Baurecht

Erfolglose Berufung für die Erteilung einer Baugenehmigung für den Betrieb einer Spielhalle und weiterer Hilfsanträge

Aktenzeichen  15 B 19.666

Datum:
9.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RÜ2 – 2021, 19
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 17 Abs. 2, § 31 Abs. 1, § 34 Abs. 3, § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 3
BauNVO § 6 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Ob eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans möglich ist, weil die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. (Rn. 29) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die – wie hier – der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, muss der Kläger insbesondere aufzeigen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will und dass ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. (Rn. 31) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

5 K 16.271 2016-06-16 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) über die Berufung entscheiden, da sich die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 19. Mai, 3. und 8. Juni 2020 damit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch der erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils erhobene weitere Hilfsantrag hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist in ihrem Hauptantrag unbegründet, da dem Kläger auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nach Art. 55, 59 BayBO zusteht. Das Vorhaben ist nicht genehmigungsfähig, denn ihm stehen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. … „… … …“ der Beklagten, bekannt gemacht am 27. Januar 2017, entgegen. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind Vergnügungsstätten nicht zulässig (Nr. C.2. § 4 der Satzung).
Soweit der Kläger rügt, der Bebauungsplan Nr. … sei unwirksam, da er an formellen Mängeln leide, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, da die von ihm genannten Mängel nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB i.V.m. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Satz 2 und § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Der Kläger selbst macht schon nicht geltend, diese Fehler rechtzeitig gerügt zu haben und der Beklagten liegen auch keine anderweitigen Rügen vor. Andere Fehler des Bebauungsplans sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
2. Die Berufung ist auch in ihrem 1. Hilfsantrag unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Baugesuchs i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Der Bebauungsplan Nr. … „… … …“ bildet nunmehr die Grundlage für die bauplanungsrechtliche Beurteilung (s.o. Nr. 1). Dort sind keine Ausnahmen von den einschlägigen Festsetzungen des Bebauungsplans (Ausschluss von Vergnügungsstätten in Nr. C.2. § 4) i.S.d. § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen.
Auch eine Befreiung von der Festsetzung in Nr. C.2. § 4 der Satzung kommt nicht in Betracht, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt sind. Ob eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans möglich ist, weil die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – NVwZ 1999, 1110; B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – BRS 67 Nr. 83; U.v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 – BVerwGE 138, 166 = juris Rn. 37). Da mit dem Bebauungsplan die Ansiedelung von Vergnügungsstätten gerade verhindert werden soll, würde eine Befreiung von den diesbezüglichen Festsetzungen daher stets die Grundzüge der Planung berühren und der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 BauGB ist nicht eröffnet.
3. Der Kläger hat auch keinen (hilfsweisen) Anspruch auf Feststellung, dass sein Bauantrag bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans genehmigungsfähig gewesen ist, denn der Feststellungsantrag ist unzulässig.
3.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, Voraussetzung einer Sachentscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sei, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat und dieses auch hinreichend darlegt (vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2014 – 15 ZB 14.448 – juris Rn. 10).
Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die – wie hier – der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Kläger von sich aus substantiiert darlegen. Insbesondere muss er aufzeigen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will und dass ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Die bloße Behauptung, einen Schadensersatzprozess führen zu wollen, genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12 m.w.N.; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 m.w.N.). Zwar dürfen an den Vortrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass er einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess tatsächlich anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. BayVGH, U.v. 22.7.2015 – 22 B 15.620 – NVwZ-RR 2016, 39 = juris Rn. 43; B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – Rn. 13; OVG NW, B.v. 5.7.2012 – 12 A 1423/11 – juris Rn. 22 ff.; U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 m.w.N.; OVG MV, B.v. 27.5.2010 – 2 L 351/06 – ZfB 2010, 144 Rn. 7; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 87, 108 ff.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, denn es fehlt an ausreichenden Darlegungen dazu, ob ein Amtshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Versagung der Baugenehmigung oder ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff wegen einer rechtswidrigen Veränderungssperre oder ein Entschädigungsanspruch nach §§ 39 ff. BauGB geltend gemacht werden soll und zudem fehlen hinreichende Angaben zu den Schadenspositionen und der Schadenshöhe. Im Berufungsverfahren hat er keinerlei Angaben zur Schadenshöhe und den einzelnen Schadenspositionen gemacht, sondern sich unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats vom 29. November 2010 (15 B 10.1453 – BayVBl 2011, 248) auf den Standpunkt gestellt, dies sei nicht erforderlich. Im Klageverfahren hatte er erstmals in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des jetzigen dritten Hilfsantrags pauschal angegeben, dass ihm für wenigstens zehn Jahre ein jährlicher Gewinn von mindestens 20.000,- Euro entgangen sei. Genau könne der Schaden jedoch nur durch das Gutachten eines Steuerberaters beziffert werden. Zudem habe er schon einen Vertrag mit einer Firma wegen des Ankaufs von Spielgeräten geschlossen, einen Wechselgeldautomaten angeschafft und „ein bisschen“ Einrichtung gekauft. Beträge, die er dafür aufgewendet haben will, hat er nicht genannt. Diese Angaben sind zu unsubstantiiert, um daraus entnehmen zu können, dass der Kläger ernsthaft einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess anstrebt.
3.2 Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 29. November 2010 (a.a.O.) eine andere Rechtsauffassung hinsichtlich des Fortsetzungsfeststellungsinteresses ergeben sollte, hält der Senat jedenfalls seit seiner Entscheidung vom 27. März 2014 (15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12) daran nicht mehr fest. Auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 1998 (4 B 72.98 – juris) ergibt sich nichts Anderes. Zur Frage der hinreichenden Darlegung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses gibt diese Entscheidung nichts her. Das vorgehende Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. April 1998 (11 A 2553/95 – BeckRS 1998, 153212) bejahte das Feststellungsinteresse ohne dass ersichtlich wäre, welchen konkreten Vortrag es dafür für erforderlich gehalten hat.
3.3 Im Übrigen hat der Fortsetzungsfeststellungsantrag auch deshalb keine Erfolgsaussichten, da das Verwaltungsgericht in erster Instanz als Kollegialgericht das Bestehen des geltend gemachten Genehmigungsanspruchs aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung verneint hat (vgl. BayVGH, U.v. 27.5.2016 – 22 BV 15.1959 – juris Rn. 58 m.w.N.) Ob ein möglicher Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess auch offensichtlich aussichtslos ist kann dahinstehen. Dies käme z.B. deshalb in Betracht, weil der Kläger die Möglichkeit der Abwendung des Schadens durch Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz gegen die Veränderungssperre nicht genutzt hat und keine Rüge innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB erhoben hat oder weil den Bediensteten der Beklagten, die für Entscheidung über den Bauantrag zuständig waren, offensichtlich keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, da sie hinsichtlich der Veränderungssperre keine Normverwerfungskompetenz hatten und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sie ihrer Prüfkompetenz nicht ordnungsgemäß nachgegangen sind (vgl. Mayen in Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 839 BGB Rn. 52).
3.4 Dessen ungeachtet hatte der Kläger bis zum In-Kraft-Treten des Bebauungsplans aber auch keinen Anspruch auf Genehmigung seines Vorhabens (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend), weil der Zulassung des Vorhabens die Veränderungssperre der Beklagten entgegenstand.
3.4.1 Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der (erneuten) Veränderungssperre lagen vor, denn gemäß § 14 Abs. 1 BauGB hat die Beklagte am 3. August 2012 den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. … „… … …“ bekannt gemacht. Die Wirksamkeit einer Veränderungssperre hängt dabei nicht davon ab, ob der – noch nicht beschlossene – Bebauungsplan in seinen einzelnen Festsetzungen von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung aller betroffenen Belange (§ 1 Abs. 6 BauGB) getragen sein wird, sondern es kommt nur darauf an, ob die beabsichtigte Planung überhaupt auf ein Ziel gerichtet ist, das im konkreten Fall mit den Mitteln der Bauleitplanung zulässigerweise erreicht werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – UPR 1994, 152 = juris Rn. 2).
3.4.2 Das für den Erlass einer Veränderungssperre erforderliche Sicherungsbedürfnis war gegeben. Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde das Institut der Veränderungssperre nur zur Sicherung einer bereits hinreichend konkreten Planung einsetzen, denn die Veränderungssperre schützt die künftige Planung, nicht aber lediglich die Planungshoheit (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.2012 – 4 C 1.11 – BVerwGE 144, 82 = juris Rn. 10). Eine Veränderungssperre darf deshalb nur erlassen werden, wenn die zu sichernde Planung ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – BauR 2017, 96 = juris Rn. 19). Eine unzulässige Negativplanung liegt nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.2020 – 4 BN 45.19 – juris Rn. 5 m.w.N.). Hier liegt mit der beabsichtigten Mischgebietsfestsetzung und dem Ausschluss von Vergnügungsstätten und anderen Nutzungen zum Schutz der Wohnbebauung eine hinreichende positive Planungskonzeption vor.
3.4.3 Als Sicherungsmittel ungeeignet ist eine Veränderungssperre darüber hinaus dann, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, wenn der beabsichtigte Bauleitplan der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind, oder wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1993 a.a.O. juris Rn. 3). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, denn es handelte sich nicht um eine unzulässige Vorratsplanung. Eine solche liegt dann vor, wenn der Umsetzung der Planung unüberwindliche tatsächliche oder rechtliche Hindernisse auf unübersehbare Zeit entgegenstehen bzw. wenn die Realisierung der Planung noch völlig ungewiss und in zeitlicher Hinsicht nicht abzusehen ist. Eine Planung verfehlt dann ihren gestaltenden Auftrag (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239 ff. = juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – BayVBl. 2006, 601 ff. = juris Rn. 21 ff.; U.v. 21.9.2009 – 9 N 07.1698 – juris Rn. 15; U.v. 21.7.2011 – 15 N 10.1638 – juris Rn. 29; U.v. 17.3.2015 – 15 N 13.972 – juris Rn. 24). Der Umstand, dass die Beklagte das Verfahren zwischen dem Aufstellungsbeschluss im August 2012 und der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB Anfang 2016 nicht weiter gefördert hat, führt nicht dazu, dass die Planung nicht in absehbarer Zeit umsetzbar gewesen wäre oder ihr unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden wären. Dass ein Bebauungsplanverfahren in einem bestimmten Zeitraum abgeschlossen sein muss, lässt sich weder dem Baugesetzbuch noch der Gemeindeordnung entnehmen. Auch das Baugesetzbuch geht in §§ 17 und 18 davon aus, dass eine Bauleitplanung mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann, und regelt deshalb die Voraussetzungen, unter denen eine Veränderungssperre während der Planungszeit aufrechterhalten werden kann.
3.4.4 Die Veränderungssperre erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BauGB nicht vorgelegen haben. Nach § 17 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen. Die erneute Anordnung einer Veränderungssperre kommt daher entweder dann in Betracht, wenn die Verlängerungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind oder wenn eine rechtzeitige Verlängerung – aus welchen Gründen auch immer – gescheitert ist (vgl. Lemmel in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand März 2020, § 17 Rn. 12; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Februar 2020, § 17 BauGB Rn. 46).
Dabei mussten zum Zeitpunkt des Erlasses der zweiten Veränderungssperre keine besonderen Umstände vorliegen, denn § 17 Abs. 3 BauGB sieht keine zusätzlichen – etwa § 17 Abs. 2 BauGB vergleichbaren – inhaltlichen Voraussetzungen vor und die Zeit zwischen dem Außerkrafttreten der ersten Veränderungssperre bis zum Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre kann grundsätzlich außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.1992 – 4 NB 44.92 – DVBl 1993, 115 = juris Rn. 9 f., Rn. 13).
Zwar kann es zur Vermeidung einer Umgehungsmöglichkeit erforderlich sein, dass auch eine erneute Veränderungssperre nur unter den Voraussetzungen einer Verlängerung möglich ist (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 11). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der zweiten Veränderungssperre am 26. Februar 2016 die Veränderungssperre noch keine drei Jahre bestanden hat und bei Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. … am 27. Januar 2017 unter Berücksichtigung der ersten Veränderungssperre (3.8.2012 bis 2.8.2014, § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB) und der neuen Veränderungssperre (26.2.2016 bis 27.1.2017, § 17 Abs. 5 BauGB) ebenfalls noch keine Geltungsdauer von mehr als drei Jahren erreicht war (vgl. OVG RhPf, U.v. 13.2.2019 – 8 C 10622/18 – juris Rn. 33 ff.).
3.4.5 Zugunsten des Klägers ist auch keine faktische Veränderungssperre nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB hinzuzurechnen. Eine solche faktische Sperrzeit ist nur individuell zu berücksichtigten (Lemmel a.a.O. Rn. 12; Stock a.a.O. Rn. 49; BVerwG a.a.O. Rn. 14). Nachdem der Kläger erstmals im Jahr 2015 einen Bauantrag gestellt hat und zu diesem Zeitpunkt keine Veränderungssperre angeordnet war, ist ihm gegenüber keine faktische Veränderungssperre eingetreten.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass auch in der vorliegenden Konstellation der Zeitraum einer verzögerten Bearbeitung des Bauantrags als faktische Sperrzeit zu berücksichtigen wäre, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, denn die Beklagte hat den Bauantrag des Klägers nicht verzögert bearbeitet. Der Kläger änderte seinen ursprünglichen Bauantrag aufgrund eines Hinweises der Beklagten und reichte den geänderten Antrag am 3. Dezember 2015 ein. Für die Beurteilung einer Verzögerung bei der Bearbeitung ist daher auf dieses Datum abzustellen. Zwar bedurfte es keiner Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB, da die Beklagte zugleich Baugenehmigungsbehörde und Trägerin der Planungshoheit ist. Gleichwohl mussten die entsprechenden Gremien (z.B. Bauausschuss der Beklagten) beteiligt werden und der Beklagten stehen regelmäßig drei Monate (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) zur Verfügung, um über einen Bauantrag zu entscheiden. Hier wurde dieser Zeitraum mit dem Bescheid vom 7. März 2016 zwar um ein paar Tage überschritten. Diese Verzögerung war aber nicht kausal für die Ablehnung des Bauantrags wegen der entgegenstehenden Veränderungssperre, denn diese ist schon am 26. Februar 2016, also weniger als drei Monate nach Eingang des Bauantrags, in Kraft getreten.
Aber selbst wenn man unterstellen würde, dass der Bauantrag des Klägers nach Befassung des Bauausschusses der Beklagten am 21. Januar 2016 und Rückgabe des Bauakts vom Bauausschuss an das Bauordnungsamt am 24. Januar 2016 (Sonntag) nach Rücklauf beim Bauordnungsamt (frühestens wohl Montag 25. Januar 2016), innerhalb weniger Tage entscheidungsreif gewesen wäre, wären bei Inkrafttreten des Bebauungsplans am 27. Januar 2017 keine drei Jahre erreicht worden. Auch die Zeit einer Zurückstellung des Baugesuchs wäre nicht anzurechnen, da der Bauausschuss der Beklagten zwar beschlossen hat, eine Zurückstellung zu beantragen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB), die Baugenehmigungsbehörde aber keinen Zurückstellungsbescheid erlassen hat und der Zeitraum bis zur Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 Abs. 3 Satz 2 BauGB auch nicht anzurechnen wäre, soweit der Zeitraum für die Bearbeitung des Baugesuchs erforderlich war.
4. Der Kläger hat auch keinen (hilfsweisen) Anspruch auf Feststellung, dass sein Bauantrag bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre genehmigungsfähig gewesen ist.
4.1 Der Antrag ist ebenfalls unzulässig, da der Kläger keine hinreichenden Darlegungen zum Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemacht hat (s.o. Nr. 3.1) und das Verwaltungsgericht ihn als Kollegialgericht abgewiesen hat (s.o. Nr. 3.3).
Im Übrigen besteht auch kein Feststellunginteresse für einen derartigen Antrag, weil das erledigende Ereignis – Inkrafttreten der Veränderungssperre am 26. Februar 2016 – vor Ablauf der Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO lag. Eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO konnte bezüglich des streitgegenständlichen, am 3. Dezember 2015 eingereichten Bauantrags erst am 3. März 2016 zulässigerweise erhoben werden, denn es waren keine besonderen Umstände des Falls gegeben, die eine kürzere Frist geboten erscheinen ließen (§ 75 Satz 2 Hs 2 VwGO). Zu diesem Zeitpunkt war die Veränderungssperre vom 26. Februar 2016 aber schon in Kraft getreten. Die verfrüht erhobene Untätigkeitsklage vom 23. Februar 2016 wurde erst mit Ablauf der Dreimonatsfrist am 3. März 2016 zulässig. Bei einem Erledigungseintritt vor Klageerhebung begründet die Absicht, eine Amtshaftungsklage zu erheben aber kein schutzwürdiges Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 118). Bei einer Erledigung des Verpflichtungsbegehrens vor Klageerhebung kommt es dabei zu einer doppelt analogen Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (vgl. Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 127). Dieser Rechtsgedanke muss auf die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO übertragen werden. Erledigt sich das Verpflichtungsbegehren zwar nach Erhebung einer (im Zeitpunkt der Erhebung verfrühten und damit unzulässigen) Untätigkeitsklage aber vor Ablauf der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO, ist eine Umstellung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig.
4.2 Der Antrag wäre aber auch unbegründet, da der Bauantrag in der Fassung vom 3. Dezember 2015 vor Erlass der Veränderungssperre und unter Geltung des Bebauungsplans Nr. …, gegen dessen Wirksamkeit vom Kläger keine Bedenken vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich sind, nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Gemäß den Plänen vom 3. Dezember 2015 umfasste die Spielhalle einschließlich des Gangs ca. 120 m2 und es sollten neun Spielgeräte aufgestellt werden. Damit handelte es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2014 – 9 ZB 11.2567 – juris Rn. 11), die im als Mischgebiet festgesetzten Bereich des Bebauungsplans Nr. … nicht zulässig war. Erst durch die Änderung im erstinstanzlichen Klageverfahren durch Reduzierung der Grundfläche auf ca. 100 m2 und nur noch acht Spielgeräte, wurde eine mischgebietsverträgliche Vergnügungsstätte beantragt. Die Auffassung des Klägers, der Gang sei nur versehentlich nicht abgetrennt gewesen und dies mache keinen Unterschied, überzeugt nicht, denn die Zahl der Spielgeräte war bewusst gewählt und neun Spielgeräte bedurften einer Fläche von mindestens 109 m2. Ob die zuletzt beantragte Spielhalle auch alleine wegen ihrer Lage an einer wichtigen Einfall straße, durch die gute Anbindung an die Straßenbahn und die vorgesehenen Öffnungszeiten als kerngebietstypisch einzustufen gewesen wäre, kann daher dahinstehen.
5. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
6. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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