Baurecht

Erfolglose Drittenanfechtung einer Sondernutzungserlaubnis für ein Nachbarschaftsfest

Aktenzeichen  M 2 E 18.2405

Datum:
14.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25706
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 14, Art. 17, Art. 18 Abs. 1 S. 1
VwGO analog § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 1, § 80a
BayStrWG Art. 46 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Die für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an einer öffentlichen Straße einschlägige Norm des Art. 18 BayStrWG vermittelt grundsätzlich keinen Drittschutz. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Anlagen oder Sachen, die auf der Straße aufgestellt oder auf sie aufgebracht werden, namentlich durch diese hervorgerufene Immissionen, die Anlieger oder sonstige Dritte belästigen oder schädigen können, sind nach dem insoweit geltenden Fachrecht zu beurteilen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Art. 17 BayStrWG gewährt dem Straßenanlieger allerdings nur in sehr eingeschränktem Ausmaß eine einklagbare Rechtsposition. Eine Verletzung des Art. 17 BayStrWG käme etwa dann in Betracht, wenn durch die Sondernutzungserlaubnis die für das Grundstück des Antragstellers erforderlichen Zufahrten und Zugänge unzumutbar beeinträchtigt würden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine dem Beigeladenen (vgl. Beschluss vom 22. Mai 2018) unter Auflagen erteilte Erlaubnis zur Nutzung der …straße im Bereich des Wendehammers zwischen den anliegenden Grundstücken …straße 7 und 10 für ein Nachbarschaftsfest. Die …straße ist eine Ortsstraße in der Baulast der Antragsgegnerin (Art. 46 Nr. 2 Bay-StrWG)
Auf Antrag des Beigeladenen vom 16. April 2018, gerichtet auf Erteilung einer Erlaubnis zur Sondernutzung für die Durchführung eines Nachbarschaftsfestes am 11. August 2018 im Bereich des o.g. Wendehammers der …straße, insbesondere unter Aufstellung eines Partyzeltes mit einem entsprechenden Betrieb an diesem Tag zwischen 12:00 und 22:00 Uhr und flankiert von An- und Aufbaumaßnahmen hierfür zwischen 11:00 Uhr an diesem Tag und 10:00 Uhr am 12. August 2018, erteilte die Antragsgegnerin mit streitbefangenem Bescheid vom 23. April 2018 die begehrte Sondernutzungserlaubnis unter Auflagen.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2018, das bei Gericht am 22. Mai 2018 eingegangen ist, erhob der Antragsteller gegen den Bescheid vom 23. April 2018 Klage. Gleichzeitig beantragt er, den Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 30. Mai 2018 die Verfahrensakte vorgelegt und sich zur Sache geäußert. Sie beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Beigeladene hat sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist hier als grundsätzlich statthafter Antrag auf Feststellung, dass die Klage des Antragstellers vom 14. Mai 2018, die bei Gericht am 22. Mai 2018 eingegangen ist, gemäß §§ 80 Abs. 1, 80a VwGO aufschiebende Wirkung hat (vgl. statt vieler Kopp/Schenke, VwGO 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 181), auszulegen (§ 88 VwGO). Der Antrag ist indes unzulässig, da der Antragsteller keine Antragsbefugnis in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO aufzuzeigen vermochte.
Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine Antragsbefugnis des Antragstellers in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO. Dies gilt auch für den Fall, dass vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt begehrt wird, von dem der Antragsteller behauptet, es handle sich um einen sogenannten Verwaltungsakt mit Drittwirkung bzw. Doppelwirkung im Sinne von § 80a VwGO. Die Antragsbefugnis in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO ist dann gegeben, wenn die Möglichkeit der vom Antragsteller behaupteten Rechtsverletzung besteht. Dies setzt voraus, dass die Anwendung von Rechtssätzen möglich erscheint, die abstrakt auch dem Schutz der Interessen von Personen zu dienen bestimmt sind, welche sich in einer Lage befinden, die derjenigen des Antragstellers vergleichbar ist. Insoweit bedarf es jedenfalls dann einer besonderen Prüfung, wenn der Antragsteller nicht selbst Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsaktes ist, sondern sich gegen einen in erster Linie einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt als sogenannter Dritter wendet. Hierbei geht es um die Frage nach dem sachlichen und personellen Schutzbereich einer Norm. Nur wenn hier ein besonderer Bezug zu Dritten festzustellen ist, kann die betreffende Rechtsvorschrift als sogenannte Schutznorm angesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – juris Rn. 4 ff).
Die Klage eines nicht dazu i.S.d § 42 Abs. 2 VwGO befugten Dritten löst die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO von vornherein nicht aus. Damit bleibt dem nicht klagebefugten Dritten – seiner Rolle als Nichtbetroffener entsprechend – jede Einwirkung auf den ihn nicht betreffenden Verwaltungsakt im Interesse der Allgemeinheit und, soweit der Verwaltungsakt den Adressaten begünstigt, auch in dessen Interesse versagt (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.1992 – 7 C 24/92 – juris Rn. 21).
Dies zugrunde gelegt fehlt es dem Antragsteller vorliegend hinsichtlich der angefochtenen Sondernutzungserlaubnis vom 23. April 2018 an der Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO.
1. Die für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an einer öffentlichen Straße einschlägige Norm des Art. 18 BayStrWG vermittelt jedenfalls grundsätzlich keinen Drittschutz (stRspr vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 12.4.2013 – 8 ZB 12.648 – juris Rn. 2).
Das in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 14 BayStrWG vorgegebene Entscheidungsprogramm der Straßenbaubehörde, das der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu Grunde liegt, stellt auf eine Benutzung der Straßenverkehrsfläche ab, die nicht mehr gemeingebräuchlich ist, weil sie nicht vorwiegend zu Zwecken des Verkehrs erfolgt. Da der Straße als Verkehrsfläche eine wichtige Mittlerfunktion zukommt, soll die Behörde durch das in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit eine abweichende Nutzung der Verkehrsfläche noch mit den Belangen des Straßenrechts – vor allem, wie sie in den Vorschriften des Straßen- und Wegerechts, aber zum Teil auch in den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts zum Ausdruck kommen – vereinbar ist. Es geht dabei mithin um die Frage, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vereinbar und insoweit gemeinverträglich ist. Im Einzelfall können hier auch noch Belange des Umfelds der Straße in städtebaulichen oder baupflegerischen Vorschriften mit eine Rolle spielen, soweit sie einen eindeutigen Bezug zur Straße aufweisen. Die Grenze des Entscheidungsprogramms der Sondernutzungserlaubnis liegt aber dort, wo nicht mehr um die Nutzung der Straßenverkehrsfläche, sondern um die Nutzung der auf ihr aufgestellten oder in sonstiger Weise aufgebrachten Anlagen oder Sachen gestritten wird. Die Nutzung solcher Anlagen oder Sachen interessiert unter dem Blickwinkel des Rechts der Sondernutzungserlaubnis nur, soweit es um die Auswirkungen dieser Nutzung auf die Straßenverkehrsfläche und die Verkehrsteilnehmer geht. Sonstige Anlagen oder Sachen, die auf der Straße aufgestellt oder auf sie aufgebracht werden, namentlich durch diese hervorgerufene Immissionen, die Anlieger oder sonstige Dritte belästigen oder schädigen können, sind vielmehr nach dem insoweit geltenden Fachrecht zu beurteilen und mit den dort gegebenen Ermächtigungsnormen hoheitlich abzuwehren bzw. zwischen privaten Nachbarn auch zivilrechtlich zu klären. Dementsprechend sind Vorschriften des Immissionsschutzrechts nicht in die Prüfung einzubeziehen, weil diese keinen Bezug zum Widmungszweck der Straße aufweisen.
Aus der streitbefangenen Sondernutzungserlaubnis folgt daher jedenfalls vom Grundsatz her keine Möglichkeit der Rechtsverletzung des Antragstellers.
2. Auch auf eine eine Ausnahme vom Vorstehenden rechtfertigende subjektive Rechtsposition kann sich der Antragsteller nach Aktenlage vorliegend nicht berufen. Eine solche kann sich im Einzelfall aus dem Anliegergebrauch nach Art. 17 BayStrWG ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 aaO). Auf eine durch das Grundrecht des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition kann der Anlieger dabei jedoch nicht rekurrieren; wie weit der Anliegergebrauch gewährleistet wird, richtet sich allein nach einschlägigem Straßenrecht, hier also nach Art. 17 BayStrWG
Art. 17 BayStrWG gewährt dem Straßenanlieger allerdings nur in sehr eingeschränktem Ausmaß eine einklagbare Rechtsposition. Eine Verletzung des Art. 17 BayStrWG käme etwa dann in Betracht, wenn durch die Sondernutzungserlaubnis die für das Grundstück des Antragstellers erforderlichen Zufahrten und Zugänge unzumutbar beeinträchtigt würden.
Für eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Das Wohnhaus des Antragstellers auf dem Grundstück …straße 9 (FlNr. …*) liegt vom Ort des mit der Sondernutzungserlaubnis auf öffentlichen Straßengrund zugelassenen Partyzelts für das Nachbarschaftsfest am 11. August 2018 (vgl. Antrag vom 16. April 2018) rund 35 m Luftlinie entfernt und ist ausweislich der dem Gericht aus allgemeinkundigen Quellen im Internet vorliegenden Luftbilder und Karten von dem nichtbetroffenen Teil der …straße aus auch während der Zeit der Sondernutzung zu Fuß und mit Kraftfahrzeugen ohne Weiteres zu erreichen. Einschränkungen oder Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeiten sind folglich nicht gegeben. Zudem gewährleistet der Anliegergebrauch ohnehin nicht die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit innerörtlicher Grundstücke (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 aaO). Das gilt umso mehr mit Blick auf die hier zeitlich auch nur sehr eingeschränkte Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums am 11. und 12. August 2018 über insgesamt 23 Stunden einschließlich des An- und Abbaus.
Eine Beeinträchtigung des Anliegergebrauchs des Antragstellers ist damit ebenfalls nicht erkennbar; einen Anspruch auf optimale Erschließung hat er ohnehin nicht.
3. In dem grundsätzlich zweipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Straßenbaubehörde – hier der Antragsgegnerin – und dem Erlaubnisnehmer – hier dem Beigeladenen – kommt es mithin nur darauf an, ob und inwieweit die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt. Da die dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin unter dem 23. April 2018 erteilte Sondernutzungserlaubnis kein Verwaltungsakt mit Drittwirkung ist und eine ausnahmsweise einen Drittschutz rechtfertigende Rechtsposition des Antragstellers, namentlich aus dem Anliegergebrauch, nicht ersichtlich ist, ist der Antrag – ebenso wie voraussichtlich die Klage – unzulässig. Er war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 VwGO i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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