Baurecht

Erfolglose Anfechtung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Verkaufsgebäudes

Aktenzeichen  1 ZB 17.2407

Datum:
16.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19733
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 124a Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 1 K 16.4438 2017-05-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Verkaufsgebäudes in ein Fitnessstudio.
Die Klägerin ist hälftige Miteigentümerin eines südlich an das Verkaufsgebäude anschließenden Grundstücks, auf dem sich u.a. ein zweistöckiges Wohngebäude befindet, in dem die Klägerin wohnt. Das Verwaltungsgericht hat auf ihre Klage mit Urteil vom 9. Mai 2016 den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt‚ dass die Beklagte für das Umnutzungsvorhaben zu Unrecht die TA Lärm anstatt der 18. BImSchV herangezogen habe. Es sei nicht offensichtlich, dass die Heranziehung der TA Lärm zu einem für die Klägerin als Nachbarin der Sportanlage günstigeren Ergebnis führe, da die Anknüpfungstatsachen nicht hinreichend bestimmt feststünden. Die Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt, da der Bauantrag des Beigeladenen sowie die auf seiner Grundlage erteilte streitgegenständliche Baugenehmigung eine Reihe immissionsschutzrechtlich relevanter Unbestimmtheiten aufwiesen, sodass für die Klägerin nicht hinreichend ersichtlich sei, mit welchen Lärmimmissionen sie durch den Betrieb des Fitnessstudios zu rechnen habe. Die Baugenehmigung enthalte zwar Auflagen zu den einzuhaltenden Immissionsrichtwerten. Angesichts der großen Unsicherheiten bezüglich des Betriebszuschnitts erscheine es jedoch nicht hinreichend sichergestellt, dass diese Werte nach realistischer Betrachtung durch den konkreten Betrieb des Fitnessstudios auch tatsächlich einhaltbar seien.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen‚ sind zu bejahen‚ wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG‚ B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011‚ 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG‚ B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004‚ 838). Das ist hier nicht der Fall. Dabei ist auch die von dem Beigeladenen innerhalb der Zweimonatsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegte Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.2010 – 4 B 43.10 – juris Rn. 9).
Auf die Klage eines Nachbarn ist eine Baugenehmigung aufzuheben, wenn sie unter Verstoß gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG unbestimmt ist und sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung der dem Schutz des Nachbarn dienenden Rechtsvorschriften auszuschließen. Eine Genehmigung ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn sich einem Nachbarn gegebenenfalls unter Heranziehung der Gründe des Bescheids und sonstiger dem Nachbarn bekannter oder für ihn ohne Weiteres erkennbarer Umstände Zweck, Sinn und Inhalt der Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erschließen, dass er feststellen kann, ob und in welchem Umfang er betroffen ist und er sein Verhalten entsprechen ausrichten kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 1 ZB 16.1697 – juris Rn. 10). Insbesondere muss der Nachbar aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den ihr zugrunde liegenden Unterlagen die Reichweite des genehmigten Vorhabens und deren Nutzung erkennen können (vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 23).
Daran gemessen ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Baugenehmigung unbestimmt ist, da sich ungeachtet der in den genehmigten Plänen aufgeführten Beschreibungen zu einzelnen Trainingsbereichen, insbesondere im Bereich des 1. und 2. OG, für die Nutzungseinträge „Lady-Bereich“ und „Funktional-Bereich“ nicht eindeutig ablesen lässt, ob es sich dabei um lärmintensive Bereiche handelt, beispielsweise mit Angeboten für Zumba, Dance Aerobic oder Tanzkursen wie Steptanz oder Hip-Hop-Tanz, oder aber um Angebote für Pilates und Yoga, die weniger lärmintensiv sind. Da die Baugenehmigung den genehmigten Nutzungsumfang nicht eindeutig erkennen lässt, ist für die Klägerin nicht feststellbar, ob das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2017 a.a.O.). Soweit der Beigeladene im Zulassungsverfahren auf die Auflistung in der vorgelegten neuen Betriebsbeschreibung hinweist, vermag er keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Diese Betriebsbeschreibung lässt zwar erkennen, dass diese Angebote nunmehr in das 2. OG auf die von der Klägerin abgewandte Seite verlegt werden sollen und der Kursraum schalltechnisch speziell abgeschirmt werden soll. Die neue Nutzungsvariante wird jedoch weder von der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfasst, noch liegt insoweit eine belastbare Immissionsprognose vor. Denn auch die von dem Beigeladenen vorgelegte Maßnahmenempfehlung zum baulichen Schallschutz vom 15. Dezember 2017 verhält sich nur zum baulichen Schallschutz und stellt die für die Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens mit der Nachbarschaft erforderliche Prüfung der Einhaltung der Immissionsrichtwerte für die Geräuschübertragung nach der 18. BImSchV ausdrücklich zurück (S. 5 der Maßnahmenempfehlung). Die Einhaltung der relevanten Grenzwerte der Lärmimmissionen ist somit auch im Zulassungsverfahren nicht gewährleistet.
Damit ist eine erneute Überprüfung nach Vorlage eines angepassten Bauantrags geboten. Der Senat weist in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass die Bestimmung von Art, Anzahl und Standort der einzelnen Geräte bei Einhaltung der relevanten Grenzwerte der Lärmimmissionen nicht erforderlich sein dürfte, zumal sich aus der Betriebsbezeichnung als Fitnessstudio hinreichend deutlich ergibt, dass in den Betriebsräumen keine lärmemittierenden Maschinen oder Apparate zum Einsatz kommen und eine (vgl. OVG RhPf, U.v. 18.1.2018 – 1 A 11459.17 – juris Rn. 38). Die Aufnahme der Betriebszeiten wird allerdings zur Klarstellung empfohlen.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden.
3. Die Berufung ist ausweislich der Ausführungen unter Nummer 1 auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Beigeladene sieht einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht den seinerzeitigen Betreiber des geplanten Fitnessstudios nicht angehört und kein Sachverständigengutachten zur Feststellung der zu erwartenden Lärmimmissionen – anknüpfend an die weiteren Erkenntnisse zur Betriebsbeschreibung – eingeholt hat.
Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfordert u.a. die Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 8 ZB 15.1005 – juris Rn. 10). Der Beigeladene hat nicht aufgezeigt, inwiefern er auf die vermisste Aufklärung hingewirkt hätte. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Der Beigeladene hat – ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts (S. 98 ff. der Akte des Veraltungsgerichts) – zu den gerügten Aufklärungsdefiziten keinen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, B.v. 29.7.2015 a.a.O.; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007).
Der Beigeladene hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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