Aktenzeichen AN 9 S 20.01442
Leitsatz
1. Eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist im Allgemeinen nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin diese Funktion haben sollen. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundsätzlich besteht kein Schutz vor jeglicher Einsichtnahme oder unerwünschten Einblicken. Ein Bauherr ist nicht verpflichtet, sich mit einer Nutzung zu begnügen, die zu keiner Erweiterung von Einsichtsmöglichkeiten führt. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten.
Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, … …, … Die Antragsteller grenzen südöstlich an das Baugrundstück an. Das Grundstück der Antragsteller ist mit einem Wohnhaus bebaut und wurde mit Verfügung der Antragsgegnerin vom 21. Januar 1956 als Zweifamilienwohnhaus baupolizeilich genehmigt.
Das streitgegenständliche Grundstück, FlNr. …, Gemarkung …, … …, …, liegt im räumlichen Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin vom 16. Juli 1969, ergänzt durch Satzung zur Änderung der Bebauungsplan-Satzung Nr. … vom 12. Oktober 2015. Der textliche Teil der Bebauungsplansatzung setzt in § 3 Nr. 1 zu Art der baulichen Nutzung ein Allgemeines Wohngebiet fest. In § 3 Nr. 2 sind zwei Vollgeschosse als Höchstgrenze festgesetzt. Soweit sich nicht aus der festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche und der festgesetzten Geschosszahl ein geringeres Maß der baulichen Nutzung ergibt, gelten als höchst zulässiges Maß der baulichen Nutzung die Höchstwerte des § 17 Abs. 1 BauNVO. Nach § 3 Nr. 3 gilt die offene Bauweise. Die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind nach § 3 Nr. 6, von einzelnen genannten Ausnahmen abgesehen, als Grünflächen oder gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten. In der Begründung zum Bebauungsplan wird ausgeführt, dass die Festsetzungen zu Nebenanlagen, Anpflanzungen und Einfriedungen im Hinblick auf eine einheitliche Gestaltung des Ortsbildes erforderlich sind. Die Eigenart des Baugebietes und der Siedlungscharakter sollen durch diese Festsetzungen gewährleistet bleiben.
In der Begründung zur Änderung des Bebauungsplans vom 12. Oktober 2015 ist unter anderem ausgeführt, dass die Baustruktur von Einfamilienhäusern und Doppelhäusern geprägt ist und das Landschaftsbild zu der für die … typischen aufgelockerten Siedlungsstruktur beiträgt.
Die Beigeladene beantragte am 14. November 2018 bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 WE“ auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … Zusätzlich beantragte sie die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für das Dachgeschoss als 3. Vollgeschoss sowie für die Überschreitung der festgesetzten Baugrenzen. Nach Südosten zum Grundstück der Antragsteller sind im Erdgeschoss zwei Terrassen, im 1. Obergeschoss zwei Balkone und im Dachgeschoss eine Loggia geplant. Die sechs Stellplätze werden im Vorgartenbereich zur Straße hin errichtet. Auf dem Baugrundstück steht im rückwärtigen Gartenbereich eine Rotbuche mit einem Stammdurchmesser von 2,5 m, die unter Baumschutz steht.
Am 28. Oktober 2019 erteilte das Stadtplanungsamt … das gemeindliche Einvernehmen. Zwar widerspreche das geplante Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans wegen Überschreitung der Baugrenzen im Norden (Treppenhaus) und im Süden (Balkone), die erforderliche Befreiung für die Überschreitung der Baugrenzen könne jedoch erteilt werden. Die Abweichung sei städtebaulich vertretbar, da es sich nur um eine geringfügige Überschreitung handele und Bezugsfälle bereits vorhanden seien. Der Lageplan M 1:1000 stimme nicht mehr mit der aktuellen Planung überein und sei mit der maßstabsgerechten Darstellung des Bauvorhabens nachzureichen.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2020, den Antragstellern zugestellt am 5. Februar 2020, wurde der Beigeladenen für das Bauvorhaben „Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 WE“ auf dem streitgegenständlichen Grundstück die Baugenehmigung erteilt (Ziffer 1). Entsprechend der Ziffer 2 ersetzt die Baugenehmigung die Genehmigung nach der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes im Stadtgebiet … (Baumschutzverordnung – BaumschVO). In der Ziffer 3 wird die Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplanes Nr. … wegen Überschreitung der Baugrenzen nach Norden durch das Treppenhaus, nach Süden durch die Terrassen/Balkone und nach Süden durch den Vorbau/Erker erteilt.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass Bauvorhaben widerspreche nicht den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfen seien, wenn die gestellten Auflagen eingehalten würden. Die Überschreitung der Baugrenzen sei städtebaulich vertretbar. Die Grund- als auch die Geschossflächenzahl entsprächen den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans Nr. … Die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zu den Nachbarn seien eingehalten. Die Voraussetzungen zur Erteilung der Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB lägen vor, da im Hinblick auf die vorhandene Bebauung die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen städtebaulich vertretbar sei, Bezugsfälle seien bereits vorhanden; die sonstigen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB lägen vor.
Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am 26. Februar 2020, erhoben die Antragsteller Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2020.
Zur Begründung der Klage führten die Antragsteller im Wesentlichen aus, die Baugenehmigung verletze die Antragsteller in ihren subjektiven Rechten. Die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB lägen nicht vor. Die Befreiung erlaube eine Überbauung der als Grün-/Pflanzenfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15, 25a BauGB) ausgewiesenen Grundstücksfläche außerhalb der Baugrenzen, obgleich diese hinter der Baugrenzen liegende Fläche nicht als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen sei. Die Befreiung greife in die Grundzüge der Planung ein. Die im Bebauungsplan aufgestellten Regelungen würden einen Nachbarschutz festlegen, auch sei bei der Befreiung das Rücksichtnahmegebot nicht beachtet worden. Zudem werde gegen den nachbarrechtlichen Gebietserhaltungsanspruch verstoßen, da das Bauvorhaben die zulässige Vollgeschossanzahl (zwei) überschreite und die Grund- und Geschoßflächenzahl nicht eingehalten werde.
Der Bebauungsplan sehe nur den Bauraum innerhalb der Baugrenzen (Baufenster) als allgemeines Wohngebiet vor. Die Flächennutzungen außerhalb der Baugrenzen seien im Bebauungsplan ausdrücklich als Grünfläche oder gärtnerische Fläche anzulegen und zu unterhalten. Hierzu werde auf § 3 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 2 Abs. 2 und Nr. 7 der Bebauungsplansatzung Nr. … verwiesen.
Im Planblatt vom 25. April 1968 mit Änderung vom 20. Mai 1969 und Deckblatt vom 20. Mai 1969, die Bestandteile des Bebauungsplanes seien, seien nur für die Grundstücke FlNrn. … und … Ausweitungen der Bebaubarkeit zugelassen worden, indem die Baugrenzen im hinterliegenden Gartenbereich um die bestehende Bebauung (Gartenhäuser) herumgezogen worden seien. Solch eine Ausweitung sei auf keinen anderen Grundstücken, insbesondere nicht auf dem streitgegenständlichen Baugrundstück erfolgt. Der Bebauungsplan sehe keine Ausnahme nach § 23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 BauNVO vor. Es bestehe eine eklatante Maß- und Höhendifferenz zwischen dem beabsichtigten Bauvorhaben mit einer Höhe von 11,32 m (Firsthöhe) und einer Breite von 20,10 m zu dem Bestandsgebäude der Kläger mit einer Höhe von 8,2 m (Firsthöhe) und einer Breite von 9 m. Das geplante Gebäude wäre damit gut 3 m höher und mehr als doppelt so breit.
Auf dem Baugelände gelte als Grundflächenzahl 0,4 und Geschoßflächenzahl 0,8. Der Bebauungsplan sehe zwei Vollgeschosse vor. Hierzu hätten der BayVGH (U.v. 03.08.2010 – 15 N 09.1106) und das BVerwG (B.v. 29.11.1994 – 8 B 171/94) entschieden, dass Flächen, die nach dem Zweck nicht für eine Bebauung, sondern als private Grünfläche vorgesehen seien, bei der Ermittlung der zulässigen Grundfläche nicht mit einbezogen würden.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 beantragten die Antragsteller:
Die aufschiebende Wirkung der gegen den zum Az. … erlassenen Baugenehmigungsbescheid zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 6 WE der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2020 erhobenen Klage der Kläger/Antragsteller vom 25. Februar 2020 wird angeordnet.
Zur Begründung führten die Antragsteller im Wesentlichen aus, es werde mit Nichtwissen bestritten, ob in der Umgebung bereits eine Bebauung mit je mindestens sechs Wohnungen vorhanden sei. Eine Vergleichbarkeit mit dem geplanten Vorhaben sei dennoch nicht gegeben; zudem benenne die Antragsgegnerin keine Vergleichsobjekte. Zumindest im Objekt „…“ sei im Erdgeschoss mindestens eine Ladeneinheit und damit keine Wohnnutzung vorhanden. Als nähere Umgebung sei der das Baugrundstück umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Bauvorhabens auf ihn auswirke und der bodenrechtliche Charakter beeinflusst werde, wobei die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch festzulegen seien. Die Grundstücke … und … lägen nicht mehr in der näheren Umgebung und seien nicht zu berücksichtigen. Vorliegend werde das Bauvorhaben durch seine benachbarte Bebauung im Süden, im Norden sowie auf der Ostseite und der gegenüberliegenden Straßenseite im Westen geprägt. Die Bebauung an der Kreuzung … zähle nicht mehr zur näheren Umgebung. Die Kreuzungsbebauung weise eine andersartige Nutzungsstruktur auf, unter anderem auch gewerbliche Nutzung. Im Norden erstrecke sich der maßgebliche Bereich nur bis zu den Hausnummern … und … Vor der Neuplanung der streitgegenständlichen Fläche hätten sich dort ein Kinderspielplatz, ein einstöckiges Gebäude mit Flachdach (ehemaliges evangelisches Gemeindezentrum) sowie eine zweistöckige Kindertagesstätte befunden.
Selbst wenn die Gebäude … und … heranzuziehen wären, handele es sich bei diesen Gebäuden um Fremdkörper im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG, da sie aus dem Rahmen der näheren Umgebungsbebauung fielen. Das Gebäude … stelle eine singuläre Anlage gegenüber der sonst homogenen Wohnbebauung dar, trotz seiner herausstechenden Andersartigkeit in der Umgebung wirke es nicht tonangebend. Zudem stehe das Haus im Vergleich zu den übrigen Baukörpern in einem 90-Grad gedrehten Verlauf und könne nicht als Vergleichsobjekt herangezogen werden.
Auch das Grundstück … und das darauf befindliche Wohngebäude seien kein geeignetes Vorbild für das Vorhaben der Beigeladenen, da es die Eigenart der näheren Umgebung nicht präge. Das Gebäude sei nicht in offener Bauweise errichtet worden, sondern baulich mit dem Nachbarhaus verbunden.
Die Antragsteller seien nicht grundsätzlich gegen eine Bebauung, wenn sie sich in den erlaubten Grenzen der Grund- und Geschoßflächenzahl bewege. Das Plangebiet zeichne sich gerade durch die typische Bauweise der … aus, da dort eine sehr aufgelockerte, mit weitläufigen Grünflächen, vorhandene Bebauung mit „kleinen“ Wohnhäusern vorhanden sei. Das geplante Vorhaben stelle einen Fremdkörper in diesem Gebiet dar, der städtebaulich nicht vertretbar sei, zu Spannungen führe und letztlich den Gebietserhaltungs-/Gebietsprägungserhaltungsanspruch der Antragsteller verletze.
Das geplante Haus besitze eine Breite von 20,1 m, an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu den Antragstellern sei das Baugrundstück 26 m breit. Die Baugrenze liege von der Grundstücksgrenze der Antragsteller in einem Abstand von 16,76 m. Das Maß des Balkons in der Tiefe betrage 3 m von der roten Linie (Außenwände des Gebäudes) ab in Richtung zur Grundstücksgrenze der Antragsteller berechnet. Der Überbau über die Baugrenze durch die Balkone ergebe sich aus dem Plan und betrage 2,7 m. Entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin werde die Baugrenze nicht nur um 1,1 m, sondern um 1,2 m überschritten.
Entsprechend der Auflagen zur Baugenehmigung sei die Durchführung der Schutzmaßnahmen für die zu erhaltenden Bäume grundsätzlich vor Baubeginn auszuführen. Die Schutzmaßnahmen seien definiert als Aufstellen der Schutzwände im vorgegebenen Abstand, Freihalten des Wurzelbereichs, unter anderem von Baumaterial, und Freihalten des Kronenbereichs von Baukränen. Zwischenzeitlich sei ein Teil des Kellers gebaut und ein Kran stehe auf der Baustelle, dessen Ausleger über die Baumkrone hinwegrage. Eine Gefährdung wegen des Aktionsradiusses sei nicht auszuschließen; zudem lagere Baumaterial unterhalb des Kronenbereichs der Buche. Damit halte sich die Beigeladene nicht an die Auflagen der Baugenehmigung.
Bestritten werde, dass das geplante Bauvorhaben vom Bestandsgebäude der Antragsteller 35 m entfernt liege. Wie oben ausgeführt, liege lediglich ein Abstand von 16,76 m vor, abzüglich der Überbauung von 2,7 m, ergebe sich ein Abstand von 14,06 m. Der Abstand von 14,06 m zusammen mit dem Abstand des Gebäudes der Antragsteller zur Grundstücksgrenze von etwa 20 m ergebe damit einen Gesamtabstand der Gebäude von rund 34 m und nicht 35 m.
Das OVG Sachsen habe mit Beschluss vom 7. August 2017 (1 B 143/17) entschieden, dass ein Vorhaben erdrückende Wirkung gegenüber der Nachbarbebauung ausübe, wenn es in Höhe und Volumen ein Übermaß besitze und nicht annähernd den vorhandenen Gebäuden gleichartig sei. Durch das Heranrücken des Gebäudes über die Baugrenze in Richtung zum Grundstück der Antragsteller wirke das Gebäude so, als würde letztlich kaum ein „Spalt“ bleiben, sodass nicht mehr von einer offenen Bauweise gesprochen werden könne. Es entstehe der Eindruck des Eingemauertseins sowie eine erdrückende Wirkung. Die im Bebauungsplan festgelegte offene Bauweise entfalte durch den Zwang zur Einhaltung der Abstandsflächen mittelbar drittschützende Wirkung. Aus Sicht der Antragsteller entspreche es nicht den Vorgaben einer offenen Bauweise, wenn nur auf Höhe des Baukörpers die Abstandsflächen eingehalten würden. Die durch die offene Bauweise vom Satzungsgeber gewollte ausreichende Belichtung der Grundstücke könne nicht mehr gewährleistet werden. Nicht einmal das in Art. 6 BayBO genannte Mindestmaß der Abstandsflächen von 3 m verbleibe bei einer gedachten Verlängerung der Außenmauer des Gebäudes zur südwestlich bzw. nordöstlich liegenden Grundstücksgrenze des Baugrundstücks. Den Antragstellern werde durch das geplante Gebäude die im Westen untergehende Abendsonne abgeschnitten.
Das geplante Bauvorhaben verändere die städtebauliche Struktur und füge sich nicht in die nähere Umgebung ein. Auf die Entscheidung des BayVGH vom 16. Mai 2017 (1 ZB 16.1938) werde verwiesen. Die Errichtung eines 6-Parteienhauses und damit Schaffung von sechs Stellplätzen auf dem Baugrundstück stelle nach dem VG München (B.v. 20.05.2018 – M 11 SN 18.1512) einen nachbarrechtlich relevanten Verstoß dar, da mit der Anzahl der Stellplätze für den Nachbarn unzumutbare Auswirkungen verbunden seien. Vorliegend sei das Gebiet bereits durch Schienen- und Straßenverkehrslärm sowie Sport- und Freizeitlärm belastet. Nur wenige 100 m entfernt lägen die Südwesttangente und die Bahnlinie. Durch die erhöhte Anzahl und Lage der Stellplätze in Richtung zu dem Grundstück der Antragsteller führe dies zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung.
Darüber hinaus sei das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 BayVwVfG in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verletzt. Hiernach müsse der Baugenehmigung mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen sein, welche Nachbarrechte unzumutbar beeinträchtigt seien. Aus der Formulierung im Bescheid und der Bezeichnung „Wohneinheit“ sei nicht exakt zu entnehmen, welche Nutzungsart für die Baumaßnahme erlaubt sei. Nach § 13 BauNVO sei auch eine gewerbliche oder freiberufliche Nutzung zulässig, wobei hier sicherzustellen sei, dass das Gebäude nicht durch die freiberufliche Nutzung geprägt sein dürfe. Auf das Urteil des BVerwG vom 18. Mai 2001 (Az. 4 C 8/00) werde verwiesen, wonach auch die Büronutzung auf wesentlich weniger als 50% der Wohnungsanzahl oder der Wohnfläche beschränkt werden könne. Bei gewerblicher Nutzung würden der Verkehr und damit die Geruchs- und Lärmbelästigungen zunehmen.
Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Ermessensentscheidung bei Beurteilung des Rücksichtnahmegebotes den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 GG zu berücksichtigen. Hierzu werde auf die Genehmigung des Gebäudes der Antragsteller im Baugesuch B.V.Nr. 3142/55 und den Deckblättern B.V.Nr. 4352/55 verwiesen, wonach die „Bauflucht bzw. Vorgartenlinie und die Höhenlagen genau einzuhalten“ seien. Das geplante Vorhaben, das vergleichbar sei mit dem Grundstück der Antragsteller, dürfe hiervon nach Art. 3 GG nicht abweichen. Nach Auffassung der Antragsteller liege das Baugrundstück, auch wenn der Bebauungsplan von einem allgemeinen Wohngebiet spreche, in einem faktischen Kleinsiedlungsgebiet nach § 2 BauNVO. Auf den umliegenden Grundstücken befänden sich nur kleine Wohnhäuser (keine Mehrfamilienhäuser) mit größeren Gärten, die auch kleingärtnerisch genutzt würden.
Auch das Maß der baulichen Nutzung sei vorliegend nachbarschützend, da sämtliche Regelungen des Bebauungsplans vom Satzungsgeber in einem Abhängigkeitsverhältnis der einzelnen Grundstücke zueinander stünden und eine Schicksalsgemeinschaft bildeten.
Auf § 20 Abs. 4 BauNVO werde hingewiesen, wonach bei der Ermittlung der Geschossfläche Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO unberücksichtigt blieben und von der Grundfläche in Abzug zu bringen seien. Die bereinigte Grundfläche als Bemessungsgrundlage betrage 217,08 m² (abzüglich der Terrassen mit 29,38 m², des Treppenhauses mit 9,52 m² und der Treppe mit 5,5 m²); hiervon 2/3 entspreche 144,72 m². Nach den Angaben der Antragsgegnerin betrage die Fläche unterhalb des lichten Maßes von 2,3 m 175,41 m². Da die 2/3-Grenze (siehe oben 144,72 m²) überschritten werde, stelle das Dachgeschoss ein Vollgeschoss dar. Die von der Antragsgegnerin genannte Gesamtfläche von 261,48 m² erschließe sich nicht.
Die Antragsteller seien im Vorfeld nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Bauantragsunterlagen der Beigeladenen hätten die Antragsteller nie gesehen, die Antragsteller seien erst nach der Planeinsicht im Dezember 2019 in der Lage gewesen, eine Prüfung vorzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt sei der streitgegenständliche Bescheid bereits in der Welt gewesen. Durch die fehlende Berücksichtigung einer Stellungnahme der Antragsteller habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.
Nach der Entscheidung des BayVGH vom 07.03.2017, Az. 9 ZB 15.85, komme den Festsetzungen des Bebauungsplans nachbarschützende Wirkung zu, wenn alle Grundstücke im Geviert ihren Beitrag für den Grünbereich bzw. Ruhezone erbrachten und damit ein Austauschverhältnis eingingen. Im vorliegenden Fall lägen diese Voraussetzungen vor.
Entsprechend der Planunterlagen betrage die Fläche für das Baufenster auf dem streitgegenständlichen Grundstück 376,06 m². Zur Ermittlung der Grundfläche und Geschossfläche könne nur der überbaubare ausgewiesene Teil des Grundstücks herangezogen werden und nicht die gesamte Grundstücksgröße. Die GRZ betrage vorliegend 0,4 und damit eine zulässige überbaubare Grundfläche von 150,42 m². Die maßgebliche GFZ betrage 0,8 bei einer zulässigen überbaubaren Geschossfläche von 300,84 m². Mit Nichtwissen werde bestritten, dass nach den Ausführungen der Antragsgegnerin eine GRZ von 0,28 und eine GFZ von 0,5 nach der BauNVO 1968 maßgeblich sei und diese von einer Grundfläche des Grundstücks von 1.047 m² ausgehe. Wenn dem so sei, hätte eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erfolgen müssen, ein Befreiungsantrag der Beigeladenen liege jedoch nicht vor.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei zulässig, da die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung habe, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a BauGB. Aufgrund der obigen Ausführungen habe die Anfechtungsklage in der Hauptsache Erfolg. Das Vorhaben der Beigeladenen widerspreche den nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans (GRZ, GFZ, Vollgeschosse, Grünfläche, Baugrenze, offene Bauweise) und liege teilweise außerhalb des allgemeinen Wohngebietes, verstoße gegen den Gebietserhaltungs- und Gebietsprägungserhaltungsanspruch und verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 4. Mai 2020 und beantragte, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, für das Baugrundstück und das Grundstück der Antragsteller gelte der Bebauungsplan Nr. … der Antragsgegnerin vom 16. Dezember 1969, geändert durch Satzung vom 12. Oktober 2015. Die im Jahre 2015 beschlossene Bebauungsplanänderung betreffe nach dem Wortlaut der Satzung ausschließlich den Bereich des „Deckblattes“ nördlich der Einmündung der Straße „…“ in die Straße „…“. Das Planblatt zum Bebauungsplan sehe für das Baugrundstück eine vordere und eine rückwärtige, blaue Baugrenze vor. Weitere Festsetzungen enthalte das Planblatt nicht.
Das geplante Wohngebäude mit den Außenmaßen von 20×13 m weise zwei Geschosse mit gerade aufsteigenden Wänden sowie ein Dachgeschoss mit einem Satteldach auf, das als Wohnraum ausgebaut werden solle. Die Rotbuche stehe unter Baumschutz und dürfe im Zuge des Bauvorhabens weder geschädigt noch beseitigt werden. Zwischen der Rotbuche und dem geplanten Zweifamilienhaus sei eine Spielfläche mit einer Sandfläche und einem Klettergerüst geplant.
Die südwestliche Baugrenze werde durch die südöstliche, in der Mitte vorspringende Außenwand, auf eine Länge von knapp 10 m um 1,1 m überschritten. Eine weitere Überschreitung in einer Tiefe von 2,7 m erfolge durch die beiden Terrassen im Erdgeschoss und die darüber liegenden Balkone. Das Baugrundstück habe entsprechend der GFZ- und GRZ-Berechnung, die Teil der Bauvorlagen sei, eine Fläche von 1.047 m². Nach der Aufstellung des Architekten der Beigeladenen betrage die Grundfläche des Gebäudes 292,75 m² und die Geschossfläche 525,12 m². Hieraus ergebe sich nach der BauNVO 1968 eine Grundflächenzahl von 0,28 und eine Geschoßflächenzahl von 0,5.
Teil der Vorlagen sei auch der Plan Nr. 2/3 vom 15. Oktober 2019 mit einem Grundriss im Maßstab 1:200, wonach das Dachgeschoss kein Vollgeschoss sei. Der Planeintrag laute „Grundfläche Dachgeschoss 261,48 m² H: >2,30 m: 175,41 m² ≤ 2/3 Grundfläche.“
Die Abstandsflächen des Wohngebäudes kämen nach dem Abstandsflächenplan auf dem Baugrundstück selbst zum Liegen.
In rechtlicher Würdigung sei die zulässige Klage unbegründet, da die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit den Befreiungen die Kläger nicht in ihren Rechten verletze. Die Kläger seien als Nachbarn gemäß Art. 66 BayBO Beteiligte, sodass Art. 28 BayVwVfG keine Anwendung finde. Die Nachbarunterschrift sei nicht erteilt worden, daher sei den Klägern ein Abdruck der Baugenehmigung zugestellt worden. Die vorgebrachten Einwände der Kläger seien bei der Entscheidung berücksichtigt worden.
Die Kläger könnten aus der Überschreitung der Balkone und eines Teils der südwestlichen Außenfassade der im Bebauungsplan festgesetzten rückwärtigen Baugrenze keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte herleiten; durch die Abweichungen seien die Grundzüge der Planung nicht verletzt. Die Festsetzung von Baugrenzen als Regelung zur überbaubaren Grundstücksfläche sei grundsätzlich städtebaulicher Natur und entfalte drittschützende Wirkung nur dann, wenn dies dem planerischen Willen ausnahmsweise eindeutig zu entnehmen sei. Der Bebauungsplan Nr. … enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass die planende Gemeinde bei der Festsetzung der rückwärtigen Baugrenzen die Rechte Dritter im Blick gehabt hätte. Der Begründung zum Bebauungsplan sei nicht einmal zu entnehmen, dass die Festsetzung der Baugrenzen dazu diene, im rückwärtigen Bereich Ruheräume oder naturnahe Grünbereiche zu schaffen. Zwar sei in der Begründung des Bebauungsplans aus dem Jahre 1969 davon die Rede, der Siedlungscharakter und die Eigenart des Baugebietes solle gewährleistet bleiben. Diesem Zweck dienten aber nur die Festsetzungen zu Nebenanlagen, Anpflanzungen und Einfriedungen. Mit den Festsetzungen zu Art und Maß der Hauptnutzung „Wohnen“ werde diese Zielsetzung gerade nicht erfolgt. Anhaltspunkte für eine vorliegend enge Baugrenzenfestsetzung als nachbarlicher Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses bestehe nicht. Der Umstand, dass das Instrument der Baugrenze im Bereich der vorhandenen Häuserzeilen genutzt worden sei, um den gesamten Gebäudeverlauf nachzuzeichnen, lasse eher auf das Ziel schließen, ein bestimmtes Ortsbild zu gestalten (VG München, U.v. 2.5.2019 – M 11 K 17.5595). Ein Nachbarschutz vermittelndes Austauschverhältnisses sei nicht dann gegeben, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt seien, dass im Innern ein „rückwärtiger Ruhebereich“ entstehe. Die Ausführungen zum Schutz des Siedlungscharakters in der Begründung zur Bebauungsplanänderung 2015 könnten für einen vermeintlichen Nachbarschutz nicht nutzbar gemacht werden. Der Satzungsgeber habe nicht Änderungen in einem kleinen Teilbereich des Bebauungsplangebiets – Umnutzung einer Gemeinbedarfsfläche in eine Wohnbaufläche – zum Anlass genommen, Festsetzungen im übrigen Planbereich in subjektiv-rechtlicher Hinsicht „aufzuladen“, ihnen also nachträglich eine nachbarschützende Wirkung beizumessen.
Das Bauvorhaben, das in geringem Umfang außerhalb der Baugrenzen realisiert werden solle, verletze nicht den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger. Der Bereich außerhalb der Baugrenze sei Bauland und keine öffentliche oder private Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB. Die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der Baugrenze im Südosten sei im Rahmen der vorliegenden Nachbarklage nur am Gebot der Rücksichtnahme zu messen. Ein Verstoß hiergegen scheide im Hinblick auf den großen Abstand des Mehrfamilienhauses sowohl zur gemeinsamen Grundstücksgrenze wie auch zum Einfamilienhaus der Kläger aus. Die auf dem Vorhabengrundstück stehende Rotbuche könne eine erdrückende Wirkung des dahinterliegenden Baukörpers nur mindern.
Zur zulässigen Zahl der Wohneinheiten enthalte der Bebauungsplan keine Festsetzungen, gegen die das Vorhaben verstoße. Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sei nicht verletzt. Die dem Nachbarschutz dienende Vorschrift vermittle als ergänzende Regelung zur Art der baulichen Nutzung neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets. Ein Widerspruch des Vorhabens zur Eigenart des allgemeinen Wohngebiets sei nicht erkennbar. Bei dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus mit einer Kubatur, die den Bauraum weder in der Fläche noch in der Höhe gravierend überschreite, sei dies nicht der Fall. Die Zahl der Wohneinheiten erreiche kein Maß, dass das Mehrfamilienhaus einen Fremdkörper im Baugebiet darstelle.
Zur Gebäudehöhe mache der Bebauungsplan keine Angaben. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass das Vorhaben insoweit nicht den Rahmen einhalte, der durch die Umgebungsbebauung vorgegeben sei. Im Übrigen wäre selbst bei der Überschreitung des Rahmens keine Rechtsverletzung der Kläger erkennbar.
Grundlage der Ermittlung der konkret zulässigen Grundfläche und Geschossfläche sei die Fläche des gesamten Baugrundstückes, die hinter der grünen Straßenbegrenzungslinie liege, §§ 19 Abs. 3, 20 Abs. 2 BauNVO. Zum Bauland zählten alle Flächen, für die die Art der baulichen Nutzung durch Ausweisung eines Baugebietes festgesetzt sei. Die Festsetzung überbaubarer Grundstücksflächen auf im Baugebiet liegenden Grundstücken lasse die Baulandeigenschaft der gesamten Flächen unberührt, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 23 BauGB. Bei der Berechnung der Geschoss- und Grundfläche sei auf das gesamte Buchgrundstück abzustellen und nicht, wie die Kläger meinten, auf das durch blaue Baugrenzen umrissene Baufenster. Insbesondere sei der Bereich zwischen den rückwärtigen Baugrenzen keine öffentliche oder private Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB; es handele sich auch nicht um eine Fläche zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB). Grünflächen seien eigenständige, an das Bauland grenzende oder dieses unterbrechende Flächen. Bei den nicht überbaubaren, als Garten genutzten Flächen von Wohngrundstücken fehle diese Eigenständigkeit in aller Regel (BayVGH, U.v. 21.12.2010 – 1 N 08.3385). Auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB erlassene Pflanzgebote würden als zusätzliche Regelung auf den für eine Bebauung bestimmte Flächen getroffen. Diese berührten die Einstufung als Bauland nicht. § 3 Nr. 6 der Bebauungsplansatzung stelle weder die Festsetzung einer Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB dar noch begründe er ein Pflanzgebot nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB. Dies verdeutliche der Wortlaut, wonach die „nicht überbauten Flächen als Grünfläche oder gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten“ seien – dies bedeute, dass die nicht als Bauland genutzten Flächen zu begrünen seien. Der Überbauung als solcher werde durch die Regelung keine Grenzen gesetzt; ansonsten müsse es heißen: „die nicht überbaubaren…“. Vielmehr handele es sich bei § 3 Nr. 6 der Bebauungsplansatzung um eine örtliche Bauvorschrift nach Art. 107 BayBO a.F. (Art. 81 BayBO n.F.).
Offenbleiben könne, ob das Bauvorhaben die sich aus § 3 Nr. 2 Abs. 2 der Bebauungsplansatzung i. V. m. § 17 BauNVO ergebenden Grenzen für die Grund- und Geschossfläche beachte, da die Festsetzungen eines Bebauungsplans über eine Grund- oder Geschossfläche grundsätzlich keine drittschützende Wirkung hätten, es sei denn, es ließe sich eindeutig ein dahingehender planerischer Wille erkennen, was hier nicht der Fall sei.
Nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Meinung bestimme sich der Begriff „Vollgeschoss“ i. S. d. BauNVO nach der landesrechtlichen Legaldefinition zum Zeitpunkt der Beurteilung der materiell-rechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Hierfür spreche, dass der Inhalt der in der BauNVO verwendeten Begriffe grundsätzlich nicht mit dem Satzungsbeschluss eingefroren und der weiteren Entwicklung entzogen werden solle. Die Beklagte schließe sich dieser Rechtsauffassung an, dass es sich insoweit um eine dynamische Verweisung handele (so auch VG Ansbach, U.v. 07.12.2011 – AN 18 K 10.02567). Vollgeschosse seien Geschosse, die vollständig über der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche lägen und über mindestens 2/3 ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,3 m hätten. Nach den Bauvorlagen Plan Nr. 2/3 vom 15. Oktober 2019 sei dies nicht der Fall. Im Übrigen gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Bestimmung des § 2 Nr. 3 der Bebauungsplansatzung zur Zahl der Vollgeschosse drittschützend sei. Die Klage sei aufgrund dessen abzuweisen.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 28. Juli 2020 wurde die Bauherrin zum Verfahren notwendig beigeladen.
Mit Schreiben vom 6. August 2020 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Az. AN 9 K 20.00335 anhängigen Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin auf die Schriftsätze im Klageverfahren vom 4. Mai 2020 und vom 21. Juli 2020.
Die Beigeladene beantragte in dem Klageverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten am 25. September 2020 Klageabweisung.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ausführungen der Kläger, wonach es sich bei dem streitgegenständlichen Plangebiet um ein faktisches Kleinsiedlungsgebiet gemäß § 2 BauNVO handele, sei nicht überzeugend. In den Planfestsetzungen finde sich hierzu nichts; landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen fehlten völlig. Die selektive Inanspruchnahme des Beschlusses des BayVGH vom 15. Oktober 2019 (Az. 15 ZB 19.1221) verkehre die Entscheidung ins Gegenteil. Zutreffend habe die Beklagte ausgeführt, dass eine Nutzung zum Wohnen für das Bauvorhaben der Beigeladenen gegeben sei. Eine Überdimensionierung sei nicht erkennbar. Auch der Beschluss des BayVGH vom 8. Januar 2019, Az. 9 CS 17.2482, sei in der Einordnung eindeutig, wenn losgelöst von § 34 BauGB festgestellt werde, dass ein Wohngebäude mit fünf Wohneinheiten keine andersartige Nutzungsart sei als Ein- oder Zweifamilienhäuser. Die streitgegenständliche Baugenehmigung halte sich im Rahmen der im Bebauungsplan Nr. … angesprochenen Prägung als allgemeines Wohngebiet. Nahezu alle Häuser an der Straße … hätten in den Baukörpern Dimensionen wie das Bauvorhaben der Beigeladenen.
Eine Verletzung der Grundzüge der Planung liege nicht dadurch vor, dass eine Abweichung von den rückwärtigen Baugrenzen genehmigt worden sei, VG Ansbach, U.v. 22.03.2018 – AN 3 K 17.00036. Hinsichtlich der Befreiungen vom Bebauungsplan schließe man sich den Ausführungen der Beklagten vom 21. Juli 2020 an. Die Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. … betreffend „Grünfläche-Sportplatz“ regele künftig zu genehmigende Vorhaben, nicht primär den Bestandsschutz. Für die Festlegung von privaten Grünflächen in einem Bebauungsplan seien gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB erhebliche Anforderungen zu erfüllen, wie sie vorliegend nicht durch den Gebrauch des Wortes „Grünflächen“ erfüllt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten (auch AN 9 K 20.00335) verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Antragsgegenstand ist vorliegend der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2020.
1. Der Antrag ist zulässig, §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO Nach § 212a BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung (erstmals) anordnen.
Die Antragsteller sind nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt, da sie möglicherweise in ihren drittschützenden Rechten verletzt sind, § 31 Abs. 2 BauGB, § 15 BauNVO.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Das Gericht trifft nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insbesondere zunächst die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, weil kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (vgl. Eyermann, VwGO, 2019, § 80 Rn. 88, 90 ff.).
Gemessen an diesen Maßstäben fällt die gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung zulasten der Antragsteller aus, weil die Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid voraussichtlich keinen Erfolg hat. Die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2020 erteilte Baugenehmigung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren nachbarschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung ist Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Danach hat die Beigeladene einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Mangels Sonderbau richtet sich der Prüfungsumfang der Antragsgegnerin nach dem vereinfachten Verfahren des Art. 59 Satz 1 BayBO.
Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass Nachbarn eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (vgl. BVerwG, U.v. 25.02.1977 – IV C 22/75 – juris).
Aufgrund des qualifizierten Bebauungsplanes Nr. …, ergänzt durch die Änderungen der Satzung vom 12. Oktober 2015, beurteilt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben der Beigeladenen nach § 30 BauGB. Im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung werden die Antragsteller weder in Vorschriften des öffentlichen Rechts, die gerade dem Schutz individueller Interessen dienen (vgl. unten 2.1), noch hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme (vgl. unten 2.2) verletzt.
2.1. Das Bauvorhaben der Beigeladenen „Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten“ hält die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als allgemeines Wohngebiet, der als Festsetzung im vorliegenden Fall nachbarschützenden Wirkung zukommt, ein, § 4 BauNVO. Im Übrigen ergibt die Auslegung des streitgegenständlichen Bebauungsplanes, dass die hier entscheidungserheblichen Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. … keinen Drittschutz vermitteln.
Eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist im Allgemeinen nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39/13 – juris Rn. 3; aktuell hierzu BayVGH, B.v. 24.07.2020 – 15 CS 20/1332 – juris). Denn nur durch diese Festsetzungen wird ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin diese Funktion haben sollen (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3; B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.07.2020 – 15 CS 20/1332 – juris; B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24 ff.). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln (vgl. BVerwG B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3). Ein entsprechender Wille muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15 m.w.N.). Maßgebend ist, ob eine Festsetzung nach dem Willen des Plangebers nicht nur aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde, sondern (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll.
2.1.1 Nach diesen Maßstäben vermittelt allein die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung als „Allgemeines Wohngebiet“ im Sinne des § 4 BauNVO Drittschutz, der vorliegend gewahrt ist.
Die vom Bauvorhaben vorgesehene Art der Nutzung durch sechs Wohneinheiten stellt gerade Wohnen im Sinne des § 4 BauNVO dar und ist im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Entgegen der Auffassung der Antragsteller kommt es dabei nicht darauf an, ob in dem geplanten Baukörper eine oder mehrere Wohneinheiten vorgesehen sind, da selbst die vorliegend beantragten sechs Wohneinheiten in dem geplanten Gebäude weder vom Umfang noch von den Auswirkungen auf die Umgebung den Charakter des Wohngebietes, wenn man diesen für schutzwürdig und Verstöße dagegen für anwendbar hielte, verletzen.
Es sind darüber hinaus keine Umstände ersichtlich, dass vorliegend von einer Funktionslosigkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplanes Nr. … der Antragsgegnerin auszugehen ist, insbesondere machen die Antragsteller hierzu auch keine substantiierten Angaben, solche sind auch nicht ersichtlich. Der Umstand, dass sich nach den Angaben der Antragsteller auf den Grundstücken „kleine Wohnhäuser“ mit größeren Gärten befinden, die zumindest auch kleingärtnerisch genutzt werden, ändert nichts an der Wirksamkeit der Festsetzung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als „Allgemeines Wohngebiet“ im streitgegenständlichen Bebauungsplan.
2.1.2 Die weiteren von den Antragstellern genannten Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. … vom 16. Juli 1969, ergänzt durch die Satzung zur Änderung der Bebauungsplan-Satzung vom 12. Oktober 2015, sind nach den oben genannten Maßstäben nicht drittschützend.
Weder dem Bebauungsplan noch seiner Begründung oder sonstigen Umständen lässt sich entnehmen, dass den weiteren Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung oder der Baugrenzen nach dem planerischen Willen der Antragsgegnerin nachbarschützende Wirkung zukommen sollte.
Der Bebauungsplan Nr. … enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass die planende Gemeinde bei der Festsetzung der rückwärtigen Baugrenzen die Rechte Dritter im Blick gehabt hätte. In der Begründung des Bebauungsplanes aus dem Jahr 1969 ist lediglich davon die Rede, den Siedlungscharakter und die Eigenart des Baugebietes zu gewährleisten; diesem Zweck dienten nur die Festsetzungen zu Nebenanlagen, Anpflanzungen und Einfriedungen. Die großzügig gestaltete Baugrenzenfestsetzung stellt objektivrechtlich eine rein städtebaulich motivierte Zielsetzung dar. Ein nachbarlicher Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses ist gerade nicht erkennbar. Insbesondere findet sich kein Anhaltspunkt dahingehend, dass bei der Festsetzung der rückwärtigen Baugrenzen die Rechte Dritter geschützt werden sollten, indem zum Beispiel im rückwärtigen Bereich Ruheräume oder naturnahe Grünbereiche geschaffen werden. Auch in der Ergänzung durch die Satzung zur Änderung der Bebauungsplan-Satzung vom 12. Oktober 2015 ist keine nachbarschützende Wirkung zu erkennen, zumal diese auch nur einen Teilbereich nördlich der Straße … und östlich der Straße … betrifft. Aus dem Wortlaut und im Gesamtzusammenhang der Ergänzung wird deutlich, dass es sich um rein städtebauliche Überlegungen und Belange handelt.
Zudem kommt eine nachträgliche subjektiv-rechtliche „Aufladung“ der betroffenen Bebauungsplanfestsetzungen entsprechend der „Wannsee-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 15) nicht in Betracht, da zum einen der streitgegenständliche Bebauungsplan Nr. … der Antragsgegnerin nicht vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 entstanden und nach § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG übergeleitet worden ist und zum anderen gerade nicht erkennbar ist, dass der Plangeber die Planbetroffenen mit den Festsetzungen in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis einbinden wollte (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 24.07.2020 – 15 CS 20.1332 – juris). Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Mangels Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans kommt es auf die Frage, ob bei der Erteilung der Befreiungen alle Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB vorlagen und insgesamt hierbei eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen wurde, daher vorliegend nicht an.
2.2 Die angefochtene Baugenehmigung zugunsten der Beigeladenen verletzt nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auch nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragsteller.
Dem Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbar die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 24.7. 2020 – 15 CS 20.1332 – juris; B.v. 04.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23).
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme durch die gegenüber der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 30. Januar 2020 nicht verletzt Soweit sich die Antragsteller auf eine unzumutbare Einsichtnahme durch das Bauvorhaben berufen, ist anzumerken, dass grundsätzlich kein Schutz vor jeglicher Einsichtnahme oder unerwünschten Einblicken besteht (BayVGH, U.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 30, B.v. 9.10.2012 – 15 CS 12.1852 – juris Rn. 11, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 7). Weder besteht für die Beigeladenen eine Verpflichtung, sich mit einer Nutzung zu begnügen, die zu keiner Erweiterung von Einsichtsmöglichkeiten führt (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris Rn. 23), noch liegt ein Fall einer erstmaligen – qualitativ neuen – Einsicht in einen bisher geschützten Ruhebereich vor (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2008 – 14 B 06.2813 – juris Rn. 14).
Von dem Bauvorhaben geht – unabhängig von der Frage der Einhaltung der Abstandsflächen – angesichts der Größe, Gestaltung und Nutzung des Gebäudes sowie der örtlichen Gegebenheiten auch keine erdrückende Wirkung aus.
Eine solche erdrückende oder einmauernde Wirkung kommt insbesondere bei übergroßen Baukörpern in sehr geringem Abstand zur Grundstücksgrenze in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 6, B. v. 25.10.2010 – 15 CS 10.1950 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 34).
Angesichts der Außenmaße des geplanten Gebäudes von 20×13 m bei einer Grundstücksfläche von 1.047 m² und der Situierung des geplanten Bauvorhabens im nördlichen Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks mit einem Abstand von ca. 34 m zum Wohnhaus der Antragsteller, wohingegen der südliche Bereich des Baugrundstücks völlig von jeglicher Bebauung frei bleibt, kommt die Annahme einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung vorliegend nicht in Betracht. Zudem weist das geplante Wohngebäude (lediglich) zwei Geschosse sowie ein Dachgeschoss mit einem Satteldach auf.
Die sechs erforderlichen Stellplätze werden zudem im Vorgartenbereich, folglich im nördlichen Bereich des Baugrundstücks errichtet. Zum anderen ist eine unzumutbare Verschärfung der Verkehrssituation – wie von den Antragstellern befürchtet – durch das Bauvorhaben nicht ersichtlich, da eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung nicht Gegenstand der Baugenehmigung geworden und damit nicht genehmigt ist.
Auch bauordnungsrechtlich ist kein prüfpflichtiges nachbarschützendes Recht ersichtlich, auf das sich die Antragsteller zur Abwehr des Bauvorhabens stützen könnten. Wie aus den zutreffenden Berechnungen der Antragsgegnerin ebenso wie aus den genehmigten Plänen ersichtlich ist, liegen die Abstandsflächen (Art. 6 BayBO) des streitgegenständlichen Bauvorhabens zum Grundstück der Antragsteller hin vollumfänglich auf dem Baugrundstück.
Ist mithin summarisch geprüft die Baugenehmigung ohne Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften ergangen, spricht dies für ein überwiegendes Interesse des Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehbarkeit der ihm erteilten Baugenehmigung. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, das Interesse der Antragsteller an einer aufschiebenden Wirkung ihrer Klage dennoch höher zu bewerten, sind nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene trägt billigerweise gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in Anlehnung an Nr. II. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von einem Streitwert in Höhe von 7.500,00 EUR ausgegangen ist, der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert würde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).