Aktenzeichen RO 7 K 16.964
Leitsatz
Die formelle Baurechtswidrigkeit einer ungenehmigten Nutzung vermittelt Dritten keine Rechte, da das Genehmigungserfordernis allein öffentlichen Interessen dient, weswegen Dritte keinen Anspruch auf Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens haben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 23.02.2017, mit dem der Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten, wie es mit den vorliegenden Klageanträgen verfolgt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Behörde insoweit grundsätzlich ein Ermessen zusteht und allein eine objektive Baurechtswidrigkeit einer Nutzung noch nicht zu einem Anspruch eines Dritten gegen die Behörde führt, dass diese tätig wird. Grundvoraussetzung für einen Anspruch eines Dritten auf bauaufsichtliches Einschreiten ist zunächst, dass der Dritte durch die Anlage in seinen Rechten verletzt wird, was einen Verstoß der Anlage gegen nachbarschützende Vorschriften erfordert (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2014 -15 B 12.1450 – juris Rn. 22; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2017, Art. 76 Rn. 487). Nicht jede Verletzung drittschützender Normen führt aber ohne weiteres zu einem Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde. Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn die von einer rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen, und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt (vgl. Simon/Busse, a.a.O., Art. 76 Rn. 491 m.w.N.; BVerwG, U.v. 4.6.1996 – 4 C 15/95 – juris Rn. 17).
Der Beklagte hat insoweit nach Abschluss des Verwaltungsstreitverfahrens RO 7 K 14.1189 den Sachverhalt weiter aufgeklärt und mit Bescheid vom 23.02.2017 auf dieser Grundlage unter umfassender Würdigung der Umstände und Darlegung ihrer Erwägungen ein bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt. Es ergibt sich nicht, dass die Behörde dabei ermessensfehlerhaft gehandelt hätte, insbesondere liegt keine Ermessensreduzierung auf Null vor.
Auszugehen ist davon, dass das Feuerwehrgerätehaus aufgrund der erteilten Baubescheide bestandskräftig auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin genehmigt ist. Die Klägerin bzw. ihr Rechtsvorgänger haben nach den Behördenakten auf den Bauvorlagen jeweils als Nachbarn unterschrieben, Abwehrrechte sind daher aufgrund der Bestandskraft ausgeschlossen (vgl. Art. 66 Abs. 1 S. 2 BayBO bzw. die jeweiligen Vorgängerregelungen). Aus den Baugenehmigungsbescheiden und den zugrunde liegenden Bauvorlagen ergibt sich auch ohne nähere Betriebsbeschreibung, dass jedenfalls die mit einem Feuerwehrgerätehaus typischerweise verbundenen Nutzungen genehmigt sind (vgl. zu einem ähnlichen Fall BayVGH, B. v. 28.08.2017 – Az. 9 ZB 14.1283 – juris). Die Genehmigungen für das Feuerwehrgerätehaus umfassen auch Tätigkeiten zu Schulungs- und Ausbildungszecken, nachdem diese üblich und zur Erfüllung der Pflichtaufgabe der Gemeinde im Rahmen des abwehrenden Brandschutzes und des technischen Hilfsdienstes (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayFwG; § 1 Nr. 1 AVBayFwG) erforderlich sind und in den Bauvorlagen auch ein eigener Unterrichtsraum dargestellt ist. Nicht genehmigt ist demgegenüber die Nutzung als eine Art Vereinsheim für die Freiwillige Feuerwehr, nachdem die genehmigten Bauvorlagen diesbezüglich nichts Konkretes enthalten. Insoweit ist zu trennen zwischen der Freiwilligen Feuerwehr als gemeindlicher Einrichtung und dem bürgerlich-rechtlichen Feuerwehrverein (vgl. dazu BayVGH v. 28.08.2017, a.a.O.). Die Klägerin bzw. ihr Rechtsvorgänger hat eine Unbestimmtheit der erteilten Bauvorlagen vor Bestandskraft auch nicht geltend gemacht, sondern den Vorhaben zugestimmt.
1. Soweit die Klägerin in Nr. 1 des Klageantrags die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die Nutzung des Feuerwehrhauses und des Vorplatzes für Vereinsfeste und sonstige nicht vom Feuerwehrbetrieb veranlasste Zusammenkünfte zu untersagen, kommt als Rechtsgrundlage Art. 76 Satz 2 BayBO in Betracht. Danach kann eine Nutzung einer Anlage untersagt werden, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird.
Der Umstand, dass nach dem Vorstehenden die Durchführung von Vereinsfesten oder anderer Veranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehr als Verein nicht von der bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist, führt für sich genommen zu keinem Anspruch der Klägerin auf Untersagung von Vereinsfesten und sonstigen nicht vom eigentlichen Feuerwehrbetrieb veranlassten Zusammenkünften. Für den Erlass einer Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO genügt in tatbestandlicher Hinsicht zwar grundsätzlich eine formelle Baurechtswidrigkeit, d.h., dass eine bestimmte Nutzung nicht genehmigt ist. Das Genehmigungserfordernis dient aber allein öffentlichen Interessen und vermittelt Dritten keine Rechte. Deshalb haben Dritte auch keinen Anspruch auf Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens (vgl. BayVGH, U. v. 4.12.2014 – 15 B 12.1450 – juris; Decker, a.a.O., Art. 76 Rn. 501 m.w.N.).
Ein Anspruch ergibt sich auch sonst nicht. Der Beklagte hat sich im Bescheid vom 23.02.2017 ausdrücklich mit diesen Nutzungen befasst und ermessensfehlerfrei ein bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt. Der Beklagte hat insoweit den zugrunde liegenden Sachverhalt ausreichend ermittelt, indem er von der Beigeladenen unter Beteiligung der Freiwilligen Feuerwehr die Vorlage eines Nutzungskonzepts und ergänzende Stellungnahmen zu offenen Fragen und vorgebrachten Einwänden der Klägerin verlangt hat. Soweit die Klägerin einwendet, das Landratsamt habe die Nutzungen nicht selbst ermittelt, so bleibt offen, wie die Behörde dies machen soll. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte von der Beigeladenen, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zunächst eine nähere Darstellung der ausgeübten Nutzungen verlangt und bei Plausibilität der Angaben dies seiner Entscheidung zugrunde legt. Es wurde auch nicht substantiiert dargelegt, dass die der Entscheidung zugrunde gelegten Nutzungen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Das Landratsamt hat nach Beteiligung des Umweltschutzingenieurs die konkreten Umstände ausführlich gewürdigt und ist im Rahmen seiner Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass die zu erwartenden Immissionen nach Abwägung der beiderseitigen Interessen ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht gebietet. Das Landratsamt ist dabei auch auf die einzelnen Nutzungen wie Feuerwehrfeste (z.B. Gartenfest, Jahresabschlussfest), Grillfeste im Sommer, das gemeinsame Ansehen von Fußballspielen z.B. im Rahmen von Europa- oder Weltmeisterschaften, die Treffen der Jugendgruppen im Feuerwehrhaus und auch auf die Nutzungen auf dem Vorplatz, die nichts mit der Feuerwehr zu tun haben, wie das Brunnenfest des Siedlervereins, der Fronleichnamsprozession, Busabfahrten oder den sonstigen Aufenthalt von Jugendlichen auf dem Gelände eingegangen und hat hierbei sowohl die Häufigkeit und die damit verbundenen Belastungen für die Klägerin, die Zurechenbarkeit bestimmter Ereignisse an die Gemeinde bzw. Feuerwehr als auch die Interessen der Beigeladenen bzw. der Feuerwehr sowie die Sozialadäquanz berücksichtigt. Es ist weder konkret dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte sachfremde Erwägungen angestellt hat oder sonst Ermessensfehler vorliegen. Insbesondere ergibt sich nicht, dass die Nutzungen, soweit sie überhaupt baurechtlich relevant und der Beigeladenen zuzurechnen sind, für die Klägerin so erheblich wären, dass diese zwingend zu einem Übergewicht der Interessen der Klägerin gegenüber den Interessen der Beigeladenen führen würden. Insoweit ergeben sich aus der Stellungnahme des beteiligten Umweltschutzingenieurs vom 5.8.2016 und der dort geschilderten Umstände keine Anhaltspunkte dafür, dass Lärmbelästigungen ein Maß erreichen würden, die ein Einschreiten im Hinblick auf die Interessen der Klägerin zwingend gebieten würden.
2. Die Klage bleibt auch hinsichtlich Nr. 2 des Klageantrags ohne Erfolg. Insoweit ist schon unklar, was konkret mit einem strukturierten Nutzungskonzept gemeint ist, das der Beklagte von der Gemeinde und/oder der Freiwilligen Feuerwehr verlangen soll und wie damit die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA-Lärm nachgewiesen werden könnte. Ein Anspruch hierauf ist jedenfalls nicht dargelegt oder sonst ersichtlich. Dies gilt auch, soweit weiter beantragt wird den Beklagten zu verpflichten, nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage eines immissionsschutzfachlichen Gutachtens bauaufsichtliche Anforderungen zur Einhaltung dieser Immissionsrichtwerte zu erlassen.
Soweit es um die typischen mit einem Feuerwehrgerätehaus verbundenen Nutzungen geht, hat der Beklagte im Bescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass insoweit Bestandschutz besteht und daher nach Art. 54 Abs. 4 BayBO Anforderungen nur gestellt werden können, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Die begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens mit dem Ziel, dass der Beklagte auf dieser Grundlage Anordnungen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der TA-Lärm erlässt, kann daher auf diese Rechtsgrundlage nicht gestützt werden, da die TA-Lärm (soweit diese hier überhaupt unmittelbar anwendbar ist oder man diese als Orientierungshilfe heranzieht) nicht die Bestimmung von erheblichen Gefahren für Leib oder Lebens im Sinne des Art. 54 Abs. 4 BayBO zum Gegenstand hat, sondern die Frage der Zumutbarkeit im Rahmen des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots bzw. des Vorliegens von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG. Insoweit liegt im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 BayBO die Schwelle für ein Einschreiten für genehmigte Nutzungen höher.
Auch soweit es der Klägerin um Nutzungen geht, die von der Baugenehmigung nicht gedeckt sind (wiederum unter der Voraussetzung, dass diese überhaupt baurechtlich relevant und der Beigeladenen bzw. der Feuerwehr zuzurechnen sind), begründet die Nichteinhaltung der Immissionsgrenzwerte der TA-Lärm für sich genommen keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Tätigwerden, etwa nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO oder Art. 76 S. 2 BayBO. Denn wie ausgeführt setzt ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten einen erheblichen Grad an Beeinträchtigungen des Nachbarn voraus, der im konkreten Fall nach Würdigung aller Umstände zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt. Auch diese Grenze wird nicht von der TA-Lärm bestimmt. Die Klägerin hat im Rahmen der Bauaufsicht keinen Anspruch auf ein Einschreiten dahingehend, dass die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm eingehalten werden und der Beklagte mit diesem Ziel ein immissionsschutzfachliches Gutachten einholt.
Unabhängig davon hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid die konkreten Nutzungen umfassend, d.h. unabhängig davon, ob sie von den bestandskräftigen Genehmigungen umfasst sind oder nicht, gewürdigt und ist auf der Grundlage einer immissionsschutzfachlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zwar durch Lärm betroffen ist, das Maß des Zumutbaren jedoch nicht überschritten ist. Er hat dabei berücksichtigt, dass von Seiten der Beigeladenen bzw. der Feuerwehr durch technische und betriebliche Lärmminderungsmaßnahmen die Belastung verringert wurde und die vom Umweltschutzingenieur des Beklagten vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt werden. So sind beispielsweise mittlerweile die vier Parkplätze vor dem Feuerwehrgerätehaus an der Südseite des Vorplatzes entfallen, nachdem der Umweltschutzingenieur dies empfohlen hat. Auch wird die technische Prüfung von lärmintensiven Gerätschaften nun so weit wie möglich innerhalb des Feuerwehrgerätehauses durchgeführt, nachdem die installierte Absaugvorrichtung hierfür geeignet ist. Besonders lärmintensive Prüfungen bzw. Übungen werden weitgehend nicht mehr auf dem Gelände des Feuerwehrgerätehauses durchgeführt. Bei der Abgas-Absauganlage an der Rückseite wurde ein Schalldämpfer eingebaut, durch Abriss der dahinterliegenden Trafostation wurde die Situation in Bezug auf die Klägerin durch den dadurch bewirkten Wegfall von Schallreflexionen deutlich verbessert. Insgesamt konnte der Beklagte nachvollziehbar und in nicht zu beanstandender Weise auch ohne detaillierte Begutachtung bzw. Einholung eines Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass die Belästigungen bzw. Belastungen der Klägerin nicht ein Maß erreichen, die so erheblich sind, dass nach Würdigung der Gesamtumstände und der berechtigten Interessen der Beigeladenen bzw. der Feuerwehr im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung nur ein bauaufsichtliches Einschreiten ermessensgerecht ist. Auch ansonsten sind Ermessensfehler nicht dargelegt oder ersichtlich.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, die Kosten der Beigeladenen, die keinen eigenen Antrag zur Sache gestellt hat und deshalb kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), gem. § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht im Sinne des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.