Aktenzeichen 8 CS 19.1983
VwGO,§ 80 Abs. 2 S.1 Nr. 4, Abs. 5
BayEG Art. 7 Abs. 1, 28
Leitsatz
Einwendungen, die gegen den Planfeststellungsbeschluss im Rahmen einer Anfechtungsklage erhoben werden können, können nicht mehr gegen die Anordnung der Duldung von Vorbereitungsmaßnahmen zur Durchführung des planfestgestellten Vorhabens eingewandt werden, die von der Enteignungsbehörde erlassen wird. (Rn. 11) (red. LS Axel Burghart)
Verfahrensgang
B 1 S 19.768 2019-09-18 VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die sofortige Vollziehung einer mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. August 2019 erlassenen Ermächtigungs- und Duldungsanordnung für bestimmte Vorarbeiten auf einer Teilfläche des Grundstücks FlNr. 392 Gemarkung Bertelsdorf für die Verlegung der Staats straße St 2205 von Wiesenfeld bis zur Stadtgrenze Coburg, die mit Beschluss der Regierung von Oberfranken vom 12. April 2013 bestandskräftig planfestgestellt wurde.
Die Antragsteller sind Mitglieder einer Erbengemeinschaft, die Eigentümerin dieses Grundstücks ist. Die Antragsgegnerin ermächtigte den Beigeladenen auf dessen Antrag hin mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. August 2019 (Az. 30-5-013/19g), zum Zwecke des Baus der Staats straße 2205 Teilflächen des Grundstücks FlNr. 392 zu betreten, zu vermessen (Nr. 1 des Bescheids) und näher bezeichnete Vorarbeiten vorzunehmen (Nr. 2). Die Maßnahmen dürften frühestens am 26. August 2019 beginnen und seien bis zum 25. September 2019 zu beenden. Sollte seitens der Antragsteller Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines gegen diesen Bescheid erhobenen Rechtsbehelfs gestellt werden, so ende die Frist abweichend hiervon acht Wochen nach dem Erlass der letzten rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Nr. 3). Die Maßnahmen seien erst nach Durchführung einer für die Zustandsfeststellung erforderlichen Ortseinsicht durch den landwirtschaftlichen Gutachter des Staatlichen Bauamts Bamberg zulässig (Nr. 4). Die Antragsteller wurden als Miteigentümer der Grundstücke verpflichtet, die Maßnahmen zu dulden (Nr. 5). Für Zuwiderhandlungen wurden gegen die Antragsteller Zwangsgelder in einer Höhe von jeweils 1.000 Euro angedroht (Nr. 6). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 bis 5 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 8).
Die Antragsteller erhoben gegen diesen Bescheid mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27. August 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth und stellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Mit Beschluss vom 18. September 2019 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage bleibe nach summarischer Prüfung ohne Erfolg. Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 BayEG lägen vor. Bei dem planfestgestellten Vorhaben handle es sich um ein Vorhaben, für das nach Art. 38, 40 Abs. 2 BayStrWG, Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayEG enteignet werden könne. Die unter Nr. 2 des Bescheids genannten Arbeiten seien Vorarbeiten im Sinn von Art. 7 Satz 1 BayEG. Die Duldungsanordnung sei verhältnismäßig. Soweit sich die Antragsteller gegen die planfestgestellte Trasse wendeten und erneut eine andere Trassenvariante ins Spiel brächten, sei dies unbeachtlich, weil der Plan bestandskräftig festgestellt und Grundlage für die Durchführung der Maßnahme sei.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Rechtsbehelf gegen den Bescheid vom 16. August 2019 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 BayEG vorliegen. Nach Satz 1 und 2 dieser Vorschrift sind der Träger des Vorhabens und seine Beauftragten mit Ermächtigung der Enteignungsbehörde befugt, schon vor Einreichung des Enteignungsantrags Grundstücke zu betreten, zu vermessen und auf ihnen andere Vorarbeiten vorzunehmen, die notwendig sind, um die Eignung der Grundstücke für Vorhaben, für die enteignet werden kann, beurteilen zu können. Die Ermächtigung ist nach Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BayEG zu befristen; sie kann mit Auflagen und Bedingungen versehen und von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4 BayEG haben Eigentümer und Besitzer die Maßnahmen zu dulden.
a) Dass die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 BayEG hier erfüllt sind, stellen die Antragsteller selbst nicht infrage. Dies gilt insbesondere für die Notwendigkeit der Vorarbeiten, um die Tragfähigkeit und Verwertbarkeit des Bodens der betroffenen Grundstücksflächen vorab zu untersuchen.
b) Mit ihrem Vorbringen, dass der landwirtschaftliche Betrieb durch den Verlust des für eine Betriebserweiterungsfläche geeigneten Grundstücks FlNr. 392 in seiner Existenz gefährdet sei, woraus die Unverhältnismäßigkeit der Voruntersuchung folge, können die Antragsteller nicht mehr gehört werden.
Derartige gegen die Straßenplanung selbst gerichtete Einwendungen sind schon in Verfahren gegen Duldungsanordnungen ausgeschlossen, die bereits im Vorgriff eines Planfeststellungsbeschlusses zur Vorbereitung der Planung erlassen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen solche Einwendungen nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses im Rahmen einer Anfechtungsklage erhoben werden, weil andernfalls die Möglichkeit einer – unzulässigen – vorbeugenden Unterlassungsklage gegeben wäre (vgl. BVerwG, B.v. 6.2.2004 – 9 VR 2.04 – juris Rn. 4; B.v. 30.3.2007 – 9 VR 7.07 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v 13.7.2009 – 8 CS 09.1386 – juris Rn. 12 jeweils zu Art. 16a Abs. 1 FStrG; vgl. auch Ronellenfitsch in Marschall, Bundesfern straßengesetz, 6. Aufl. 2012, Art. 16a Rn. 21). Erst recht gilt dieser Einwendungsausschluss für Einwendungen gegen die Anordnung der Duldung von Vorbereitungsmaßnahmen zur Durchführung des planfestgestellten Vorhabens, die von der Enteignungsbehörde auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 BayEG erlassen wird, wenn – wie hier – der Planfeststellungsbeschluss bereits erlassen und bestandskräftig geworden ist. Dafür spricht auch die Regelung des Art. 28 Satz 1 BayEG, wonach in diesen Fällen der unanfechtbare Planfeststellungsbeschluss Bindungswirkung für das Enteignungsverfahren entfaltet mit der Folge, dass Einwendungen nach Art. 28 Satz 2 BayEG präkludiert sind, über die im Planfeststellungsverfahren der Sache nach entschieden ist oder die in diesem Verfahren nicht mehr erhoben werden können. So liegen die Dinge hier.
Etwas anderes ergibt sich – entgegen der Auffassung der Antragsteller – nicht aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Eigentumseingriffen (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 14 GG). Denn abgesehen davon, dass eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 1 BayEG noch keine Enteignung darstellt, sondern nur vorbereitende Maßnahmen mit geringer Eingriffsintensität betrifft (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2017 – 9 VR 2.17 – NVwZ 2018, 268 = juris Rn. 14 f.), kommt dem in Art. 28 BayEG vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sowie der Verfahrensbeschleunigung und Verwaltungsvereinfachung (vgl. LT-Drs. 7/5505 S. 31) Vorrang vor dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit zu.
Aus diesem Grund ist auch der Einwand der Antragsteller, dass sie in der Vergangenheit in außergewöhnlichem Maße von staatlichen Planungen betroffen gewesen seien und dass ihnen die Möglichkeit genommen werde, das streitgegenständliche Grundstück für eine Betriebserweiterung zu nutzen, was letztlich den Verlust des landwirtschaftlichen Betriebs bedeute, für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Es handelt sich dabei um Einwendungen, über die im Planfeststellungsverfahren der Sache nach entschieden worden ist.
Fragen der Eignung von angebotenen Ersatzflächen spielen im hier interessierenden Zusammenhang keine Rolle. Sie sind vielmehr im jeweiligen Enteignungsverfahren zu klären und grundsätzlich nicht bei der Prüfung des Art. 7 Abs. 1 BayEG. Zudem ist der Vortrag der Antragsteller dazu nicht hinreichend substanziiert worden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen abzusehen, weil dieser in der Sache mit dem Verfahren noch nicht befasst war und bisher auch keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 1.1.3, 1.5 Satz 1 Alt. 1 und 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Antragsteller bekämpfen die angegriffene Duldungsanordnungen bzw. Zwangsgeldandrohungen als Rechtsgemeinschaft (Erbengemeinschaft), sodass die angedrohten Zwangsgelder nicht zu addieren waren. Die Streitwertfestsetzung entspricht im Übrigen der Wertfestsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die Bedenken nicht vorgebracht wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).