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Möglichkeit vorgesehen ist, gegenüber Abfallüberlassungspflichtigen die eigene Verbringung der Müllbehälter vor das Grundstück auf öffentlichen Straßengrund anzuordnen. Einen gesetzlichen Anspruch auf die Abholung jeglichen Abfalls vom Grundstück der Benutzer der Hausmüllentsorgung gibt es nicht. Bei vielen abfallbeseitigungspflichtigen Körperschaften in Bayern ist es sogar der Regelfall, dass Müllbehälter von den Nutzern außerhalb ihres Grundstücks bereitgestellt werden müssen und nach der Leerung auch wieder selbst zurückgebracht werden müssen. Die Zulässigkeit derartiger Regelungen wurde von der Rechtsprechung nie beanstandet (vgl. BayVGH, U.v. 8.4.1992 – 4 B 88.933 – BayVBl 1993, 662). Sogar Bestimmungen einer Abfallsatzung, die vorsehen, dass die Überlassungspflichtigen die Abfallbehältnisse unter bestimmten Voraussetzungen an einen grundstücksfernen Aufstellort verbringen müssen, sind rechtlich grundsätzlich unbedenklich (BVerwG, B.v. 17.3.2011 – 7 B 4/11 – juris Rn. 8 m. w. N.).
Darüber hinaus ist es im Bereich der Beklagten – außerhalb des so genannten Holsystems für Papier-, Bioabfall und Restmüll – geregelt, dass Sperrmüll, Problemstoffe, Verpackungsmüll (Glas, Metall und Kunststoffe), Gartenabfälle und Altkleider im Rahmen des so genannten Bringsystems zu Wertstoffcontainern oder auf die Wertstoffhöfe zu verbringen sind. Auch dies ist nicht zu beanstanden. Der Beklagten steht es im Rahmen ihres weiten satzungsgeberischen Spielraumes frei, die Überlassung, Einsammlung, Beseitigung und Verwertung von Abfall unterschiedlich zu regeln, wie es durch die Allgemeine Abfallsatzung, die Hausmüllentsorgungssatzung, die Hausratsperrmüll-, Wertstoff- und Problemmüllsatzung, die Gewerbe- und Bauabfallentsorgungssatzung sowie die Gartenabfallentsorgungssatzung der Beklagten erfolgt.
Insbesondere ist auch die normative Festlegung der Rampenneigung auf 6% nicht zu beanstanden. Die Satzung hält sich mit dieser Vorgabe in dem Rahmen, der der Beklagten aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit ihrer Mitarbeiter vorgegeben ist (vgl. etwa DGUV Regel 114-601 Unterpunkt 3.3).
2. Die Beklagte hat den Tatbestand der Eigenbereitstellung (§ 11 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 3 HausmüllentsorgungsS) auch rechtmäßig angewendet.
Die von der Klägerseite aufgeworfenen Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids teilt das Gericht nicht. Die Kläger wurden im Rahmen mehrerer Ortstermine und des vorgerichtlichen Schriftwechsels angehört. Über die materiellen Voraussetzungen an etwaige bauliche Änderungen mussten die Kläger sich selbst informieren; insbesondere ist die maximale Rampenneigung von 6% eine in der Satzung festgelegte Voraussetzung. Auch genügt der Bescheid vom 3. Mai 2017 den von Art. 39 BayVwVfG gestellten Anforderungen an eine Begründung.
Auch materiell ist der Bescheid vom 3. Mai 2017 rechtmäßig. Nach § 11 Abs. 1 HausmüllentsorgungsS kann die Beklagte zur Erfüllung der nach dieser Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 4 HausmüllentsorgungsS kann die Beklagte im Einzelfall den Standplatz bestimmen oder, wenn von den Anschlusspflichtigen die in den Sätzen 1 oder 3 genannten Voraussetzungen nicht geschaffen werden, die Eigenbereitstellung der Müll- und Wertstoffbehälter verlangen. Nach dem hier nur Anwendung findenden Satz 1 sind die Müll- und Wertstoffbehälter von den Anschlusspflichtigen so aufzustellen, dass sie vom Abfuhrpersonal behinderungsfrei auf kürzesten, gut begehbaren und für Großbehälter befahrbaren Wegen erreicht werden können; dazu gehört insbesondere auch, dass eine Randsteinabsenkung vorhanden ist.
§ 6 Abs. 4 HausmüllentsorgungsS fordert weiterhin, dass die Standplätze der Müll-/Wertstoffbehälter ohne Unfallgefahr und Behinderung zugänglich sein müssen. Insbesondere sind die Standplätze und deren Zugänge so einzurichten, dass die Einhaltung bestimmter Unfallverhütungsvorschriften – hier insbesondere der Sammlung und des Transports von Abfall (GUV-R 238-1) – gesichert ist. Auch arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen können für eine Mitwirkung des Überlassungspflichtigen durch Verbringen der Abfallbehältnisse herangezogen werden (BVerwG, B.v. 17.3.2011 – 7 B 4/11 – juris Rn. 9)
Die Beklagte bemängelt verschiedene Gegebenheiten auf dem streitgegenständlichen Grundstück, darunter Beleuchtung, Bodenbelag und der Transportweg über zwei Rampen. Unabhängig von Stolperstellen, Bodenbelag und Beleuchtung berechtigen bereits die vorhandenen Rampen, über die die Müllbehälter gebracht werden müssen, die Beklagte zur Anordnung einer Eigenbereitstellung. Der Transportweg ist bereits auf Grund von § 6 Abs. 4 Satz 10 HausmüllentsorgungsS und damit dem Satzungsrecht selbst zu beanstanden. Nach systematischer Zusammenschau der Vorschrift des § 6 HausmüllentsorgungsS sind die dem ersten Absatz folgenden Regelungen als Konkretisierungen der dort geforderten Beschaffenheit auszulegen, soweit sie konkrete Anforderungen an die Standplätze und Transportwege der Abfallbehälter stellen. Somit ist § 6 Abs. 4 Satz 10 HausmüllentsorgungsS so zu verstehen, dass die Rampenneigung für den manuellen Transport von Müllgroßbehältern maximal 6% betragen darf, um als gut begehbarer, behinderungsfrei zugänglicher und für Großbehälter befahrbarer Weg zu gelten. Nach der Überschrift von § 6 HausmüllentsorgungsS und dem Wortlaut („für den manuellen Transport“) bezieht sich die Norm auf den Transportweg der Abfallbehälter und nicht nur auf den Standplatz. Auch drückt der in der Satzung verwendete Begriff der „Neigung“ aus, dass sowohl Steigungen als auch Gefälle umfasst sein kann. Dies überzeugt auch nach teleologischer Auslegung, nachdem auch das Bremsen der Abfallbehälter zu Belastungen und Gefahren führen kann und für Unfallverhütung und Arbeitssicherheit relevant ist. Zu Recht hat die Beklagtenseite auf Gefahren hingewiesen, die auch für Personen auf dem Transportweg oder in der Einfahrt entstehen können, etwa Bewohner oder Gäste des Anwesens.
Den dargelegten Anforderungen genügt der Transportweg von der Fahrstraße zu den Stellplätzen der Abfallbehälter im streitgegenständlichen Anwesen nicht. Das Gericht hat nach den dokumentierten Messungen der Beklagten vor Ort keine Zweifel, dass die Rampen eine Neigung von über 6% aufweisen, und sieht daher auch unter dem Aspekt der Amtsermittlungspflicht nach § 86 VwGO keinen Anlass, der Beweisanregung der Klägerseite, die Steigung nachzumessen, nachzugehen. Die Vertreter und Mitarbeiter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie hätten die Neigung sowohl mit einer herkömmlichen Wasserwaage wie auch mit einer digitalen Wasserwaage gemessen. Es handelt sich bei der Berechnung der Neigung einer Rampe um keine so schwierige Bemessung, dass allein ein Sachverständiger diese Aufgabe übernehmen könnte oder ein hohes Potential für Ungenauigkeiten besteht. Die gemessenen Neigungen übersteigen 6% nicht nur geringfügig, sondern bei Weitem. Auch hat die Klägerseite selbst schriftsätzlich eine Rampenneigung von 11% eingeräumt. Im Übrigen hat die Klägerseite die Neigung nicht substantiiert bestritten, sondern durch bloßes Behaupten in Frage gestellt. Die von der Beklagten in doppelter Messung gefundenen Werte vermag sie damit nicht zu erschüttern.
Auch Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht unverhältnismäßig, den sogenannten „Vollservice“ einzustellen, nachdem er jahrelang im Anwesen der Kläger angewandt wurde. Einen Bestandschutz sehen weder die Satzung noch das Gesetz vor. Der Beklagten muss möglich sein, den gestiegenen Anforderungen an den Arbeitsschutz ebenso wie dem gesteigerten Abfallaufkommen durch Anpassung ihrer bisherigen Praxis Rechnung zu tragen. Insbesondere ist die Anordnung im Bescheid vom 3. Mai 2017 auch verhältnismäßig, da die Beklagte lediglich die Bereitstellung der gefüllten Abfallbehälter verlangt, während die geleerten Behälter durch das Personal der Beklagten an die Standplätze zurückgebracht werden. Soweit die Kläger eine Unmöglichkeit eines sicheren Aufstellens im Straßenraum vorbringen, hat die Beklagte zu Recht auf den mehrmonatigen Zeitraum verwiesen, in dem die Eigenbereitstellung funktionierte.
Demnach war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.