Aktenzeichen W 5 K 17.422
Leitsatz
1. Im Anfechtungsprozess, in dem sich die Gemeinde gegen ein – ihrer Meinung nach – missachtetes Einvernehmenserfordernis wehrt, prüft das Gericht nicht, ob der Bauherr einen materiellen Genehmigungsanspruch hat. Vielmehr ist die Baugenehmigung bereits bei Missachtung des gesetzlichen Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen aufzuheben. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der BauNVO 1977 (wie auch der BauNVO 1968 und der BauNVO 1962) werden Vergnügungsstätten ungeachtet ihrer Erwähnung in § 4a Abs. 3 Nr. 2 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1977 (auch) unter den Begriff der „sonstigen Gewerbebetriebe“ bzw. der „Gewerbebetriebe aller Art“ subsumiert. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vergnügungsstätten sind in festgesetzten Gewerbe- bzw. Industriegebieten, auf die die BauNVO 1977 Anwendung findet, als „Gewerbebetriebe aller Art“ nur dann allgemein zulässig, wenn sie nicht kerngebietstypisch sind. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine für ein Kerngebiet typische Vergnügungsstätte handelt, weil der Betrieb einen zentralen Charakter aufweist sowie für ein größeres allgemeines Publikum aus einem größeren Einzugsbereich erreichbar ist, ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen. Dabei wird von der Rechtsprechung als Orientierungs- bzw. Schwellenwert eine Grundfläche von 100 m² herangezogen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin kann sich für dieses Verfahren auch auf eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO berufen.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Bejahung der Klagebefugnis setzt voraus, dass es auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Betroffenen zumindest möglich erscheint, dass dieser durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206/92 – juris).
Im Falle der Anfechtung eines an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakts durch einen Dritten kann sich eine eigene, die Klagebefugnis begründende Rechtsposition aus einer im Verfahren zu prüfenden drittschützenden Norm ergeben. Ob eine die behördliche Entscheidung tragende Norm Dritten, die durch die Entscheidung betroffen werden, Schutz gewährt und Abwehrrechte einräumt, hängt vom Inhalt der jeweiligen Norm sowie davon ab, ob der Drittbetroffene in den mit der behördlichen Entscheidung gestalteten Interessenausgleich eine eigene schutzfähige Rechtsposition einbringen kann. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren, sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84; U.v. 16.3.1989 – 4 C 36/85; beide juris).
Hier bringt die Klägerin vor, durch die an die Beigeladene erteilte Baugenehmigung in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 BV garantierten Selbstverwaltungshoheit verletzt zu sein. Das Vorhaben stehe im Widerspruch zur Festsetzung des Bebauungsplans zur Art der baulichen Nutzung, so dass eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich gewesen wäre. Dieses Vorbringen soll erkennbar die Behauptung der Klägerin stützen, sie hätte im Hinblick auf ihre Planungshoheit bei der Erteilung der Baugenehmigung durch das Landratsamt Würzburg nicht übergangen werden dürfen, sie sei von der Baugenehmigungsbehörde rechtsirrtümlich nicht beteiligt worden. Mit Rücksicht auf den weitreichenden Sicherungszweck des gemeindlichen Beteiligungsrechts nach § 36 BauGB, insbesondere wegen des mit dieser Vorschrift bezweckten Schutzes der Planungszuständigkeit der Gemeinden, führt bereits die Genehmigung ohne das erforderliche Einvernehmen zur Klagebefugnis der Gemeinde (Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, Baugesetzbuch, Stand 131. EL Okt. 2018, § 36 Rn. 47; unter Bezugnahme auf die Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, so U. v. 19.11.1965 – 4 C 18.65 – juris). Eine Verletzung des Beteiligungsrechts der Klägerin nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erscheint möglich, so dass hier vom Vorliegen einer Klagebefugnis i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO auszugehen ist.
2. Die Klage ist aber in der Sache nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 BV geschützten und einfachgesetzlich durch § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB gewährleisteten kommunalen Planungshoheit verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zum einen wurden die formellen Vorgaben des § 36 BauGB nicht verletzt. Zum anderen hält die angefochtene Baugenehmigung in materiell-rechtlicher Hinsicht die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvorschriften – auf deren Verletzung sich die Klägerin allein berufen kann – in vollem Umfang ein. Das im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans geplante Vorhaben ist planungsrechtlich zulässig, weil es seiner Art nach in einem Industriegebiet nach der BauNVO 1977 zulässig ist (§ 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1977).
2.1. Im Anfechtungsprozess, in dem sich die Gemeinde, wie hier die Klägerin, gegen ein – ihrer Meinung nach – missachtetes Einvernehmenserfordernis wehrt, prüft das Gericht nicht, ob der Bauherr einen materiellen Genehmigungsanspruch hat. Vielmehr ist die Baugenehmigung bereits bei Missachtung des gesetzlichen Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen auf Anfechtung der Gemeinde hin aufzuheben (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 62/98; U.v. 7.2.1986 – 4 C 43/83; U.v. 10.8.1988 – 4 C 20/84; alle juris; BayVGH, U.v. 20.10.1998 – 20 A 98/40022 – juris; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 129. Erg.Lief. Okt. 2018, Art. 68 Rn. 197).
Eine Genehmigung, die ohne das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde erteilt worden ist, muss nach der vg. ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein wegen dieses Verfahrensfehlers aufgehoben werden. Die Gemeinde soll nämlich durch das förmliche Ersuchen um das Einvernehmen die Möglichkeit erhalten, durch die ihr zur Verfügung stehenden Planungsinstrumente (Planaufstellung, Planänderung, Veränderungssperre und Zurückstellung) die rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Vorhabens noch zu verändern. Sie soll nicht gezwungen sein, rein vorsorglich, also gewissermaßen „ins Blaue hinein“ zu planen und dabei Gefahr zu laufen, sich dem Einwand einer bloßen Negativplanung auszusetzen. Sie soll vielmehr in die Lage versetzt werden, vor Beginn einer Planung deren Erforderlichkeit (vgl. §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 4 BauGB) abschließend zu prüfen (vgl. BayVGH, U.v. 20.10.1998 – 20 A 98.40022 – juris).
Das Bundesverwaltungsgericht sieht also allein eine Verletzung des formellen Mitwirkungsrechts der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB als ausreichend für die Aufhebung der Baugenehmigung im Anfechtungsprozess an. Dementsprechend wird das Recht auf Mitwirkung im Wege des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB als absolutes Verfahrensrecht eingeordnet (Greim-Diroll, in BeckOK BauordnungsR Bayern, Stand 9. Edition Nov. 2018, Art. 67 Rn. 24; vgl. Schemmer, in BeckOK VwVfG, Stand 41. Edition Okt. 2018, § 46 Rn. 29; Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, Baugesetzbuch, § 36 Rn. 47).
2.2. Allerdings besteht im vorliegenden Fall objektiv gerade kein Einvernehmenserfordernis nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Damit wird die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33, 34 oder 35 BauGB vorausgesetzt. Die irrige Annahme des Vorliegens einer dieser Zulässigkeitsregelungen begründet nicht das Einvernehmenserfordernis; die in einem solchen Fall erfolgte Versagung des Einvernehmens ist rechtswidrig. Liegt dagegen kein Fall der Entscheidung nach §§ 31, 33, 34 oder 35 BauGB vor, ist das Einvernehmen nicht erforderlich. Ausgenommen sind somit Genehmigungen in Gebieten mit qualifizierten Bebauungsplänen nach § 30 Abs. 1 BauGB. Das Gesetz geht davon aus, dass in diesen Fällen das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 BauGB nicht erforderlich ist, weil die Baugenehmigung in Übereinstimmung mit dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde erteilt wird (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 36 Rn. 18). Lässt sich demgegenüber die Baugenehmigung nur im Wege der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans rechtfertigen, begründet dies das Einvernehmenserfordernis.
2.3. Das streitgegenständliche Vorhaben, das gerichtet ist auf Nutzungsänderung eines Lagers in eine Spielhalle, bedarf keiner Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Es beurteilt sich vielmehr gemäß § 30 Abs. 1 BauGB, da es im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt, dessen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Es bestehen weder Zweifel an der Wirksamkeit dieses Bebauungsplans noch wurden solche im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens von den Beteiligten vorgebracht.
Zwischen den Parteien streitig ist allein die Frage, ob das streitige Vorhaben hinsichtlich seiner Art den Festsetzungen des Bebauungsplans „Industriegebiet ** **********“ der Gemeinde Gerbrunn vom 17. Mai 1967 i.d.F. der 4. Änderung vom 12. September 1979, geändert am 16. September 1981, in Kraft getreten am 28. Juni 1982 (künftig: Bebauungsplan), in dessen Geltungsbereich es liegt, entspricht.
Der Bebauungsplan setzt für das Baugrundstück hinsichtlich seiner Art ein „Industriegebiet gem. § 9 BauNVO 1977“ fest. Dementsprechend richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 9 BauNVO 1977, der vorliegend entsprechend der (statischen) Inbezugnahme durch den Bebauungsplan „Industriegebiet ** **********“ Anwendung findet. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1977 sind in Industriegebieten zulässig u.a. „Gewerbebetriebe aller Art“. Um einen solchen Gewerbebetrieb aller Art handelt es sich bei der Spielhalle der Beigeladenen, so dass diese ihrer Art nach bauplanungsrechtlich zulässig ist. Im Einzelnen:
Einer Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1977 steht nicht schon entgegen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben der Beigeladenen um eine sog. Vergnügungsstätte handelt (zur Einstufung von Spielhallen als Vergnügungsstätten vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1990 – 4 C 49/89; U.v. 21.2.1986 – 4 C 31/83; beide juris), da Vergnügungsstätten unter Geltung der BauNVO 1977 (wie auch der BauNVO 1968 und der BauNVO 1962) ungeachtet ihrer Erwähnung in § 4a Abs. 3 Nr. 2 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1977 (auch) unter den Begriff der „sonstigen Gewerbebetriebe“ bzw. der „Gewerbebetriebe aller Art“ subsumiert wurden (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 23/98 – juris). Erst mit der BauNVO 1990 wurden die Vergnügungsstätten aus dem allgemeinen Anlagen- und Betriebstyp der Gewerbebetriebe herausgenommen und als eigenständiger bauplanungsrechtlicher Nutzungstyp eingeführt mit der Folge, dass bei Anwendbarkeit der BauNVO 1990 ihre Zulassung als „sonstige Gewerbebetriebe“ oder „Gewerbebetriebe aller Art“ nicht mehr in Betracht kommt. Denn es war gerade einer der wesentlichen Ziele der Neuregelung der BauNVO 1990, die Vergnügungsstätten im Sinne einer abschließenden Regelung den Baugebieten zuzuordnen (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1990 – 4 B 120/90 – juris).
Vergnügungsstätten sind in festgesetzten Gewerbe- bzw. Industriegebieten, auf die – wie hier – die BauNVO 1977 Anwendung findet, als „Gewerbebetriebe aller Art“ aber nur dann allgemein zulässig, wenn sie nicht kerngebietstypisch sind. Denn lediglich kerngebietstypische Vergnügungsstätten sind mit der Zweckbestimmung des Industriegebiets nicht vereinbar (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 23/98 – juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2018, § 9 Rn. 7.21; König/Röser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 5; Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 9 BauNVO Rn. 4; OVG Saarland, B.v. 18.6.2018 – 2 B 104/18 – juris; VGH Mannheim, B.v. 27.6.1989 – 8 S 477/89 – juris).
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine für ein Kerngebiet typische Vergnügungsstätte handelt, weil der Betrieb einen zentralen Charakter aufweist sowie für ein größeres allgemeines Publikum aus einem größeren Einzugsbereich erreichbar ist, ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen. Dabei wird von der Rechtsprechung als Orientierungs- bzw. Schwellenwert eine Grundfläche von 100 m² herangezogen. Dieser beruht darauf, dass bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung einer Spielhalle zugrunde zu legen ist, in welchem Umfang die auch hier begehrte Aufstellung von Geldspielgeräten gewerberechtlich zulässig ist. Daraus ergibt sich zugleich die zu erwartende Betriebsgröße und die Zahl der möglichen Benutzer. Bei der Festlegung des Schwellenwerts als Richtgröße ist die Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass nach der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (SpielVO) in der Fassung vom 11. Dezember 1985 je 15 m² Grundfläche höchstens ein Geldspielgerät aufgestellt werden durfte und die Gesamtzahl der Geldspielgeräte auf zehn beschränkt war. Spielhallen, die den Schwellenwert von 100 m² überschreiten, sind daher im Regelfall als kerngebietstypisch einzustufen, da eine Vergnügungsstätte derartigen Zuschnitts auf einen größeren Umsatz und Einzugsbereich angewiesen ist. Dass nach der Neufassung der SpielVO (Bekanntmachung vom 27.1.2006) inzwischen je 12 m² (statt bisher 15 m²) Grundfläche ein Geld- oder Warenspielgerät aufgestellt werden kann und die zulässige Gesamtzahl dieser Geräte auf zwölf (statt bisher zehn) erhöht worden ist, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Legt man die Neufassung der SpielVO zugrunde, ist eine Spielhalle, deren Fläche den Schwellenwert von 100 m² überschreitet, wegen der erhöhten Nutzungsdichte vielmehr erst recht als kerngebietstypisch einzuordnen (so ausdrücklich VGH Baden-Württemberg, U.v. 2.11.2006 – 8 S 1891/05 – juris).
Dieses Schwellenwerts, dem die Bedeutung eines wesentlichen Anhalts zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – juris), bedient sich auch die erkennende Kammer. Ausweislich der eingereichten und mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Planunterlagen (vgl. Baueingabeplan, Grundriss, Bl. 108 der Behördenakte) weist die streitgegenständliche Spielhalle für acht Spielgeräte eine „Netto-Spielfläche“ einschließlich „Empfang“, aber ohne Nebenräume und Toiletten von 97,46 m² auf. Das Vorhaben der Beigeladenen mit einer Nutzfläche von 97,46 m² unterschreitet mithin den vg. Schwellenwert von 100 m².
Besondere Umstände, die im Rahmen der anzustellenden Einzelfallbetrachtung dazu führen würden, dass hier von einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte auszugehen wäre, wurden von Klägerseite schon nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall weist die Ausstattung der Spielhalle der Beigeladenen keine derartigen Besonderheiten auf, dass von einem „zentralen Versorgungsbetrieb“ mit größerem, insbesondere überörtlichen Einzugsbereich gesprochen werden könnte. Auch aus der Art des Gebäudes, in dem sich die Spielhalle befindet, und der näheren Umgebung lassen sich keine Umstände entnehmen, die eine besonderen Attraktivität der Spielhalle begründen und damit die Annahme rechtfertigen würden, das Vorhaben sei auf ein größeres und allgemeines Publikum gerichtet. Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine derartige Befürchtung von Klägerseite schon nicht geäußert wurde, wie auch sonst von Seiten der Klägerin keinerlei Anhaltspunkte vorgebracht wurden, die dafür sprechen würden, dass die Spielhalle der Beigeladenen ihrer Zweckbestimmung nach der Eigenart des Baugebiets widersprechen würde.
Nach allem ist bei der streitgegenständlichen Spielhalle der Beigeladenen von einer nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätte auszugehen, die gemäß § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1977 ihrer Art nach als Gewerbebetrieb aller Art im Industriegebiet allgemein zulässig ist. Mithin ist im vorliegenden Fall das Einvernehmenserfordernis nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht gegeben.
2.4. Hieran vermag das Vorbringen der Klägerseite, dass „nach einheitlicher Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Senate hinweg (…) auch in Bebauungsplänen, für die die Vorgängerversionen der BauNVO 1990 gelten, Vergnügungsstätten in Industriegebieten grundsätzlich ausgeschlossen“ seien, wobei auf die Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 1996 (14 CS 95.3591) und vom 19. Oktober 2015 (1 B 15.886) verwiesen wird, und weiter vorgebracht wird, dass dem das Bundesverwaltungsgericht „nicht ausdrücklich entgegengetreten sei“, nichts zu ändern. Im Einzelnen:
Festzuhalten bleibt zunächst, dass das Bundesverwaltungsgericht auch noch nach dem Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 1996, nämlich im Urteil vom 24. Februar 2000 (4 C 23/98 – juris) hinsichtlich der Zulässigkeit einer Vergnügungsstätte in einem Industriegebiet nach der BauNVO 1977 entscheidend darauf abgestellt hat, ob es sich – nach einer typisierenden Betrachtung – um eine kerngebietstypische oder um eine nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt. So führt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 24. Februar 2000 (4 C 23/98 – juris) aus, dass „Diskotheken als kerngebietstypische Vergnügungsstätten (…) in einem Industriegebiet nach § 9 BauNVO unzulässig“ sind. Insoweit verweist das Bundesverwaltungsgericht auch in dieser Entscheidung auf seine frühere Rechtsprechung (U.v. 25.11.1983 – 4 C 64/79 – BVerwGE 68, 207), wonach nach den älteren Fassungen der BauNVO – also den vor der BauNVO 1990 – „Vergnügungsstätten grundsätzlich auch als sonstige Gewerbebetriebe zulässig sein“ können und er hält diese Rechtsprechung auch ausdrücklich aufrecht.
Darüber hinaus kann von einer einheitlichen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass Vergnügungsstätten in Industriegebieten nach der BauNVO 1977 oder früher grundsätzlich ausgeschlossen seien, nicht die Rede sein. So hat der 15. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 27. Januar 2017 (15 B 16.1834 – juris) diese Frage ausdrücklich offengelassen. Er führt insoweit (Rn. 19) aus: „Der Senat lässt die Frage dahinstehen, ob Bordellbetriebe in Industriegebieten bei typisierender Betrachtungsweise als grundsätzlich gebietsunverträglich und daher bauplanungsrechtlich unzulässig anzusehen sind (so jedenfalls grundsätzlich BayVGH, U.v. 19.10.2015 – 1 B 15.886 – NVwZ 2016, 706 ff. = juris Rn. 19 ff., unter Rekurs auf BVerwG, U.v. 25.11.1983 – 4 C 21.83 – BVerwGE 68, 213 ff. = juris Rn. 13; a.A. VG Freiburg/Breisgau, U.v. 24.10.2000 – 4 K 1178/99 – NVwZ 2001, 1442/1444; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 17; Decker in Jäde u.a., BauGB/BauNVO, 8. Aufl. 2017, § 9 BauNVO Rn. 4; Pützenbacher in Bönker/Bischopink, BauNVO, 1. Aufl. 2014, § 9 Rn. 53). Die streitgegenständliche Nutzungsänderung ist jedenfalls aus andern Gründen bauplanungsrechtlich unzulässig (…). Es bedarf daher keiner Entscheidung, inwiefern das Vorhaben aufgrund seiner Größe (Laufhaus mit 47 an Prostituierte zu vermietenden Arbeitszimmer) und dem z.B. daher zu erwartenden Park- bzw. An- und Abfahrtslärm als erheblich belästigender und deswegen auch bei Abstellen auf die Rechtsansicht des 1. Senats des Verwaltungsgerichtshofs dennoch als gebietsverträglicher Betrieb im Industriegebiet anzusehen ist (vgl. den Vorbehalt bei BayVGH, U.v. 19.10.2015 – 1 B 15.886 – NVwZ 2016, 706 ff. = juris Rn. 24: „anders als möglicherweise im Einzelfall erheblich belästigende Bordellbetriebe“)“.
Schließlich betreffen die von Klägerseite herangezogenen Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gerade nicht die hier streitgegenständliche Problematik einer Spielhalle und deren Einordnung als nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätte. Vielmehr ist streitgegenständlich in dem dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 1996 (14 CS 95.3591 – juris) zugrundeliegenden Verfahren eine Diskothek als eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Demgemäß hat der Senat in dem vg. Beschluss auch nicht darüber entschieden, ob eine nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätte bzw. Spielhalle in einem Industriegebiet nach der BauNVO 1968 unzulässig ist, sondern ob eine Diskothek als kerngebietstypische Vergnügungsstätte unzulässig ist („Ungeachtet dieser Überlegungen ist aber jedenfalls die Errichtung einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte in einem Industriegebiet ebenso wie in einem Gewerbegebiet unzulässig“, vgl. BayVGH, B.v. 13.2.1996 – 14 CS 95.3591 – juris Rn. 18). Dem Verfahren des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit dem Aktenzeichen 1 B 15.886 (U.v. 19.10.2015) liegt ebenfalls keine nichtkerngebietstypische Spielhalle, sondern ein kerngebietstypischer Bordellbetrieb zugrunde.
Schließlich wurden hier von Klägerseite auch keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen bzw. sind sonst wie ersichtlich, die im Sinne der von Klägerseite zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dafür sprechen würden, dass die hier streitgegenständliche Spielhalle der Beigeladenen sich als gebietsunverträglich für das klägerische Industriegebiet „** **********“ darstellen würde.
3. Nach alldem war die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.