Aktenzeichen AN 17 S 18.02454
Leitsatz
1. Die Frage der Erschließung ist grundsätzlich nicht drittschützend. Droht dem Nachbarn jedoch die Gefahr, dem Bauherrn ein Notwegerecht nach § 917 BGB über sein Grundstück gewähren zu müssen, so kann der Nachbar sich hierauf ausnahmsweise berufen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Handhabung von Art. 63 Abs. 1 BayBO darf nicht dazu führen, dass die Nutzbarkeit einer vorhandenen und verwertbaren Gebäudesubstanz verhindert wird, wenn dem nicht berechtigte und mehr als geringfügige Belange entweder des Allgemeinwohls oder eines Nachbarn entgegenstehen. (Rn. 72) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Bauordnungsrecht ist nicht vom bauplanungsrechtlichen Bestandsschutzbegriff auszugehen. Anzuknüpfen ist vielmehr am Begriff der „vorhandenen und verwertbaren Gebäudesubstanz“. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Brandschutzvorschriften zu äußeren Brandwänden (Art. 28 Abs. 6 und 8 BayBO) haben zum Ziel, Brände einzudämmen und ihr Übergreifen auf andere Gebäude zu erschweren. Mit Blick darauf, dass die Norm mithin auch auf die Verhinderung einer Brandausbreitung zielt, ist die Drittschutzrichtung evident. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000,00 EUR.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage auf Aufhebung einer Baugenehmigung an den Nachbarn.
Streitgegenständlich ist ein zwei- bis dreigeschossiges Fabrikgebäude auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … (Adresse: …), das bereits seit langem besteht und einstmals von einer Druckerei genutzt wurde. Nachfolgend kam es zu Nutzungen durch das Arbeitsamt und Fernmeldeamt sowie als Fitnessstudio, ehe das Bauwerk zuletzt bis 2002 als Asylbewerberunterkunft genutzt worden war. Nunmehr sollen in das Gebäude, das weitgehend grenzständig ist, fünf Wohnungen eingebaut werden; Lagerflächen bleiben bestehen. Äußerlich soll es nur zu einem geringfügigen Rückbau von Anbauten kommen.
Auf die Pläne wird Bezug genommen.
Der Beigeladene ist der Bauherr, die Antragsteller sind (Mit-)Eigentümer bzw. Nießbraucher der unmittelbar angrenzenden Grundstücke FlNr. … (östlich) und … (nordwestlich).
1.1. Ursprünglich stellte der Beigeladene bereits am 30. April 2014 einen Antrag auf Baugenehmigung unter Vorlage von Unterlagen; ein Abstandsflächenplan war diesen nicht beigefügt, ein Abweichungsantrag war nicht gestellt.
In einer Zwischennachricht vom 29. Juli 2014 äußerte die Antragsgegnerin zum Antrag Bedenken: Wegen der Nähe von Gleisanlagen der Deutschen Bahn zum Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich seien Lärmschutzmaßnahmen zu treffen. Ein Nachweis für das Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück FlNr. … sei erforderlich. Hinsichtlich des stadteigenen Grundstücks FlNr. …, das nicht öffentlich gewidmet sei, bestehe ein solches zu Gunsten des Vorhabengrundstücks. Angesichts des Betroffenseins des Schutzguts „sozialer Wohnfrieden“ des Abstandsflächenrechts sei eine abstandsflächenrechtliche Neubetrachtung erforderlich; eine Abweichungserteilung erscheine aber möglich. Obwohl eine Prüfung nicht zwingend nötig sei, scheine es im Hinblick auf die atypische Sachlage geboten, den Brandschutz zu prüfen, so dass hierzu ein Brandschutznachweis vorzulegen sei.
Mit einer E-Mail vom 24. Oktober 2014 teilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen mit, dass nur unter der Bedingung, dass das Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück FlNr. … noch uneingeschränkt wahrgenommen werden könne, die Erschließung als gesichert anzusehen sei. Ferner wurde hinsichtlich des Brandschutznachweises nachgefragt. In einer E-Mail vom 31. Oktober 2014 äußerte die Antragsgegnerin gegenüber dem damaligen Bevollmächtigten der Antragsteller u. a. zu einer alternativen Erschließungsmöglichkeit über die Grundstück FlNr. … und …, dass sich damit die Erschließungssituation nicht verbessere.
Mit Schreiben vom 6. Mai 2015 teilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen mit, sie sehe keine Genehmigungsfähigkeit. Nach Darstellung der aus den Archiven festgestellten Grundstücks- und Gebäudehistorie wird ausgeführt: Bedenken wegen der von § 34 BauGB geforderten gesunden Wohnverhältnisse im Hinblick auf die Lärmbeeinträchtigungen von den nahen Gleisanlagen her seien „weitgehend beseitigt“ worden. Für die Bewohner würden aber Aufenthaltsflächen im Freien fehlen. Hinsichtlich der nicht einzuhaltenden Abstandsflächen- und Brandschutzregeln hätten mehrere Nachbarn nicht zugestimmt; Abweichungen kämen jedoch nicht in Betracht, da zu viele Wände grenzständig seien. „Höchst problematisch“ sei auch, dass die fehlenden Abstandsflächen und Brandabstände nicht dinglich gesichert seien. Die Nachbarn könnten daher ein Grenzanbaurecht beanspruchen; dies würde dann zu einer nicht mehr genügenden Belichtung von Wohnräumen führen. Die nötigen Abweichungen bezüglich des Brandschutzes müssten tiefgreifend sein; sie beträfen weniger Fragen eines möglichen Brandüberschlags, sondern vielmehr Fragen von Flucht- und Rettungswegen. So sei etwa die Zugänglichkeit für die Feuerwehr, die Nachbargrundstücke nützen müsste, nicht dinglich gesichert. Zufriedenstellende Lösungen seien nicht erkennbar.
Laut einem Aktenvermerk vom 3. Juni 2015, betreffend ein Gespräch zwischen Herrn … von der Antragsgegnerin und dem Architekten des Beigeladenen, ist vereinbart worden, „dass alle nicht zwingend notwendigen Fenster im Bereich des Brandschutzabstandes 2,50 m geschlossen bzw. deutlich verkleinert werden.“ Die Fenster im Erdgeschoss des südlichen Lagers sollten geschlossen werden. Der Windfang im nordöstlichen Grundstücksbereich solle „so weit wie möglich“ verkleinert werden. Bezüglich des Nachbargrundstücks FlNr. … gebe es eine Abstandsflächenübernahme. Der südliche Windfang an der Ostseite sei unproblematisch, da er teilweise die Abstandsflächen nach Osten einhalte und auf dem Nachbargrundstück (FlNr. …) ein Nebengebäude stehe, das abstandsflächenrechtlich unzulässig sei.
Hierauf erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen am 10. Juli 2015 eine Baugenehmigung mit Abstandsflächenabweichungen unter der Bedingung der Vorlage eines Brandschutznachweises. Die Genehmigung wurde den vormaligen Verfahrensbevollmächtigten des Rechtsvorgängers der Antragsteller am 22. Juli 2015 zugestellt. Ein Änderungsbescheid vom 8. September 2015 korrigierte die Baugenehmigung dahingehend, dass das Vorhaben statt im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans im Innenbereich (§ 34 BauGB) läge.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 nahm die Antragsgegnerin vorgenannte Baugenehmigung zurück. Begründet wurde dies damit, dass nach einem telefonischen richterlichen Hinweis von Seiten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach durchgreifende Bedenken wegen des Brandschutzes bestünden. Dieser gehöre zwar nicht regulär zum Prüfumfang im einfachen Baugenehmigungsverfahren, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO dürfe die Baubehörde gleichwohl andere entgegenstehende Normen prüfen und die Genehmigung gegebenenfalls versagen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren der Nachbarklage gegen die Baugenehmigung, das beim Bayerischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen AN 9 S 15.01649 geführt wurde, wurde daraufhin eingestellt (Beschluss vom 22.12.2015). In den Gründen des Einstellungsbeschlusses wurde insbesondere angeführt, der Brandschutz sei bei der gegebenen Bebauungssituation ein elementar wichtiger bauordnungsrechtlicher Aspekt, der nicht erst nachträglich geklärt werden könne. Der von der Antragsgegnerin beschrittene Weg der Bedingung sei insofern ungeeignet, vor allem mit Blick auf den Nachbarschutz, denn der Nachbar könne, wenn er sich gerichtlich gegen die Genehmigung wehre, gar nicht wissen, ob die Bedingung überhaupt oder auch nur inhaltlich erfüllt sei.
Nach einem Aktenvermerk vom 24. Mai 2016 bestünden keine Bedenken, Abweichungen zu erteilen. Nur im Süden/Südosten sei das Nachbargrundstück der Antragsteller betroffen, welches dort aber baulich nicht nutzbar sei wegen seiner schmalen Streifenform und der Belastung mit einem Geh- und Fahrtrecht. Im Ergebnis werde eine Abweichungserteilung für sachgerecht erachtet.
In einem weiteren Vermerk vom 20. Juni 2016 werden im Hinblick auf die brandschutzrechtlich grenzwertige Situation nochmals Bedenken gegen die dauerhafte Wohnnutzung geäußert.
1.2. Mit Formularschreiben unter Beifügung von Unterlagen beantragte der Beigeladene am 23. September 2016 erneut die Genehmigung eines – des streitgegenständlichen – Bauvorhabens. In einem gesonderten Schreiben, datierend vom 23. September 2016, werden allseitige Abstandsflächenabweichungen, u. a. unter Vorlage einer Abstandsflächenübernahmeerklärung des Nachbargrundstücks FlNr. … samt zweier Pläne beantragt.
In einer Stellungnahme des Bauordnungsamts der Antragsgegnerin vom 10. November 2016 wird zu den fraglichen Abweichungen von Art. 28 Abs. 8 BayBO ausgeführt, eine Abweichung betreffs der zwei Bestandsfenster im bisherigen Windfang in der südöstlichen Außenwand sei möglich, da die Wand zwar innerhalb des 2,50-m-Abstandsbereichs zum Nachbargrundstück FlNr. … liege, allerdings besagtes Nachbargrundstück nur 3,50 m breit sei und daher abstandsflächenrechtlich nicht bebaubar sei. Aktuell stehe gegenüber der Fenster ein Nebengebäude im Sinne von Art. 6 Abs. 9 BayBO. Zur südwestlichen Gebäudewand wird ausgeführt, dass ein anderes, im hiesigen Rechtsstreit unbedeutsames Grundstück betroffen sei. Hinsichtlich der östlichen Außenwand, wo es Abweichungen für die Fenster des Kinder- und Schlafzimmers von Art. 28 Abs. 6 BayBO gebe, sei in Folge der Brandwand des Nachbargebäudes auf dem Grundstück der Antragsteller FlNr. … und des unveränderten Bestands keine Abweichungserteilung nötig. Ebenso wenig bedürfe es einer Abweichung von Art. 28 Abs. 6 BayBO für die Erdgeschosstür zum (nördlich liegenden) Treppenraum 2, da sich diese im rechten Winkel zur Grundstücksgrenze befände. Nur falls das Nachbargrundstück bebaut würde, was angesichts des Geh- und Fahrtrechts unwahrscheinlich sei, müsste die Außenwand des dann zu errichtenden Gebäudes als Brandwand ausgeführt werden.
1.3. Schließlich erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen am 15. Dezember 2016 die Baugenehmigung (Nr. I des Tenors) für das streitgegenständliche Vorhaben. Unter Nr. II des Tenors wurden Abweichungen gewährt von den Abstandsflächen- und den Brandschutzvorschriften. Nach der Kostenentscheidung unter Nr. III folgen unter Nr. IV „Auflagen und Bedingungen; besondere Hinweise“ u. a. eine Bezugnahme auf die Bauunterlagen (Nr. 1), den Brandschutznachweis und die darin genannten Kompensationsmaßnahmen (Nr. 4), die schalltechnische Untersuchung des TÜV-Süd und die immissionsschutzrechtliche Stellungnahme des Umweltamts der Antragsgegnerin (Nr. 5). Im Bescheid ist ausgeführt, dass das Vorhaben im Innenbereich in einem Mischgebiet verwirklicht werden solle und dass im hier durchgeführten vereinfachten Genehmigungsverfahren (Art. 59 BayBO) nur ein eingeschränkter Prüfkanon bestehe.
Das baugenehmigungspflichtige Vorhaben betreffe ein nach den städtischen Archivakten als Druckerei genutztes Gebäude, bestehend aus Produktionswerkstätten im Erd- und Büroräumen im Obergeschoss sowie (später) einer Wohnung im Dachgeschoss, die eine Betriebsleiterwohnung gewesen sein könnte (unklar). Eine Flächenaufstellung aus dem Jahr 1983 gäbe für Erd-, Ober- und Dachgeschoss 256 m², 240 m² und 62 m² als Nutzflächen an. Als Nutzungen seien bis 1961 die Druckereinutzung, von 1974 bis 1979 die Nutzung als Arbeitsamt …, 1980 bis 1982 die Nutzung durch das Fernmeldeamt … dokumentiert. Eine spätere Nutzungsänderung in ein Fitnessstudio sei behördlicherseits als nicht genehmigungsbedürftig beurteilt worden; Aufnahme und Beendigung dieser Nutzung sei nicht bekannt. Befristet bis 31. August 1996 sei dann die Nutzung als Asylbewerberunterkunft genehmigt worden, ebenso in der Zeit von 14. August 2000 bis 31. August 2002.
Im Rahmen der Tekturfassung der Baupläne vom 8. Juni 2015 waren u. a. vorgesehen: Wegfall von vier Wandöffnungen (eine Tür, drei Fenster) zum Grundstück FlNr. … sowie zwei weiterer, großer Wandöffnungen (je 2,5 m breit) im südlichen Gebäudeteil ebenfalls zum Grundstück FlNr. … Die Antragsgegnerin gehe davon aus, dass die früheren Genehmigungen wegen endgültiger Nutzungsaufgabe oder – betreffend die Nutzung als Asylbewerberunterkunft – Genehmigungsbefristung keinen Bestand mehr hätten. Eine bereits erteilte Baugenehmigung vom 10. Juli 2015 sei zurückgenommen worden, da seitens des Verwaltungsgerichts die Überprüfung des Brandschutzes für erforderlich gehalten worden sei.
Aus Sicht der Antragsgegnerin mache die geplante neue Nutzung eine abstandsflächenrechtliche Neubetrachtung erforderlich. Das Gebäude sei rechtmäßig entstanden und werde im Rahmen der Änderung nicht zu Ungunsten der Nachbarn verändert. Bei den geringfügigen baulichen Eingriffen handele es sich durchweg um Verbesserungen hinsichtlich der Abstandsflächen- und Brandschutzsituation: Der Baukörper werde punktuell verkleinert und Brandwandöffnungen würden geschlossen. Eine Abstandsflächen-Neubewertung sei veranlasst, wenn – bei an sich unveränderter Abstandsflächensituation bei einem bestehenden Baukörper – die Änderung zu nicht nur unerheblichen nachteiligen Auswirkungen auf durch das Abstandsflächenrecht geschützte Belange führen könne, wobei in die Würdigung der geschützte Bestand mit einzubeziehen sei. Die Voraussetzungen für eine Abweichung seien zwar nicht schon dann erfüllt, wenn sich die Grundstückssituation der Nachbarn nicht erheblich verschlechtere. Möglich sei eine Abweichung aber, wenn ausreichend gewichtige grundstücks- und vorhabenbezogene Gründe vorlägen, die zum einen das Vorhaben vom Regelfall unterschieden (sog. Atypik) und zum anderen etwaige Einbußen an sozialem Wohnfrieden aufwögen. Es läge angesichts des im Kernstadtbereich durch die über Jahrzehnte hinweg entstanden Baukörperanordnung im Quartier und der Existenz des …-Kinocenters eine besondere Grundstückssituation vor. Wenn auch keine reine geschlossene Bauweise vorliege, so halte doch keines der dortigen Gebäude die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO auch nur annähernd ein.
Die Berücksichtigung nachbarlicher Belange gebiete keine andere Entscheidung. Durch die künftige Nutzung mit fünf Wohnungen werde im faktischen Mischgebiet keine Störung der Nachbarschaft auftreten. Dies gelte umso mehr, als zur ursprünglichen Planung des aktuellen Vorhabens nun Vergünstigungen für die Nachbarn (Grundstück FlNr. …) erzielt worden seien. Zwar seien frühere (gewerbliche) Nutzungsgenehmigungen erloschen, doch die zeitweise Nutzung zu Wohnzwecken in der Vergangenheit spreche für eine Zumutbarkeit gegenüber den Nachbarn; dabei sei unerheblich, ob die Nutzung als Asylbewerberunterkunft als „Wohnen“ oder „Anlage für soziale Zwecke“ einzuordnen sei. Auf Grund der üblicherweise fehlenden Erwerbstätigkeit von Asylbewerbern würden diese längere Zeit im Gebäude verbringen, so dass die Nutzung für herkömmliches Wohnen objektiv geringer belastend einzuschätzen sei als die Nutzung durch Asylbewerber.
Zum Brandschutz wird ausgeführt, dass die vorgesehenen Maßnahmen keine neuen Abweichungen erforderlich machten. Es käme vor allem durch das Schließen von ehedem genehmigten Öffnungen in Brandwänden und die Teilentfernung eines Vorbaus im Grenzbereich zu FlNr. … zu Verbesserungen. Ein Teil der für die Nordwestwand erforderlichen Abstandsfläche sei zudem auf das dortige Nachbargrundstück übernommen worden, so dass der Brandabstand von 2,5 m von der mit Öffnungen versehenen Außenwand als dauerhaft anzusehen sei. Die Abweichung zu Art. 34 Abs. 4 BayBO betreffe tragende Teile der Treppen im Bestand. Die Abweichungen zu Art. 28 Abs. 8 BayBO beträfen im südlichen Abschnitt der Nordostwand einen Durchgang vom Windfang in das Lager. Zwei Fensteröffnungen an der Nordostwand des Lagerraums (je ca. 2,5 m breit) würden komplett geschlossen, was eine wesentliche Verbesserung darstelle. Die Fenster in den oberen Geschossen sollten erhalten bleiben, was brandschutzrechtlich hinnehmbar sei, da im Falle eines Bauvorhabens auf dem Grundstück FlNr. … dieses künftige Gebäude abstandsflächenrechtbedingt ohnehin nur eingeschossig mit entsprechend niederen (3 m im Mittel) errichtet werden könne; ein direktes Gegenüberliegen von Öffnungen in grenznahen Wänden sei daher nicht zu besorgen. Bereits jetzt befinde sich auf dem Grundstück FlNr. … ein an beiden Längsseiten 8 m aufweisendes Gebäude, das nach heutigen Anforderungen des Art. 6 BayBO materiell-rechtlich unzulässig wäre, die Mindestabstandsflächen von 3 m könnten nicht eingehalten werden; an der brandschutzmäßigen Zulässigkeit bestünden Bedenken. Im nördlichen Abschnitt der Nordostwand solle ein vorgelagerter Anbau abgerissen werden und nur ein Windfang verbleiben, dessen Eintrittsöffnung bislang zum Nachbargrundstück hin gelegen habe, nunmehr aber so verlegt werde, dass sie zum Beigeladenengrundstück führe. Auch dies sei eine Verbesserung für das Nachbargrundstück. In der Südwestwand befänden sich schon früher genehmigte Fenster in der Grenzwand bzw. in Grenzwandnähe, gegen die keine Bedenken bestünden. Vor diesen Öffnungen habe der Beigeladene eine Abstandsflächenübernahme (Tiefe 3 m) durch das Grundstück FlNr. … erwirkt; insofern sei dort eine abstandsflächenpflichtige Bebauung ausgeschlossen. Zusätzlich müsste ein neues Gebäude auf der FlNr. … die eigenen Abstandsflächen einhalten. Insofern sei eine Abweichung hinsichtlich der verbleibenden Wandöffnungen ohne Bedenken.
Hinsichtlich der nördlichsten Fenster an der Südwest- und Nordostwand seien bereits früher brandschutzrechtliche Auflagen gemacht worden, etwa Schließbarkeit in Brandwandqualität; die Bedachung des Vorbaus sollte feuerbeständig sein. Insofern sei die brandschutzkonforme Ertüchtigung dieser Bauteile zu unterstellen.
Die Regelungen zu den Fenstern in der südöstlichen Außenwand beträfen im Hinblick auf die zum streitgegenständlichen Vorhabensgrundstück angrenzenden Schienenanlagen der Deutschen Bahn Schallschutzaspekte. Besondere brandschutzrechtliche Anforderungen würden nicht gestellt. Eine Überbauung der angrenzenden Flächen drohe nicht, hier befänden sich ein Gehweg, Bahndamm und Gleisanlagen.
Der Antragstellerin zu 1 wurde der Bescheid am 10. Januar 2017 zugestellt, dem Antragsteller zu 2 am 11. Januar 2017.
2. Mit am 26. Januar 2017 eingegangenem Schriftsatz vom 25. Januar 2017 haben die Antragsteller gegen vorgenannten Bescheid Anfechtungsklage (AN 17 K 17.00172).
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Baugrundstück liege an keiner öffentlich gewidmeten Straße, zudem lägen die Voraussetzungen des Art. 4 BayBO nicht vor. Von der … bestünde zwar ein Geh- und Fahrtrecht über die Antragstellergrundstücke, doch dieses eingetragene Recht beruhe auf einem Kaufvertrag vom 24. März 1909 nebst Messungsnachtrag vom 8. April 1909 und sei seinerzeit für das Werkstattgebäude ausdrücklich für Pferdefuhrwerke bestellt worden. Somit gelte es nicht für Kfz. Die Zufahrt sei auch nicht zu Gunsten der Bauaufsichtsbehörde gesichert worden und nur 2,20 m breit. Die Baugenehmigung würde im Falle ihrer Bestandskraft die Antragsteller zur Duldung eines Notwegerechts im Sinne von § 917 Abs. 1 BauGB zwingen. Die Baugenehmigung führe nichts zur Erschließung aus, obwohl eine wegemäßige Erschließung nicht gesichert sei. Die eingetragene Grunddienstbarkeit genüge nicht, da die Grundbucheintragung maßgeblich sei und der Inhalt der Grunddienstbarkeit eng auszulegen sei; ein Befahren werde nur Pferdefuhrwerken gestattet. Die zu erwartende Nutzung sei auch nicht mehr schonend im Sinne von § 1020 BGB. Ebenso werde gegen Art. 4 Abs. 2 BayBO verstoßen, denn eine dingliche Sicherung der wegmäßigen Erschließung sei nicht erfolgt. Auch die nötigen 3 m Breite (unter Verweis auf Simon/Busse, BayBO, Art. 4 Rn. 154, 145) seien nicht gegeben. Laut der Rechtsprechung (hier BayVGH, Beschluss vom 11.04.2011, 2 ZB 09.3021 – juris) habe ein Nachbar ein Abwehrrecht gegen eine Baugenehmigung, wenn diese auf das Dulden eines Notwegerechts nach § 917 BGB hinauslaufe.
Die Antragsgegnerin nahm im Schriftsatz vom 12. Juni 2017 Stellung wie folgt: Nach heutiger Regelung wäre eine Doppelsicherung (Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Baugrundstücks und der Bauaufsichtsbehörde) tatsächlich nötig, doch 1909 sei dies noch nicht so gewesen. Insofern falle die Zuwegung unter den Bestandsschutz. Das Geh- und Fahrtrecht sei auch als dauerhaft anzusehen. Was den Umfang des Geh- und Fahrtrechts anbelange, zweifle man an einer Beschränkung auf Pferdefuhrwerke. Außerdem sei das streitgegenständliche Baugrundstück in der Vergangenheit gewerblich bzw. als Verwaltungsgebäude genutzt worden, wobei von regelmäßigem Zu- und Abfahrtsverkehr mit Pkw und Lkw auszugehen sei. Durch die Anpassung des Geh- und Fahrtrechts an Kraftfahrzeugen sei keine wesentliche Änderung erfolgt, sondern nur einer zeitgemäßen Entwicklung Rechnung getragen. Ferner würden auf dem Baugrundstück keine „realen“ Stellplätze geschaffen, nur das Be- und Entladen sei gestattet. Soweit die Antragstellerseite diesbezüglich die engen Verhältnisse kritisiere, sei zu entgegnen, dass dieser Zustand schon langjährig so sei und durch den geringfügigen Rückbau des Bestandsgebäudes sogar eine Verbesserung eintrete. Hinsichtlich widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge gebe es jedenfalls hier keine Handhabe. Die Durchfahrtsbreite von ca. 2 m entspreche in der Tat nicht heutigen Anforderungen, allerdings sei das Baugrundstück in seinem bisherigen Bestand geschützt; im Übrigen habe auch das Antragstellergrundstück dieses Problem.
Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017 ergänzten die Antragsteller ihren Vortrag: Die Antragsgegnerin habe in Bezug auf das Grundstück FlNr. … eine Zuwegung von nur 2,30 m als unzureichend angesehen. Der „Ausübungsbereich des Geh- und Fahrtrechts“ betrage aber teils nur 2,20 m, die Feuerwehr könne daher nicht zufahren, es bestünde ein Brandschutzproblem. Der Bestandsschutz könne sich allein auf das 1909 errichtete Gebäude beziehen, nicht aber für die Folgenutzungen; letztlich sei dieser aber wegen Zeitablaufs erloschen. Für jede neue Baugenehmigung sei Art. 4 BayBO neu zu prüfen. Das Geh- und Fahrtrecht sei nur für „vereinzelte Anlieferung[en] mit Pferdefuhrwerken angedacht“ gewesen, damit gelte es nicht für die nunmehr zu erwartende Nutzung mit Pkw, Lkw und Baufahrzeugen. Die Abweichungserteilungen zu den Abstandsflächen seien zu unbestimmt, insbesondere fehle ein Plan, aus dem zu entnehmen sei, von welchen Abstandsflächen abgewichen werde. Dieses Defizit sei nachbarrechtsverletzend, da die Antragsteller die Lage so nicht beurteilen könnten. Bestandsschutzüberlegungen hätte die Antragsgegnerin nicht anstellen dürfen. Auch die Abweichungen zu den Brandschutzvorschriften seien zu unbestimmt und die Rettungswegfrage sei nicht hinreichend geprüft worden (Zufahrt zu eng, keine zivilrechtlich Nutzungsberechtigung).
Hierzu erwiderte wiederum die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 27. September 2017: Soweit es um die Breitendiskussion gehe, habe die Antragsgegnerin nur im Hinblick auf einen eventuell zusätzlichen Rettungsanfahrtsweg von Seiten der … her die 2,30 m für zu eng erachtet. Die bisherige Zuwegung sei bestandsgeschützt. Die Antragsgegnerin gehe nicht von einer Intensivierung des Zu- und Abfahrtsverkehrs durch die geplante Wohnnutzung im Vergleich zu den früheren Nutzungsweisen aus; außerdem sei mangels Platzes eine „Dauernutzung des Areals durch spätere Mieter“ durch Parken nicht zu erwarten. Auch heute noch stellten bei Neubauten Wohnwege mit begrenzter Länge eine gesicherte Erschließung dar. Entgegen der Antragstellermeinung habe die Antragsgegnerin im vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren des Beigeladenen nicht die Abstandsflächen zu den Antragstellergrundstücken hin als problematisch angesehen, es sei vielmehr um das Nachbargrundstück FlNr. … gegangen; hier sei es später zur Abstandsflächenübernahme gekommen. Durch die Abstandsflächenabweichungen sei in subjektive nachbarliche Rechte nicht eingegriffen worden; es sei gerade nicht der Belang der Belichtung betroffen, denn an der Kubatur des Gebäudes ändere sich nichts zu Ungunsten der Antragsteller, das Gebäude werde sogar verkleinert. Personenrettung und Brandbekämpfung seien von Osten/Nordosten her problemlos möglich, auch eine Zufahrt über die städtischen Grundstücke FlNr. … bzw. … sei nochmals geprüft worden. Die Situation zum Lageplan von 2010 sei praktisch unverändert; danach betrage die lichte Durchfahrtsbreite zwischen den auf FlNr. … abgestellten Fahrzeugen 3,70 m; die Zufahrt an der engsten Stelle zwischen den Gebäuden … … und … (FlNr. … und …) habe seinerzeit 3,10 m bis 3,20 m betragen. Mittels Drehleiter wäre eine Personenrettung vom Grundstück FlNr. … (städtisch) oder aber durch Tragleitern möglich, da das Gebäude bis zur Unterkante der obersten Fenster nicht höher als 8,00 m sei. Insofern sei ein Lagern von Gegenständen oder das Abstellen von Fahrzeugen auf dem Antragstellergrundstück unerheblich. Im Übrigen dürften auch Rettungsdienste ein eingetragenes Geh- und Fahrtrecht nutzen.
3. Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 stellten die Antragsteller einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und beantragten,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die den Beizuladenden erteilte Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde – unter Bezugnahme auf den Vortrag im Klageverfahren – vorgebracht, die Baugenehmigung werde einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Da die Bauarbeiten nahezu abgeschlossen seien und die Nutzungsaufnahme bevorstehe, sei ein Eilverfahren notwendig geworden.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2018:
Der Antrag wird abgelehnt.
Begründend verwies sie darauf, dass die Vollzugsfolgen der Baugenehmigung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Im Übrigen nehme man auf die Klageerwiderung im Hauptsacheverfahren Bezug.
4. Mit Beschluss vom 26. Januar 2017 hat das Gericht Herrn … … im Hauptsacheverfahren und mit Beschluss vom 21. Dezember 2018 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beigeladen. Anträge hat der Beigeladene nicht gestellt.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag ist nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO insbesondere statthaft. Gemäß § 212a BauGB hat eine Nachbarklage gegen die Baugenehmigung (wie hier) keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO kann diese jedoch gerichtlich angeordnet werden.
Die Antragsteller sind zudem antragsbefugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Sie haben, wie erforderlich, vorgetragen, möglicherweise in ihren Rechten verletzt zu sein. Eine Verletzung nachbarschützender Normen des Brandschutzes, der Abstandsflächen sowie in beschränktem Maße des Erschließungserfordernisses erscheint zumindest möglich.
2. Allerdings hat der Antrag in der Sache keinen Erfolg.
Bei der Entscheidung über einen Antrag nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO ist das Gericht zu einer eigenständigen Ermessensentscheidung berufen, im Rahmen derer es das Vollzugsinteresse und das Aussetzungsinteresse der Antragsteller gegeneinander abzuwägen hat. Eine wesentliche Rolle spielt bei dieser Abwägung die Frage, ob der zu Grunde liegende Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Denn vor allem an einem voraussichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt kann im Rechtsstaat kein gesteigertes Vollzugsinteresse bestehen. Dabei ist das Gericht im Zuge des Eilrechtsschutzes nur zu einer summarischen Prüfung des Verwaltungsakts aufgerufen.
Die Baugenehmigung vom 15. Dezember 2016 ist rechtmäßig.
2.1. Die Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung einer Baugenehmigung ist Art. 68 Abs. 1 BayBO. Danach hat die zuständige Baubehörde die Baugenehmigung zu erteilen, wenn zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben nicht entgegenstehen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. BayBO). Außerdem ist es ihr gestattet, „sonstige“ öffentlich-rechtliche Vorschriften bei Bedarf zu prüfen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. BayBO).
Die Baugenehmigung ist – soweit ersichtlich – formell korrekt erteilt worden. Zuständige Baubehörde hierfür ist die Antragsgegnerin, Art. 53 Abs. 1 BayBO, 9 Abs. 1 BayGO, die antragstellenden Nachbarn wurden beteiligt und der Bescheid ist schriftlich und mit Gründen versehen ergangen, Art. 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayBO.
Zwar wäre in der Tat ein Abstandsflächenplan notwendig. Gleichwohl dringen die Antragsteller mit ihrem darauf bezogenen Unbestimmtheitseinwand nicht durch. Es ist jedenfalls keine Rechtsverletzung ihnen gegenüber erkennbar, da eindeutig – wenn auch nur in geringem Maße – reine Verbesserungen für die Antragsteller geplant sind. Diese sind zugleich aus den übrigen Bauplänen klar ersichtlich, so dass auch unter dem Aspekt der Unbestimmtheit das Fehlen eines bestimmten Abstandsflächenplans nicht erheblich ist.
Eine Unbestimmtheit bei der Abweichungserteilung hinsichtlich der Brandschutzvorschriften sieht das Gericht entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht.
2.2. Auch materiell-rechtlich bestehen gegen die Baugenehmigung keine durchgreifenden Bedenken.
Der Prüfkanon für die reguläre Rechtmäßigkeitsprüfung einer Baugenehmigung durch die Baubehörde ergibt sich aus Art. 59 Satz 1 BayBO, denn ein Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO liegt nicht vor. Hiernach hat die Baubehörde bauplanungsrechtliche Vorschriften nach den §§ 29 bis 38 BauGB sowie örtliche Bauvorschriften nach Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, soweit diese in der Baugenehmigung ersetzt bzw. eingeschlossen werden (Nr. 3) zu prüfen.
2.2.1. Nach übereinstimmendem Vortrag, der durch eine Einsichtnahme in die Luftbilder des Bayern-Atlas sowie von Google-Maps nicht in Frage gestellt wird, befindet sich das Vorhabengrundstück im äußeren städtischen Kernbereich, der als Mischgebiet im unbeplanten Innenbereich anzusehen ist.
Der Antragsteller macht geltend, er werde dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die Erschließung des Beigeladenengrundstücks nicht gesichert sei. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer baulichen Änderung die Erschließung gesichert sein. Die Frage der Erschließung ist aber grundsätzlich nicht drittschützend, so dass die Antragsteller hieraus keine Rechte herleiten können (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 30 Rn. 56; BayVGH, B. v. 24.10.1996 – 2 B 94.3416 – BeckRS 1997, Nr. 22030). Die obergerichtliche Rechtsprechung macht hiervon für die Frage der wegemäßigen Erschließung jedoch eine Ausnahme: Droht dem Nachbarn die Gefahr, dem Bauherrn ein Notwegerecht nach § 917 BGB über sein Grundstück gewähren zu müssen, so kann der Nachbar sich darauf berufen und gegen die Baugenehmigung vorgehen (BayVGH a.a.O.; Schönfeld in BeckOK-BayBO, 8. Ed., Art. 4 Rn. 21; allein zur BayBO: Simon/Busse, BayBO, Art. 4 Rn. 30f.).
Diese Rechtsprechung zu Grunde gelegt können die Antragsteller sich gleichwohl nicht auf fehlende Erschließung berufen. Denn tatsächlich droht ihnen kein Notwegerecht.
Dem Grundstück FlNr. … droht kein Notwegerecht. Denn dieses Grundstück ist praktisch vollständig bebaut, und zwar auch direkt zum Vorhabensgrundstück hin. An der Grenze dieser beiden Grundstücke stoßen Gebäude aneinander. Bei vorhandener Erschließung ist eine neue, gegebenenfalls auch ersetzende Erschließung, die vom Nachbarn einen Abriss von langjährig bestehenden Gebäuden auf dem dienenden Grundstück verlangen würde, nicht zumutbar; es wäre eine andere Erschließungsvariante zu suchen. Außerdem verstieße eine neue Zugangsöffnung in der (aktuell an das Nachbargebäude anschließenden) Nordwestwand des Beigeladenengebäudes auf dem Grundstück FlNr. … gegen Brandschutzvorschriften.
Hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … wird ebenfalls kein Notwegerecht entstehen, weil hier bereits eine Grunddienstbarkeit als Geh- und Fahrtrecht ins Grundbuch eingetragen ist. Damit besteht schon eine Verbindung, so dass kein Notweg nach § 917 Abs. 1 Satz 1 in Frage kommt.
Nach den vorgelegten Unterlagen ist die Breite dieses Wegs – entgegen der Behauptung der Antragsteller – nicht geregelt, ebenso wenig die Benutzungsweise (nur Gehen und Fahren). Nachdem die Antragsteller dazu keine weitergehenden Unterlagen vorgelegt haben, ist auch nicht davon auszugehen, dass etwa das Grundbuch andere, konkretere Angaben enthält. Für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz hat das Gericht auch von einer Erholung einer Grundbuchauskunft abgesehen. Die von den Antragstellern erwähnte Breite von 2,20 m scheint nicht das Wegerecht zu betreffen, sondern die Durchfahrtsbreite im Nordwestbereich des Grundstücks FlNr. …, wo die Grundstücke FlNr. … und … eng aneinander rücken. Hier hat aber die Antragsgegnerin eine ausreichende Breite von über 3,00 m festgestellt, was durch eine gerichtliche Überprüfung mit Hilfe des Mess-Tools im BayernAtlas bestätigt wurde.
Mithin verfangen die Einwände der Antragsteller, die sich auch nicht auf ein etwaig entstehendes Notwegerecht bezüglich des Grundstücks FlNr. … berufen können, da dieses nicht in ihrem Eigentum steht, nicht. Insbesondere ist eine Grunddienstbarkeit allgemein nicht statisch, sondern passt sich den Gegebenheiten zeitgemäß an (Grziwotz, NJW 2008, 1851; Mohr in MüKO-BGB, § 1018 Rn. 59; Wegmann in BeckOK-BGB, 48. Ed., § 1018, Rn. 54; a.A. Otto in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB-Sachenrecht, § 1018 Rn. 74). Orientiert am Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist daher die Grunddienstbarkeit auszulegen, wobei vornehmlich auf den Wortlaut der Grundbucheintragung abzustellen ist und erst sekundär – soweit das der Schutz des Rechtsverkehrs unter Berücksichtigung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs zulässt – auf die Umstände der vertragsmäßigen Vereinbarung der Grunddienstbarkeit; von großer Bedeutung ist mithin die objektive Verkehrsauffassung; Grenzen der Anpassung sind allerdings eindeutige Regelungen (zum Ganzen: Mohr in MüKo-BGB, § 1018 Rn. 58ff.; Otto in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB-Sachenrecht, § 1018 Rn. 71ff.; Wegmann in BeckOK-BGB, 48. Ed., § 1018 Rn. 54; Grziwotz, NJW 2008, 1851ff.).
Eindeutige Festlegungen liegen hier aber nicht vor. Die grundlegende Vertragsurkunde regelt unter V. (nach der Leseabschrift, Bl. 76 d.A.): „Der Verkäufer räumt für sich und seine Besitznachfolger dem Käufer und dessen Nachfolgerin hiermit das Recht ein, zu dem Kaufsobjekt durch die Durchfahrt, welche sich unter dem auf Pl.Nr. … stehenden Ziegeleigebäude (findet lies) befindet, dauernd und unentgeltlich zu gehen und zu fahren.“
Die Vertragsurkunde ist außerdem durch römische Zahlen gegliedert, unter I. wird das Verpflichtungsgeschäft des Kaufs abgehandelt; unter IV. wird unter Erwähnung eines früheren Werkstattgebäudes näher spezifiziert, was genau verkauft wird. Denn offenbar wird aus einem ursprünglich größeren Grundstück ein Teil herausverkauft. (Die weiteren Nummern des Vertrags sind hier irrelevant.) Aus der bloßen Erwähnung eines Werkstattgebäudes in einem Vertragsabschnitt (IV.), der erkennbar die nähere Beschreibung dessen, was verkauft werden soll, zum Gegenstand hat, kann nicht geschlossen werden, dass die Einräumung des Wegerechts, die sich in einem anderen Vertragsabschnitt (V.) findet, allein für eine Werkstattnutzung erfolgt sei. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass im Vertrag V. auf IV. Bezug nimmt.
Vielmehr ergibt sich, dass das streitgegenständliche Geh- und Fahrtrecht überhaupt nicht näher eingegrenzt ist. „Geh- und Fahrtrecht“ stellt einen „bloßen Pauschalbegriff“ dar (Grziwotz, NJW 2008, 1851/1852).
Demnach folgt diese Grunddienstbarkeit inhaltlich den zeitgemäßen Nutzungsbedürfnissen des herrschenden Grundstücks. Das Gericht folgt nicht der in der Rechtsprechung teilweise erkennbaren Differenzierung zwischen qualitativen und quantitativen Veränderungen (vgl. hierzu Mohr in MüKo-BGB, § 1018 Rn. 61). Diese Unterscheidung erscheint nicht sachgerecht, führt teils zu unbilligen Ergebnissen und ist kaum anwendbar. So kann etwa fraglich sein, ob die nunmehrige Nutzung des Wegs durch Lkw (anstatt früher durch Pkw) eine quantitative (mehr Masse) oder qualitative (andere Kfz-Art) Nutzungsänderung ist. Ähnliche Fragen stellen sich bei der Nutzungsänderung des herrschenden Grundstücks. Schwer nachzuvollziehen ist ferner, weshalb eine qualitative Änderung mehr (oder weniger) hinnehmbar sein soll als eine quantitative. Die Unterscheidung quantitativ/qualitativ hilft mithin kaum weiter. Sachgerecht ist es vielmehr, im Rahmen des Treu-und-Glaubensgrundsatzes nach § 242 BGB einen Ausgleich der nachbarlichen Interessen zu suchen und dabei eine umfassende Abwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (im Ergebnis so wohl Wegmann in BeckOK-BGB, 48. Ed., § 1018 Rn. 54, 2. Spiegelpunkt; Grziwotz, NJW 2018, 1851/1853).
Für den vorliegenden Fall ist also festzustellen, dass das Geh- und Fahrtrecht unabhängig von der Benutzungsweise des herrschenden Beigeladenengrundstücks, allein schon auf Grund des Wortlauts in der Urkunde ein zeitgemäßes Befahren mit Kraftfahrzeugen gestattet. Soweit seitens der Antragsteller behauptet wird, das Fahrtrecht beziehe sich nur auf Pferdefuhrwerke, geht dies fehl. Nach den vorgelegten Unterlagen findet sich aber gerade keine derartige Beschränkung. Im Gegenteil, das Geh- und Fahrtrecht ist nicht näher bestimmt und passt sich somit den zeitgemäßen Anforderungen an. Da heute das Heranfahren an Gebäude mit Kraftfahrzeugen üblich ist, sind die „Fuhrwerke“ der heutigen Zeit Pkw und Lkw. Nach einhelliger Meinung in der Rechtslehre gälte dies selbst im Fall der ausdrücklichen Nennung von Pferdefuhrwerken im Grundbucheintrag oder den darin in Bezug genommenen Vertragsdokumenten (Grziwotz, NJW 2008, 1851/1853; Mohr in MüKo-BGB, § 1018 Rn. 62 a.E., m.w.N.).
Das Gericht vermag wie die Antragsgegnerin auch keine Veränderung in der Belastungsintensität der Grunddienstbarkeitsausübung zum Nachteil der Antragsteller zu erkennen. Zwar ändert sich die Benutzung des herrschenden Grundstücks des Beigeladenen tatsächlich von einer früheren kleinindustriellen (Druckereibetrieb), dienstleistend-gewerblichen (Fitnessstudio) oder büromäßig-administrativen (Arbeits- und Fernmeldeamt) Nutzung hin zu einer Wohnnutzung, doch damit ist – jedenfalls bei fünf Wohnungen – keine Ausweitung der Ausübung des dinglichen Herrschaftsrechts in quantitativer wie qualitativer Sicht zu erwarten. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass auf dem Beigeladenengrundstück kaum genügend Platz vorhanden ist, um ein Fahrzeug dauerhaft oder bloß vorübergehend (etwa zum Be- und Entladen) abzustellen. Es kann des Weiteren dahinstehen, ob das bisherige Geh- und Fahrtrecht ein Abstellen von Kraftfahrzeugen zum Be- und Entladen beinhaltete, denn auch in dieser Hinsicht ist nicht mit einer Mehrbelastung des dienenden Grundstücks zu rechnen. Ein solches Abstellrecht wird im Übrigen weder vom Erschließungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB und Art. 4 BayBO verlangt, noch würde über ein Notwegerecht nach § 917 BGB ein Abstellrecht erlangt.
Die Antragstellerseite dringt ebenfalls nicht mit ihrem Einwand durch, das Wegerecht werde durch die angesichts der Umbaumaßnahmen anfahrenden Baufahrzeuge übermäßig ausgeübt. Es wird von den Antragstellern übersehen, dass zum einen Umbaumaßnahmen – auch in größerem Ausmaß – zur üblichen Nutzung eines bebauten Grundstücks gehören; selbst zum Abriss eines unzulässig errichteten Gebäudes müssten schließlich Baumaschinen anfahren. Zum anderen ist (wenigstens der Rechtsgedanke des) Art. 46b Abs. 1 BayAGBGB heranzuziehen: Nach dieser Norm ist es dem Bauherrn gestattet, im schonenden Rahmen vom Nachbarn die vorübergehende Mitbenutzung von dessen Grundstück zu Baumaßnahmen zu verlangen.
Feuerwehr und Rettungsdienste dürften im Notfall nach §§ 228, 229 BGB das Grundstück der Antragsteller benutzen, unabhängig von einem Geh- und Fahrtrecht oder einem Notwegerecht.
Die Erschließung ist auch nicht deshalb als mangelhaft anzusehen, weil Feuerwehr und Rettungsdienst angesichts einer zu engen Zuwegung nicht anfahren könnten. Ungeachtet dessen, dass eine Wegbreite von unter 3,00 m bislang keine Bestätigung gefunden hat, ist dies kein dem Nachbarschutz dienender Gesichtspunkt.
Ohne Belang ist schließlich die fehlende Doppelsicherung des Geh- und Fahrtrechts. Nach derzeitiger Rechtslage (obergerichtliche Rechtsprechung) müsste diese die Erschließung sichernde Dienstbarkeit nicht nur zwischen dem herrschenden und dienenden Grundstück dinglich gesichert sein, sondern auch seitens des dienenden Grundstücks gegenüber der öffentlichen Hand (als beschränkte persönliche Dienstbarkeit, § 1090 BGB). Hierbei ist zunächst zu bedenken, dass es um eine zusätzliche Sicherung eines Rechts geht, mit dem das Antragstellergrundstück belastet würde. Eine derartige weitere Sicherung würde zu einer Festschreibung der Belastung jenes Grundstücks führen. Dadurch, dass diese Verfestigung gerade nicht besteht, sind die Antragsteller nicht beeinträchtigt. Im Übrigen verweist die Antragsgegnerin zu Recht auf den Bestandsschutz. Wenn, historisch bedingt, nur eine einfache dingliche Sicherung besteht, dann ist das Fehlen der heute gesetzlich erforderlichen Doppelsicherung nicht zu beanstanden, insbesondere dann, wenn sich der zu Belastende hiergegen sperren könnte. Hinsichtlich letzterem wäre aber auch zu fragen, ob nicht der Bauherr in solch einem Fall gegenüber seinem Nachbarn (hier den Antragstellern) einen Anspruch auf Zustimmung zur Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit hätte.
2.2.2. Bauordnungsrechtlich – also nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO – waren im Vorliegenden Abweichungen von Brandschutz- und Abstandsflächenregeln zu prüfen. Durch den Beigeladenen wurde die Abstandsflächenabweichung am 23. September 2015 schriftlich beantragt.
Hinsichtlich der Abweichungen von Brandschutzvorschriften liegt zwar kein ausdrücklicher Antrag des Beigeladenen vor. Im vorliegenden Brandschutznachweis werden in den Plänen jedoch explizit mehrere Abweichungen gefordert, die im Textteil des Brandschutznachweises zusätzlich erläutert werden. Nachdem im vorangegangenen Verwaltungsgerichtsverfahren bereits auf die Brandschutzproblematik hingewiesen worden war, ist im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts daher von einem im Sinne von Art. 63 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayBO hinreichend klaren Antrag auszugehen. Im Übrigen könnten sich die Antragsteller als Nachbarn grundsätzlich nicht auf rein formelle Fehler im Baugenehmigungsverfahren berufen.
(a) Sowohl die von den Abstandsflächenregeln als auch die von den Brandschutznormen erteilte Abweichungen sind rechtens.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind von Gebäuden vor den Außenwänden Abstandsflächen einzuhalten, die gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem eigenen Grundstück liegen müssen.
Nach den vom Gericht erholten Unterlagen zur Grundstückssituation handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude in weiten Teilen um einen Grenzbau. Das heißt, die Außenwände des Gebäudes liegen in wesentlichen Bereichen auf der Grundstücksgrenze. Diese bauliche Situation ist historisch überkommen; seit wann sie so besteht, ist zwar nicht bekannt, allerdings dürfte sie zumindest seit der frühen Nachkriegszeit (1950er Jahre) so existiert haben. Nach der über den BayernAtlas zugänglichen historischen Karte war das in Rede stehende Areal bereits vor Beginn des 20. Jahrhunderts bebaut.
Angesichts dieser räumlichen Situation ist eine Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Grundstück des Beigeladenen nicht möglich. Insofern hat die Antragsgegnerin eine Abweichung nach Art. 63 BayBO zugelassen. Dabei kann offen bleiben, ob eine Abweichung angesichts der vorgegebenen Grenzbebauung überhaupt nötig war, denn die Abweichung ist hier jedenfalls materiell zulässig.
In der Sache setzt Art. 63 Abs. 1 BayBO eine korrekte Abwägung der öffentlichen und nachbarlichen Belange mit den Bauherrninteressen unter maßgeblicher Berücksichtigung der Zielsetzungen der jeweiligen Norm, von der abgewichen werden soll, voraus. Die Rechtsprechung verlangt eine sog. Atypik: Es muss ein Fall gegeben sein, der in so erheblichem Umfang vom gesetzlich Normalfall abweicht, dass die strikte Gesetzesanwendung zu dem Normziel widerstrebenden Resultaten führt (OVG Münster, U. v. 22.2.2010 – 7 A 1235/08 – BeckRS 2010, Nr. 49530).
Bei Vorliegen einer solchen Atypik ist der Behörde sodann ein auszuübendes „Abweichungsermessen“ (Schwarzer/König, BayBO, Art. 63 Rn. 19) eingeräumt. Dabei ist zu beachten, dass Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ein sog. intendiertes Ermessen enthält (Schwarzer/König, BayBO, Art. 63 Rn. 19 unter Verweis auf BayVGH, U. v. 25.11.2004 – 15 B 03.245; Weinmann in BeckOK-BayBO, 8. Ed., Art. 63 Rn. 35 m.w.N.). Wenn also keine Hinderungsgründe an Hand der vorgenannten drei Kriterien (Zielsetzung der Norm, Abwägung öffentlicher und nachbarlicher Belange) vorliegen, ist die Abweichung in der Regel zu gewähren. Die Handhabung der Abweichungsvorschrift darf nicht dazu führen, dass die Nutzbarkeit einer vorhandenen und verwertbaren Gebäudesubstanz künftig verhindert wird, wenn dem nicht berechtigte und mehr als geringfügige Belange entweder des Allgemeinwohls oder eines Nachbarn entgegenstehen (BVerwG, U. v. 16.5.1991 – 4 C 17/90 – NJW 1991, 3293/3295).
Eine atypische Sachlage liegt hier vor und ein Ermessensfehler ist nicht erkennbar; demzufolge ist die Abweichungserteilung nicht zu beanstanden.
Zunächst stellt schon die historisch überkommene Bausituation eine besondere Situation im Vergleich zum allgemeinen Leitbild des Baurechts dar. Das Grundstück liegt im äußeren Stadtkernbereich der Antragsgegnerin; die nähere Umgebung ist von Altbauten geprägt, die dicht aneinander gebaut sind – teils mit geringem, teils mit gar keinem Abstand zueinander – und nur in Einzelfällen an bestimmten Seiten Abstandsflächen einhalten. Es handelt sich um eine typische innenstädtische Verdichtungslage (vgl. VG Ansbach, U. v. 30.10.1990 – AN 9 K 89.01689 – nicht veröffentlicht – zum selben Gebäude). An mindestens drei Seiten stellt das Gebäude des Beigeladenen einen Grenzbau dar. Wie sich aus den antragstellerseits vorgelegten notariellen Vertragsdokumenten von 1909 zum einstigen Verkauf des Grundstücks FlNr. … ergibt, wurde besagtes Grundstück großteils durch die Außengrenzen des dort bereits bestehenden Gebäudes festgelegt. Die Grenzständigkeit ist somit historisch bedingt. In einem solchen Fall, wo die vorhandene Bebauung keine Abstände zulässt, träfe die Festlegung von Abstandsflächen in ihrer Tragweite den Grundeigentümer, der seinen Grund nur anders nutzen will, wesentlich stärker als denjenigen, der sein Grundstück erstmals bebaut und dabei noch die freie Disposition hat (BVerwG, U. v. 16.5.1991 – 4 C 17/90 – NJW 1991, 3293/3294). Das betroffene Gebäude ist auch nur in der vorhandenen Umfassung sinnvoll zu nutzen (so schon VG Ansbach, a.a.O.).
Demgegenüber kann der Nachbar des zwar leerstehenden, aber doch existenten Gebäudes nicht generell von einem dauerhaften Ungenutztbleiben ausgehen. Die geplante Änderung der Nutzungsweise von einer früheren industriellen, gewerblichen oder büromäßigen Nutzung stellt nach Überzeugung des Gerichts auch keine wesentliche, die Nachbarschaft beeinträchtigende Änderung dar. Bei den vormaligen Nutzungen war ebenfalls mit Publikumsverkehr zu rechnen. Das Gericht geht sogar davon aus, dass dieser intensiver war, als er durch die künftige Wohnungsnutzung aufkommen wird. Auch die zeitliche Nutzungsausweitung auf die Nachtstunden fällt demgegenüber nicht ins Gewicht (zum Ganzen bereits VG Ansbach, a.a.O.). Hierzu ist ergänzend auf die ratio des § 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 BauGB (vor allem Buchst. c) hinzuweisen; nach dieser bauplanungsrechtlichen Vorschrift ist nämlich der Wechsel zwischen gewerblicher und Wohnnutzung privilegiert.
Tragend sind schließlich die Erwägungen der Antragsgegnerin zum Bestandsschutz für das Gebäude auf dem Grundstück des Beigeladenen. Eine reguläre Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes hat zwar seit längerem nicht mehr stattgefunden. Dennoch ist bauordnungsrechtlich vom Bestand auszugehen, denn dieser war jedenfalls über lange Zeit hinweg baurechtlich genehmigt. So befand sich bis 1961 in dem Bauwerk eine Druckereinutzung, von 1974 bis 1979 erfolgte eine Verwaltungsnutzung durch das Arbeitsamt …, 1980 bis 1982 wurde es vom Fernmeldeamt … genutzt. Eine nachfolgende Nutzung als Fitnessstudio wurde behördlicherseits als genehmigungsfrei erachtet, weshalb auch der Beendigungszeitpunkt dieser Nutzungsart unbekannt ist. In zwei Zeiträumen, zuletzt bis 31. August 2002 wurde schließlich eine Nutzung als Asylbewerberunterkunft genehmigt.
In Anbetracht dieser Vorgeschichte genießt das existierende Gebäude bauordnungsrechtlichen Bestandsschutz. Zwar sind die von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Fristen zum Ablauf des Bestandsschutzes im Bauplanungsrecht (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 – 4 C 20/94 – BVerwGE 98, 235; s. a. Schröer, NZBau 2008, 105) abgelaufen. Auf Grund der Schutzrichtung ist jedoch beim Bauordnungsrecht nicht vom bauplanungsrechtlichen Bestandsschutzbegriff auszugehen (anders Schröer, NZBau 2008, 106/106); so verwendet auch die Rechtsprechung den Begriff des Bestandsschutzes bei der Klärung bauordnungsrechtlicher Fragen eher zurückhaltend und knüpft vielmehr am Begriff der „vorhandenen und verwertbaren Gebäudesubstanz“ an (BVerwG, U. v. 16.5.1991 – 4 C 17/90 – NJW 1991, 3293/3295; ähnlich OVG Münster, U. v. 22.2.2010 – 7 A 1235/08 – BeckRS 2010, Nr. 49530: „bei vorhandener älterer Bausubstanz“). Dies zu Recht, denn Bauordnungsrecht stellt Sicherheitsrecht dar. Sicherheitsbelange sind jedoch schon durch die bloße Existenz eines Gebäudes betroffen. So sind Besonnung, Belichtung und Belüftung bereits durch das schlichte Vorhandensein auch eines ggf. leer stehenden Gebäudes beeinträchtigt. Dies gilt gleichfalls für den sozialen Wohnfrieden; zwar ist ein leerstehendes Gebäude ungenutzt und hat zunächst scheinbar keinen Einfluss auf diesen Belang, bei näherer Betrachtung muss man jedoch feststellen, dass Leerstände regelmäßig wenig Pflege seitens des Berechtigten erfahren und durch zunehmenden Verfall Anstoß bei der Nachbarschaft erregen. Hinzu kommt die Anziehungskraft von Leerständen beispielsweise auf Obdachlose, Betäubungsmittelhändler/-konsumenten u.a. Auch eine Inanspruchnahme des bestehenden, leeren Gebäudes durch solche Menschen hat Auswirkungen auf den sozialen Wohnfrieden. Da also auch ein Leerstand auf die Schutzgüter des Art. 6 BayBO relevanten Einfluss hat, ist dieser als Bestand zu berücksichtigen.
Anders als das Grundstück des Beigeladenen ist das Antragstellergrundstück FlNr. … nur teilweise bebaut. Wünscht der Berechtigte dieses Grundstücks in Zukunft eine weiter gehende Bebauung, so müsste er hierfür u. a. die Abstandsflächen nach dem dann geltenden Art. 6 BayBO beachten. Vor diesem Hintergrund ist – auch in Anbetracht des eher dreieckigen Grundstückszuschnitts mit Verjüngung in südliche Richtung – eine zusätzliche Bebauung des Grundstücks FlNr. … nur sehr eingeschränkt möglich, etwa durch abstandsflächenbefreite Gebäude (Art. 6 Abs. 9 BayBO), wobei laut BayernAtlas-Karte bereits grenzständige Gebäude von über 15 m Länge vorhanden sein dürften, oder Zulassung von Abstandsflächenabweichungen wegen atypischer Situation. Die Antragsteller sind also grundstücksbedingt schon in der Bebaubarkeit ihres Grundstücks beschränkt.
Unter Abwägung öffentlicher und nachbarlicher Belange sowie den Zielen der Abstandsflächenregelungen (Sicherung von Besonnung, Belüftung, Belichtung und des sozialen Wohnfriedens) liegen daher die Voraussetzungen einer Abweichung zu Gunsten des beigeladenen Bauherrn vor.
Nach § 114 Satz 1 VwGO überprüft das Gericht Ermessenentscheidungen lediglich eingeschränkt auf Ermessenfehler hin. Vor dem Hintergrund des von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumten intendierten Ermessens (s.o.) sind gerade keine Ermessensfehler erkennbar, denn die Antragsgegnerin folgt der Intention, bei zu bejahender Atypik eine Abweichung zu erteilen. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die genehmigten Änderungen jedenfalls nicht zu einer Abstandsflächenausweitung führen.
Selbst wenn nicht von einem intendierten Ermessen auszugehen wäre, läge kein erkennbarer Ermessensfehler vor. Es gibt weder für einen Ermessensausfall oder eine Ermessensüber- oder -unterschreitung noch für einen Ermessensfehlgebrauch durch abstrakte oder relative Fehlgewichtung von Belangen Anhaltspunkte.
Sonach ist die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen rechtmäßig.
(b) Zum Brandschutz wurde bezüglich Art. 28 Abs. 6 und 8 Satz 1 BayBO ebenfalls eine Abweichung erteilt, die keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
Nicht drittschützend sind die Anforderungen an die Breite von Rettungswegen bzw. Zufahrtswegen für die Feuerwehr, sie dienen allein dem Schutz der Bewohner (Schönfeld in BeckOK-BayBO, 9. Ed., Art. 5 Rn. 1). Auf sie können sich die Antragsteller daher nicht berufen. Dagegen haben die Brandschutzvorschriften zu äußeren Brandwänden (Art. 28 Abs. 6 u. 8 BayBO) zum Ziel, Brände einzudämmen und ihr Übergreifen auf andere Gebäude zu erschweren. Mit Blick darauf, dass die Norm auch auf eine Verhinderung einer Brandausbreitung zielt, ist die Drittschutzrichtung dieser Brandschutznorm evident (vgl. BayVGH, B. v. 30.1.2018 – 15 ZB 17.1459 – BeckRS 2018, Nr. 1340; Paliga/Otto/Schulz in BeckOK-BayBO, 9. Ed., Art. 28 Rn. 1).
Gleichwohl liegt auch hier eine atypische Bausituation vor. Auf die Ausführungen zu den Abstandsflächen kann verwiesen werden. Ein Leerstandsgebäude ist auch im Hinblick auf den Brandschutz nicht weniger gefährlich als ein bewohntes oder gewerblich genutztes Bauwerk. Zwar wohnt der industriellen Produktion (hier: Druckereinutzung), den zahlreichen Verkabelungen, die bei einer Büronutzung (hier: Arbeits- und Fernmeldeamt) erforderlich sind, oder aber privaten Aktivitäten wie Kochen, Kerzenanzünden u. ä. im Fall des Wohnens (hier: künftige Wohnungen) ein gewisses Brandgefahrpotenzial inne, doch erscheint dieses nicht geringer als beim Leerstand. Zum einen ist von alten brandgefährlichen Stromverkabelungen im streitgegenständlichen Gebäude auszugehen, zum anderen ist auf die Nutzung durch bereits oben erwähnte Personengruppen (Obdachlose, Betäubungsmittelhändler/-konsumenten u.a.) zu verweisen, von denen unter Umständen offenes Feuer entfacht wird. Zu bedenken ist ferner, dass durch das Ungenutztsein ein Brand erst später entdeckt würde; ein (zu) spät entdeckter Brand wird auch intensiver sein und folglich Nachbargebäude durch größere Flammen und Funkenflug stärker bedrohen (Großbrandgefahr). Mithin sind auch hier die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung zu bejahen.
Ebenso wie bei den Abstandsflächen kommt es jedenfalls zu keiner negativen Veränderung für die Antragssteller, es werden sogar Öffnungen in Brandwänden verschlossen. Insgesamt ist daher kein Ermessensfehler zu erkennen. Ergänzend wird auf vorangegangene Ausführungen zum Ermessen verwiesen.
Demzufolge ist auch diese Abweichung rechtmäßig.
Nach alledem ist die Baugenehmigung rechtmäßig und es ergibt sich für die Antragsteller kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
3. Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladenen keinen Antrag gestellt hat, waren seine eventuellen außergerichtlichen Kosten nicht den Antragstellern aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO.
Für den Streitwert geht das Gericht von 10.000,00 EUR in der Hauptsache aus. Dabei hat es u. a. berücksichtigt, dass es sich bei dem Vorhaben einerseits um ein Mehrfamilienhaus handelt, andererseits aber kein Neubau, sondern nur ein Umbau verfahrensgegenständlich ist. Angemessen erscheint daher ein Betrag oberhalb der Untergrenze von Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und in deutlicher Entfernung von der Obergrenze, so dass insgesamt 10.000,00 EUR adäquat erscheinen.
Hiervon die Hälfte (Nr. 1.5 Streitwertkatalog) sind 5.000,00 EUR.